Ergebnisse der mikroklimatologischen Messungen beim Kunstprojekt von Klaus Schafler Weißer Hauptplatz in Pischelsdorf, Steiermark

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Transkript:

Ergebnisse der mikroklimatologischen Messungen beim Kunstprojekt von Klaus Schafler Weißer Hauptplatz in Pischelsdorf, Steiermark Reinhold Steinacker Institut für Meteorologie und Geophysik der Universität Wien Am 1. Oktober 2011 wurden im Rahmen des Kunstprojekts von Klaus Schafler im Zentrum von Pischelsdorf mikroklimatologische Messungen durchgeführt. Es sollte untersucht werden, ob, bzw. wie sehr das Weißfärben des Hauptplatzes einen Einfluss auf die lokale Temperatur ausübt. Dazu wurden neben Temperaturfühlern mit Anzeige ( Gartenthermometer, s. Abb. 1) jeweils eine meteorologische Mikrostation (Marke Kestrel, s. Abb. 1) auf dem Hauptplatz vor, während und nach dem Weißfärben aufgestellt und zum Vergleich dazu außerhalb der weißen Fläche.an der Hauptstraße (s. Abb. 2 und 3). Abb. 1: Mikrowetterstation Kestrel (gelber Sensor am Stativ) und Gartenthermometer (mit Temperaturanzeige) am Hauptplatz von Pischelsdorf am 1. Oktober 2011 mittags.

Abb. 2: Aufstellungsorte der Kestrel Stationen in Pischelsdorf (Kartenquelle Google Earth) Abb. 3: Wie Abb. 2 jedoch mit Ausmaß der weiß gestrichenen Fläche am Hauptplatz von Pischelsdorf (Kartenquelle Google Earth)

Während die Gartenthermometer lediglich zur Sichtbarmachung der herrschenden Temperatur für Interessenten und Passanten gedacht waren, wurden mit den Kestrel Mikrowetterstationen im einminütigen Intervall die Lufttemperatur, die Luftfeuchte, der Luftdruck, die Windgeschwindigkeit und richtung gemessen und registriert. Die Aufstellung der Stationen erfolgte zu Mittag vor Beginn der Weiß Mal Aktion, die Messung dauerte bis kurz nach Sonnenuntergang. Neben der Messung der atmosphärischen Zustandsgrößen wurde auch mit einer Infrarotkamera und mit Infrarotthermometern zu verschiedenen Zeitpunkten und an zahlreichen Orten im Zentrum von Pischelsdorf die Oberflächentemperatur des Bodens gemessen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Klimabeobachtungen, die laut internationaler Empfehlung außerhalb von dicht bebauten Flächen und möglichst über einem natürlichen Boden (Grasboden) in 2 Meter Höhe über Grund (Temperatur und Feuchte in einer englischen Wetterhütte ), bzw. 10 m über Grund (Wind) durchzuführen sind, hat sich die Messanordnung in Pischelsdorf davon maßgeblich unterschieden: alle Fühler der Kestrel Stationen befanden sich in nur 1,6 m über dem Boden, der aus Betonsteinen oder Asphalt bestand. Zudem ist durch das Fehlen eines Strahlungsschutzes (englische Hütte) bei Sonnenstrahlung ein spürbarer Strahlungsfehler zu erwarten. Während sich die Bodentemperatur bei einem Grasboden bei Sonnenschein nur wenige Grad über der Lufttemperatur bewegt, erhitzt sich ein trockener Beton oder Asphaltboden durch die fehlende Verdunstung wesentlich stärker. Sie überstieg am frühen Nachmittag des 1. Oktober laut Infrarotmessungen an dunklen Asphaltflächen die 50 Grad Marke! Die unmittelbar am heißen Beton oder Asphaltbodenboden aufliegende Luft erwärmt sich durch Wärmeleitung und wird durch Windeinfluss immer wieder vom Boden abgelöst. Bei hinreichend hoher zeitlicher Auflösung variiert daher in unmittelbarer Bodennähe die Lufttemperatur über einem heißen Boden sehr stark. Durch die sukzessive Durchmischung mit der Luft aus den darüber liegenden Luftschichten nimmt die kurzfristige Variation der Lufttemperatur mit der Höhe rasch ab und in 2 m über Grund beträgt diese Schwankung dann nur noch wenige Grad. Die Messungen mit den Kestrel Stationen im Minutenabstand zeigen diese Schwankungen sehr schön, sie werden noch durch den Strahlungsfehler verstärkt, was durch die gute Korrelation der Temperaturspitzen mit den windschwachen Episoden nachweisbar ist. Je stärker der Wind weht, desto schwächer tritt der Strahlungsfehler in Erscheinung, da ein bestrahlter Temperatursensor durch den Wind quasi gekühlt wird. Der 1. Oktober 2011 war ein relativ windschwacher Tag, somit ist ein gewisser Strahlungsfehler der vorliegenden Messungen anzunehmen Die Ergebnisse der Messungen sind in Abb. 4 wiedergegeben. Dargestellt sind die Temperaturverläufe der beiden Stationen in Minuten Auflösung (dünne Linien), im 10 Minuten Mittel, um die kurzfristigen Fluktuationen zu filtern (dicke Linien) sowie die Mittelwerte über die verschiedenen Vergleichsperioden. In der ersten Stunde (12:00 bis 13:02) befanden sich beide Stationen am Hauptplatz, nur wenige Meter voneinander entfernt, um den Gleichklang der Messungen zu überprüfen. Selbst bei einer geringen Distanz der beiden Stationen können durch den Einfluss von Büschen, der Mariensäule oder der nahen Gebäude kurzzeitige Unterschiede der gemessenen Temperatur von ein bis zwei Grad auftreten. Der Unterschied der Mittelwerte beider Stationen beträgt jedoch nur 0,5 Grad (24,3 zu 23,8 Grad), was als nicht signifikant eingestuft werden kann. Um 13:02 wurde die Station 2 vom Hauptplatz zur Hauptstraße

Abb. 4: Messergebnisse, Legende siehe Text.

verlegt. Erst um 14:39 erreichte die Weißfärbung den Aufstellungsort der Station 1 (bei der Mariensäule), so dass bis dort hin der Boden bei beiden Stationen noch durch die dunkle Färbung ähnlich temperiert gewesen sein sollte. Die Temperaturmessungen bestätigen dies auch. Die Differenz der Mitteltemperaturen zwischen 13:02 und 14:39 an beiden Standorten beträgt lediglich 0,4 Grad (25,5 zu 25,1 Grad). Auch das weist auf die Gleichartigkeit des Mikroklimas der beiden Standorte hin. Unmittelbar nach der Aufbringung der weißen Farbe am Boden bei der Station 1 wird die Differenz der Temperaturen deutlich höher. Erwähnt werden muss hierbei, dass kurz nach 14:39 die Station 2 von der westlichen auf die östliche Straßenseite verlegt wurde, da der erstere Standort zunehmend in den Schatten kam. Im Zeitraum 14:39 bis 15:22, wo noch beide Stationen im Sonnenschein lagen Station 1 über weißem Boden, Station 2 über unbehandeltem Asphalt/Steinboden steigt die mittlere Temperaturdifferenz auf 2,5 Grad (27,5 gegen 25,0). Diese Differenz dürfte wohl vorwiegend auf den Albedounterschied zurückzuführen sein. Die Spitzenwerte an der Station 2 übersteigen kurzfristig sogar die 30 Grad Marke, was für Anfang Oktober ungewöhnlich hoch erscheint. Tatsächlich dürften diese Spitzen mit durch einen Strahlungsfehler erklärt werden, da in diesem Zeitraum eine sehr geringe Windgeschwindigkeit vorgeherrscht hat. Ob der geringe Wind wiederum vom zwischenzeitlich weiß gefärbten Hauptplatz mitverursacht war, läßt sich nicht beweisen; eine kühlere Oberfläche regt jedenfalls weniger Austausch mit der Atmosphäre und somit eine geringere Windgeschwindigkeit an. Die Tageshöchsttemperatur am Grazer Flughafen in einer englischen Hütte betrug jedenfalls nur 25,1 Grad Um 15:22 gelangen schließlich beide Standorte in den Schatten der umliegenden Gebäude/Bäume, so daß die Temperatur zu sinken beginnt. Interessanterweise bleibt jedoch ein mittlerer Temperaturunterschied von 1,4 Grad (25,1 gegen 23,7 Grad) zwischen den Stationen bestehen. Da offensichtlich die Bodentemperaturen an beiden Standorten beim lokalen Sonnenuntergang albedo bedingt deutlich verschieden waren, kann ein wärmerer Boden auch über längere Zeit die darüber liegende Luft höher temperiert lassen. Erst ab dem allgemeinen Sonnenuntergang in Pischelsdorf um 17:20 nähern sich die Temperaturen an beiden Standorten einander wieder an. Hierbei dürfte die Abkühlung wohl durch den Herantransport kälterer Luft aus der Umgebung von Pischelsdorf mitgespielt haben. Die Messungen mittels Infrarotthermometern und einer Infrarot Kamera zeigen die Temperaturdifferenzen zwischen den weißen und dunkleren Flächen sehr eindrücklich. In Abb. 5 weisen die im Schatten liegenden Flächen eine wesentlich niedrigere Temperatur auf als die besonnten Flächen. Die weitaus höchste Temperatur weist die Schotterrollierung um die Mariensäule auf. In Abb. 6 kommt der Temperaturunterschied zwischen den weißen und naturbelassenen Steinen besonders gut zum Vorschein. Beachtlich ist der große Temperaturkontrast auf kürzester Distanz. Die Zwischenräume zwischen den Betonziegeln sind besonders warm, weil sie einerseits dunkler sind als die Steine selbst und weil sie weniger Wärme in tiefere Schichten leiten (geringerer Bodenwärmestrom. Während also der lokale Albedoeffekt durch die Infrarotthermometrie sehr deutlich zum Vorschein kommt und man davon ausgehen kann, dass der Temperaturabfall der Oberfläche durch die Weißfärbung im Bereich von 10 Grad oder mehr liegt, ist die Auswirkung auf die Lufttemperatur vergleichsweise bescheiden. Die gemessenen 2 bis 3 Grad Temperaturdifferenz im Zeitraum um 15 Uhr kann aber wohl als Nachweis gewertet werden, dass ein Eingriff in die Albedo eines

Abb. 5: Vergleich eines sichtbaren (oben) mit einem Infrarotbild (unten) während der Malarbeiten um die Mariensäule. Die Farben im unteren Bild bedeuten: gelb ca. 40 Grad, violett ca. 25 Grad

Abb. 6: Infrarotbild eingebettet in ein sichtbares Bild. Die Steine des Podests wurden nicht weiß angemalt. Die Farben bedeuten: rot ca. 45 Grad, blau ca. 25 Grad vergleichsweise kleinen Areals wie dem Hauptplatz von Pischelsdorf einen spürbaren Effekt auf den Menschen und die ganze belebte Natur ausübt. Das menschliche Handeln zeigt seine Wirkung. So hat diese Kunstaktion neben einem emotionalen Eindruck auch einen Erkenntnisgewinn auf naturwissenschaftlichen Sektor ermöglicht.