Implantatakupunktur - Eine neue Möglichkeit zur Behandlung chronischer Krankheiten Dr. med. Ulrich Werth 1. Die Entdeckung An einem Tag des Jahres 1998 betrat eine Patientin mit Trigeminusneuralgie meine Praxis. Sie litt seit sieben Jahren unter dieser Krankheit und hatte sicher starke Schmerzen. Ich suchte den Ohrpunkt des Nervus Trigeminus (französischer Punkt, siehe Abbildung 1), Nadelsitz (unter der Haut) bei Patientin mit Trigeminusneuralgie Abb. 1 und ich drückte die Dauernadel (die ASP-Nadel, siehe Abbildung 2) stärker als normal unter die Haut. Herkömmliche Dauernadel mit Applikator Nadel Applikator Abb. 2 Die Behandlung half erstaunlich gut, und die Patientin kam nicht erst nach drei Wochen wieder. Dann brachte sie Blumen und sagte: Ich bin geheilt. Ich untersuchte ihr Ohr und bemerkte die kleinere Dauernadel unter der Haut am Trigeminuspunkt. Die Patientin hatte sie nicht gespürt. Sie war schmerzfrei und glücklich. Die Nadel war bedeckt mit Haut, und die Patientin konnte diese nicht fühlen. Es gab weder eine Nebenwirkung, noch störte die Nadel. Es konnte auch nicht zu einer Entzündung kommen, weil die Haut über der Nadel geschlossen und so keine Eintrittspforte für Bakterien da war, wie es bei der herkömmlichen Anwendung der Dauernadeln der Fall ist. 1
Bezüglich einer sonst bei Splittern im Auge vorliegenden Gefahr, der Wanderung, erinnerte ich mich an einen Patienten, der seit Jahren einen Minisplitter im Ohrläppchen als Folge des zweiten Weltkrieges hatte. Er war fest eingewachsen und hatte sich nicht vom Platz bewegt, so dass diesbezüglich kein Risiko vorlag. Aber zur Zeit der Behandlung dieser Patientin mit Trigeminusneuralgie konnte ich noch nicht so weit denken, um die Möglichkeit zu nutzen. Ich dachte noch wie alle Akupunkteure und entfernte die Nadel, doch der Schmerz war danach genauso stark wie vorher. Trotz Bitten der Patientin konnte ich zu dieser Zeit die Dauernadel mit dem 1+1 mm Kopf nicht wieder unter die Haut bringen. Mit der anschließenden normalen Akupunktur war es erst nach ca. 3 Sitzungen möglich, eine Besserung zu erreichen. Später beurteilte ich die Beobachtung jedoch so, dass hier eine viel bessere Möglichkeit für eine Dauerakupunktur vorlag, die erfolgreicher, risikoärmer (keine Entzündung) und schmerzärmer (keine störenden Nadeln am Ohr) war. In den nächsten Monaten nach dieser Zufallsentdeckung dachte ich über eine neue Permanent-Nadel ohne Kopf aus gewebefreundlichem, für Implantation geeignetem Material nach. Es musste möglich sein, die Permanentnadeln leichter unter die Haut zu bekommen (siehe Abbildung 3). Implantatnadel nach Werth neu bisher neue Nadelform für Implantation längerer Kolben des Applikators (=Implantator) Material = Titan Abb. 3 Der Kolben in der Röhre des Applikators (=Implantator) musste länger sein. Aber die Entdeckung konnte nur dann von großer Bedeutung sein, wenn die implantierte Nadel einen bleibenden, also einen Dauereffekt hatte. Dieser sollte bald geprüft werden. 2. Weitere Beobachtungen Die erste Studie Der Dauereffekt Jetzt war es erforderlich, die Dauerwirkung implantierter Nadeln nachzuweisen, bevor eine Firma mit der Herstellung der neuen Implantatnadeln beauftragt werden konnte. Bis dahin musste ich die alten ASP-Nadeln mit dem Kopf benutzen. Um diese Nadeln unter die Haut zu bringen, benutzte ich einen Zahnstopfer aus der Zahnarztpraxis. Mit dieser Technik gelang die Implantation. Ende 2 kam ein Patient mit beginnender Kniegelenksarthrose mit zwei Krücken in die Praxis. Ich implantierte die ASP-Nadeln am aktiven chinesischen Kniepunkt unter die Haut (siehe Abbildung 4). 2
Eingewachsene Nadel am chinesischen Kniepunkt bei Patient mit beginnender Arthrose Abb. 4 Nach zwei Tagen war die Haut über der Nadel geschlossen, der Patient hatte keinen Schmerz am Ohr, und die Nadel störte nicht. Nach drei Wochen kam er ohne Krücken und ohne Knieschmerzen in die Praxis und war glücklich. Es erschien nötig, eine Studie mit einer größeren Anzahl Patienten durchzuführen, um den Dauereffekt nachzuweisen. Diese Studie wurde auf dem 9. Weltkongress für Akupunktur in Berlin 21 veröffentlicht. Ich behandelte 4 Patienten mit normaler Akupunktur, mit der herkömmlichen Anwendung der ASP-Dauernadeln. Bei Patienten wurden die Nadeln implantiert. Die Patienten wurden zufällig je nach Zeit in der Praxis mit der ersten oder der zweiten Methode behandelt. Es waren am häufigsten Patienten mit Gelenkschmerzen, aber auch Übergewicht, mit hohem Blutdruck, Nikotin- oder Alkoholentwöhnung, oder sie litten unter Allergien oder Depressionen (siehe Abbildung ). Beide Gruppen waren ähnlich. Zusammensetzung der Populationen 1 6 h e rkö m lic h e A ku p u n k t u r Im p la n ta t A ku p u n kt u r 4 49 1 4 1 2 1 8 6 4 2 Schmerzsyndrome Übergewicht Hypertonie Allergien depressive Syndrome Nikotinentwöhnung Alkoholentwöhnung Abb. Nach der Behandlung wurden die Patienten befragt, ob es ihnen in bezug auf die Beschwerden besser ginge oder nicht. Über die Beobachtungszeit von elf Wochen hatten sich die in Abbildung 6 dargestellten Ergebnisse gezeigt. 3
Nachweis des Dauereffektes implantat Patienten herkömmliche Akupunktur 12% 1% 8% 6% 4% 2% % 2,% 2,% 1. Tag 7. Tag 3-4 Wo 11. Wo Zeit nach der Behandlung 1% 8% Nadeln herausgefallen Dauereffekt Abb. 6 Die blaue Säule zeigt den Dauereffekt. Nach elf Wochen haben alle Patienten, bei denen die Implantatnadeln noch im Ohr waren (8% der Implantat-Patienten), also 1%, noch eine Besserung gegenüber vor der Behandlung angegeben. 1% der Patienten hatten die für die Implantation zu großen Dauernadeln verloren und verspürten keinen Effekt mehr. Bei den Patienten mit der herkömmlichen Behandlung war nur bei einem Patienten ein dauernder Effekt zu beobachten. Nach 2, Jahren befragte ich die 1 mit implantierten Nadeln behandelten Schmerzpatienten nach der Wirkung. 14 von 1 waren immer noch schmerzfrei. Nur ein Patient mit fortgeschrittener Kniegelenksarthrose bestätigte keinen Dauereffekt. Er benötigte ein künstliches Kniegelenk und wurde operiert (siehe Abbildung 7). Von 1 Schmerzpatienten waren 14 schmerzfrei 1% 1 schmerzfrei nach 2, Jahren Behandlung Fortgeschrittene Kniegelenksarthrose mit OP-Termin Abb. 7 Das war der Beweis für den Dauereffekt, der mit Implantatakupunktur mit einer Sitzung erreicht werden kann, und zeigt deutlich den Vorteil und die Überlegenheit über die herkömmliche Akupunkturmethode. 4
3. Die erste Parkinson-Studie Sechs Wochen vor dem 9. Weltkongress kam ein Patient, der seit 24 Jahren unter Parkinson litt, zu mir. Er bat mich, ihn mit Implantatakupunktur zu behandeln. Ich suchte die Punkte für die Substantia nigra und die anderen gestörten Hirnregionen und implantierte die Nadeln unter die Haut des äußeren Ohres. Am Anfang bemerkte der Patient keinen Effekt, aber nach drei Wochen verstärkte sich seine Beweglichkeit so, dass er die Parkinson-Medizin reduzieren musste. Danach kam sein Bekannter, ebenfalls ein Parkinson-Patient. Dieser beobachtete den selben Effekt. Ich berichtete auf dem 9. Weltkongress über diese Beobachtung. Dies war das am meisten interessierende Ergebnis. Jedoch war es erforderlich, mehr Fakten und Daten über die neue Möglichkeit der Parkinson-Behandlung zu sammeln. Im September 21 behandelte ich 28 Parkinson-Patienten mit der neuen Methode unter Verwendung der neu entwickelten Titan-Nadeln. Ende Oktober wurden die Patienten nach ihrem Befinden befragt: 1. Ist es möglich, die Parkinson-Medizin zu reduzieren? 2. Hat sich die Beweglichkeit verbessert? 3. Wie ist die Stimmung? 4. Hat das Zittern nachgelassen?. Hat die Stuhlverstopfung nachgelassen? 6. Hat sich die Lebensqualität verbessert? Das Ergebnis war erstaunlich: 27 Patienten (>97%) berichteten über eine bessere Lebensqualität. Mehr als die Hälfte der Fragen wurden positiv beantwortet. Ich veröffentlichte diese Ergebnisse auf dem Experten-Kongress der Europäischen Akademie für Aurikulomedizin am 17.1.21 in Garmisch-Partenkirchen und später in der Deutschen Zeitschrift für Akupunktur (Dt. Zschr. F. Akup. 22/2). Da die Resultate so erstaunlich positiv ausfielen, war es erforderlich, eine Studie nach strengeren wissenschaftlichen Kriterien durchzuführen. 4. Die wissenschaftliche Studie über die Behandlung von Parkinson Frau Prof. Alexandra Henneberg, die damalige Chefärztin der größten Parkinsonklinik Europas in Bad Nauheim, teilte ihr Interesse an der Überprüfung der Methode mit. Zunächst hatte ich fünf von ihr ausgewählte Patienten mit meiner Methode zu behandeln. Sie wurden von den Ärzten der Klinik vorher, nach der Nadelimplantation und über sechs Wochen danach mit dem international üblichen Parkinson-Test untersucht. Bei vier von fünf Patienten zeigte sich eine Besserung. Eine Patientin konnte die Medikamente stark reduzieren. Die Auswahl der Patienten und die Untersuchung der Patienten erfolgte nicht durch mich, so dass der subjektive Einfluss des Erfinders der Methode ausgeschlossen war.
In gleicher Weise wurden im Januar 22 zwanzig Patienten mit essentiellem Parkinson untersucht und behandelt. Diese Patienten wurden über ein Vierteljahr kontinuierlich durch 14-tägige Untersuchungen beobachtet. Bei 16 von 2 ist eine eindeutige Besserung des Befindens zu verzeichnen (Senkung der Kurve; Endpunkt rechts liegt deutlich tiefer als der Anfangspunkt vor der Behandlung). Ein weiterer Patient wurde später untersucht, dessen Zustand sich ebenfalls eindeutig verbessert hatte (Senkung des UPdRS-Wertes). Die Kurven sind in Abbildung 8 27 zu sehen. Patient 1 Patient 2 2 6 2 1 1 4 3 2 1 Abb. 8 Abb. 9 Patient 3 Patient 4 4 4 3 3 2 3 2 2 1 1 2 1 1 Abb. 1 Abb.11 Patient Patient 6 6 4 3 2 1 V N s1 s2 1 9 8 7 6 4 3 2 1 V N s1 s2 s3 s s6 Abb. 12 Abb. 13 6
Patient 7 Patient 8 7 6 4 3 2 1 Patient 9 7 6 4 3 2 1 Abb. 14 Abb. 1 Patient 1 8 7 6 4 3 2 1 V N s2 s3 s4 s s6 4 4 3 3 2 2 1 1 Abb. 16 Abb. 17 Patient 11 Patient 12 4 3 3 2 2 1 1 4 3 3 2 2 1 1 V N s1 s2 s3 s4 s6 Abb. 18 Abb. 19 Patient 13 Patient 14 6 8 4 3 2 1 7 6 4 3 2 1 V N s1 s2 s3 s4 Abb. 2 Abb. 21 7
Patient 1 Patient 16 8 7 6 4 3 2 1 V N s1 s2 s3 s4 4 4 3 3 2 2 1 1 V N s1 s2 s3 s4 Abb. 22 Abb. 23 Patient 17 Patient 18 6 4 3 2 16 14 12 1 8 6 4 1 V N s1 s2 s3 s4 s6 2 V N s1 s2 s3 s4 s6 Abb. 24 Abb. 2 Patient 19 Patient 2 6 4 3 2 9 8 7 6 4 3 1 2 1 Abb. 26 Abb. 27 In den Diagrammen ist die langsame Senkung der Kurven und damit der UPdRS-Werte (=Maß für die Ausprägung der Parkinson-Symptome) bei 16 Patienten eindeutig zu sehen. Daraus resultiert auch eine deutlich bessere Lebensqualität als vor der Behandlung. Eine der untersuchten Patienten wurde ein Jahr später von Frau Prof. Henneberg mit dem UPdRS getestet. Das verbesserte Befinden war erhalten geblieben. Die Ergebnisse zeigen, dass hier eine gute Zusatztherapie für Parkinson vorliegt, die neben den anderen Behandlungsmethoden die Lebensqualität der Parkinson-Patienten verbessern kann. Weitere Informationen sollten durch den Vergleich des Verlaufs einer Gruppe mit Implantatakupunktur und einer Gruppe ohne Implantatakupunktur gewonnen werden. 8
Wichtig ist die Frage, ob der Verlauf über mehrere Jahre wirklich günstiger und somit das Fortschreiten der Krankheit gebremst wird. Unter Anwendung des Laimer-Tests wurde festgestellt, dass subjektive Aussagen der Patienten weitgehend nicht mit den objektiven UPdRS-Werten konform gehen.. Zusammenfassung meiner Erfahrungen Seit der Entdeckung der Implantatakupunktur vor 2, Jahren, habe ich insgesamt ca. 1 Patienten mit dieser Methode behandelt. Davon waren ca. 8 Parkinson-Patienten. Mehr als 1 litten unter Gelenkschmerzen (einschließlich Rheumatoid Arthritis). In diesen Fällen ist die Behandlung indiziert. Es ist eine absolute Indikation. Aufklärung und Einverständnis des Patienten sind Voraussetzung. Andere chronische Erkrankungen, neurologische Erkrankungen, wie ALS (amyotrophe Lateralsklerose), scheinen auch Indikationen zu sein. Die Ergebnisse reichen jedoch noch nicht aus, verbindliche Aussagen zu machen. Von zehn ALS-Patienten gaben neun nach drei sechs Monaten Besserung an. Hypertonie ist ebenfalls eine Indikation. Bei Alkoholismus kann die Implantatakupunktur unterstützend wirken. Bei der Nikotinentwöhnung ebenso. Allerdings sollte die Motivation des Patienten hier besonders einbezogen werden. Das gleiche gilt für Übergewicht. 6. Schlussfolgerungen Schlussfolgernd kann gesagt werden: - Auf Grund der positiven Ergebnisse muss durch weitere Studien festgestellt werden, welche Möglichkeiten sich chronisch Kranken eröffnen, die ihnen nicht vorenthalten werden können. - Ich werde diese Methode anderen Akupunkteuren übermitteln, um möglichst vielen Patienten helfen zu können. - Es soll ein Antrag an das Bundesversicherungsamt gestellt werden, die Methode als Kassenleistung anzuerkennen. Dr. med. Ulrich Werth April 23 Autor: Dr. med. Ulrich Werth Otto-von-Guericke-Str. 6 D-3914 Magdeburg Tel. (+49) 391 43281 Fax: (+49) 391 43286 Fax privat: (+49) 391 41971 Mobil: (+49) 172 327319 E-mail: ulliwerth@t-online.de 9