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Transkript:

EULE E.V., AM BAHNHOF 1, 85435 ERDING Was für eine Ausstellung! Hinterglasbilder avantgardistischer Künstler Irene Dütsch 1962 leistete das Jenaer Glaswerk Schott & Gen., Mainz zum 2000. Geburtstag der Stadt Mainz einen ganz besonderen Beitrag. Im Gutenberg -Museum wurde eine viel beachtete Ausstellung mit Hinterglasbildern gezeigt: hinter Glas gemalte Kunstwerke avantgardistischer Künstler des 20. Jahrhunderts und hi storische Hinterglasbilder. Die Ausstellung sollte, wie man heute weiß, die einzige ihrer Art im 20. Jahrhundert sein.

Was für eine Ausstellung! Eulenspiegel 2012_012 Mainz 1962: Einzige Ausstellung im 20. Jahrhundert mit Hinterglasbildern avantgardistischer Künstler Mit einem kulturellen Paukenschlag endeten im Jahr 1962 die Feierlichkeiten zum 2000. Geburtstag der Stadt Mainz am Rhein. Vom 3. November bis 2. Dezember zeigte das Gutenberg-Museum die Ausstellung Hinterglasmalerei im 20. Jahrhundert. 1 Es war der Beitrag des Jenaer Glaswerks Schott & Gen., Mainz die Idee dazu stammte von dem Mainzer Kunstkritiker Günter Pfeiffer, seit 1960 Leiter der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit bei Schott. Mit großem Engagement war es ihm gelungen, Hinterglasbilder von Kandinsky, Marc, Münter u. v. a. nach Mainz zu holen. Herausgekommen ist dabei eine Ausstellung, die mehr als 60 Hinterglasbilder von Künstlern der klassischen Moderne in einer einzigartigen Zusammenschau vereinte. Im 20. Jahrhundert war es die erste Ausstellung dieser Art und, wie man heute, 50 Jahre später, weiß, auch die einzige. Hinterglasbilder wurden bis dahin nur wenig beachtet und waren in Ausstellungen nur vereinzelt zu sehen, wie beispielsweise 1961 in Berlin in der ersten großen Sturm-Gedächtnisausstellung Herwarth Walden und die Europäische Avantgarde Berlin 1912-1932. Unter den mehr als 200 ausgestellten Werken waren auch 15 Hinterglasbilder, u.a. von Kandinsky, Macke und Campendonk. 2 Die leuchtenden Bilder müssen auf Günter Pfeiffer, der die Ausstellung besuchte, faszinierend gewirkt haben. Vermutlich entstand dabei die Idee für die Mainzer Ausstellung. 3 Warum sollte man nicht einmal den Versuch unternehmen, einen Überblick über die moderne Hinterglasmalerei des 20. Jahrhunderts zu geben? Warum nicht einmal Hinterglasbilder all jener bekannten expressionistischen Künstler zeigen, die zu Beginn des Jahrhunderts bei ihrer Suche nach neuen Ausdrucksformen ausgerechnet auf die 1 2 3 Im Stadtarchiv Mainz existiert dazu eine Sammlung von Presseberichten; StadtA Mainz, 2000- Jahr-Feier Nr. 49. Siehe Ausst.-Kat. Der Sturm Herwarth Walden und die Europäische Avantgarde Berlin 1912-1932. Die von der Nationalgalerie veranstaltete Ausstellung wurde vom 24. September bis 19. November 1961 in der Orangerie des Schlosses Charlottenburg gezeigt. Die 15 ausgestellten Hinterglasbilder stammten von zehn Künstlern. Die drei von Kandinsky gezeigten Hinterglasbilder waren schon 1912 in der 1. Sturm-Ausstellung zu sehen. Siehe Mainzer Anzeiger vom 3./4. November 1962 Erste Ausstellung moderner Hinterglasmalerei. Von der >>Bauernmalerei<< zum Kunstwerk. Seite 2 von 13

Hinterglasbilder aufmerksam geworden waren und sich dann für die Technik der Hinterglasmalerei begeistert hatten? Pfeiffer hatte viel keine Mühe gescheut, um die Ausstellung zu arrangieren. Am 3. November war es soweit: um 16 Uhr eröffnete der Mainzer Oberbürgermeister Franz Stein sie vor einem sachverständigen Publikum. An prominenten Gästen erwartete man Felix Klee (den Sohn von Paul Klee), Tut Schlemmer (die Witwe von Oskar Schlemmer), Adda Campendonk (die Witwe von Heinrich Campendonk) und die ausstellenden Künstler Lily Hildebrandt, Walter Dexel und Nell Walden. Ob sie gekommen sind, ist nicht bekannt. Dem Geleitwort von Dr. Schott folgte ein einführendes Referat von Prof. Klaus Lankheit, dem gründlichen Kenner des Blauen Reiter. Er verfaßte auch den einleitenden Text des Ausstellungs-Kataloges Hinterglasmalerei im XX. Jahrhundert, der begleitend zur Ausstellung erschien. 4 (1) Der Katalog zur Ausstellung Blauer Reiter, STURM, Bauhaus und Hölzel-Kreis In seinem einleitenden Text geht Klaus Lankheit zunächst kurz auf die Geschichte und Technik der Hinterglasmalerei ein, bevor er sich der Beschäftigung der zeitgenössischen Künstler mit der glättesten Fläche widmet und dabei auch kurz die Frage anreißt, warum es zu der unerwarteten Wiedergeburt der Hinterglasmalerei kommen konnte. Abgesehen von Paul Klee - der sich schon sehr früh mit der glättesten Fläche beschäftigte und die meisten seiner Hinterglasbilder zwischen 1905 und 1908 gemalt hatte - setzte die glückliche, rauschhafte Glasmahlzeit 5 etwa um 4 5 Künftig bezeichnet mit Ausst.-Kat. Mainz 1962. Den Begriff benutzte Kandinsky in einem Brief an Franz Marc aus Murnau am 29.X.[19]11. Siehe Klaus Lankheit (Hrsg.) Wassily Kandinsky/Franz Marc. Briefwechsel. Mit Briefen von und an Gabriele Münter und Maria Marc, München 1983, S. 69. Seite 3 von 13

1908 in Murnau ein, dem Geburtsort des Blauen Reiter. Gerade die Hinterglasmalerei mit ihrer extrem leuchtenden kontrastreichen Farbigkeit und den vereinfachten, in schwarze Konturen gespannten Darstellungen war für Gabriele Münter, Kandinsky und andere Künstlerfreunde ausschlaggebend für die eigene Entwicklung zur gegenstandslosen Malerei. Münter, die sich als erste in dieser Technik versuchte und schließlich auch Kandinsky anregte, hat dazu 1933 rückblickend festgehalten: Aber Glasbilder scheint mir, lernten wir erst hier [Murnau] kennen. Es wird Jawlensky gewesen sein, der zuerst auf Rambold u. die Sammlung Krötz aufmerksam machte. Wir alle war[en] begeistert für die Sachen. Bei Rambold sah ich daß u. wie man es machen kann - u. ich war in Murnau u. soviel ich weiß im ganzen Kreis die erste, die Glasscheiben nahm u. auch was machte. 6 Die Beschäftigung mit der Hinterglasmalerei breitete sich im Freundeskreis rasch aus. Mit der Nennung der bayrischen Glasbilder an erster Stelle des provisorischen Inhaltsverzeichnisses und der Veröffentlichung von mehreren Hinterglasbildern im Almanach Der Blaue Reiter sorgten die Redakteure Kandinsky und Marc nicht nur dafür, daß die bäuerlichen Hinterglasbilder in die Kunstgeschichte eingeführt wurden 7, vielmehr gaben die Blauen Reiter - wie Lankheit es im Mainzer Katalog formulierte - darüber hinaus die Fackel an den STURM in Berlin weiter. Nachvollziehen läßt sich dies anhand von Nell Waldens Erinnerung an einen Besuch bei Münter und Kandinsky kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges: In Murnau sahen wir auch eine wunderbare Sammlung von Alt-Heiligen-Bildern (Hinterglasmalerei). Das Hinter-Glas-Malen gefiel mir ganz besonders, die Farben leuchten so klar und rein. Und hier bekam ich ohne Zweifel den ersten Impuls, selbst Hinter-Glas-Bilder zu malen. Angeregt, das zu tun, haben mich Kandinsky und die liebe Frau Münter, die eine sehr feinsinnige Malerin war. In Berlin habe ich dann angefangen auf Glas zu malen. Zuerst Heiligenbilder, später kleinformatige eigene Motive. Kandinsky und Klee fanden ihre Bilder sehr schön, worüber Nell Walden sich natürlich sehr freute. 8 Die Einweisung in die Technik dürfte sie von Gabriele Münter erhalten haben, die ein Lehrangebot für die im September 1916 neu-eröffnete Sturm - Kunstschule in Berlin erhalten hatte, 9 wo sie einen Kursus in Hinterglasmalerei gab. 10 Nell Walden malte jedoch nicht nur Hinterglasbilder, sondern legte sich (wie auch Münter und Kandinsky, Jawlensky u.a.) eine Sammlung von Hinterglasmalerei- 6 Zitiert nach Annegret Hoberg Wassily Kandinsky und Gabriele Münter in Murnau und Kochel 1902-1914, (Briefe und Erinnerungen), München 1994, S. 51 f. 7 Siehe WassilyKandinsky - Franz Marc (Hrsg.) Der Blaue Reiter, München 1912. Dokumentarische Neuausgabe hrsg. von Klaus Lankheit (= Serie Piper; 300). 7. Aufl., München u.a. 1997, Kommentar von Klaus Lankheit S. 291. 8 Nell Walden war die Ehefrau des Berliner Galeristen und Herausgebers der Zeitschrift Der Sturm Herwarth Walden. Siehe Nell Walden u. Lothar Schreyer (Hgg.) Der Sturm. Ein Erinnerungsbuch an Herwarth Walden und die Künstler aus dem Sturmkreis, Baden-Baden 1954, S. 32ff. 9 Siehe Gisela Kleine Gabriele Münter und Wassily Kandinsky. Biographie eines Paares. (Suhrkamp-Taschenbuch 2807). Frankfurt a. M. 1998, S. 477. 10 Siehe Karla Bilang Nell Walden, in: Britta Jürgs Sammeln nur um zu besitzen? Berühmte Kunstsammlerinnen von Isabella d Este bis Peggy Guggenheim, Berlin 2000, S. 229-255; hier S. 239. Seite 4 von 13

en an. Dazu gehörte von Franz Marc das 1911 entstandene große Hinterglasbild >Tiere mit Regenbogen< 11, das außer Katalog in der Ersten Ausstellung des Blauen Reiter 1911/12 in München ausgestellt war. 12 Der Funke der Begeisterung für die Hinterglasmalerei sprang schließlich weiter zum Bauhaus in Weimar. Unabhängig davon malten in Stuttgart einige Künstler aus dem Kreis um Adolf Hölzel Hinterglasbilder und daß es auch unter den zeitgenössischen Künstlern Einzelgänger gibt, die Glas als Malgrund benutzten, zeigten schließlich einige im Jahr 1962 entstandene Beispiele. Der Bogen der hinterglasmalenden Künstler ließe sich so Lankheit im Mainzer Katalog jedoch noch weiter spannen, denn auch im Kreis der Rheinischen Expressionisten wurde diese Technik gepflegt. So weiß man beispielsweise, daß Paul Adolf Seehaus (1891-1919), vermutlich angeregt durch August Macke, eine kleine Anzahl von Hinterglasbildern malte und zwei gleich 1913 in seiner ersten Ausstellung der Ausstellung Rheinischer Expressionisten - präsentierte. 13 Zu nennen wäre beispielsweise auch noch Georg Schrimpf (1889-1938), der vermutlich über den STURM die Anregung erhielt. 14 Welche Hinterglasbilder hat nun Günter Pfeiffer dem Mainzer Publikum präsentiert? Märchenbilder - mystisch leuchtend Fotos aus der Ausstellung kennen wir bislang nicht, so daß über die Reihenfolge der Hängung nichts bekannt ist. Wurde eine zeitliche Reihung vorgenommen? Oder eine alphabetische nach Künstlern? Oder nach zusammengefaßten Gruppen? Welchen farblichen Hintergrund wählte man für die Wände oder Vitrinen? Man kann also seine Phantasie nur anhand der Abbildungen des Ausstellungs-Kataloges etwas spielen lassen, um sich vorzustellen, welches Bild sich dem damaligen Besucher bot. Beim Gang durch die Ausstellung und bei einem Blick in die Vitrinen dürfte angesichts der bunten Pracht so manches bewundernde oooh und aaah zu hören gewesen sein. Denn Hinterglasbilder haben durch die intensiv-leuchtenden Farben, die Transparenz und den Glanz des Glases eine ganz eigene reizvolle Wirkung besonders, wenn altes, schlieriges Glas und blitzendes Gold verwendet wurde. 11 Siehe Nell Walden Herwarth Walden, Mainz 1963, S. 58. Maße: 110:47 laut Alois J. Schardt Franz Marc, Berlin 1936, S. 174. 12 Zu sehen ist es auf einem der Fotos, die Gabriele Münter von der ersten Ausstellung machte. Siehe Helmut Friedel (Hg.) Gabriele Münter. Die Jahre mit Kandinsky. Photographien 1902-1914, München 2007, S. 258. 13 Siehe Peter Dering Paul Adolf Seehaus (1891-1919). Leben und Werk, Bonn 2004, S. 23, S. 37, S. 48. Neun bekannt gewordene Hinterglasbilder sind im Werkverzeichnis (S. 178-179) aufgeführt. 14 Siehe Eva Zimmermann Das Mädchen mit dem Lämmlein die hl. Agnes. Ein Hinterglasbild von Georg Schrimpf, in: Jahrbuch des Vereins für Christliche Kunst in München e.v., XXII. Band 2004, S. 133-141; in Farbe abgebildet ist das 1921 bei Schrimpf in dessen Münchner Atelier erworbene Hinterglasbild auf S. 44. Seite 5 von 13

Einteilen ließen sich die Exponate ganz grob betrachtet - in zwei Bereiche: moderne und alte Bauernhinterglasbilder. Moderne das waren 61 aus dem Zeitraum 1905 bis 1962 stammende Hinterglasbilder, gemalt von 21 Künstlern darunter elf Hinterglasbilder der vier Künstlerinnen Lily Hildebrandt (4), Ida Kerkovius (1), Gabriele Münter (3) und Nell Walden (3). Diese beeindruckenden Zahlen verdeutlichten zum ersten Mal, wie viele moderne Maler und Malerinnen sich mit der Hinterglastechnik beschäftigten und sogar bis in die Gegenwart hinein noch immer hinter Glas malten. Der Katalog führt sie in alphabetischer Reihenfolge auf, bezeichnet die ausgestellten Werke (mit Datierung und heute undenkbar! Nennung der Leihgeber) und bildet je Künstler ein Hinterglasbild ganzseitig ab. Leider wurde von 24 Hinterglasbildern 15 nur eines von Heinrich Campendonk ( Bäume, 1947) in Farbe wiedergegeben. (2) Bäume Hinterglasbild von Heinrich Campendonk, 1947 Zahlenmäßig am stärksten vertreten waren mit je neun Hinterglasbildern Heinrich Campendonk und Oskar Schlemmer. In der Presse 16 hoch gelobt wurden die von Campendonk gezeigten Hinterglasbilder von 1919 und aus den 1920er, 1930er und 1940er Jahren: Märchenbilder, entstanden mit kubistischen Elementen und der Erzählweise Marc Chagalls. Von bedeutender, wahrhaft eindringlicher Wirkung waren zwei große religiöse Kompositionen. 17 Daß Oskar Schlemmer durch das Kopieren von Hinterglasbildern aus der Sammlung seines Freundes Dieter Keller (1909-1985) zur Hinterglasmalerei angeregt worden war, belegen drei um 1939 und 1941 Nach einem alten Hinterglasbild geschaffene Werke. 18 15 22 zeitgenössische Hinterglasbilder (darunter zwei von Campendonk), ein Bauernhinterglasbild und ein cliché verre von Camille Corot. 16 Nicht näher bezeichneter Pressebericht Magie des Glases vom 9. November 1962. 17 Siehe Ausst.-Kat. Mainz 1962: Kreuzigung, 1938-39 (Nr. 6) und Christuskopf, um 1948 (Nr. 8b). 18 Siehe Ausst.-Kat. Mainz 1962: Nr. 46 und 47 (Sammlung Tut Schlemmer) und 50 (Sammlung Die ter Keller). Die für den 6. Dezember 2008 im Auktionshaus Lempertz, Köln anberaumte Auktion 935 des Oskar Schlemmer Nachlasses, die aufgrund eines Urteils des OLG München vorerst ab- Seite 6 von 13

(3) und (4) Das Letzte Abendmahl links das in der Mainzer Ausstellung 1962 19 gezeigte Hinterglasbild von Oskar Schlemmer geschaffen um 1939 in Anlehnung an ein altes Hinterglasbild ( Das heilige Abendmahl, Sandl, um 1840) aus der Sammlung Dieter Keller (rechts). Ein Vergleich der beiden Bilder zeigt interessante Unterschiede und Übereinstimmungen. Schlemmer ging jedoch bald wie schon Gabriele Münter dreißig Jahre vor ihm - zu eigenen Schöpfungen über, gemalt in strenger Disziplin seiner figuralen Kunst. Beispiel dafür ist sein Jünglingskopf, 1941, der auch in mehreren Presseartikeln abgebildet war. 20 (5) Jünglingskopf, 1941 Hinterglasbild von Oskar Schlemmer gesagt werden abgesagt wurde, enthielt 13 Hinterglasbilder (Depositum des Nachlasses, Schlossmuseum Murnau). 19 Erwähnt im Ausst.-Kat. Mainz 1962, Nr. 47. 20 Das Bild gehörte Dieter Keller, der es in seiner Publikation Hinterglasbilder, Lorch 1948, in Farbe abbildete. Seite 7 von 13

Eines der schönsten stammt von Jawlensky, eine mystisch leuchtende, ikonenhafte Madonna ( Mutter der Welten, um 1910), so lobte die Presse ein von Alexej Jawlensky (1884-1941) gemaltes Hinterglasbild aus der Sammlung von Dieter Keller 21, auf das in mehreren Zeitungen hingewiesen war. (6) Mutter der Welten Hinterglasbild von Alexej Jawlensky (7) Mythologische Szene, 1908 Hinterglasbild von Wassily Kandinsky Von Kandinsky wurde das Hinterglasbild Mythologische Szene, 1908 gezeigt 22, von August Macke waren Alte Hölzerne Tanzfiguren zu bewundern. 23 Bezaubernd waren Franz Marcs Zwei Pferde in Landschaft, 1912 eine in ihrer träumerischen Stimmung ganz von dem zarten Farbklang getragenen Komposition. Hätte man noch sein zuletzt in der Ketterer-Auktion vom November 1954 gezeigtes, über einen Meter hohes Hinterglasbild >Landschaft mit Tieren und Regenbogen< zur Mainzer Ausstellung beschaffen können, so wäre dieses hinreißende Werk ihr unbestreitbarer Mittelpunkt gewesen. 24 21 Vorbesitzer war der Kunstmäzen Alfred Mayer. Siehe Irene Dütsch Alfred Mayer ein Mäzen im Umkreis des Blauen Reiter. Hinter den Kulissen der Münchner Bohème, in: Schriften des Historischen Vereins Murnau 22. Jg. Heft 22, Jahrbuch 2004, S. 69-124, hier: S. 94. - Zur noch nicht endgültig geklärten Frage, ob Jawlensky Hinterglasbilder malte, siehe Irene Dütsch Glasklar oder bewußte Trübung. Hat Alexej Jawlensky Hinterglasbilder gemalt?, in: Weltkunst, 69. Jg., Nr. 5, 1999, S. 920-922. Eine schwarz-weiß-abbildung findet sich bei Dieter Keller Hinterglasbilder, Lorch 1948, o.s. 22 Ausst.-Kat. Mainz 1962, Nr. 23. Die Datierung des heute als Reiter und Apfelpflückerin bekannten Hinterglasbildes (mit den Türmen der Münchner Frauenkirche im Hintergrund) ist mit 1908 zu früh angesetzt und wird in späteren Publikationen mit 1911 angegeben. Das Bild hat, was jedoch im Mainzer Katalog nicht zu erkennen ist, einen bemalten Rahmen, den Kandinsky farblich auf die Malerei abstimmte. 23 Ausst.-Kat. Mainz 1962, Nr. 36. Das Hinterglasbild (heute bezeichnet als Musikanten und Tänzer ) und der seitenverkehrte Entwurf sind abgebildet bei Dominik Bartmann August Macke. Kunsthandwerk. Glasbilder, Stickereien, Keramiken, Holzarbeiten und Entwürfe, Berlin 1979, Hinterglasmalerei Nr. 7 und 8. 24 Es handelt sich um das oben erwähnte Hinterglasbild, das Nell Walden erworben hatte. Seite 8 von 13

Aus München waren für die Ausstellung von der Städtischen Galerie und Lenbach-Galerie drei Hinterglasbilder von Gabriele Münter zur Verfügung gestellt worden. 25 Im Katalog abgebildet war ihr Bild Dame mit Junge 26 leider nur in schwarz-weiß. Das farbstarke, in explosiv leuchtenden Farben gemalte Bild besitzt einen farblich zur Malerei passend gestalteten Rahmen, zu dem die Künstlerin durch das Hinterglasbild Die Hl. Familie von Heinrich Rambold (1872-1953) aus ihrer eigenen Hinterglasbilder-Sammlung inspiriert worden sein dürfte. 27 Rambold war damals der letzte Murnauer Hinterglasmaler, von dem sich Gabriele Münter, wie bereits erwähnt, in die Technik der Hinterglasmalerei hatte einweihen lassen. (8) Dame mit Junge 1912 Hinterglasbild von Gabriele Münter Richtigerweise schrieb dann die Presse auch, daß sich Münter in ihrer Hinterglasmalerei den alten Vorbildern am meisten nähert. Das verwundert nicht, denn als sie und Kandinsky sich in Murnau ansiedelten, begegneten sie laufend den volkstümlichen Hinterglasbildern insbesondere bei Rambold und in der Sammlung Krötz. Bereichert wurde die Schau durch acht 28 alte Bauernhinterglasbilder sowie ein cliché verre aus dem Jahr 1854 von Camille Corot 29. Dieses historische Fundament ermöglichte es dem Besucher, jenen Vorbildern nachzuspüren, die einst mit ihrer Transparenz und Glätte, der leuchtenden Farbigkeit und den vereinfachten Formen inspirierend auf das Schaffen der Künstler gewirkt hatten. Erkennen konnte man da- 25 Ausst.-Kat. Mainz Nr. 40 bis 42; sie stammten aus den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg. 26 Im Ausst.-Kat. An exhibition of unknown work by Gabriele Münter, 1877-1962. Hinterglasmalerei (Painting on glass), woodcuts in colour, etchings, collages, Leonhard Hutton Galleries (New York), 1966/67 war es unter No. 21 ganzseitig (nahezu in Originalgröße) in Farbe abgebildet und bezeichnet mit The lady and her son. Im Juni 2005 wurde das Hinterglasbild in der Auktion 235 ( Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts, Teil I) in der Galerie Kornfeld Bern als Maria mit Kind angeboten. 27 Siehe Irene Dütsch Auf den Spuren bayerischer Volkskunst, in: Historischer Verein Erding e.v. Jahresschrift 2004, S. 7-83, hier: S. 32. Rambolds Hinterglasbild Die Hl. Familie befindet sich in der Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung München. 28 Möglicherweise waren noch weitere volkstümliche Hinterglasbilder ausgestellt, denn das Pressematerial in der Sammlung des Stadtarchivs Mainz 1962 bildet ein Fegefeuer, Bauernbild (Österreich) ab, das im Katalog nicht erwähnt ist. 29 Mit den clichés verre (Glasklischee) entwickelte Camille Corot ein eigenes, fotografisches Verfahren zur Vervielfältigung von Zeichnungen. Davon ließ sich Paul Klee zu Radierungen auf Glas inspirieren. Seite 9 von 13

bei sicher auch, daß die zeitgenössischen Künstler zwar auf die alte Technik zurückgriffen, aber auch viel experimentierten (z.b. mit verschiedenen Materialien), so daß völlig eigenständige Werke mit neuer Bild-Aussage entstanden: abstrakt, sachlichkühl, holzschnitt-artig, collagen-haft oder kubistisch. Die Zeugnisse der Volkskunst bezeichnet als volkstümliche Bauernhinterglasbilder waren gefertigt in Bayern, Oberösterreich, Hessen, in Böhmen, der Schweiz und in China. Sie stammten aus verschiedenen Sammlungen. Dabei war eine Kostbarkeit besonderer Art eine kleine, zauberhaft gemalte Maria in dem ornamentierten Rahmen aus dem Nachlaß von Franz Marc. Aus dem Heimatmuseum Oberammergau wo sich seit 1955 der größte Teil der ehemals nahezu 1000 Hinterglasbilder umfassenden Sammlung des Murnauer Braumeisters Krötz befindet - war ein Jesuskind in die Mainzer Ausstellung gekommen. 30 Es handelt sich um eines jener Bilder, die Kandinsky und Marc einst aus der Sammlung Krötz zur Reproduktion im Almanach der Blaue Reiter ausgewählt hatten. Somit bot sich dem Besucher die wunderbare Möglichkeit, gerade ein halbes Jahrhundert nach dem Erscheinen des Almanachs (1912) das Original-Hinterglasbild Jesuskind mit Leidenswerkzeugen (so der vollständige Titel) und die Reproduktion zusammen zu betrachten. (9) In der Ausstellung waren auch acht Bauernhinterglasbilder zu sehen. Darunter eine südbayerische Maria aus dem Nachlaß von Franz Marc und (10) ein Jesuskind, das bereits im Almanach Der Blaue Reiter abgebildet war. Wie war es Pfeiffer überhaupt gelungen, all diese Schätze nach Mainz zu bekommen? 30 Ausst.-Kat. Mainz 1962, Nr. 61. - Das Hinterglasbild befindet sich noch heute im Oberammergau Museum. Zur Sammlung Krötz siehe Irene Dütsch Tausend Hinterglasbilder. Der Braumeister Johann Krötz und sein Beitrag zur Volkskunde, in: Schönere Heimat Jg. 97 (2008), S. 228-234. Seite 10 von 13

Tausende Kilometer Zwar konnte er, um die Mainzer Ausstellung zu bestücken, sicher an die 1961 besuchte STURM-Retrospektive anknüpfen. Vermutlich hat er dabei mit einigen teilnehmenden Künstlern oder Leihgebern noch vor Ort Kontakt aufgenommen und über eine Beteiligung an der Jubiläums-Veranstaltung in Mainzer verhandelt. Denn in der Mainzer Ausstellung sind auch mehrere Künstler und Hinterglasbilder vertreten, die im Vorjahr bereits in Berlin zu sehen waren. 31 Großzügigerweise stellte Nell Walden aus ihrer Sammlung nicht nur eigene Bilder zur Verfügung, sondern auch etliche der STURM-Künstler. Dennoch mußte Pfeiffer noch ein wahres Mammut-Programm bewältigen, um in knapp einem Jahr die erste Ausstellung dieser Art auf die Beine zu stellen. 32 Was er dafür leistete, ist in der Tat einmalig und verdient noch heute hohe Anerkennung: monatelang war er kreuz und quer unterwegs in Deutschland, Holland, Frankreich und der Schweiz, legte Tausende von Kilometern zurück, um vielfach auf abenteuerlichen Wegen in Museen, Galerien, in Privatsammlungen, bei noch lebenden Künstlern oder deren Nachkommen die Hinterglasbilder aufzuspüren. Doch damit allein war es natürlich nicht getan. Denn vor Ort waren viel Fingerspitzengefühl, Geduld und Überzeugungsarbeit erforderlich, bis die Besitzer bereit waren, sich von den wohl gehüteten Schätzen zu trennen. Er selbst schrieb dazu rückblickend im Januar 1963 im Rheinischen Merkur 33 : Es war die erste Ausstellung über diesen Zweig moderner Kunst und es wird wohl auch die einzige bleiben, denn das Zustandekommen war nur der ungewöhnlichen Methode zu verdanken, mit der das Projekt verwirklich wurde. Hinterglasbilder sind überaus empfindlich. Wenn die Glasscheibe beschädigt wird, ist das Werk endgültig zerstört. Die Besitzer gaben deshalb ihre Schätze nur deshalb her, weil jedes Hinterglasbild persönlich abgeholt und zurückgebracht wurde. Das dürfte für die Vorbereitung einer Ausstellung einmalig sein und die Kräfte eines Museums normalerweise Museums normalerweise übersteigen. 31 Beispielsweise Carlo Mense, Arnold Topp, Louis Marcoussis und Erich Buchholz. 32 Unterlagen zur Umsetzung des Ausstellungsvorhabens besitzt die heutige Firma SCHOTT GLAS lt. Auskunft vom 15.01.1999 nicht mehr, da das Material beim Umzug des Archives in den 1990er Jahren komplett vernichtet wurde. 33 Rheinischer Merkur, 11. Januar 1963, S. 12 Moderne Hinterglasmalerei. Eine Ausstellung vermittelt neue Erkenntnisse. Seite 11 von 13

Die Fackel entzündete sich in Murnau Pfeiffer hatte vorausahnend! Recht, denn wie man heute weiß, war es tatsächlich die einzige Ausstellung dieser Art. 34 Nie wieder gab es eine derart zusammengefaßte Schau. und wird es vielleicht auch nicht mehr geben. Über die gut besuchte Ausstellung wurde in zahlreichen Veröffentlichungen in der regionalen und überregionalen Tages- und Fachpresse berichtet. Die Veranstaltung machte deutlich, daß die Beschäftigung der zeitgenössischen Künstler mit der Hinterglasmalerei eben nicht nur eine reine Freizeitbeschäftigung war. Vielmehr nehmen die selbst gemalten Hinterglasbilder im jeweiligen Oeuvre eine ganz besondere Stellung ein. Darüber hinaus gaben sie dem eigenen Kunstschaffen neue Impulse und beeinflußten die in anderen Techniken gefertigten Werke, wo sie deutliche Spuren hinterlassen haben. Und noch etwas wurde deutlich: Nach Lankheit gaben, wie oben erwähnt, die >Blauen Reiter< die Fackel an den STURM weiter entzündet hatte sie sich in Murnau an den leuchtenden Farben der Hinterglasbilder des dort noch tätigen, letzten Hinterglasmalers Heinrich Rambold und an den 1000 Hinterglasbildern von Braumeister Krötz. 35 34 Im Mai 1969 zeigte das Gutenberg-Museum im Rahmen der Zagreb-Woche naive kunst aus jugoslawien. In der Ausstellung Glasmalerei jugoslawischer Bauern unserer Tage sah das Jenaer Glaswerk Schott & Gen. die Schließung einer Lücke in der 1962 gezeigten Ausstellung Hinterglasmalerei im XX. Jahrhundert. Ein herzlicher Dank geht an das Gutenberg-Museum Mainz, das mich auf diese Ausstellung aufmerksam machte und ein Exemplar des Ausstellungs-Kataloges zur Verfügung stellte. Folgende Publikationen beschäftigen sich überblicksweise mit der zeitgenössischen Hinterglasmalerei (Auswahl): Barbara Lülf Die Hinterglasmalerei des Blauen Reiters, in: Magdalena M. Moeller (Hg.) Der Blaue Reiter und seine Künstler, Ausst.-Kat. München 1998, S. 147 162. Florian Arnold Die missverstandene Kunst. Hinterglasmalerei im 20. Jahrhundert, in: Augsburger Volkskundliche Nachrichten 9. Jg., H 2, Nr. 18, 2003, S. 37-73. In Einzel-Ausstellungen wurden Hinterglasbilder jedoch weiterhin immer wieder gezeigt so beispielsweise von Gabriele Münter in der Ausstellung An exhibition of unknown work by Gabriele Münter, 1877-1962. Hinterglasmalerei (Painting on glass), woodcuts in colour, etchings, collages, Leonhard Hutton Galleries (New York), 1966/67 und von Wassily Kandinsky in der Ausstellung Vasily Kandinsky. Painting on glass (Hinterglasmalerei), Guggenheim Museum New York, 1966. 35 Siehe dazu Irene Dütsch >> daß die Glasbilder nicht aussterben. Neue Erkenntnisse zur Geschichte der Murnauer Hinterglasmalerei<<, in: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde, München 2002, S. 81 102, hier: S. 86-90. Siehe auch Irene Dütsch Auf den Spuren bayerischer Volkskunst. Schon der Kunstkritiker Eo Plunien erwähnte in seinem Beitrag Also Glasmahlzeit, Ihr Glücklichen! in Die Welt (Ausgabe vom 6. Dezember 1962), daß sich die Begeisterung der jungen Expressionisten für die Hinterglasbilder an der Sammlung von Braumeister Krötz entzündete. Seite 12 von 13

Rambold, der sich bereits 1906 unentlich freute, daß diese schon längst vergeßenen Bilder doch wieder ins Leben gerufen werden 36 und der sein Leben lang bestrebt war, die Kunst der Hinterglasmalerei weiter zu vermitteln, sagte später, wenn die Rede einmal auf den Blauen Reiter kam, in schönem Selbstbewußtsein : Ohne mi waarn die nix worn, des ham`s all s bei mir g`lernt. 37 (11) Heinrich Rambold in seiner Werkstatt, 1912 Ob die Mainzer Ausstellung 1962 wohl ohne diese Murnauer Vorgeschichte möglich gewesen wäre Abbildungs-Nachweis: *** 1, 2, 9 Ausstellungs-Katalog Hinterglasmalerei im XX. Jahrhundert, Mainz 1962 3 Auktion 935 Oskar Schlemmer Nachlass, 6. Dezember 2008, Lot 62 4, 5 Dieter Keller Hinterglasbilder, Lorch 1948 6 Weltkunst, 69. Jg., Nr. 5, 1999, Abb. S. 920 7 Jutta Hülsewig-Johnen (Hg.) Der Blaue Reiter. Avantgarde und Volkskunst. Slg. Hertha Koenig, Bielefeld 2003/2004, S. 151 8 Ausst.-Kat. An exhibition of unknown work by Gabriele Münter, 1877-1962. Hinterglasmalerei (Painting on glass), woodcuts in colour, etchings, collages, Leonhard Hutton Galleries (New York), 1966/67, No. 21 10 Schönere Heimat Jg. 97 (2008), Abb. S. 299 11 Velhagen&Klasings Monatshefte XXVII (1912/13), S. 636 Erding, im Oktober 2012 36 Aus einem Brief Rambolds von 1906; abgedruckt bei Irene Dütsch daß die Glasbilder nicht aussterben, S. 88-89. 37 Werner Kraus (1922-2011) hat dies festgehalten in seiner autobiographischen Erzählung Karl der Kleine. Geschichte einer Jugend. St. Ottilien 2003 2, S. 56. Seite 13 von 13