Fakultät fürr Elektrotechnik und Informationstechnik Lehrstuhl für Energiesysteme und Energiewirtschaft Praktikum 4: Energietechnik Netzplanung mit DIgSILENT PowerFactory Bei der Planung eines elektrischen Energieversorgungsnetzes muss der Netzbetreiber unter- und schiedliche Kriterien berücksichtigen. Auf Grund des aufwändigen Planungsprozesses der hohen Investitionskosten ist nach einer langfristig wirtschaftlichen und technischen optimüssen malen Lösung zu suchen. Neben den technischen Eigenschaften der Betriebsmittel insbesondere bei Erneuerungsmaßnahmenn bestehende Strukturen bei der Planung berücksich- mit ausreichendenn Sicherheitsreserven notwendig. Durch diese drei Eigenschaftenn (Wirt- tigt werden. Um die geforderte Zuverlässigkeit nicht zu gefährden, ist eine Dimensionierung schaftlichkeit, netztechnischerr Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit) ergibt sich ein Span- nungsdreieck nach Abbildung 1, aus dem eine geeignete Lösungg gefunden werden muss. Abbildung 1 Spannungsdreieck Mit Hilfe des Netzberechnungsprogrammes DIgSILENT PowerFactory werden in diesem Praktikumsversuch Varianten einer Netzplanung auf ihre technischen Eigenschaftenn hin un- tersucht. Die Anleitung ist beiten. von jedem Teilnehmer vor Versuchsbeginn gewissenhaft durchzuar- Dortmund, August 2010
BENT11 Seite 2 1 Grundlagen der Netzplanung 1.1 Notwendigkeit der Netzplanung Die Neuplanung eines Netzbereiches findet statt, wenn externe Einflüsse eine Veränderung der Netztopologie oder die Altersstruktur dies erforderlich machen. Dazu können sowohl Kundenwünsche nach einer höheren Kurzschluss-, Wirk- oder Blindleistung oder einer höheren Versorgungssicherheit zählen, als auch Ausweisungen von Gewerbe- und Neubaugebieten. Ebenso sind Instandhaltungsmaßnahmen anderer Versorgungsstrukturen Anlass zur Anpassung des elektrischen Netzes. Ein optimales Konzept für die Neuplanung kann nur erreicht werden, wenn eine Gesamtbetrachtung aller Teilziele erfolgt, die häufig widersprüchlich sind. Minimale Errichtungs- und Betriebskosten und die gewünschte Verträglichkeit mit der Umwelt stehen im Gegensatz zur Versorgungszuverlässigkeit und einer optimalen technischen Funktion. Typischerweise werden die Netze anhand ihrer Aufgabe in die Klassen Transport- oder Verteilnetze aufgeteilt. Der Ablauf des Planungsprozesses ist in Abbildung 2 dargestellt. Abbildung 2 - Ablauf Planungsprozess
BENT11 Seite 3 1.2 Technische Planungskriterien Aus technischer Sicht wird ein minimal notwendiges Netz angestrebt, in dem Netzengpässe und gleichzeitig redundante Netzverbindungen vermieden werden. Einheitliche Netzstrukturen und Standards sollten Anwendung finden, um den Betriebsaufwand zu reduzieren. Zur technischen Überprüfung der entwickelten Netzplanungen werden Lastfluss- und Kurzschlussberechnungen durchgeführt. 1.2.1 Lastfluss Bei der Lastflussberechnung kann die Strombelastung der einzelnen Netzzweige und der zu erwartende Wirk- und Blindleistungsfluss ermittelt werden. Zusätzlich stehen die Spannungen an den Netzknoten zur Verfügung. Die Ergebnisse der Lastflussberechnung werden verwendet, um thermische Überlastungen bei Kabeln und Freileitungen oder unzulässige Spannungsfälle an Netzknoten zu finden. In Verteilnetzen wird bei 10 kv und 30 kv die (n-1)-sicherheit gefordert, d.h. bei Ausfall eines beliebigen Betriebsmittels darf es keine Einschränkungen in der Versorgung geben. Die entstandenen Varianten für einen zu überplanenden Netzbereich werden daher mit Hilfe der Lastflussrechnung auf das (n-1)-kriterium geprüft, in dem einzelne Betriebsmittel außer Betrieb genommen werden. In den Umspannanlagen muss die installierte Transformatorleistung (n-1)-sicher den Leistungsbedarf decken. Es muss also auf die Höhe der gesicherten Transformatorleistung geachtet werden. Bei der Planung von elektrischen Netzen werden Schwankungen der Spannung zugelassen, wenn sie in diesem Intervall liegen: 0,95 N 1,05 1.2.2 Kurzschlussleistung Neben den zu erwartenden Belastungen der Betriebsmittel im Normalbetrieb ist für die Auslegung der Betriebsmittel die im Falle eines Kurzschlusses auftretende Kurzschlussleistung wichtig. Anhand der Simulation dreipoliger Kurzschlüsse kann die notwendige thermische Kurzschlussfestigkeit und mechanische Bemessung festgelegt werden. Das Ein- und Ausschaltvermögen von Leistungs- und Lastschaltern wird anhand der Kurzschlussleistung bemessen. Die Kurzschlussleistung darf nicht zu groß werden, damit die Schalter bei einem Kurzschluss noch sicher abschalten können. Auf der anderen Seite muss eine minimale Kurzschlussleistung aus Gründen der Netzstabilität und Spannungshaltung eingehalten werden. Der minimal auftretende Kurzschlussstrom muss von den Schutzgeräten im Netz noch als
BENT11 Seite 4 Fehlerstrom detektiert werden können. Eine Übersicht über die minimalen Kurzschlussleistungen in den einzelnen Spannungsebenen im Verteilnetz gibt Tabelle 1. Spannungsebene Minimale Kurzschlussleistung 110 kv 1000 MVA 30 kv 80 MVA 10 kv 20 MVA 1 kv 0,6 MVA Tabelle 1 - minimale Kurzschlussleistung 1.3 Überprüfung einer Planungsvariante Die Netzvarianten werden auf mögliche Überlastungen im Normalbetrieb und im Fehlerfall überprüft, mit dem Ziel, Netzengpässe zu erkennen. Bei vergleichbaren Lösungsvarianten werden zur Entscheidungsfindung zukünftige Entwicklungen zusätzlich betrachtet, wie beispielsweise ein erneuter Lastanstieg, die mögliche Ausweisung eines neuen Gewerbegebietes oder der Wegfall von Schwerindustrie. Quelle: Jendernalik, Lars: Skript zur Vorlesung Betrieb und Aufbau von Netzen, Stand Wintersemester 2009
BENT11 Seite 5 2 Netzberechnungsprogramm DIgSILENT PowerFactory Mit dem Netzberechnungsprogramm DIgSILENT PowerFactor ry können statische und dyna- mische Berechnungen in Modellen elektrischer Netze durchgeführt werden. Der Praktikums- versuch beschränkt sich nur auf statische Lastflussberechnungen. 2.1 Die Programmoberfläche Nach dem Anmelden bei DIgSILENT sieht das sich öffnende Fenster F von DIgSILENT wie in Abbildung 3 aus. Es gibt vier wesentlichee Bereiche. Bereich A zeigt z das aktivierte Netzmodell an. Bereich B stellt einige wichtige Funktionen dar, die direkt angewählt werden können, ohne in der Menüleiste suchen zu müssen. Die Betriebsmittel, die verwendet werden sollen, können in C ausgewählt werden. In der Textausgabee D werden Fehlermeldungen oder Ergeb- nisse angezeigt. Der Button Farbpalette e bei 1 ermöglicht VeränderungV gen bei den Einfärwie Kurz- bungen der Betriebsmittel vorzunehmen. Die Buttons bei 2 starten Berechnungen, schluss (roter Blitz) oder Lastfluss (schwarzer Pfeil). Der Button bei 3 öffnet den Datenmana- ger, der in Abbildung 4 abgebildet ist. Abbildung g 3 - Programmoberfläche
BENT11 Seite 6 Abbildung 4 - Datenmanager Im Datenmanager können u.a. die Projekte des angemeldeten Benutzers (in der Abbildung: student ) eingesehen werden. Das aktivierte Projekt ( BENTT 11 ) ist fett gedruckt. Eine Netzvariante oder ein Berechnungsfall kann in dem Menü, das sich bei Rechtsklickk auf die Variante öffnet, aktiviert werden. So können für einen Netzbereich mehrere Ausbauvarianten in einem Projekt gespeichert werden. In der Bibliothek sind die im Projekt verwendeten Be- wer- triebsmittel gespeichert. Wenn ein neues Betriebsmittel dem Netzplan hinzugefügt wird, muss seinn Typ definiert den. Mit einem Doppelklick auf das Betriebsmittel öffnet sich ein e Eigenschaftenfenster, das in Abbildung 5 für einen 2-Wicklungstransformator dargestellt ist. Bei Typ kann über Projekttyp auswählen aus der Projektbibliothek der gewünschte Typ ausgesucht werdas Be- den. Vorsicht: öffnet das Eigenschafte enfenster des gewählten Typs undd verändert triebsmittel direkt in der Bibliothek, so dass alle anderen Betriebsmittel dess gleichen Typs mit verändert werden! Beim Anschluss von Betriebsmitteln an n Schaltanlagen öffnet sich in einer neuen Seite des Netzplans eine detaillierte Übersicht über die Schaltanlage mit genauer Darstellung der einkann die zelnen Leistungsschalter und Trenner. Aus dem Rechtsklickmenü der Schaltanlage detaillierte Ansicht ebenfalls geöffnet werden.
BENT11 Seite 7 Abbildung 5 - Eigenschaftenfenster für 2-Wicklungstransformator
BENT11 Seite 8 3 Aufgabe Im Landkreis Wittgenstein (NRW) haben 2 Umspannanlagen (UA) des Verteilnetzes das Ende ihrer technischen Lebensdauer erreicht. Dieser Umstand wurde als Anlass genommen, eine Bedarfsanalyse innerhalb des Netzbereiches durchzuführen und die veralteten UA zu erneuern und zusammen mit Anpassungen im Netz so anzupassen, dass sie dem Bedarf der kommenden 20-40 Jahre entsprechen. 3.1 Aktuelle Situation Der Netzbereich der Gemeinden Bad Berleburg, Berghausen, Erndtebrück, Feudingen und Laasphe wird durch die Umspannanlage Arpe aus dem 380-kV-Netz über ein 110-kV- Doppelsystem gespeist. Von Berghausen aus werden die anderen Gemeinden über 110-kVund 30-kV-Leitungen (blau und pink) versorgt. Eine Besonderheit besteht darin, dass ein System der 110-kV-Freileitung von Berghausen nach Erndtebrück/Laasphe nur mit 30 kv betrieben wird. Die aktuelle Versorgungssituation zeigt Abbildung 6. Die 30-kV-Schaltanlagen der UA Berghausen und UA Erndtebrück haben das Ende ihrer technischen Lebensdauer erreicht und müssen überarbeitet werden. In den anderen UA besteht kein unmittelbarer Handlungsbedarf. Bei der Überplanung des Netzbereiches sind mehrere Varianten entstanden, die bereits wirtschaftlich und grob technisch ausgewertet wurden. Die technischen Vor- und Nachteile möglicher Varianten sollen in den folgenden Aufgabenteilen überprüft werden. Für eine genauere wirtschaftliche Betrachtung sei auf die Vorlesung Betrieb und Aufbau von Netzen hingewiesen.
BENT11 Seite 9 Abbildung 6 - Aktuelle Netzsituation
BENT11 Seite 10 3.2 Variante 1:1-Ersatz Die einfachste Variante besteht darin, die Betriebsmittel, die das Ende ihrer technischen Lebensdauer erreicht haben, 1:1 zu ersetzen. Bei dieser Variante werden Tendenzen in der Energieversorgung nicht berücksichtigt. Daher sind bei dem vorhandenen Netz folgende Aspekte zu untersuchen: a) Zunächst ist festzustellen, bei welchen Betriebsmitteln im Normalfall am ehesten mit einer Überlastung zu rechnen ist. Wie hoch ist die gesicherte Leistung in jeder Umspannanlage und Spannungsebene bei Berücksichtigung des (n-1)-kriteriums? b) Gibt es Überlastungen der Betriebsmittel im (n-1)-fall? Welche Betriebsmittel sind am ehesten gefährdet? c) Wird die minimale Kurzschlussleistung nicht unterschritten? In Zukunft ist damit zu rechnen, dass die Last durch Ansiedlung eines neuen Gewerbegebietes in Laasphe um 2-3 MVA ansteigen wird. d) Zunächst muss der Betriebsfall von Standard auf Lastzuwachs geändert werden. Die Last in Laasphe steigt damit von 18,5 MVA auf 21 MVA. Müssen bei einem Lastanstieg in Laasphe noch weitere Betriebsmittel ausgetauscht werden, wenn in den UA ein Trafo ausfällt? 3.3 Variante Wegfall 30 kv Die Variante, in dem Netzbereich die Zahl der Spannungsebenen auf zwei zu reduzieren und damit die 30-kV-Ebene zurückzubauen, wurde aus technischen Gründen gestrichen. Eine erste Abschätzung hat ergeben, dass in der 10-kV-Ebene das Spannungsintervall nicht eingehalten werden kann. a) Zunächst muss die Variante keine 30 kv aktiviert werden. Darin ist das Netz so umzubauen, dass die 30-kV-Ebene komplett wegfällt. Die UA Feudingen soll dabei nur noch mit 10 kv mit den bereits liegenden 30-kV-Kabeln aus den UA Erndtebrück und Laasphe versorgt werden. Es gilt die grobe Abschätzung mit den einhergehenden technischen Schwierigkeiten zu überprüfen und die Aussagen ggf. durch genaue Berechnungen zu bestätigen. b) Werden bei der Lastflussberechnung alle notwendigen Grenzen eingehalten, wenn das (n-1)-kriterium untersucht wird? c) Reicht die minimale Kurzschlussleistung aus?
BENT11 Seite 11 3.4 Variante kombiniertee 110/30-kV-Lösung Bei der kombinierten 110/30-kV-Lösungg wird ein Teil der bereits als 110-kV-Trasse ausge- wer- legten Freileitung von Berghausen nach Erndtebrück mit 110 kv betrieben. Außerdem den die 30-kV-Schaltanlagen in den UA Berghausen und Erndtebrück denn Ansprüchen angepasst und neugebaut. Diese Variante wurde von der Planungsab bteilung als flexibelste Erweite- rungsmöglichkeit gesehen, die langfristig zu einer kompletten 110-kV-Lösung umgebaut werden kann und über ausreichende Leistungsreserven bei geringen Kostenn verfügt. a) Zur Überprüfung müssen die Netzänderungen nach Abbildung 7 in die Variante 110/30 kv des Netzmodell ls eingepflegt werden. Die neuen 110/10-kV- Transformatoren in Berghausen und Erndtebrück haben eine Scheinleistung von je 31,5 MVA. b) Die Lastflussergebnisse müssen auf Überlastungen und Verletzung der Spannungs- grenzen untersucht werden. c) Was muss getan werden, um beii einem Lastanstieg von 6-10 MVA in Erndtebrück dort eine ausreichend gesicherte Leistung zu erhalten? Dabei soll der Aufwand mög- lichst geringg sein. Abbildung 7 - Netzmodell fürr Variante "kombinierte 110/30-kV-Lösung"