Aufsätze Fragen zum Erbrecht Von Justizoberamtmann a. D. Karl Drischler, Lüneburg (Fortsetzung von Heft 12/1969, S. 186) Zunächst muss ich eine kleine Ungenauigkeit in dem o. a. Aufsatz richtig stellen, auf die ich dankenswerterweise auch hingewiesen worden bin. In dem Aufsatz war ich davon ausgegangen (S. 183), dass von den drei Kindern des Vater Müller ein Sohn noch zu Lebzeiten des Vaters an den Folgen eines Verkehrsunfalls verstorben war. Dieser Sohn Friedrich hinterließ seine Ehefrau (Witwe) Martha und die beiden minderjährigen Kinder Uwe und Marion. Auf S. 1841) oben des Aufsatzes ist irrtümlich ausgeführt worden, dass diese drei Personen Erben des später verstorbenen Vater Müller an Stelle des vorverstorbenen Sohnes Friedrich geworden seien. Das trifft nicht zu. Tatsächlich sind Erben nach ihrem Großvater nur die beiden Kinder zu gleichen Teilen, also je zu 1/6 ( 1924 Abs. 3 BGB = sog. Erbfolge nach Stämmen). Die Mutter ist hiernach am Nachlass des Vater Müller unbeteiligt. An dem im Aufsatz aufgezeigten Problemen ändert sich dadurch jedoch nichts; die Witwe Martha kann nur nicht im eigenen Namen, sondern lediglich als gesetzliche Vertreterin ihrer beiden minderjährigen Kinder handeln. Die ungeteilte Erbengemeinschaft besteht also richtig nur aus Heinrich, Marie und den beiden Kindern des Friedrich. Die aufgezeigten Streitigkeiten wären unterblieben, wenn der Vater Müller noch zu seinen Lebzeiten klare Verhältnisse geschaffen hätte. Es wäre z. B. möglich gewesen, den Grundbesitz durch einen Übergabevertrag zwischen dem Vater und dem nunmehr einzigen und zugleich auch ältesten Sohn Heinrich auf diesen zu übertragen. In einem solchen Vertrage der der notariellen Beurkundung bedarf hätten Abfindungen für die Tochter Marie und die Kinder des Sohnes Friedrich festgesetzt werden können. Es hätte dann festgelegt SCHS-ZTG 41. Jg. 1970 H2 werden müssen, in welcher Weise und zu welchen Zeitpunkten Heinrich die Zahlungen zu leisten hätte, z. B. ein Jahr nach dem Tode des Vaters oder zu anderen, in ähnlicher Weise zu bestimmenden Zeitpunkten. Auch hätte etwas über die etwaige Verzinsung der Beträge bestimmt werden müssen. Vater und Sohn Heinrich hätten vereinbaren können, dass Abfindungen aus irgendwelchen Gründen nicht zu zahlen sind, z. B. weil die Geschwister durch Aussteuer oder Berufsausbildung oder in anderer Weise bereits abgefunden worden sind. Der Nachteil einer solchen Regelung besteht allerdings darin, dass der Vater das Eigentum an seinem Grundstück schon zu Lebzeiten aufgibt und sich damit in eine gewisse Abhängigkeit Seite 1/6
von seinem Sohn begibt. Der Vorteil andererseits ist, dass der Grundbesitz dann nicht mehr zum Nachlass gehört und erbrechtlichen Regelungen nicht mehr unterliegt. Dieser Weg der Übertragung im Wege der verfrühten (vorweggenommenen) Erbfolge findet sich in der Praxis häufig bei landwirtschaftlichem Besitz, der dann auf einen Erben unter Bestellung von Abfindungen für die Geschwister und eines Altenteils für die Eltern übertragen wird. Als weiterer und bei nicht landwirtschaftlichen Grundstücken gebräuchlicher Weg zur Regelung der Verhältnisse nach dem Tode bleibt der Weg der letztwilligen Verfügung, also die Errichtung eines Testaments oder der Abschluss eines Erbvertrages. 1. Das Testament in ordentlicher Form ( 2239 ff. BGB) 1. Im Testament bestimmt der Erblasser so nennt das Gesetz den Verstorbenen seinen letzten Willen; er regelt darin, was mit seinem Vermögen, dem Nachlass, nach seinem Tode geschehen soll. Wir unterscheiden a) Öffentliche Testamente und b) Privatschriftliche Testamente. 2. Ein öffentliches Testament kann nur zur Niederschrift eines Notars') errichtet werden, und zwar a) entweder durch Erklärung des letzten Willens zu Protokoll des Notars oder b) durch Übergabe einer offenen oder einer verschlossenen Schrift') an den Notar mit der Erklärung, dass diese Schrift den letzten Willen enthalte. Dabei ist es nicht notwendig, dass das ganze Schriftstück von dem Erblasser selbst geschrieben ist ( 2232 BGB n. F.), wohl seine Unterschrift. Beachte: Ein Minderjähriger kann ein Testament erst errichten, wenn er das 16. Lebensjahr vollendet hat und nur durch Erklärung zu notariellem Protokoll oder durch Übergabe einer offenen Schrift (g 2229 Abs. 1, 2233 Abs. 1 n. F. BGB). 3. Ein privatschriftliches Testament muss der Erblasser dagegen ganz selbst schreiben und unterschreiben, und zwar mit Vor- und Familiennamen; er soll auch Ort und Datum der Niederschrift angeben (g 2247 BGB). Fehlen Ort und Datum ausnahmsweise, so ist das Testament zwar nicht unbedingt ungültig, aber es sind spätere Schwierigkeiten nicht auszuschließen. Auch Unterschriften wie z. B. Euer Vater oder Eure Mutter haben nicht unbedingt eine Ungültigkeit zur Folge, können aber gleichwohl zu Weiterungen führen. Auf jeden Fall unwirksam ist ein von einem Dritten oder ein mit der Schreibmaschine geschriebenes, lediglich in der Unterschrift handgeschriebenes Testament! Fragen zum Erbrecht 4. Grundsätzlich besteht zwischen dem öffentlichen und dem privatschriftlichen Testament hinsichtlich der Wirksamkeit kein Unterschied. Dennoch kann aber u. U. die Errichtung eines öffentlichen Testaments den Vorzug verdienen. Das gilt insbesondere dann, wenn z. B. Grundbesitz, Besitz von Hypotheken oder größeren Seite 2/6
Bankguthaben zum Nachlass gehören. In allen diesen Fällen müssen sich nämlich die Erben dem Grundbuchamt oder den Geldinstituten gegenüber durch ein amtliches Zeugnis den sog. Erbschein ( 2353 ff.bgb) über ihr Erbrecht ausweisen. Ein öffentliches Testament macht einen solchen Erbschein in aller Regel entbehrlich: Das Testament als solches in Verbindung mit dem Eröffnungsprotokoll stellt eine solche Urkunde dar. Ganz anders dagegen das privatschriftliche Testament, dessen Inhalt zwar die Grundlage des Erbscheins bildet, das Testament selbst stellt aber kein Zeugnis über das Erbrecht dar4). Zur Kostenfrage ist zu sagen, dass die Kosten für die Errichtung eines öffentlichen Testaments und die für die Erteilung eines Erbscheins gleich hoch sind. Der Unterschied besteht nur darin, dass die Testamentskosten dem Erblasser noch zu seinen Lebzeiten selbst zur Last fallen, während die Kosten des Erbscheins die Erben treffen. 5. Was geschieht mit dem Testament? a) Das vor einem Notar errichtete Testament (vgl. oben zu 2) wird von diesem in Gegenwart des Erblassers in einen besonders für die Verwahrung von Testamenten bestimmten Umschlag gesteckt, mit dem Notariatssiegel (Abdruck in Siegellack) versiegelt und von dem Notar an das Amtsgericht, in dessen Bezirk er seinen Sitz hat, zur amtlichen Verwahrung abgeliefert. Das Amtsgericht verwahrt solche Testamente in einem Tresor oder Panzerschrank unter gemeinsamen Verschluss von zwei Justizbeamten, den sog. Verwahrungsbeamten, und erteilt dem Erblasser über die Annahme zur Verwahrung eine Quittung in Form eines von diesen beiden Beamten unterschriebenen sog. Hinterlegungsscheins. b) Während das notarielle also öffentliche Testament von dem amtierenden Notar in amtliche Verwahrung gegeben werden muss, ist dies für privat-schriftliche Testamente nicht vorgeschrieben. Der Erblasser kann also ein solches Testament zu Hause aufbewahren oder auch dritten Personen (z. B. Freunden) in Verwahrung geben. Er kann aber auch und das ist in aller Regel anzuraten ein privatschriftliches Testament beim Amtsgericht zur amtlichen Verwahrung abliefern. Die Versiegelung erfolgt durch das Amtsgericht, und er bekommt gleichfalls einen Hinterlegungsschein. Die geringen Kosten der amtlichen Verwahrung, deren Zeit unbegrenzt) ist, stehen in keinem Verhältnis zu der erhöhten Sicherheit. 6. Ist sichergestellt, dass der letzte Wille auch bekannt wird? a) Für das in gerichtlicher Verwahrung befindliche Testament kann diese Frage uneingeschränkt bejaht werden. Sobald ein Testament sei es ein notarielles oder ein privatschriftliches in amtliche Verwahrung genommen wird, erhält das Standesamt des Geburtsortes des Erblassers Nachricht von der Verwahrung. Tritt der Todesfall ein und dabei ist unerheblich, an welchem Ort das ge schieht, erhält das Standesamt des Geburtsortes Nachricht von dieser Tatsache. Seite 3/6
Dieses Standesamt benachrichtigt dann das Amtsgericht, bei dem das Testament verwahrt wird, vom Ableben des Erblassers, damit wegen der Eröffnung des Testaments das Nötige veranlasst werden kann. b) Bei einem nicht in amtlicher Verwahrung befindlichen Testament ist dieser Weg naturgemäß nicht gegeben. Vielmehr kommt es in diesen Fällen darauf an, dass derjenige, der das Testament vorfindet, diese Urkunde auch an das Amtsgericht abliefert. Jeder, der ein Testament in Besitz hat, ist hierzu allerdings gesetzlich verpflichtet, sobald er von dem Tode des Erblassers Kenntnis erlangt ( 2259 BGB). Das Nachlassgericht kann gegen den, der ein Testament besitzt, Zwangsmaßnahmen nach 83 des Gesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit (FGG) anwenden, wenn es glaubhaft Kenntnis vom Besitz eines ablieferungspflichtigen Testaments erlangt. Gegen die Vernichtung eines Testaments ist außerdem strafrechtlicher Schutz gegeben ( 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB). 7. Nach dem Tode des Erblassers ist das Testament vom Nachlassgericht in vorgeschriebener Form zu eröffnen, d. h. der Inhalt ist in Gegenwart der von dem Termin benachrichtigten gesetzlichen Erben zu verkünden. Nachlassgericht ist das Gericht, in dessen Bezirk der Verstorbene seinen letzten Wohnsitz hatte (das muss nicht der Sterbeort sein). Befindet sich das Testament in der Verwahrung eines anderen Gerichts, so wird es bei diesem Gericht eröffnet und an das Nachlassgericht nach Eröffnung übersandt ( 2260, 2261 BGB). 8. Ein Testament ist nicht unabänderlich. Es kann vielmehr zu jeder Zeit von dem Erblasser vollinhaltlich oder in einzelnen Teilen widerrufen werden (SS 2253 ff. BGB). In erster Linie erfolgt der Widerruf durch ein späteres Testament. Steht dieses spätere Testament nur teilweise mit dem früheren in Widerspruch, so gelten nur diese Teile als aufgehoben. Wird das spätere Testament (= das mit dem Widerruf) seinerseits widerrufen, so gilt in aller Regel das erste Testament in der Weise, als wenn nie sein Widerruf erfolgt wäre. Naturgemäß können sich in solchen Fällen Erbstreitigkeiten ergeben. Deshalb muss geraten werden, etwaige Widerrufe oder Abänderungen in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise zu formulieren. Erbstreitigkeiten sind stets unangenehme Prozesse, zumal die Hauptperson, der Erblasser, sich zu den Zweifelsfragen nicht mehr äußern kann. Ein in amtlicher Verwahrung befindliches Testament (vgl. oben zu 5) kann sich der Erblasser zu jeder Zeit aus der Verwahrung zurückgeben lassen. Für die Gültigkeit eines privatschriftlichen Testaments ist diese Rücknahme ohne Einfluss auf seine Gültigkeit; der Erblasser kann also ein solches aus der Verwahrung zurückgenommenes Testament z. B. selbst weiter aufbewahren. Dies gilt dagegen nicht für ein notarielles Testament. Ein solches Testament gilt kraft Gesetzes mit der Rücknahme als widerrufen. Es wird deshalb bei der Rückgabe vom Gericht mit einem entsprechenden Vermerk versehen ( 2256 BGB). Es ist also u. U. untunlich, ein Seite 4/6
notarielles Testament vor Errichtung eines neuen aus der amtlichen Verwahrung zu entnehmen. Tritt vor der Errichtung eines neuen Testaments der Erbfall ein, so ist ein Testament überhaupt nicht vorhanden, und es gilt dann die gesetzliche Erbfolge), die meistens gar nicht beabsichtigt war. Fragen zum Erbrecht 9. Besonderheiten für Eheleute Ehegatten aber auch nur diese können ein gemeinschaftliches Testament errichten ($ 2265 ff. BGB). Für die Errichtung selbst bestehen keine Besonderheiten. Jedoch genügt es bei einem privatschriftlichen Testament, wenn einer der Ehegatten das Testament ganz selbst schreibt und unterschreibt sowie mit der Angabe über Ort und Datum versieht, der andere Ehegatte dasselbe Schriftstück nur unter Angabe von Ort und Datum eigenhändig mitunterzeichnet. Er kann aber auch und in der Praxis wird meistens so verfahren noch vor seinem Datum und vor seiner Unterschrift die Worte hinzusetzen: Vorstehendes Testament soll auch mein Testament sein. Im allgemeinen werden Eheleute sich gegenseitig zu Erben einsetzen und weiter bestimmen: Nach dem Tode des Letztversterbenden soll unter Nachlass an unsere gemeinschaftlichen Kinder X, Y und Z fallen. In der Fachsprache spricht man dann vom sog. Berliner Testament. Für solche Testamente gibt 2269 BGB eine Auslegungsregel dahin, dass die Kinder den beiderseitigen Nachlass als Ganzes, und zwar als Erben des Letztversterbenden erhalten sollen. Es besteht also keine Vor- und Nacherbfolge, über deren Wesen zusammen mit anderen erbrechtlichen Fragen in einem weiteren Aufsatz berichtet werden wird. Abschließend sei nur noch erwähnt, dass jedes gemeinschaftliche wechselbezügliche Testament beide Ehegatten ganz erheblich bindet. Solange beide Ehegatten noch leben, kann nämlich ein Widerruf grundsätzlich nur durch ein neues g e - m e i n s c h a f t 1 i c h e s Testament oder durch einen Erbvertrag beider Ehegatten erfolgen, falls weiterhin eine Verfügung von Todes wegen angestrebt wird und nicht doch wieder die gesetzliche Erbfolge. Hebt dagegen ein Ehegatte seine in einem gemeinschaftlichen wechselbezüglichen Testament erklärte Verfügung einseitig, also ohne Mitwirkung des anderen Ehegatten, auf (durch ein Einzeltestament oder durch einen notariellen Erbvertrag mit einem Dritten, z. B. mit einem Sohn), so wird automatisch = kraft Gesetzes 3 2270 BGB) auch die in dem gemeinschaftlichen Testament enthaltene Verfügung des anderen Ehegatten unwirksam; dieser braucht sie also nicht besonders, in einer Art Gegenzug, aufzuheben, sie wird vielmehr ohne sein Zutun gegenstandslos. Mit dem Tode eines der beiden Ehegatten ist das Widerrufsrecht des überlebenden sogar ganz ausgeschlossen; im einzelnen wird auf 2271 Abs. 2 BGB verwiesen. II. Der Erbvertrag Seite 5/6
Der Abschluss eines Erbvertrages ist neben der Errichtung eines Testamentes die weitere Möglichkeit, in der der Erblasser Erben einsetzen sowie Vermächtnisse und Auflagen anordnen kann, 1941 BGB. Auch er ist eine Verfügung von Todes wegen. In dem Ausgangsfall hätte also Vater Müller zu Lebzeiten einen Erbvertrag mit seinem Sohn Heinrich schließen können mit dem Inhalt, wie er ihn auch in die Form eines Testamentes hätte bringen können (Einsetzung dieses Sohnes als Alleinerbe mit Anordnung von Vermächtnissen und Auflagen zugunsten der übrigen gesetzlichen Erben oder Dritter). Er bedarf der Form nach 2276 BGB, d. h. er kann nur vor einem Notar bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile geschlossen werden, wobei sich der Erblasser nicht vertreten lassen kann 3 2274 BGB). Wie bei einem Testament treten die Rechtsfolgen aus dem Erbvertrag erst mit dem Tode des Erblassers ein und nicht schon mit dem Vertrags- Abschluss, wie es bei dem o. g. Übertragsvertrag im Wege der vorweggenommenen Erbfolge der Fall ist. Er kann ebenfalls in amtliche (gerichtliche) Verwahrung genommen werden, auf Verlangen der Parteien auch privat aufbewahrt werden (5 2277 BGB). In amtlicher Verwahrung kann er 50 Jahre belassen werden, vgl. 5 2300 a BGB. Über Unterschiede zwischen Erbvertrag und Testament wird in einem besonderen Aufsatz berichtet werden. 1) Ich empfehle, im Heft 12/1969 auf S. 184 handschriftlich auf diese Richtigstellung hinzuweisen. 2) Die bisherige Möglichkeit der Errichtung eines Testaments vor einem Richter ist ab 1. 1. 1970 entfallen 3 2231 BGB i. d. F. des Beurkundungsgesetzes v. 28. B. 1969 BGBl. I 1513 ). 3) Gemeint ist ein Schriftstück z. B. in einem verschlossenen Briefumschlag. 4) Liegt kein Testament vor, so wird im allgemeinen ebenfalls ein Erbschein nach gesetzlicher Erbfolge benötigt. 5) Vgl. allerdings die Frist von 30 Jahren in $ 2263a BGB. 6) Ober die gesetzliche Erbfolge folgt ein Aufsatz demnächst. Seite 6/6