Examinatorium Erbrecht. Titz/Zott. Fall 1 Gesetzliche Erbfolge. Hinweis: Verhältnis von gewillkürter und gesetzlicher Erbfolge
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1 Examinatorium Erbrecht Titz/Zott Augsburger Examinatorium der Juristischen Fakultät Universitätsstraße Augsburg Zimmer: 2007a Tel.: Fall 1 Gesetzliche Erbfolge Hinweis: Verhältnis von gewillkürter und gesetzlicher Erbfolge Der Erblasser kann durch Verfügung von Todes wegen bestimmen, wer sein Erbe sein soll (Verfügung von Todes wegen = Testament oder Erbvertrag). Hierunter versteht man die gewillkürte Erbfolge. Die gewillkürte Erbfolge ist zur gesetzlichen Erbfolge ( 1924 ff. BGB) vorrangig (vgl BGB). Die gesetzliche Erbfolge kommt folglich nur dann zum Tragen, falls der Erblasser den Gang seines Vermögens nach seinem Ableben nicht mit Hilfe eines Testaments oder Erbvertrags regelte. Bsp.: Der Erblasser hat gar keine Anordnung getroffen; Ein rechtswirksames Testament liegt vor, enthält aber nur Vermächtnisanordnungen oder Auflagen und gerade keine Erbeinsetzungen; Es lag ein rechtswirksames Testament vor, dieses wurde aber wirksam widerrufen ( 2253 ff. BGB); Es liegt kein rechtswirksames Testament vor (z. B. 2064, 2231 BGB). Die gewillkürte und die gesetzliche Erbfolge stehen aber in keinem generellen Exklusivitätsverhältnis und sind in gewissen Fällen auch nebeneinander denkbar. Bsp.: 2088 Abs. 1 BGB 2088 Abs. 2 BGB 2104 BGB 2105 BGB Der Pflichtteil besteht immer in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils (vgl Abs. 1 S. 2 BGB). 1
2 Hinweis: Die gesetzliche Erbfolge I. Rangordnung (Parentel- oder Ordnungssystem) 1. Ordnung: Abkömmlinge des Erblassers ( 1924 Abs. 1 BGB) 2. Ordnung: Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge ( 1925 Abs. 1 BGB) 3. Ordnung: Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge ( 1926 Abs. 1 BGB) 4. Ordnung: Urgroßeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge ( 1928 Abs. 1 BGB) 5. Ordnung: Ururgroßeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge ( 1929 Abs. 1 BGB) usw. Beachte: Ein Verwandter ist nicht zur Erbfolge berufen, solange ein Verwandter einer vorhergehenden Ordnung vorhanden ist. ( 1930 BGB) II. Erbfolge nach Stämmen (innerhalb der Rangordnung) Die Erbfolge innerhalb der ersten Ordnung zeichnet sich durch eine Erbfolge nach Stämmen aus (vgl BGB). Das bedeutet, dass jedes Kind des Erblassers mit seinen eigenen Kindern einen Stamm bildet. Gemäß 1924 Abs. 4 BGB bekommt jeder Stamm den gleichen Erbteil, wobei innerhalb eines Stammes ein zur Zeit des Erbfalls lebender Abkömmling die durch ihn mit dem Erblasser verwandten Abkömmlinge von der Erbfolge ausschließt ( 1924 Abs. 2 BGB) (sog. Repräsentationsprinzip). Gemäß 1924 Abs. 3 BGB treten an die Stelle eines zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebenden Abkömmlings die durch ihn mit dem Erblasser verwandten Abkömmlinge (sog. Eintrittsprinzip). 2
3 III. Erbfolge nach Linien Die zweite und dritte Ordnung kennzeichnet sich durch eine Erbfolge nach Linien. Für die Erbfolge in der zweiten Ordnung würde dies Folgendes bedeuten: Jeder Elternteil des Erblassers würde mit seinen Nachkommen eine Linie bilden. Jede Linie erbt zu gleichen Teilen ( 1925 Abs. 2, 1926 Abs. 2 BGB). Es gilt wiederum das Repräsentationsprinzip ( 1925 Abs. 2, 1926 Abs. 2 BGB) und Eintrittsprinzip ( 1925 Abs. 3, 1926 Abs. 3 BGB). IV. Gradualsystem Das sog. Gradualsystem gilt ab der vierten Ordnung. Leben zur Zeit des Erbfalls Urgroßeltern nicht mehr, so erbt von ihren Abkömmlingen gemäß 1928 Abs. 3 BGB derjenige, welcher mit dem Erblasser dem Grade nach am nächsten verwandt ist. Der Grad der Verwandtschaft bestimmt sich nach der Zahl der sie vermittelnden Geburten (vgl S. 3 BGB). Allgemeiner Hinweis: Die Regelungen im Familienrecht ( 1589 ff. BGB) bestimmen wer die Bezeichnung als Verwandter führen darf. An dieser Stelle gilt es auch die Regelungen in Bezug auf eine Adoption zu beachten ( 1754 ff. BGB). 3
4 Hinweis: Ehegattenerbrecht (vgl BGB) Frage 1: Welcher Ordnung gehören die ebenfalls zur Erbschaft berufenen Verwandten an? Frage 2: In welchem Güterstand lebten die Ehegatten zur Zeit des Erbfalles? Da die Erbquote der miterbenden Verwandten von derjenigen des überlebenden Ehegatten abhängt, ist der Erbteil des Ehepartners zunächst zu bestimmen! Mit Hilfe der Absätze 1 und 2 des 1931 BGB kann das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten bestimmt werden. I. Gütertrennung Bestand beim Erbfall Gütertrennung und sind als gesetzliche Erben neben dem überlebenden Ehegatten ein oder zwei Kinder des Erblassers berufen, so erben der überlebende Ehegatte und jedes Kind zu gleichen Teilen (vgl Abs. 4 BGB). Im Übrigen gelten die in 1931 Abs. 1, 2 BGB aufgestellten Grundsätze. II. Gütergemeinschaft Gemäß 1482 S. 1 BGB gehört der Anteil des verstorbenen Ehegatten am Gesamtgut zum Nachlass. Der verstorbene Ehegatte wird nach den allgemeinen Vorschriften beerbt (vgl S. 2 BGB). Es gelten somit keine Besonderheiten. Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten wird anhand der Absätze 1 und 2 des 1931 BGB bestimmt. 4
5 III. Zugewinngemeinschaft Hinweis: Der Güterstand der Zugewinngemeinschaft ist der Regelfall und ist immer dann anzunehmen, falls der Sachverhalt keine entgegenstehenden Angaben macht (vgl Abs. 1 BGB). 1. Erbrechtliche Lösung Wird der Güterstand durch den Tod eines Ehegatten beendet, so wird der Ausgleich des Zugewinns dadurch verwirklicht, dass sich der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten (vgl Abs. 1 BGB) um ein Viertel der Erbschaft erhöht; hierbei ist unerheblich, ob die Ehegatten im einzelnen Falle einen Zugewinn erzielt haben (vgl Abs. 3, 1371 Abs. 1 BGB). Dies bedeutet, dass sich der gesetzliche Erbteil des Ehegatten im Falle der Zugewinngemeinschaft um ein pauschales Viertel erhöht. Neben Erben erster Ordnung: ½ (¼ und ¼) Neben Erben zweiter Ordnung: ¾ (½ und ¼) Neben Erben dritter Ordnung mit allen Großeltern: ¾ (½ und ¼) Neben Erben dritter Ordnung nicht mit allen Großeltern (vgl Abs. 1 S. 2 BGB): Fallbeispiel: Der Erblasser ist verheiratet. Seine Eltern sind vorverstorben. Die Großeltern mütterlicherseits leben noch, die Großeltern väterlicherseits hingegen nicht mehr (jedoch deren beiden Abkömmlinge). Die Ehefrau würde nach 1931 Abs. 1 S. 1 BGB zunächst ½ erhalten. Auf Grund des 1931 Abs. 1 S. 2 BGB würde sie zudem das Viertel von den Abkömmlingen der Großeltern väterlicherseits erhalten (1/8 und 1/8). Die Ehefrau würde somit ¾ erhalten. Durch eine pauschale Erhöhung des Erbteils um ¼ gemäß 1931 Abs. 3, 1371 Abs. 1 BGB würde sie Alleinerbin werden. Dieses Ergebnis ist mit 1931 Abs. 2 BGB nicht vereinbar. Die h. M. berechnet den gesetzlichen Erbteil der Ehefrau nunmehr in einer anderen Reihenfolge. Die Ehefrau erlangt ½ gemäß 1931 Abs. 1 S. 1 BGB und ein Viertel aus 1931 Abs. 3, 1371 Abs. 1 BGB. Dies wären ¾. Das übrige Viertel würde nunmehr auf die Großeltern und deren Abkömmlinge verteilt werden (Erbfolge nach Linien). Die Abkömmlinge der Großeltern väterlicherseits würden nunmehr 1/8 erlangen (1/16 und 1/16). Dieses Achtel geht nunmehr auf die Ehefrau nach 1931 Abs. 1 S. 2 BGB über. Der Erbteil der Ehefrau beläuft sich nunmehr auf ¾ und 1/8, d. h. 7/8. 5
6 2. Güterrechtliche Lösung Neben dieser erbrechtlichen Lösung (pauschales Viertel aus 1931 Abs. 3, 1371 Abs. 1 BGB) gibt es noch alternativ die sog. güterrechtliche Lösung. Der überlebende Ehegatte muss sich für eine der beiden Lösungsmöglichkeiten entscheiden: Der überlebende Ehegatte kann nach 1371 Abs. 3 BGB die Erbschaft ausschlagen ( 1942 ff. BGB). Dies würde zunächst dazu führen, dass der Zugewinn tatsächlich berechnet werden müsste und gerade nicht auf 1371 Abs. 1 BGB zurückgegriffen werden kann. Der Ehegatte erlangt einen Zugewinnausgleichsanspruch (vgl Abs. 2 BGB). Darüber hinaus kann der Ehegatte den Pflichtteil verlangen, auch wenn dieser ihm nach den erbrechtlichen Bestimmungen nicht zustünde (vgl Abs. 3 BGB) Abs. 2 BGB gewährt den Pflichtteilsanspruch eigentlich nicht im Falle der Ausschlagung, sondern nur bei Enterbung des Ehegatten! Gemäß 2303 Abs. 1 S. 2 BGB besteht der Pflichtteil in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Der Pflichtteil des überlebenden Ehegatten oder eines anderen Pflichtteilsberechtigten bestimmt sich in diesem Falle nach dem nicht erhöhten gesetzlichen Erbteil des Ehegatten (vgl Abs. 2 BGB). Zur Berechnung muss auf 1931 Abs. 1, 2 BGB zurückgegriffen werden, nicht hingegen auf 1931 Abs. 3, 1371 Abs. 1 BGB (der Zugewinn wurde ja gerade tatsächlich berechnet!). Hinweis: Nach der konkreten Berechnung des Zugewinnausgleichsanspruchs ist dieser Betrag von dem gesamten Nachlass in Abzug zu bringen. Lediglich der übrige Nachlasswert kann zur Bestimmung der konkreten Höhe des Pflichtteilsanspruchs herangezogen werden! 6
7 Weitere wichtige Vorschriften: 1932 BGB: Gesetzliches Voraus des Ehegatten Gesetzlich angeordnetes Vermächtnis zugunsten des überlebenden Ehegatten als gesetzlicher Erbe 1933 BGB: Ausschluss des Ehegattenerbrechts Das Erbrecht des überlebenden Ehegatten sowie das Recht auf den Voraus ist ausgeschlossen, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren (die Voraussetzungen der Scheidung müssen hierbei inzident geprüft werden, 1565 ff. BGB) und der Erblasser die Scheidung beantragt (der Antrag muss bereits rechtshängig sein, was bedeutet dass der Antrag bereits an den Beklagten zugestellt worden sein muss, 124 S. 1 FamFG i. V. m. 261 Abs. 1, 253 Abs. 1 ZPO) (Beck scher Online-Kommentar BGB/Müller-Christmann, 1933 Rn. 4) oder ihr zugestimmt hatte. Das Gleiche gilt, wenn der Erblasser berechtigt war, die Aufhebung der Ehe zu beantragen, und den Antrag gestellt hatte. Hinweis: 10 LPartG enthält ein gesetzliches Erbrecht zugunsten des überlebenden Lebenspartners des Erblassers! 7
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Wichtig: Der Voraus wird gesetzlich wie ein Vermächtnis behandelt (siehe Kapitel 7 Das Vermächtnis ).
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