Tagebuch des Gefreiten Huber Mathias, 2. Teil (1915-1918) mit Rückblick



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Transkript:

Tagebuch des Gefreiten Huber Mathias, 2. Teil (1915-1918) mit Rückblick Vom 1. Januar 1915 1. Januar 1916 waren wir / war ich: 31 Tage in Bayernecke Bereitschaft 69 Tage im Schützengraben 57 Tage auf Feldwache 32 Tage in Kirchdorf Bereitschaft 59 Tage in Negerdorf Bereitschaft 94 Tage in Cierges 10 Tage mein Urlaub, vom 15. mit 24.8. 2 Tage Bahntransport und Dietz (Dieuze) 2 Tage in Marsal Ruhe 9 Tage in Rechicourt -------- 365 Tage Die Bereitschaft diente zur Unterstützung der ersten Linie sowie zum Arbeitsdienst: Unterstände bauen, Gräben ausheben. Am 3. Juni 1915 hörten wir zum ersten Mal Glockengeläute (Przmisl gefallen). Am 14. Juli war ein heftiger Mienen-, Sprengungs- und Artilleriefeuer-Angriff, wo besonders die 12. Kompagnie cirka 8 Tote und 20 Verwundete hatte; darunter Huber Sebastian aus Hüll tot. Viele wurden verschüttet. Wir hatten den ganzen Tag vollauf zu tun, die zerschossene Telefonleitung wieder herzustellen bei dem so furchtbar schrecklichen Mienen- und Granatregen. Am 7. August 1915 wurde Thalmeier von Rudertshausen und ein Mann nachts auf der Feldwache beim Säcke-Ausleeren durch Granatsplitter verwundet. Am 11. August mittags, als wir Essen hinter der Stellung holten, wurden wir von heftigem Granatfeuer überrascht und mussten bei dem Feuer mit dem Essen in Stellung kommen. Vom 15. - 24. August 1915 war ich in Urlaub. Fahrt bis Montmedy mit dem Auto. Von Montmedy über Longuyon, Metz, Saarbrücken, Mainz, Darmstadt, Würzburg, Nürnberg, Augsburg, München nach Moosburg.

Am 24. August 1915 ab über Nürnberg, Würzburg, Osterburken, Heidelberg, Mannheim, Kaiserslautern, Saarbrücken, Sedan nach Cierges. Am 29. August 1915 machten wir einen Angriff früh um 4 Uhr, welcher nicht gut ausging, denn die Franzosen setzten ein mörderisches Mienen-, Granat- und Infanteriefeuer ein, so daß wir nur Verluste, zerschossene Gräben und Telefonleitungen hatten, die wir in solchem Höllenfeuer instandsetzen mußten. Am 23. September hatten wir in Cierges / Vauquois eine Jahresfeier. General Kißling hielt eine begeisternde Ansprache (schon einen Tag lang hörte man nordwestlich ein auffallend starkes Artilleriefeuer). Da sprach er: Es ist uns recht, wenn die Franzosen kommen. Den anderen Tag ging's in die Stellung, auch bei uns setzte die feindliche Artillerie heftig ein. Dann kam das 2. Bataillon nach Cierges und schon am 25. September musste das 2. Bataillon mittels Auto zu der Schießerei. Angriff nach Champanie (Champvoisy?). Leider kamen dieselben erst Mitte November zurück. Aber es kam bloß noch die Hälfte, denn schon in den ersten Tagen hatte das Bataillon so viele Mann verloren. Während der Abwesenheit gab es für uns keine Ruhe, sondern Stellung und Bereitschaft abwechselnd. Am 2. November mußten unsere Pioniere einen Gas-Angriff in einer vorgeschobenen Höhenstellung machen. Es waren Gasflaschen gebrochen und losgelassen. Leider trieb der Wind das Gas in die eigene Stellung, so daß einige erkrankten, obwohl bei uns alles in Gasmaske war. Dieselbe Nacht mußten wir die leeren Flaschen zurückbringen. Die Zeit der Ruhe in Cierges diente besonders zum Reinigen der Kleider, die vom Schützengraben heraus meist nur mehr (noch) Dreck und Lehm bis halb herauf sah, dem Baden, Appelle durchführen, auch Exerzieren, auch den Gottesdienst besuchen. Außerdem, wenn Freizeit vorhanden war, waren eine Kegelbahn, ein Kino, ein Lesezimmer vorhanden. Mittags gab es Standmusik, auch etwas Spazierengehen. Leider verflossen die Ruhetage zu schnell und die in der Stellung zu langsam. Am 21. Dezember 1915 wurden wir abgelöst und es ging fort, weiß Gott wohin. Ab Brieulles nach Sedan, Metz und Dietz (Dieuze), Dauer: zwei Tage. Am 23. - 24. Dezember in Marsal hatten wir Ruhe und eine Christbaumfeier. Vom 25. Dezember bis 1. Jänner 1916 war in Rechicourt Telefondienst und Leitungsbau. Vom 1. Jänner 1916 bis 7. Februar hatten wir den genannten Dienst in Rechicourt. Es gefiel uns vier Männern da ganz gut, obwohl wir stark mit den Läusen zu kämpfen hatten. Unsere Vermittlungsstelle lag cirka 400 m hinter der ersten Stellung und wir mußten auch die Leitung in der Stellung instandhalten. Der Ort war halb zerschossen, besonders die Kirche. Vom 7. Februar bis 1. März waren wir in Marsal in Ruhe, das heißt Arbeitsdienst und Leitungsbau. In Marsal war es ganz hübsch, es waren die Zivilisten da, auch ein Pfarrherr, welcher auch an den Feiertagen die Predigt in französisch und dann in deutsch hielt. Auch wurde an den Feiertagen geläutet. Es gab dort drei Wirtschaften, wo es Bier und Wein zu kaufen gab. Am 1. März ging's wieder nach Rechicourt, ich mußte zuvor nach Vic mit dem Fuhrwerk und vom dortigen Pionierpark Telefondraht mitbringen nach Rechicourt. Ich hatte mir (also) am 1. März 1916 durch das Tragen des schweren Rollendrahtes einen Leistenbruch gehoben.

Am 2. März hatten sie uns in Rechicourt dreimal in der Früh gegen 10 Uhr und 1 Uhr mit einem Artilleriefeuer überfallen, jedesmal 20-30 Schuß. Wie das krachte, schepperte von den Splittern und Dachplatten; da gefiel es uns nicht mehr. Am 16. März 1916 wurden wir abgelöst und waren bis 24. in Marsal. Vom 24. - 27. März war ich in Dietz bei einem Telefonkurs. Vom 27. - 30. noch in Marsal. Vom 30. März - 4. April in Rechicourt. Ich wurde am 4. plötzlich abgelöst, wegen des Leistenbruchs und kam nach Marsal. Am 17. März war ich beim Arzt, welcher den Leistenbruch feststellte. Und später in Gesellschaft unterrichtete ich meinen Leutnant Otto von diesem Leiden. Deshalb wurde ich nach Marsal versetzt. Vom 4. April bis 1. Juni 1916 in Marsal Vermittlung. Am 1. Juni 1916 ging's in den Urlaub bis 9. Juni; über Saarburg, Straßburg, Karlsruhe, Stuttgart, Ulm, Augsburg, München. Am 9. Juni ab über München nach Dietz. Am 10. Juni wieder Telefondienst in Marsal bis 5. Juli 1916. Am 5. Juli ab nach Monhofen (Moncourt) bis 6. Juli. Am 6. Juli nach Kreuzbergforst. Vom 6. Juli 1916 bis 11. September war im Kreuzbergforst Telefondienst und Leitungs-Ausbessern. In Kreuzberg war es schön, wir waren im Unterstand ziemlich am Waldrand, Grenze Deutschland - Frankreich. Wir waren etwas einsam dort, nur einige Artilleriebeobachter und einige Pioniere bauten einen Brigade-Unterstand, welcher bereits fertig war. Außerdem konnte man bei freier Zeit im Wald schon spazieren gehen und Haselnüsse pflücken. Man konnte auch nach Omerich (Ommeray), Xures und Lagarde gehen, wo ich am 13. August meinen Schwager Meier Josef besuchte. Am 31. August kam mein Schwager zu mir nach Kreuzberg und brachte ein Bier mit. Am 1. September besuchte ich denselben nochmal in Xures, wo er in Bereitschaft war. Am 11. September 1916 kam ich nach Omerich in die Vermittlungsstelle bis 21. September im Schulhaus. Vom 21. September bis 24. war ich in Dunningen (Donnelay). Ab 24. September im Urlaub: Es ging über Dietz, Straßburg, Ulm, München. Er dauerte bis 5. Oktober 1916. Vom 5. Oktober an war ich wieder in der Vermittlungsstelle Dunningen; Sprechstelle und Ordonanz bis 1. Jänner 1917. Dunningen war ein ganz hübscher Ort, ziemlich schußsicher; der Telefondienst war ziemlich anstrengend; es ging immer lebhaft zu mit 30 Anschlüssen und noch dazu die Sprechstelle; da gab es immer Gespräche und Befehle aufzunehmen und auszutragen. Wie überall so musste man auch da, wenn der Dienst auf einen traf, die ganze Nacht machen oder abwechselnd die halbe Nacht. Auch gab es dort immer Gottesdienste von Feldgeistlichen und vom Herrn Pfarrer in

Güblingen (Guéblange). Den Herrn Pfarrer von Dunningen haben's weggetan, weil er einmal in der Kirche ein patriotisches französisches Lied gesungen haben soll. Außerdem waren die Herren Offiziere recht froh, den Pfarrhof als ihr Quartier zu bekommen. Auch gab es einen Marketender und zwei Wirtschaften. Im nahen Holzhof, an der Straße Dunningen - Güblingen gelegen, ein Einödhof, war ein großes Proviantlager, da konnte man manchmal billige Wurst bekommen. Von 1. Jänner 1917 bis 13. Jänner noch Dunningen. Von 13. Jänner bis 16. Juli war ich in Ley in der Vermittlungsstelle. Ley war auch ein ganz hübscher Ort mit einer Wirtschaft und einer Kirche. Gottesdienst hielt der Feldgeistliche und der Herr Pfarrer von Omerich (Ommeray) und Schule der Aushilfslehrer von Monhofen. An Feiertags-Nachmittagen sangen die Jugendlichen, weiblich, ganz schön die Vesper. Am 5. Februar 1917 nachts um 12 Uhr brannten drei Häuser weg, gerade bei der unsrigen Vermittlungsstelle. Schon sind wir bei der seinerzeitigen großen Kälte mit Sack und Pack ausgezogen, das Telefon wurde abgebaut, und zum Glück blieb das unsrige Haus stehen. Dann zogen wir wieder ein. Der Brand ist entstanden durch zu starkes Einheizen von den Truppen, die nachts von der Ablösung kamen. Am 24. April wurde der Ortseingang stark beschossen, weil Truppen bei Tag zur Täuschung marschierten. Leider sind die Telefonverbindungen zum größten Teil zerstört gewesen. Als ein Kamerad und ich daran gingen, die Verbindung wieder herzustellen, kam noch ein Feuerüberfall. Glücklicherweise ist nichts passiert. Dann konnten wir die Leitung wieder herstellen. Am 26. April kam ein Granatschuß aus heiterem Himmel. Wahrscheinlich hat die Fliegerabwehr nach einem Flieger geschossen und ist nicht krepiert. Zwei Häuser von uns entfernt hat die Granate eingeschlagen: ein Krach und ein Klingen der Drähte der Telefonleitung. Die Hälfte war ab und lag am Boden. Ein Jammer: die Flick-Arbeit wieder, und überall Anfragen, und bloß die Hälfte der Verbindungen war verfügbar. Am 12. Juli 1917 ab in den Urlaub bis 27. Juli. Ab 28. Juli bis 21. September in Ley. Von 21. September 1917 bis 20. Dezember 1917 in Litzingen (Lezey): Vermittlungsstelle und Leitungsdienst. Ab 20. Dezember im Urlaub bis 2. Jänner 1918. In Litzingen (Lezey) hatten wir eine schöne Vermittlungsstelle mitten in der Ortschaft mit mäßigem Betrieb, doch ziemlich viele Störungen und Reparaturen, besonders zum Bataillon in Stellung, zum Regiment und nach Medewich (Moyenvic). Auch gab es zwei Wirtschaften, ich kam aber selten wie auch anderswo selten hinein. In der Kirche kam ab und zu ein Feldgeistlicher, und der Herr Pfarrer von Geistkirch (Juvelice) jeden Sonntag. Litzingen wurde wenig oder bloß die Ortseingänge beschossen; es war in Litzingen schon zum Aushalten. (Aber) von einem Gefallenen war keine Rede. Man war halt doch auch nicht schußsicher von der Artillerie und den Fliegern. Auch hat der Krieg solange gedauert, daß derselbe einem nicht mehr gefallen konnte, und die Sehnsucht nach Frieden und Heimat wurde so stark, daß man glaubte, man kann es nicht mehr aushalten. Aber man musste

es. Man war gebunden und gezwungen dazu. Über sich konnte man nicht mehr bestimmen, war also ein Sklave. Man war also nicht gern im Kriege. Vom 4. Juni 1918 bis 6. August 1918 in Litzingen. Am 6. August ab nach Dietz bis 25. August (die Alte Sparkasse war Quartier): Exerzieren, Leitungsbau. Auch war ich 9 Tage von dieser Zeit in der Telefonvermittlung. Am 25. August 1918 ab nach Litzingen bis 6. September: Appelle, nachts Arbeitsdienst, zweite Stellung, Stollenbau von halb 9 bis halb 2 Uhr. Am 2. September morgens um 4 Uhr ging s nach Kleinbessingen (Bezange-la-Petite) bis mittags, man erwartete einen Angriff, weil die Franzosen so heftig Feuer gaben. Es war aber bloß Täuschung. Am 6. September kamen wir nach Monhofen (Moncourt) ins Schulhaus bis 15. September. Ich kam in die Vermittlungsstelle Monhofen Wald, hatte Dienst in einem sehr großen Stollen, welcher mehrere Hundert Meter untergraben und für die Unterkunft im Gefechtsfalle bestimmt war. Monhofen selbst wurde öfter beschossen. Von 15. - 22. September 1918 in Bataillon Stellung Mitlwald: Telefondienst und Leitungsdienst. Von 22. - 24. September in Monhofen in gleicher Dienststelle. Von 24. - 29. September in Kreuzbergforst, Brigade Unterstand. Es wurde während dieser Zeit Monhofen und die Umgebung stark beschossen, und es wurde ein Angriff befürchtet. Von 29. September - 1. Oktober in Monhofen wie zuvor. 1. - 6. Oktober: Bataillon Stellung Mitlwald wie zuvor. Vom 6. - 11. Oktober in Omerich (Ommeray) Telefondienst. Von 11. - 20. Oktober war in Ley Arbeitsdienst, Exerzieren, Ehrenbezeugung Schrittvorbeimarsch (sowas). Im Arbeitsdienst mussten wir bei Nacht zwischen Omerich und Ley in einem ungeheuer großen Stollen Erdreich ausfahren, von 5 bis 10 Uhr. Vom 20. - 27. Oktober: Bataillon Stellung Mitlwald beschossen. Von 27. Oktober - 10. November in Monhofen Telefondienst. Am 9. November 1918: Der bayerische König (setzt sich) ab. Am 10. November 1918: Der Kaiser dankt ab. Von 10. morgens bis 11. November abends 5 Uhr Bataillon Stellung Mitlwald. Am 11. November 11:55 Waffenstillstand. Die Stellung vom Dezember 1915 war cirka 5 Stunden außerhalb Dietz Richtung Luneville - Nancy. Da gab es alle 5-6 Wochen eine größere Patrouille (Unternehmen). Zu diesem Zweck wurden von jeder Kompagnie jüngere, ledige Leute herausgezogen und kamen nach Dietz und bildeten die Sturmtruppen, welche ausgebildet wurden. Diese kamen von Zeit zu Zeit per Auto zur Stellung und mussten in Vorbereitung mit Artilleriefeuer, Angriffe auf französische Stellungen durchführen. Sie

drangen, wenn es glückte, in die Gräben ein, machten auch 5-6 mal je 8-15 Gefangene. Manchmal kamen dieselben auch nicht in die gegnerische Stellung und hatten bloß Verluste. Die Franzosen ließen sich dieses bis zum 20. Februar 1918 gefallen. Am 20. Februar früh halb 8 Uhr setzte das gegnerische Artilleriefeuer gewaltig ein, breitete sich immer weiter aus auf Ortschaften. Hauptsächlich alle Zufuhrstraßen von Rechicourt lagen unter beständigem Feuer, auch die Bereitschaftsplätze lagen unter Feuer. Das Artilleriefeuer steigerte sich noch am Nachmittag, so daß wir keine gute Leitung um 2 Uhr mehr hatten. Unter Artilleriefeuer machten wir noch das allernotwendigste zum Regiment. Um halb 5 Uhr kam noch eine Meldung: Die Franzosen kommen vom Kaplerbuckl ganz lustig und fauchend auf unsere Stellung. Die Leute für unsere Stellung aus der 10., 11., 12. Kompagnie waren in den Unterständen, weil dieselben vor lauter Feuer nicht heraus konnten. Als die Gegner ankamen, verlegte (rückte) die französische Seite immer weiter vor, und so konnten die Gegner unsere Gräben säubern und die Unterstände räumen. Bis auf etliche Mann wurde die 3. Kompagnie gefangen mit zwei Kompagnieführern. Ein Führer ist ausgerissen, auch einige Mann sind ausgerissen; einige hatten sich in den Unterständen versteckt. Einige setzten sich zur Wehr, denen kostete es das Leben. Etwas über 200 Mann nahmen sie mit. Unsere Artillerie hielt an diesem Tag ein Preisschießen hinter Dietz und war nicht da. Die wenige Artillerie, die da war, hatte wenig Munition. Die Franzosen kamen erst auf Widerstand als dieselben an die zweite Linie kamen. Die Maschinengewehre machten ihnen Halt und Umkehr und sie zogen mit den Gefangenen ab. Unsererseits kam keine Hilfe. Nur die Männer, welche zum Arbeitsdienst in Dietz waren, weil sie viele Kinder hatten, mußten sofort bei heftigem Feuer zu Kompagnie einrücken. Welch eine Verwirrung diese Nacht, Arbeit über Arbeit durch diese Verwüstung, dann die Verwundeten versorgen, die Toten aufräumen. In Ley wurden diese Leichen in einem Massengrab - 23 Franzosen und 10 Deutsche - auf einmal beerdigt. Die Kompagnie erhielt bald Ersatzmannschaften, dann ging die Sache wieder wie zuvor. Am 11. November kam durch das Telefon vom Regiment ans Bataillon die Meldung: Der Waffenstillstand wurde unsererseits genehmigt. Welche Freude für uns. Eine halbe Stunde später meldeten die Beobachter ans Bataillon: Die Franzosen sind von den Gräben heraus gekommen und julen (juchzen) und schreien, werfen Handgranaten weg. Am 10. kam die Meldung: Der Waffenstillstand tritt um 11:55 in Kraft. Was für ein freudiges Ereignis und wie ging's da zu um 11:55, die Glocken, die noch da waren, läuteten. In Frankreich läuteten sie noch besser, Leuchtkugeln wurden geschossen. Aber eines fehlte: die Sicht. Es hatte einen starken Nebel und wir hätten trotzdem auch unsere Feinde sehen wollen. Um 5 Uhr abends zogen wir zum letzten Mal aus der Stellung nach Omerich. Hier waren wir bis zum 15. November, dann marschierten wir unter dem Geläute der Glocken ab über Dunningen. Dort richteten die Bewohner schon Blumen und Bögen zum Triumpf und Einzug der Franzosen her, uns haben sie nicht mehr oder häßlich angeschaut, zum Teil spöttisch. Wir kamen nach Gisselfingen (Gelucourt) ins Quartier. Am 16. November ging's über Dietz nach Lauterfingen, Mittersheim. Am 17. November über Finstingen und Niederstinzel. Dort tanzte unser erster Teil der Truppen auf der Straße nach Bettweiler, Assweiler.

Am 18. November 1918 nach Tieffenbach, Wingen, Ingweiler. Am 19. November über Zinsweiler nach Eschbach. Am 20. November über Schwabweiler nach Hatten. 21. November: bei Selz über'n Rhein mit einer Pontonbrücke, nach Plittersdorf, Malsch (Baden). 22. und 23. November: Rasttage. Dort ging's uns sehr gut. 23. November: ab über Oberweier nach Langensteinbach. Am 24. November 1918 nach Ersingen. Am 25. über Dürrn nach Otisheim. Am 26. - 27. November Mühlacker. Dort hielt das Regiment abends Tanzmusik. Am 28. November via Illingen nach Pleidelsheim. Am 29. November über Murr, Rielingshausen nach Zell. Am 30. über Sulzbach an der Murr nach Fornsbach, wo wir auch am 1. Dezember waren. Das war nun unser bestes Quartier: guten Most, Honig, Fleisch und Kuchen gab's. Es war von einer Mietfrau. Ihr Mann war gefallen. Am 2. Dezember über Gaildorf nach Engelhofen. Am 3. Dezember über Obersontheim nach Crailsheim. Am 4. Dezember via Leukershausen an der Grenze Württemberg/Bayern nach Feuchtwangen. Dort musste ich nachts von 12-2 Uhr die Feldküche bewachen. Wir waren auch am 5. Dezember dort. Am 6. Dezember ging s über Aurach nach Ansbach. Wir wurden mit Musik empfangen. Es bekam ein jeder eine Karte, einen Strauß und einen Liter Bier. Der Bürgermeister hielt eine Ansprache von dem großen Deutschland. Am 7. Dezember ging's via Heilsbronn nach Rohr. Da hätten wir bald gar nichts bekommen. Am 8. Dezember ging's über Schwabach, Feucht nach Ludersheim; ganz erschöpft und ermüdet. Aber die Leute dort wollten uns auch nichts geben. Endlich gab's einen Kaffee, welcher gut war. Am 9. Dezember über Altdorf, Gersdorf, Sendelbach nach dem Endziel Hersbruck. Die Musik begleitete uns hinein, ich kam ins Quartier mit einem Unteroffizier zu Doktor Heß bis zur Entlassung am 13. - 14. Dezember 1918. In Hersbruck mussten wir unsere Sachen abliefern. Wir bekamen einen

neuen Entlassungsanzug, Mantel und Stiefel und 60 Mark Entlassungsgeld. Ich blieb auch noch am 14. in Hersbruck wegen Versorgungsansprüchen wegen Leistenbruch. Es wurde mir eine kleine Rente von 10% gewährt, aber bald mit schlechtem Geld abgefunden, so daß ich nicht viel davon hatte für mein Leiden. Am 14. Dezember nachts um 11 Uhr fuhr ich über Nürnberg heim und kam am 15. gegen Abend zu Hause an. Unsere Rufzeichen Regiment 7.-. Bataillon 1... Bataillon 2 --. Bataillon 3..-. Abschnitt a 1.- Abschnitt b 2..- Abschnitt c 3 -. Abschnitt d 4 -.. Kirchdorf -.- Feldwache A -- Feldwache C --- Allgemeiner Anruf..-.- Artillerie --.- 1914-1918 (Rückblick) Mit der Kriegserklärung 1914 ist ein starker Schlag und Erschütterung in die Menschenherzen gedrungen. Man fand auf einmal alles in der Welt ganz anders. Nämlich wer in den Krieg mußte: Bei ihm war alles Hab und Gut freudenlos. Ihm gefiel alles nicht, er mußte es ja verlassen und vielleicht nicht mehr sehen. Und wie schwer der Gang war und der Abschied vielleicht auf's Nimmerwiedersehen, das wissen am besten diejenigen, die es selbst erfahren haben. Nun fort den

Fügungen, den Befehlen untertan. Und was konnte uns noch helfen oder trösten. Wie lange hielt die Tröstung auf einen, der hinter die Front kommt, auf baldiges Kriegsende, her. Alles war Täuschung. Als im Oktober 1914 der erste Feldgeistliche eine Ansprache und Grüße aus der Heimat in Ivoiry überbrachte und sich ausdrückte, daß wir erst am Anfang des Krieges sind, überfiel uns eine neue Wehmut und Verlassenheit. Doch in Gottes Namen und mit Mut müßten wir fortmachen und nehmen wie es kam. In derselben Zeit, da gab es ja fast lauter Gute, alles stürmte so zu sagen nach den heiligen Sakramenten, wenn dieses im Ruhequartier möglich war, wie gut waren die Abendrosenkränze besucht und die Feldgottesdienste. Abends wurde im Quartier, in Bereitschaft, im Unterstand der Rosenkranz gebetet. Ja, auf Gott setzte man sein Vertrauen. Nach dem ersten Jahr schwächte sich dieser Gebetseifer merklich ab und nachdem wir von Verdun nach Dietz kamen, dann ging es immer mehr abwärts mit dem Gebet. Und wenn nicht bei Ruhe es Dienst gewesen wäre zur Kirche zu gehen, so wären viele nicht gegangen. Es gab mal noch vielleicht 15%, die gut und sehr gut geblieben und fleißig die Kirche besuchten und die heilige Kommunion empfangen haben. Als ein besonders ausgezeichnetes Vorbild haben da die Ordensbrüder (Frater) gebetet. Diese beteten in der Kirche die Rosenkränze vor, sorgten für den Schmuck der Kirchen und waren im Dienste und im Verkehr die reinsten Engel. Meiner Wenigkeit war ja zur Ausführung der religiösen Pflicht eine außerordentliche günstige Gelegenheit geboten, ich war viel in Ortschaften mit Kirchen und hatte alle Tage fast Gelegenheit, diese zu besuchen. Und wenn ich in der Waldstellung war, konnte ich allein betend spazieren gehen, ungestört im Walde. Unser Herrgott im Himmel wird es wissen, wie oft ich in der Kirche in Marsal, Ley, Litzingen (Lezey), Dunningen (Donnelay), Monhofen (Moncourt), Rechicourt, Omerich (Ommeray) und Dietz, Geistkirch gewesen bin. Vom 1. Jänner 1915 bis Ende hatte ich das Glück, die heilige Beichte und Kommunion 78-mal zu empfangen. Mein Morgen- und Abendgebet werde ich selten vergessen haben. Gott sei Dank, bin ich mit diesen Gebetswaffen sehr gut gefahren. Wenn der Gebetseifer so zugenommen hätte, wie er abgenommen hat, so hätten wir den Krieg kaum verloren. Es hat zu dieser schlechten Gebetsstimmung hauptsächlich das Wort (Schwindel?) beigetragen. Leider ist es auch im Krieg manchmal ungerecht zugegangen. Die Ungerechtigkeit stirbt nicht aus. Wenn der Krieg als eine Zulassung oder Strafe Gottes angesehen worden wäre, so hätte wohl das Gebet, wenn es stürmisch fortgeführt worden wäre und die Ertragung der Leiden und Beschwerden Gott zu Lieb zum Siege verhelfen können. Was die Feldgeistlichen betrifft, so mussten diese von Ort zu Ort, um Gottesdienst zu halten und Beichte zu hören; meist täglich zwei Gottesdienste und Abendandacht; auch mussten sie in den vordersten Ortschaften den Kindern den Religionsunterricht erteilen. Anmerkung: In blauer Schrift sind nachträgliche Ergänzungen zur besseren Lesbarkeit des Textes gekennzeichnet.