SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT. Urteil
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- Günter Scholz
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1 Az.: 1 A 90/08 5 K 1074/05 SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil In der Verwaltungsrechtssache des minderjährigen Kindes S... T... vertreten durch seine Mutter Petra T... - Kläger - - Berufungsbeklagter - prozessbevollmächtigt: Frau J... J... und Herr S. J... gegen den Landkreis Mittweida vertreten durch den Landrat Am Landratsamt 3, Mittweida - Beklagter - - Berufungskläger - wegen Hilfe zur Erziehung in Gestalt der Vollzeitpflege ( bis )
2 2 hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch die Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Dahlke-Piel, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober und die Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Henke aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 2. Juli 2008 für Recht erkannt: Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 8. Dezember K 1074/05 - geändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand Der Beklagte wendet sich mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung gegen seine Verpflichtung durch das Verwaltungsgericht, für den Kläger Hilfe zur Erziehung in Form von Unterhaltsleistungen (Pflegegeld) für den Zeitraum vom bis zum zu bewilligen. Im Juli 1997 wurde der am 1993 geborene Kläger zusammen mit seiner Schwester M. bei den Eheleuten J... zur Pflege untergebracht. Hierzu erließ der Beklagte auf Antrag seines Jugendamtes, das seinerzeit gesetzlicher Vertreter beider Kinder war, am einen Bewilligungsbescheid über die Gewährung von Hilfe zur Erziehung. Nachdem die elterliche Sorge am auf die Mutter zurückübertragen worden war, bewilligte der Beklagte ihr mit Bescheid vom Hilfe zur Erziehung für die Vollzeitpflege beider Kinder bei den Eheleuten J... Unter dem schrieb die Mutter des Klägers an den Beklagten: Ich beantrage die Änderung der Hilfe für meinen Sohn S... geb Mir sind Tatsachen bekannt geworden, so dass ich einem weiteren Verbleib von S... in der Pflegefamilie J... nicht mehr zustimmen kann. Daraufhin verfügte der Beklagte mit an die Mutter gerichtetem Bescheid vom , dass die Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege von S... bei den Eheleuten J... eingestellt werde. Am gleichen Tag teilte der Beklagte den Eheleuten J... mit,
3 3 dass das Pflegeverhältnis von S... bei ihnen zum ende und die Hilfe zur Erziehung in Gestalt von Vollzeitpflege nach 33 SGB VIII zum eingestellt worden sei. Am holten Mitarbeiter des Beklagten sowie die Mutter den Kläger im Klinikum S. ab, wo er sich mit Frau J... aufhielt, und brachten ihn in das Kinderheim F.. Auf den Antrag der Eheleute J... verfügte das Amtsgericht - Familiengericht - Hainichen mit Beschluss vom F 00540/03 -, dass die Mutter den Kläger unverzüglich an die Eheleute J... herauszugeben habe. Es stelle eine Gefährdung des Kindeswohls dar, wenn der Kläger nicht in seiner Pflegefamilie verbleiben könne. Deshalb sei eine Verbleibensanordnung nach 1632 Abs. 4 BGB erforderlich. Gegen die Erziehungseignung der Eheleute J... bestünden keine Bedenken. Der Kläger kehrte auf diesen Beschluss zu den Eheleuten J... zurück und blieb dort. Seinen Beschluss bestätigte das Amtsgericht nach mündlicher Verhandlung durch Beschluss vom Ende 2004 wurde ein gegen die Eheleute J... geführtes Ermittlungsverfahren eingestellt. Der Beklagte erteilte diesen daraufhin mit Bescheid vom eine - neue - Pflegeerlaubnis. Auf den Antrag der Mutter des Klägers bewilligte ihr der Beklagte mit Bescheid vom Hilfe zur Erziehung in Gestalt von Vollzeitpflege für S... bei den Eheleuten J... Mit Bescheid vom bewilligte der Beklagte ab dem Pflegegeld für Vollzeitpflege bei den Eheleuten J... in Höhe von monatlich 620,50. Am beantragten die Eheleute J... die Bewilligung von wirtschaftlicher Jugendhilfe gemäß 39 SGB VIII für den Kläger im Zeitraum bis Mit Bescheid vom lehnte der Beklagte diesen Antrag ab. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom zurück, da der Anspruch allein dem sorgeberechtigten Elternteil zustehe. Der daraufhin erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht Chemnitz statt. Die Klage sei zulässig. Die ursprünglich durch die Eheleute J... erhobene Klage sei als Klage des Klägers, gesetzlich vertreten durch seine sorgeberechtigte Mutter, zulässig. Diese habe ihr Einverständnis erteilt, dass die Eheleute J... den Anspruch auf Hilfe zur Erziehung für den Kläger geltend machten. Die Klageänderung sei sachdienlich, da der Streitstoff unverändert bleibe und die Änderung der abschließenden Streitbeilegung diene. Die Klage sei auch begründet.
4 4 Der Kläger bzw. seine Mutter hätten Anspruch auf Hilfe zur Erziehung in Gestalt von Vollzeitpflege bei den Eheleuten J... Inhaber des Anspruchs sei der Kläger. Soweit für den Anspruch auf Bewilligung des notwendigen Unterhalts des Kindes außerhalb des Elternhauses die Antragstellung oder Zustimmung der sorgeberechtigten Mutter erforderlich sei, liege diese vor. Diese habe mit Schreiben vom erklärt: Auf Grund der Einstellung des Verfahrens, was sich als unbegründet erwiesen hat, möchte ich rückwirkend Hilfe zur Erziehung für meinen Sohn S... bei den Pflegeeltern J... zum beantragen. Diese Erklärung stelle keinen neuen Antrag dar. Vielmehr handele es sich hierbei lediglich um eine Konkretisierung ihrer Erklärung vom (meint: ). In der mündlichen Verhandlung vom habe die Mutter des Klägers klargestellt, dass sie die Unterbringung ihres Sohnes bei den Eheleuten J... als Pflegefamilie, verbunden mit den Unterhaltsleistungen, wünsche. S. Mutter habe mit ihrer Erklärung vom auch nicht die Einstellung von Leistungen, sondern die Änderung der Hilfeform begehrt. Der Beklagte habe hingegen, nachdem eine Heimerziehung vom Familiengericht nicht gebilligt worden sei, die Hilfe faktisch eingestellt. Insoweit sei dieser noch offene Hilfebedarf durch den Beklagten zu decken. Dass die Eheleute J... den Unterhaltsbedarf des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum aus eigenen Mitteln bestritten hätten, sei unschädlich. Der Beklagte habe als Träger der Jugendhilfe nicht rechtzeitig Hilfe geleistet. Auf den Antrag des Beklagten hat der Senat die Berufung mit Beschluss vom B 131/06 - zugelassen. Zur Begründung seiner Berufung führt der Beklagte aus: Der Anspruch auf Pflegegeld setze einen Antrag des Personensorgeberechtigten voraus. Daran fehle es hier. Die personensorgeberechtigte Mutter des Klägers habe am beim Beklagten einen Antrag auf Heimerziehung gestellt und ihre Zustimmung zur Vollzeitpflege bei den Eheleuten J... ausdrücklich widerrufen. Damit fehle es schon an einem Vollzeitpflegeverhältnis, was die Voraussetzung von Leistungen an die Eheleute J... darstelle. Anspruchberechtigt sei zudem allein die personensorgeberechtigte Mutter. Ihr Antrag auf rückwirkende Bewilligung von Pflegegeld an die Eheleute J... begründe keinen Anspruch auf Pflegeleistungen. Die Auslegung dieser Erklärung durch das Verwaltungsgericht verstoße gegen sämtliche Auslegungsregeln. Der Beklagte beantragt,
5 5 das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 8. Dezember K 1074/05 - zu ändern und die Klage abzuweisen. Der durch die Eheleute J... vertretene Kläger ist der Auffassung, dass die Mitarbeiter des Beklagten es versäumt hätten, die Eheleute J... auf sachdienliche Anträge hinzuweisen, wodurch diese in eine komplizierte Lage gekommen seien. Sie hätten nicht damit rechnen können, dass ungeachtet der Verbleibensanordnung des Amtsgerichts Hainichen eine Einstellung der Unterhalts- und Pflegeleistungen erfolgt. Die sorgeberechtigte Mutter habe zu jedem Zeitpunkt einen Antrag auf Hilfe zur Erziehung gestellt. Lediglich die Hilfeform habe sie durch ihre Erklärung vom geändert. Dem Senat liegen die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten vor. Auf deren Inhalt sowie den der Gerichtsakte über das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht wird wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug genommen. Entscheidungsgründe Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die durch das Verwaltungsgericht ausgesprochene Verpflichtung des Beklagten zur Bewilligung von Hilfe zur Erziehung in Form von Unterhaltsleistungen (Pflegegeld) für den Zeitraum vom bis zum Die Berufung ist begründet, da die hier in Rede stehenden Leistungen zum Unterhalt eines Kindes in Vollzeitpflege im Sinne von 39 Abs. 1 SGB VIII einen Annex-Anspruch zum Anspruch auf Hilfe zur Erziehung darstellen. Dieser Anspruch steht deshalb - nur - dem Personensorgeberechtigten, nicht aber dem - hier als Kläger auftretendem - Kind als auf den Unterhalt Angewiesenen zu (BVerwG, Urt. v C 31/95 - Rn. 13 bei juris unter Ablehnung der vom Verwaltungsgericht für die Gegenauffassung herangezogenen Literaturmeinung; Urt. v C 11/96 - Rn. 9 bei juris; OVG NRW, Urt. v A 924/99 - Rn. 5 bei juris). Ein anderes Ergebnis ergäbe sich aber auch dann nicht, wenn die Mutter des Klägers an dessen Stelle die hier erhobene Klage verfolgt hätte. Die Gewährung von Hilfe zur Erziehung nach 27 SGB VIII darf nur in Einklang mit dem Willen des Personensorgeberechtigten
6 6 gewährt werden. Dieser entscheidet - solange kein familiengerichtlicher Eingriff in gerade das Recht auf die Beanspruchung von Leistungen der Jugendhilfe vorliegt - im Rahmen seiner Erziehungsverantwortung selbst über die Inanspruchnahme von Hilfen; er kann von diesem Recht Gebrauch machen, muss es aber nicht (BVerwG, Urt. v C 6/00 - Rn. 10 ff. bei juris). Dieses Recht umfasst nicht nur die Entscheidung über die Frage, ob Hilfe zur Erziehung beansprucht wird sondern auch über die Frage, in welcher Form diese begehrt wird. Der Beklagte war deshalb auf Grund des Schreibens der Mutter des Klägers vom verpflichtet, die ihr gewährte Hilfe zur Erziehung in Gestalt der Vollzeitpflege des Klägers bei den Eheleuten J... zu beenden. Mit diesem Schreiben hat die Mutter des Klägers geltend gemacht, der Vollzeitpflege ihres Sohnes in dieser Pflegefamilie nicht mehr zuzustimmen. Sie hat damit unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie diese Form der Hilfegewährung ab sofort nicht mehr in Anspruch nehmen wollte. Daran kann ihre Erklärung vom nichts ändern, mit der sie eine rückwirkende Bewilligung von Hilfe zur Erziehung in Gestalt der Vollzeitpflege bei den Eheleuten J... ab dem beantragt hat. Zur - nachträglichen - Auslegung der unzweideutigen Aussage in ihrem Schreiben vom ist dieses Schreiben mangels Zweifeln am Erklärungswert dieses früheren Schreibens nicht geeignet. Als neuer Antrag auf Bewilligung von Hilfe zur Erziehung in Gestalt der Vollzeitpflege bei den Eheleuten J... kann das Schreiben vom nur eine Hilfegewährung in der gewünschten Form für die Zukunft rechtfertigen. Im Übrigen wurde ihr Antrag vom mit - soweit ersichtlich bestandskräftigem - Bescheid vom abgelehnt. An der Bindungswirkung des Schreibens vom hat sich für den Beklagten auch nichts durch die Entscheidung des Amtsgerichts - Familiengericht - Hainichen vom geändert. Mit der durch diesen Beschluss verfügten Verbleibensanordnung nach 1632 Abs. 4 BGB ist lediglich in das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Mutter als Teil des ihr zustehenden Sorgerechts eingegriffen worden. Unbeschadet dieser Entscheidung stand ihr aber ungeschmälert das Recht auf Antragstellung für Leistungen der Jugendhilfe zu. Nur wenn auch dieser Bestandteil des Sorgerechts entzogen und dem Beklagten oder den Eheleuten J... übertragen worden wäre, hätte von diesen ein neuer Antrag auf Bewilligung von Vollzeitpflege des Klägers bei den Eheleuten J... gestellt werden können (vgl. BVerwG, Urt. v , a. a. O., Rn. 13 bei juris).
7 7 Stand der Mutter des Klägers für den hier maßgeblichen Zeitraum für den Kläger das Sorgerecht im Hinblick auf ihre Berechtigung zur Beanspruchung von Erziehungshilfen zu, wäre eine Bewilligung von Hilfe zur Erziehung in Gestalt der Vollzeitpflege bei den Eheleuten J... entgegen ihrem ausdrücklichen Willen rechtswidrig gewesen und hätte die Mutter des Klägers in ihrem Elternrecht verletzt (so ausdrücklich BVerwG, Urt. v , a. a. O., Rn. 10 ff. bei juris). Ihr Antrag vom auf Beendigung der Hilfegewährung in Gestalt der Vollzeitpflege bei den Eheleuten J... war deshalb für den Beklagten ungeachtet der Entscheidung des Amtsgerichts bindend. Für einen Anspruch auf Unterhaltsleistungen als an die Hilfe zur Erziehung anknüpfende Annexleistung ist deshalb kein Raum. Die Kostenentscheidung für das gemäß 188 VwGO gerichtskostenfreie Verfahren folgt aus 154 Abs. 1 VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des 132 Abs. 2 VwGO vorliegt. Rechtsmittelbelehrung Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht, Ortenburg 9, Bautzen innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils einzulegen. Die Beschwerde muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem oben genannten Gericht einzureichen. In der Begründung der Beschwerde muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Für das Beschwerdeverfahren besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Danach muss sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.
8 gez.: Dahlke-Piel Kober Henke 8
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