Richtig oder falsch? Hitliste sprachlicher Zweifelsfälle. Johannes Wyss. Verlag Neue Zürcher Zeitung



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Transkript:

Richtig oder falsch? Johannes Wyss Hitliste sprachlicher Zweifelsfälle Herausgegeben vom Schweizerischen Verein für die deutsche Sprache ( SVDS ) Illustrationen von Tizian Merletti Werbeset Verlag Neue Zürcher Zeitung

Vorwort Sprachliche Zweifelsfälle sind uns allen ein ständiger Begleiter, wenn es gilt, einen Text aufzusetzen. Die meisten Zweifelsfälle im Bereich der Rechtschreibung lassen sich mit Wörterbüchern wie dem Rechtschreibduden leicht aus dem Weg räumen. Bei grammatischen Unklarheiten ist dies meist schon etwas schwieriger, auch wenn bewährte Standardwerke wie Duden : «Richtiges und gutes Deutsch», Band 9, oder «Richtiges Deutsch» von Walter Heuer, Max Flückiger und Peter Gallmann sehr hilfreich sind. Mit sprachlichen Zweifelsfällen befasst sich auch der «Sprachspiegel», die Fachzeitschrift des Schweizerischen Vereins für die deutsche Sprache. Hier werden seit 1945 in der beliebten Rubrik «Briefkasten» Fragen aus dem Leser kreis beantwortet, und zwar mit begründeten Antworten. Betreut wurde der Briefkasten in diesen Jahren von Dr. Kurt Meyer, Dr. Eugen Teucher, Dr. Hermann Villiger, Werner Frick, Max Flückiger, Jilline Bornand und Andrea Grigoleit. Die nun vorliegende Sammlung ist das Ergebnis einer Auswahl von Fragen zu Zweifelsfällen, die in den vergangenen 40 Jahren am häufigsten gestellt wurden. «Richtig oder falsch? Hitliste sprachlicher Zweifelsfälle» gliedert sich in 18 Kapitel, wobei die Fragen zu grammatischen Unsicherheiten klar im Vordergrund stehen. Behandelt werden aber auch Fragen zu Bedeutungsunterschieden bei ähnlich klingenden Wörtern, zu Formulierungen, die Missverständnisse auslösen können, und zu sprachlichen Besonderheiten in der Schweiz. Die Herausforderung bestand darin, die Fragen mit einem Minimum an grammatischen Fachbegriffen zu beantworten und zu begründen, sodass auch Sprachinteressierte ohne Studium oder höhere Schulbildung sich beim Nachschlagen und Lesen wohlfühlen. Dazu gehörte auch die Disziplin, sich bei den Begründungen auf das Wichtige zu beschränken und sich nicht in Nebenschauplätzen zu verlieren.

Die Auseinandersetzung mit sprachlichen Zweifelsfällen ist mit viel ernsthafter Arbeit verbunden, auch wenn einem gelegentlich die eine oder andere Formulierung begegnet, die sich durch unfreiwilligen Humor auszeichnet. Der junge Zeichner Tizian Merletti hat es hervorragend verstanden, mit Ideenreichtum, Witz und gekonntem Strich in die einzelnen Kapitel einzuführen. Massgeblich unterstützt hat mich bei meiner Arbeit die Höhere Fachschule für Sprachberufe ( früher Schule für Angewandte Linguistik ) in Zürich. Peter Rütsche, Abteilungsleiter «Journalismus», und seine Studierenden des Lehrgangs «Lektorieren» analysierten das Manuskript mit grosser Begeisterung und steuerten viele wertvolle Anregungen und Verbesserungsvorschläge bei. Besonders freut mich die Ankündigung, dass die Sammlung in den kommenden Studiengängen als Lehrmittel eingesetzt werden soll. Für die kompetente Durchsicht des Manuskripts danke ich Dr. Daniel Goldstein, Redaktor des «Sprachspiegels», und dem Vorstandskollegium des Schweizerischen Vereins für die deutsche Sprache, namentlich Jilline Bornand und Dr. Jürg Niederhauser. Dass Sie als Lesende beim einen oder anderen dieser Zweifelsfälle ins Grübeln kommen, vielleicht an der Antwort oder der Begründung (ver-)zweifeln, ist zwar nicht gewollt, aber auch nicht auszuschliessen. Zweifelsfälle sind eben Fälle, die nicht immer eindeutig sind und zum Nachdenken veranlassen. Es gibt durchaus Fälle, in denen zwei Varianten eines Ausdrucks korrekt sind. Die Auseinandersetzung mit Zweifelsfällen ist oft der Ausgangspunkt für eine eingehendere Beschäftigung mit einem bestimmten sprachlichen Phänomen. Auch aus diesem Grund bin ich für alle Anregungen, Verbesserungsvorschläge und Ergänzungen im Hinblick auf eine spätere Auflage sehr dankbar. Johannes Wyss, Schweizerischer Verein für die deutsche Sprache

Inhaltsverzeichnis Grammatische Zweifelsfälle A Pronomen B Präpositionen C Konjunktionen D Starke und schwache Deklination E Kasus : Nominativ, Genitiv, Dativ oder Akkusativ F Konjugations- und Zeitformen G Zeitenfolge H Kongruenz im Satz I Problematische Verkürzungen J Fugenelemente K Satzstellung L Weitere Zweifelsfälle Soziolinguistische Unklarheiten R Helvetismen S Standardsprache versus Umgangssprache T Geschlechtergerechte Sprache U Weitere Zweifelsfälle Anhang Glossar Literaturverzeichnis Sach- und Wortregister Semantische Unsicherheiten M Kleinere und grössere Bedeutungsunterschiede N Pleonasmen und Tautologien O Missverständliche Formulierungen P Fehlkoppelungen / doppelte Verneinung Q Weitere Zweifelsfälle

Grammatische Zweifelsfälle

A Pronomen

Grammatische Zweifelsfälle 7 A Pronomen Pronomen stehen für ein Nomen. Deshalb werden sie im Deutschen als Fürwörter bezeichnet. Pronomen sind entweder Stellvertreter des Nomens ( Frau Meier weilt in den Ferien. Sie weilt in den Ferien. ) oder Begleiter des Nomens ( Unsere Stadt ist die schönste. ). Die wichtigsten Pronomen sind : Personalpronomen ( persönliches Fürwort ): ich, meiner, mir, mich ; du, deiner, dir, dich ; er, seiner, ihm, ihn usw. Reflexivpronomen ( rückbezügliches Fürwort ): mich, dich, sich, uns, euch usw. Possessivpronomen ( besitzanzeigendes Fürwort ): mein( e ), dein( e ), sein( e ), unser( e ), eurer( e ), ihr( e ) usw. Demonstrativpronomen ( hinweisendes Fürwort ): der, die, das ; dieser, diese, dieses ; jener, jene, jenes ; derer, derjenige, diejenige, dasjenige ; derselbe, dieselbe, dasselbe usw. Relativpronomen ( bezügliches Fürwort ): der, die, das, deren, welcher, welches, welche, wer, was usw. Interrogativpronomen ( fragendes Fürwort ): wer?, was?, welcher?, wessen? usw. Indefinitpronomen ( unbestimmtes Fürwort ): jemand, alle, einer, keiner, manche, man, wer, niemand, nichts, etwas, einige, andere usw.

8 Grammatische Zweifelsfälle A1 Ich möchte endlich mich / ich selbst sein. Welches der Pronomen ist in diesem Satz richtig? Richtig ist ich, denn das Verb sein verlangt den Nominativ. Wer möchte ich sein? Es findet eine Gleichsetzung zwischen dem Ich am Satzanfang und dem Ich nach endlich statt. Demzufolge wird der gleiche Kasus verlangt. ( Siehe auch «E Kasus». ) A2 Ich bitte dich, dich / sich der Sache anzunehmen. Welche Variante ist hier die richtige? Das Reflexivpronomen bezieht sich in der Regel auf das Subjekt eines Satzes. Würde der Infinitivsatz mit einer konjugierten Form von annehmen gebildet, lautete das Subjekt du. Also : Ich bitte dich, dich der Sache anzunehmen. Stilistisch vorzuziehen sind : Ich bitte dich, dass du dich der Sache annimmst. Oder : Bitte, nimm du dich der Sache an. A3 Es ist ein Kreis Interessierter, der sich noch weiter zusammenfindet bzw. die sich noch weiter zusammenfinden. Welches Relativpronomen ist korrekt? Sie haben die Wahl, ob Sie den Relativsatz auf das Subjekt ( Kreis ) oder auf das Genitivattribut zum Subjekt ( Interessierter ) beziehen wollen. Folglich sind beide Varianten korrekt : Es ist ein Kreis Interessierter, der sich noch weiter zusammenfindet oder, die sich noch weiter zusammenfinden. ( Siehe auch «H Kongruenz im Satz». ) A4 Ich danke dir für dein Vertrauen und das Verständnis, das du mir entgegengebracht hast. Ich störe mich an diesem Satz und komme nicht dahinter, warum. Da es um zwei Dinge geht, um Vertrauen und um Verständnis, passt das Relativpronomen das nicht ; es müsste die ( für die Mehrzahl ) lauten. Aber das will auch nicht recht befriedigen. Ein Lösungsvorschlag ohne Relativpronomen : Ich danke dir dafür, dass du mir Vertrauen und Verständnis entgegengebracht hast.

A Pronomen 9 A5 Prüfen Sie das Angebot bei Ihnen / sich zu Hause. Welches der beiden Pronomen ist hier zutreffend? Das Reflexivpronomen sich bezieht sich normalerweise auf das Subjekt des Satzes : Sie können das Angebot bei sich zu Hause prüfen. Richtig ist somit : Prüfen Sie das Angebot bei sich zu Hause. Wird das Personalpronomen Ihnen bevorzugt, muss der Satz etwa wie folgt formuliert werden : Wir führen das Angebot gern bei Ihnen zu Hause vor. A6 Ich war es, der das Buch an mich nahm. Stimmt es, dass in diesem Satz sich statt mich korrekt ist? Ich finde sich falsch. Im Allgemeinen bezieht sich das Reflexivpronomen auf das Subjekt des Satzes. Ich ( Subjekt, Sprecher ) nehme das Buch an mich ( Bezug auf Sprecher, 1. Person Singular ). Aber : Ich war es, der ( Subjekt, Besprochener ) das Buch an sich ( Bezug auf den Besprochenen, 3. Person Singular ) nahm. Korrekt ist somit : Ich war es, der das Buch an sich nahm. A7 Die Spieler sind sich den Trubel gewohnt. Mich stört das sich in diesem Satz, aber ich weiss nicht warum. Sie haben ein gutes Sprachgefühl ; das sich ist falsch verwendet. Sich ist Reflexivpronomen, was ein entsprechendes Verb voraussetzt. Da es aber kein solches reflexives Verb ( sich gewohnen ) gibt, ist die Verwendung von sich in diesem Zusammenhang falsch auch wenn man dies noch so oft hört. Es kann also nur heissen : Die Spieler sind den Trubel gewohnt. Mit einem ähnlichen Verb gibt es aber auch eine Variante mit sich : Die Spieler haben sich an den Trubel gewöhnt.

Semantische Unsicherheiten

M Kleinere und grössere Bedeutungsunterschiede

12 Semantische Unsicherheiten M Kleinere und grössere Bedeutungsunterschiede Im Deutschen gibt es eine Anzahl Wörter, die ähnlich klingen oder ein ähnliches Schriftbild aufweisen und deshalb oft verwechselt werden. Dass beispielsweise die beiden Adverbien scheinbar und anscheinend verwandt sind, ist für jeden erkennbar. Es ist wohl diese enge Verwandtschaft, dieses ähnliche Wortbild, das daran schuld ist, dass der wesentliche Bedeutungsunterschied nicht erkannt wird. Ein anderes Beispiel : Von Wort lassen sich zwei Plurale bilden, Wörter und Worte. Wörter sind Einzelwörter, Hauptwörter, die in Wörterbüchern stehen. Sobald zusammengefasste Wörter eine sinnvolle Aussage ergeben, verwandeln sie sich in Worte : Vorworte, Dichterworte, Worte des Trostes, letzte Worte. Allerdings handelt es sich nicht um eine trennscharfe Unterscheidung, wie der Plural Sprichwörter zeigt. Auch bei Sprichwörtern ergibt sich eine sinnvolle Aussage, sodass der Plural eigentlich Sprichworte lauten sollte ; üblich ist aber Sprichwörter. Auf der anderen Seite gibt es auch Beispiele von ähnlich klingenden Wörtern, bei denen man von einem Bedeutungsunterschied ausgeht, obwohl gar keiner besteht. So sind die beiden Verbformen nutzen und nützen in ihrer Bedeutung identisch. Allerdings wird die Form nützen besonders in der Schweiz, in Süddeutschland und in Österreich gebraucht.

M Kleinere und grössere Bedeutungsunterschiede 13 M1 Worin unterscheidet sich die Bedeutung von silbrig und silbern? Silbrig bedeutet ausschliesslich «wie Silber» : Das Wasser glänzt silbrig. Mit silbern bezeichnet man dagegen etwas, das aus Silber besteht, ein silbernes Halsband. Aber silbern wird auch metaphorisch verwendet : silberne Hochzeit ; in der Dichtung als Synonym zu silbrig : das silberne Licht des Mondes. M2 Was ist der Unterschied zwischen den Adjektivendungen -al und -ell? Es gibt hier mehrere Möglichkeiten : Bei einigen Adjektiven ist nur die eine Form gebräuchlich ( z. B. saisonal oder traditionell ). Bei anderen ist zwar die Bedeutung identisch, aber die eine Form verschwindet zunehmend ( z. B. adverbiell gegenüber adverbial ). Bei anderen Adjektiven entstehen durch die Suffixe -al und -ell unter schied liche Bedeutungen. So steht rational für vernünftig, von der Vernunft ausgehend, rationell aber für wirtschaftlich, formal für auf die Form bezogen, formell jedoch für die Umgangsformen beachtend, förmlich. M3 Welches ist der Unterschied zwischen recht und richtig? Es gibt Verbindungen, bei denen nur die eine oder andere Form zutreffend ist, z. B. recht ( Recht ) haben, aber richtig vorgehen, in anderen Fällen sind beide Verbindungen üblich, z. B. bei etwas recht / richtig machen. Zwischen Er kann recht gut kochen und Er kann richtig gut kochen besteht im Sprachgebrauch ein Qualitätsunterschied ; derjenige der richtig gut kochen kann, kocht noch etwas besser. Ein Bedeutungsunterschied besteht auch zwischen recht leben ( = wie es sich gehört ) und richtig leben ( = das Leben ausschöpfen ).

14 Semantische Unsicherheiten M4 Welcher Unterschied besteht eigentlich zwischen Verfall und Zerfall? Verfall wird vor allem im übertragenen Sinn gebraucht, so etwa beim Schwinden der Kräfte eines Organismus oder beim Niedergang der Sitten. Zerfall wird in erster Linie im wortwörtlichen Sinn verwendet, so etwa beim Zerfall des römischen Reiches. M5 Meiner Meinung nach ist der Sinn von Reservation und Reservierung derselbe, oder gibt es doch einen Unterschied? Sowohl der Duden, Band 1, als auch der Duden «Schweizerhochdeutsch» weisen darauf hin, dass in der Schweiz Reservation für das im übrigen deutschen Sprachraum übliche Reservierung steht. ( Siehe auch «R Helvetismen». ) Reservierung ( in der Schweiz Reservation ) bedeutet «Vorbestellung eines Zimmers oder eines Platzes, z. B. im Theater». Unter Reservation versteht man in Deutschland einen Vorbehalt ( z. B. Rechtsvorbehalt ) oder auch ein Schutzgebiet im Sinne eines Reservats. M6 Welches ist der Unterschied zwischen messen, ausmessen, vermessen und bemessen? Ausser bemessen meinen alle drei Verben «das Mass von etwas nehmen». Messen bedeutet «das Mass vor allem nur einer Ausdehnung ( z. B. Länge ) feststellen» ; unter ausmessen versteht man in erster Linie «die Masse eines Körpers feststellen» ; vermessen bedeutet «die Masse einer Fläche genau messen». Das Adjektiv vermessen hat die Bedeutung von anmassend, überheblich, tollkühn. Das Verb bemessen wird im übertragenen Sinne gebraucht und bedeutet «aufgrund von Berechnungen oder Überlegungen Grösse, Dauer oder Menge festlegen / einteilen». Beispiel : Er hat den Vorrat zu knapp bemessen.

M Kleinere und grössere Bedeutungsunterschiede 15 Wann verwendet man derselbe und wann der gleiche? Es besteht eine grosse Unsicherheit bei der Verwendung der Wörter derselbe, dieselbe, dasselbe bzw. der gleiche, die gleiche, das gleiche. Beide bezeichnen eine Übereinstimmung, eine Identität. Dennoch besteht ein feiner Unterschied. Für die Kennzeichnung der Identität einer einzelnen Person oder Sache, die es nur einmal gibt, verwendet man das Demonstrativpronomen ( hinweisendes Fürwort ) derselbe, dieselbe, dasselbe. Beispiel : Die Assistentin und der Chef benutzen denselben Computer. Hier wird ausgesagt, dass beide abwechselnd an einem Computer arbeiten. Will man allerdings eine Übereinstimmung in der Identität einer Gattung oder Art ausdrücken gibt es also mehrere gleich aussehende Modelle einer Art, gebraucht man der gleiche, die gleiche, das gleiche. Beispiel : Die Assistentin und der Chef benutzen den gleichen Computer. Dieser Satz bedeutet, dass beide einen eigenen Computer haben, der aber in Fabrikat und Modell übereinstimmt. Weitere Wortpaare mit unterschiedlicher Bedeutung : achten jemandem Achtung entgegenbringen, jemanden respektieren, anerkennen, schätzen anscheinend allem Anschein nach, wahrscheinlich, offenbar Sie ist eine bedeutende Persönlichkeit. Deine Kritik ist absolut berechtigt. Der aufkommende Sturm bewog uns zur Umkehr. beachten auf jemanden aufmerksam werden, jemanden zur Kenntnis nehmen, etwas berücksichtigen, befolgen scheinbar Es scheint nur so ; tatsächlich ist es ganz anders. Er hat eine bedeutsame Entdeckung gemacht. Da fragt man sich schon, ob solche Preise gerechtfertigt sind. Seine tröstenden Worte bewegten uns sehr.

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