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Transkript:

www.pflegekinderinfo.de VG Würzburg vom 12.05.2011 I. Der Bescheid des Beklagten vom 17. Juni 2009 sowie der Widerspruchsbescheid der Regierung von Unterfranken vom 24. November 2009 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin vom 4. Dezember 2008 bis längstens 8. November 2024 Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege gemäß 27, 33 SGB VIII für das Kind C L zu gewähren. II. Der Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. Die Hinzuziehung der Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für erforderlich erklärt. Tatbestand Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Verpflichtung des Beklagten zur Bewilligung von Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege für die in ihrem Haushalt lebende Enkeltochter C L. Die Klägerin ist die Großmutter der am 9. November 2006 geborenen C L. Die Enkelin wurde seit ihrer Geburt überwiegend von der Klägerin versorgt und betreut. Mit amtsgerichtlichem Beschluss vom 1. April 2008 wurde der Klägerin die elterliche Sorge für die Enkeltochter übertragen. Am 4. Dezember 2008 beantragte die Klägerin beim Beklagten Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege gemäß 27, 33 SGB VIII. Zur Begründung des Antrags war ausgeführt, dass Leistungen der Sozialhilfe nicht gewährt würden und eine finanzielle Unterstützung notwendig sei. Mit Bescheid des Beklagten vom 17. Juni 2009 wurde der Antrag der Klägerin abgelehnt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Anspruch bereits an der Vorschrift des 36a Abs. 3 SGB scheitere. Durch die Aufnahme des Enkelkindes nach der Geburt hätte sich die Klägerin die beantragte Hilfe selbst beschafft. Von der Kindsmutter sei nie ein Antrag auf Hilfe zur Erziehung gestellt worden. Von der Klägerin, die seit dem 1. April 2008 Sorgeberechtigte sei, sei erst am 4. Dezember 2008 ein entsprechender Antrag gestellt worden. Die Gewährung von Hilfemaßnahmen nach dem SGB VIII erfordere jedoch einen entsprechenden Antrag bei dem zuständigen Träger, der zudem grundsätzlich so rechtzeitig gestellt werden müsse, dass der Jugendhilfeträger zu pflichtgemäßer Prüfung sowohl der Anspruchsvoraussetzungen als auch möglicher Hilfemaßnahmen in der Lage sei. Es entspreche nicht dem gesetzlichen Auftrag des Jugendhilfeträgers, nur Zahlstelle und nicht Leistungsträger zu sein. Der Klägerin käme es zudem vornehmlich auf finanzielle Leistungen und nicht auf pädagogische Leistungen der Jugendhilfe an. Darüber hinaus sei kein Bedarf auf Hilfe zur Erziehung für C L gegeben. Die jetzigen Umstände entsprächen dem Wohl des Kindes. Die für eine gute Entwicklung des Kindes erforderlichen Rahmenbedingungen seien gegeben. Mit Schreiben vom 10. Juli 2009, eingegangen beim Beklagten am 13. Juli 2009, erhob die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 17. Juni 2009. Der Klägerin stünde der geltend gemachte Anspruch zu, da die von ihr ausgeübte Verwandtenpflege die geeignete und notwendige Hilfe für das Enkelkind sei. Die Verwandtschaft zum Enkelkind sei kein sachlicher

Differenzierungsgrund, um Pflegegeld nicht auszuzahlen. Mit Widerspruchsbescheid der Regierung von Unterfranken vom 24. November 2009 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass bei der Enkelin der Klägerin bereits kein Bedarf an einer Hilfe zur Erziehung gegeben sei. Es möge zwar sein, dass der Aufenthalt der Enkelin bei ihren Großeltern eine geeignete Maßnahme sei, damit sie dort die erforderliche Erziehung erhalte. Weiterhin sei auch anzunehmen, dass sie sich dort wohlfühle. Dies rechtfertige jedoch nicht die Gewährung einer Hilfe zur Erziehung. Im Gegenteil würden insbesondere auch die beim Hausbesuch gewonnenen Erkenntnisse des Jugendamtes den Schluss zulassen, dass die Enkelin und ihre Großeltern gerade keine pädagogische Unterstützung benötigen würden. Der Hilfebedarf hätte wohl eher nach der Geburt von C bei der Kindsmutter im Hinblick auf die Betreuung, Versorgung und Erziehung bestanden. Mit ihrer am 22. Dezember 2009 beim Verwaltungsgericht Würzburg eingegangener Klage beantragte die Klägerin zuletzt, den Bescheid des Beklagten vom 17. Juni 2009 sowie den Widerspruchsbescheid der Regierung von Unterfranken vom 24. November 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin ab 4. Dezember 2008 bis längstens 8. November 2024 Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege gemäß 27, 33 SGB VIII für das Kind C L zu gewähren. Es wurde ausgeführt, dass die Klägerin aufgrund der Tatsache, dass die Kindsmutter sich nicht um ihr Kind gekümmert hätte, gezwungen gewesen wäre, kurzfristige Maßnahmen zum Wohl ihres Enkelkindes zu treffen. Aus diesem Grunde hätte die Klägerin vor dem Amtsgericht Haßfurt die Übertragung der elterlichen Sorge beantragt, die mit Beschluss vom 1. April 2008 auch erfolgt sei. Zu diesem Zeitpunkt sei folglich unzweifelhaft eine Defizitsituation bei der Enkeltochter gegeben gewesen, welche einen Anspruch auf Gewährung von Hilfe zur Erziehung begründet hätte. Richtig sei zwar, dass am 4. Dezember 2008 bei Antragstellung eine dem Wohl des Kindes entsprechende Erziehung gewährleistet gewesen wäre. Jedoch müsse hier auf den Zeitpunkt abgestellt werden, zu welchem die Enkeltochter in den Haushalt der Klägerin gekommen sei. Zu diesem Zeitpunkt hätte ein Hilfebedarf vorgelegen. Die Vorschrift des 36a Abs. 3 SGB VIII könne dem Anspruch nicht entgegenstehen. Die Betreuung der Enkelin sei zunächst ohne staatliche Hilfe versucht worden. Schließlich sah sich die Klägerin gezwungen, staatliche Hilfe zu beantragen, um die Grundbedürfnisse ihrer Enkeltochter decken zu können. Dies sei mit Antrag vom 4. Dezember 2008 erfolgt, worin ein schuldhaftes Zögern nicht gesehen werden könne. Der Antrag sei unmittelbar zu dem Zeitpunkt gestellt worden, in welchem die Klägerin die Hilfebedürftigkeit des Kindes aufgrund des Ausfalls anderweitiger finanzieller Leistungen erkannt hätte. Der Beklagte sei in diesem Zeitpunkt in der Lage gewesen, entsprechende Hilfemaßnahmen zu prüfen und eine kooperative Zusammenarbeit mit der Klägerin zu beginnen. Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Zur Begründung wurde erneut vorgetragen, dass der Anspruch bereits an der Vorschrift des 36a Abs. 3 SGB VIII scheitere. Eine Selbstbeschaffung der Hilfe sei nur bei einem sogenannten Systemversagen zulässig. Die Voraussetzungen der zulässigen Selbstbeschaffung würden vorliegend nicht gegeben sein, da es bereits an der Aktivierung des Systems i.s. von 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII fehlen würde, nachdem weder rechtzeitig ein Antrag auf Hilfe zur Erziehung gestellt noch eine eindeutige Willensbekundung des Leistungsberechtigten gegenüber dem Beklagten abgegeben worden sei. Die Klägerin hätte das Enkelkind bereits kurz nach der Geburt bei sich aufgenommen. Der Antrag auf Jugendhilfe sei demgegenüber erst am 4. Dezember 2008 gestellt worden, obwohl die Klägerin bereits seit dem 1. April 2008

sorgeberechtigt gewesen sei. Der Klägerin sei es keinesfalls objektiv unmöglich gewesen, das Jugendamt rechtzeitig in Kenntnis zu setzen. Darüber hinaus sei bei der Enkelin auch kein entsprechender Hilfebedarf gegeben. Die einschlägigen Behördenakten wurden zum Verfahren beigezogen. Auf ihren Inhalt sowie auf den Inhalt der Gerichtsakte einschließlich der Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen. Entscheidungsgründe Die zulässige Verpflichtungsklage ist begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 17. Juni 2009 sowie der diesen Bescheid bestätigende Widerspruchsbescheid der Regierung von Unterfranken vom 24. November 2009 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten i.s. von 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Gewährung von Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege gemäß 27, 33 SGB VIII für das Kind C L in dem Zeitraum vom 4. Dezember 2008 bis längstens 8. November 2024 (Eintritt der Volljährigkeit der Hilfeempfängerin) gegen den Beklagten zu, 113 Abs. 5 VwGO. Inhaber eines etwaigen Anspruchs auf Hilfe zur Erziehung nach den 27 ff. SGB VIII kann grundsätzlich nur der Personensorgeberechtigte sein. Nach 27 Abs. 1 SGB VIII hat nämlich der Personensorgeberechtigte bei der Erziehung eines Kindes oder Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist. Die Hilfe zur Erziehung wird insbesondere nach Maßgabe der 28 bis 35 SGB VIII gewährt. Art und Umfang der Hilfe richten sich nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall; dabei sollen das engere soziale Umfeld des Kindes oder Jugendlichen einbezogen werden ( 27 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB VIII). Die Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege nach Maßgabe des 33 SGB VIII soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder Jugendlichen und seinen persönlichen Bindungen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie Kindern und Jugendlichen in einer anderen Familie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten. Der Klägerin steht aufgrund des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 1. April 2008 das alleinige Personensorgerecht für die Enkelin zu; sie ist mithin anspruchsberechtigt. Aber auch die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege nach 27, 33 SGB VIII sind gegeben. Vorab ist klarzustellen und insoweit zwischen den Beteiligten auch unstreitig -, dass dem Anspruch der Klägerin nicht entgegensteht, dass es sich bei dem Pflegeverhältnis um eine sogenannte Verwandtenpflege durch die Klägerin als Großmutter handelt. Weder Wortlaut noch Sinn und Zweck der Vorschrift des 33 SGB VIII nehmen sogenannte Verwandtenpflegestellen von der Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege aus. Maßgeblich für die Gewährung der Hilfe zur Erziehung ist damit ausschließlich, dass ein erzieherischer Bedarf bei der Enkeltochter besteht, der durch die leiblichen Eltern des Kindes oder Jugendlichen nicht erfüllt wird, und die Erziehung in einer anderen Familien dem erzieherischen Bedarf des Kindes oder Jugendlichen angemessen Rechnung trägt. 27 Abs. 2a SGB VIII stellt nunmehr auch ausdrücklich klar, dass dies grundsätzlich auch dann gilt, wenn es sich bei der anderen Familie um unterhaltspflichtige Verwandte, also etwa wie hier die Großmutter, handelt. Vorliegend ist für den streitgegenständlichen Zeitraum das Vorliegen eines solchen erzieherischen Bedarfs zu bejahen. Die leibliche Mutter von C L war seit der Geburt der Tochter nicht bereit bzw. nicht in der Lage, sich um diese und deren Erziehung zu kümmern. In der mündlichen Verhandlung wurde erneut bestätigt, dass C L bereits wenige

Tage nach der Geburt allein von der Großmutter betreut und versorgt worden ist. Entgegen der Annahme der Beklagtenseite lässt der Umstand, dass die Klägerin der Enkeltochter anstelle der leiblichen Mutter die notwendige Erziehung und Betreuung angedeihen ließ, den Bedarf an Hilfe zur Erziehung, der zunächst bei der leiblichen Mutter der Hilfeempfängerin als deren sogenannte Herkunftsfamilie bestand und mangels weiterer Bereitschaft bzw. Fähigkeit der leiblichen Mutter, ihre Tochter in Zukunft zu erziehen, auch weiter fortbesteht, nicht entfallen. Es ist mithin nicht erforderlich, dass auch in der nunmehrigen Pflegefamilie, also bei der Klägerin, ein erzieherisches Defizit vorliegt, dem mit Mitteln der Hilfe zur Erziehung begegnet werden müsste. Ein solches Defizit würde eher dazu führen, die erzieherische Eignung der Klägerin in Frage zu stellen. Ein entsprechender Hilfebedarf liegt nach alldem vor. Vorliegend ist auch von der entsprechenden Eignung der Klägerin als Pflegeperson auszugehen. Dies wird dem Grunde nach vom Beklagten wie es sich aufgrund der Aktenlage und nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung darstellt - auch nicht bestritten. Bei dieser Wertung ist zudem zu beachten, dass das Amtsgericht Haßfurt im Rahmen seines Beschlusses bezüglich der Sorgerechtsübertragung vom 1. April 2008 in den Gründen festgestellt hat, dass die Klägerin sich in vollem Umfang um das Wohlergehen der Enkeltochter einschließlich der Gesundheitsfürsorge kümmern würde und auch etwaige Vermögensangelegenheiten besorgen würde. Auch die Regierung von Unterfranken stellte in ihrer Begründung der Zurückweisung des Widerspruchs der Klägerin vom 24. November 2009 fest, dass der Aufenthalt C s bei ihren Großeltern eine geeignete Maßnahme ist, damit sie die erforderliche Erziehung erhalte; weiterhin ist auch anzunehmen, dass sie sich dort wohlfühlt. Es bestehen somit keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Vollzeitpflege durch die Klägerin nicht die für die Hilfeempfängerin geeignete und erforderliche Maßnahme wäre. Nach der oben zitierten Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts ist als zusätzliche Anspruchsvoraussetzung noch zu beachten, dass allein der Umstand, dass die leiblichen Eltern dem Anspruch eines Kindes auf Pflege und Erziehung in eigener Person nicht gerecht werden wie hier, für sich genommen noch nicht notwendig bewirkt, dass der erzieherische Bedarf ohne Hilfe zur Erziehung nicht gedeckt wäre. Die erforderliche Betreuung und Erziehung minderjähriger Kinder durch einen Vormund oder einen Verwandten kann nämlich auch ohne öffentliche Jugendhilfe grundsätzlich geleistet werden. Wenn und solange dieser Verwandte im Einvernehmen mit dem Personensorgeberechtigten oder gar als eingesetzter Personensorgeberechtigter den erzieherischen Bedarf des Kindes freiwillig unentgeltlich deckt, ist öffentliche Hilfe zur Erziehung nicht notwendig i.s. von 27 Abs. 1 SGB VIII und es besteht damit auch kein Anspruch auf die Leistung von Unterhalt gemäß 39 SGB VIII (BVerwG v. 12.09.1996 NJW 1997, 2831). Die Klägerin hat indes durch die Stellung ihres Antrags auf Gewährung von Hilfe zur Erziehung vom 4. Dezember 2008 konkludent zum Ausdruck gebracht, zu einer freiwilligen unentgeltlichen Pflege ihrer Enkelin nicht mehr bereit zu sein. Aufgrund der finanziellen Situation der Klägerin (Anmeldung der Verbraucherinsolvenz) erscheint dies für das Gericht auch als verständlich und nachvollziehbar. Im Hinblick auf das Argument der Beklagtenseite, wonach es der Klägerin bei Stellung des Antrags vornehmlich auf die finanziellen Leistungen, insbesondere das Pflegegeld, und nicht um die im Rahmen der Hilfe zur Erziehung ebenfalls zu gewährenden pädagogischen Leistungen angekommen wäre, ist auszuführen: Auch wenn es nach Aktenlage zutreffen mag, dass die Klägerin im Rahmen einer persönlichen Unterredung mit der Vertreterin der Beklagtenseite erwähnt hatte, dass für sie die finanziellen Leistungen im Vordergrund stünden, so geht das Gericht nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung, auch unter Berücksichtigung der dort von der Klägerbevollmächtigten für die Klägerin abgegebenen glaubhaften Erklärung, davon aus, dass die Klägerin sich bei Gewährung der beantragten Jugendhilfe der ggf. anzubietenden pädagogischen Unterstützung durch das Jugendamt nicht verweigern wird, zumal andernfalls der

Anspruch auf Hilfe zur Erziehung gefährdet wäre bzw. entfallen würde. Dem Anspruch der Klägerin steht aufgrund der besonderen Umstände dieses Einzelfalls auch nicht der Einwand der unzulässigen Selbstbeschaffung entgegen. Zutreffend ist zwar, dass die Klägerin ihre Enkeltochter bereits kurz nach deren Geburt bei sich zur Pflege aufgenommen hatte, wohingegen der Antrag auf Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege erst am 4. Dezember 2008 gestellt worden ist. Dennoch liegen zur Überzeugung des Gerichts die Voraussetzungen des 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII vor. Danach ist bei einer sogenannten Selbstbeschaffung der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen nur verpflichtet, wenn 1. der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat, 2. die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen und 3. die Deckung des Bedarfs a) bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder b) bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat. Diese Voraussetzungen sind hier kumulativ gegeben. Mit Stellung des Antrags vom 4. Dezember 2008 setzte die Klägerin das Jugendamt des Beklagten über den Hilfebedarf von C L jedenfalls konkludent in Kenntnis. Nach dem oben Gesagten lagen zu diesem Zeitpunkt zudem die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vor, insbesondere lag ein entsprechender Hilfebedarf bei der Hilfeempfängerin vor, und die begehrte Maßnahme stellte sich als geeignet und erforderlich dar. Aufgrund der besonderen Situation duldete die Deckung des Hilfebedarfs von C L keinen zeitlichen Aufschub bis zu einer Entscheidung des Jugendamts über die Gewährung der Leistung. Die Mutter der Hilfeempfängerin war zu diesem Zeitpunkt weiterhin nicht zu einer Betreuung bereit und die Klägerin wollte bzw. konnte aufgrund ihrer schwierigen finanziellen Lage die weitere Betreuung der Hilfeempfängerin nicht mehr unentgeltlich erbringen. Nach alledem war der Klage stattzugeben. Die Verpflichtung zur Bewilligung von Hilfe zur Erziehung ist längstens auf den Eintritt der Volljährigkeit der Enkeltochter (unter der Voraussetzung des Fortbestehens des Hilfebedarfs) zu befristen ( 27 Abs. 1 i.v.m. 7 Abs. 1 Nr. 1, 2 SGB VIII). Die Kostenentscheidung beruht auf 154 Abs. 1 VwGO; das Verfahren ist gemäß 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei. Die Hinzuziehung der Bevollmächtigten im Vorverfahren war gemäß 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären.