Kognitive und textlinguistische Aspekte von Hypertexten Grundlagen der Textlinguistik Sitzung vom 29.4.2004 Sommersemester 2004 Übersicht Was ist ein Text? Konstitutive Faktoren der Textualität Dimensionen der Beschreibung eines Textes Thematische Entwicklung Beziehungen zwischen Texten Hypertext SS 2004 2 Was ist ein Text? Beispiel 1 Es gibt niemanden, den ihr Gesang nicht fortreißt. Unsere Sängerin heißt Josephine. Gesang ist ein Wort mit fünf Buchstaben. Sängerinnen machen viele Worte. Beispiel 2 (Manfred Bierwisch, Poetik und Linguistik 1965) Die Wetterlage hat sich in den vergangenen Tagen völlig verändert. Wie aber soll sie von wenig Geld eine Haushaltshilfe bezahlen? Allerdings will kein Meteorologe ein Pfennig darauf verwetten, dass wir nun von Juni an mit Sonne rechnen können. Sie wäre aber so nötig, da die kranke Frau die Arbeit nicht mehr schaffen kann. SS 2004 3 1
Kohärenz und Kohäsion Dieser Weg ist kein Weg auf den Schutterlindenberg! Wer es dennoch tut, zahlt fünf Mark und wandert in die Gemeindekasse Beispiel 3 SS 2004 4 Faktoren der Anaphernresolution Morphologie: Kongruenz Syntax: Präferenz für das Subjekt Semantik: Rollengleichheit Thamatizität: Satzthema wird weitergeführt Inhalt: Widerspruchsfreiheit im Text Lexikon: Selektionsrestriktionen Enzyklopädie: Hintergrundwissen SS 2004 5 Was macht einen Text zum Text? Kohärenz / Kohäsion Bezug zu anderen Texten Sachbezug/ Information Text Erwartung/ Akzeptanz Situationsbezug Intention SS 2004 6 2
Konstitutive Faktoren der Textualität Kohäsion Kohärenz Intentionalität Akzeptabilität Informativität Situationalität Intertextualität SS 2004 7 Definition des Textes " A text... differs in two respects from an arbitrary collection of utterances: A It obeys certain global constraints which primarily result from the fact that the utterances in their entirety serve to express, for a given audience and to a given end, a complex set of information, a Gesamtvorstellung... The nature of the Gesamtvorstellung, on the one hand, and the specific purpose the speaker has in expressing it, on the other, impose special constraints on the overall organization of the text. B. The way in which the text proceeds from one utterance to the next obeys local constraints, depending on which information is introduced, maintained or elaborated on.... Each utterance selects a segment from the Gesamtvorstellung and puts it into words." Definition nach W. Klein und Chr v. Stutterheim. SS 2004 8 rein sprachliches Gebilde Kodierung sprachliches und ikonographische Gebilde Prozess Regularität Textyp Type - Token Dynamik Produkt Singularität Einzeltext SS 2004 9 3
Kooperationsprinzip Kooperationsmaximen Quantitätsmaxime: Mache Deinen Beitrag so informativ, wie nötig, aber auch nicht informativer Qualitätsmaxime: Versuche Deinen Beitrag so zu machen, dass er wahr ist Maxime der Relation: Sei relevant! Maxime der Modalität: Sei klar! SS 2004 10 Thematische Entwicklung Im allgemeinen werden die Bewohner Göttingens eingeteilt in Studenten, Professoren, Philister und Vieh. Der Viehstand ist der bedeutendste. Die Namen aller Studenten und aller ordentlichen und unordentlichen Professoren hier herzuzählen, wäre zu weitläufig, auch sind mir in diesem Augenblick nicht alle Studentennamen im Gedächtnisse, und unter den Professoren sind manche, die noch gar keinen Namen haben. Heinriche Heine, Die Harzreise SS 2004 11 Elemente der thematischen Entwicklung In der thematischen Entwicklung werden Konzepte miteinander verknüpft Konzepte: ganzheitliche Repräsentationen von Wissen Typen von Verknüpfungen (Relationen): Zeit Raum Kausalität Spezifikation Klassifikation SS 2004 12 4
Typen der thematischen Entwicklung T 1 R 1 T 1 R 1 T 2 R 2 T 1 R 2 T 3 R 3 T 1 R 3 Thematisierung des Rhemas Nach Hammwöhner offene Hypertextsyteme Konstantes Thema SS 2004 13 Typen der thematischen Entwicklung T T 1 R 1 T 2 R 2 T 3 R 3 Abgeleitetes Thema Nach Hammwöhner offene Hypertextsyteme SS 2004 14 Beziehung zwischen Texten Beispiel: Gérard Genette: Einführung in den Architext Evokation einer Diskurswelt / Texttradition: Lehre von den literarischen Gattungen Zwei Ebenen der Bezugnahme auf Texte: thematische Entwicklung: Positionen der Gattungstheorie formaler Bezug: Zitate und Literaturnachweise SS 2004 15 5
Faktoren der Textualität unter den Bedingungen des Hypertextes I Kohäsion und Kohärenz Welche Kriterien für Kohärenz und Kohäsion gibt es, wenn Knoten des Hypertextes auf unterschiedlichen Pfaden erreicht werden? Intentionalität Der Autor ist nicht nur die Person, die den Text verfasst sondern ist als eine spezifische Funktion im Text präsent. Er gibt eine Orientierung über den Text und erteilt Auskunft darüber, mit welcher Absicht der Text verfasst wurde und welche Funktion die einzelnen Teil im Hinblick auf dies Absicht erfüllen. Wie kann diese Funktion in einem Hypertext ausgefüllt werden? SS 2004 16 Faktoren der Textualität unter den Bedingungen des Hypertextes I Akzeptabilität Akzeptabilität entsteht, wenn ein Text sich interpretierbarer Weise auf die Erwartungen bezieht, die mit dem Texttypus, zu dem er gehört, verbunden sind. Können Hypertexte nach den bisher entwickelten Kategorien der Texttypologie klassifiziert werde oder sind ganz neue Typologien zu entwickeln? Informativität Von Texten wird erwartet, dass sie adressatenbezogen das richtige Maß an Information vermitteln. Wie ist Informativität von Hypertexten sicherzustellen, wenn sie für unterschiedliche Informationsbedürfnisse konzipiert werden? Situationalität Intertextualität SS 2004 17 Faktoren der Textualität unter den Bedingungen des Hypertextes III Situationalität Texte werden konzipiert für bestimmte Formen der Rezeption, für die bestimmte situative Faktoren der Rezeption antizipiert werden. Welche Unterschiede gibt es im Hinblick auf die Situationalität zwischen konventionellen Texten und Hypertexten? Intertextualität komplexere Texte nehmen häufig Bezug auf andere Texte. Hypertexte können diese Bezüge erweitern und ausdifferenzieren. Welche neue Probleme der Orientierung über die Funktion und die Wertigkeit solcher Textbezüge sind dabei zu lösen? SS 2004 18 6