Ambivalenz, System und Erfolg

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Transkript:

Heiko Kleve Ambivalenz, System und Erfolg Provokationen postmoderner Sozialarbeit 2007 3

Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Carl-Auer Verlags: Prof. Dr. Dirk Baecker Prof. Dr. Ulrich Clement Prof. Dr. Jörg Fengler Dr. Barbara Heitger Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp Prof. Dr. Bruno Hildenbrand Prof. Dr. Karl L. Holtz Prof. Dr. Heiko Kleve Dr. Roswita Königswieser Prof. Dr. Jürgen Kriz Prof. Dr. Friedebert Kröger Dr. Kurt Ludewig Prof. Dr. Siegfried Mrochen Dr. Burkhart Peter Prof. Dr. Bernhard Pörksen Prof. Dr. Kersten Reich Prof. Dr. Wolf Ritscher Dr. Wilhelm Rotthaus Prof. Dr. Arist von Schlippe Dr. Gunther Schmidt Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt Jakob R. Schneider Prof. Dr. Jochen Schweitzer Prof. Dr. Fritz B. Simon Dr. Therese Steiner Prof. Dr. Helm Stierlin Karsten Trebesch Bernhard Trenkle Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler Prof. Dr. Reinhard Voß Dr. Gunthard Weber Prof. Dr. Rudi Wimmer Prof. Dr. Michael Wirsching Über alle Rechte der deutschen Ausgabe verfügt Carl-Auer-Systeme Verlag und Verlagsbuchhandlung GmbH Heidelberg Fotomechanische Wiedergabe nur mit Genehmigung des Verlages Satz u. Grafik: Drißner-Design u. DTP, Meßstetten Umschlaggestaltung: Goebel/Riemer Printed in the Netherlands Druck und Bindung: Koninklijke Wöhrmann, Zutphen Erste Auflage 2007 ISBN: 978-3-89670-560-0 2007 Carl-Auer-Systeme, Heidelberg Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Informationen zu unserem gesamten Programm, unseren Autoren und zum Verlag finden sie unter: www.carl-auer.de. Wenn Sie unseren Newsletter zu aktuellen Neuerscheinungen und anderen Neuigkeiten abonnieren möchten, schicken Sie einfach eine leere E-Mail an: carl-auer-info-on@carl-auer.de. Carl-Auer Verlag Häusserstraße 14 69115 Heidelberg Tel. 0 62 21-64 38 0 Fax 0 62 21-64 38 22 E-Mail: info@carl-auer.de 4

Systemische Schritte helfender Kommunikation Systemische Schritte helfender Kommunikation 1 Sechs-Phasen-Modell für die Falleinschätzung und die Hilfeplanung Britta Haye und Heiko Kleve Ausgangspunkte In der Praxis der Sozialen Arbeit stellt sich immer wieder die Aufgabe, die professionelle und exemplarische Fallarbeit angemessen zu strukturieren. Schon Alice Salomon und Mary Richmond stellten sich die Frage nach der Strukturierung des methodischen Vorgehens und bezogen sich in ihren Büchern zur Sozialen Diagnose auf das klassische medizinische Konzept von Anamnese (griech.-lat. Erinnerung, und zwar im Sinne von Vorgeschichte), Diagnose (griech.-frz. unterscheidende Beurteilung, Erkenntnis, und zwar im Sinne einer Ursache-Wirkung- Erklärung) und Behandlung (vgl. Müller 1988, S. 145). Dieser klassische methodische Dreischritt kann auch noch heutigen SozialarbeiterInnen dazu dienen, ihr praktisches Handeln, ihr Kommunizieren mit den KlientInnen zu planen und durchzuführen. Kurt Eberhard (1999) ist sogar der Meinung, dass dieser Dreischritt immer dann zum Einsatz kommt, wenn persönliche, kollektive oder gesellschaftliche Probleme zu lösen sind. Auch wenn er nicht die genannten Begriffe Anamnese, Diagnose und Behandlung verwendet, sondern von phänomenalen, kausalen und aktionalen Erkenntnisinteressen spricht, um diesen Dreischritt zu bezeichnen, beschreibt er doch genau die anamnestischen, diagnostischen und behandelnden Erkenntnis- und Handlungsprozesse. Denn das phänomenale Erkenntnisinteresse lässt sich mit der anamnestischen Frage:»Was war und ist?«um schreiben; das kausale Erkenntnisinteresse ist geleitet durch die diagnostische Frage:»Warum ist das so?«; und das aktionale Erkenntnisinteresse fragt nach der Behandlungsmöglichkeit:»Was ist zu tun?«wir kön nen davon ausgehend auch sagen, dass es erstens darum geht, die aktuelle Situation mit ihrer Vorgeschichte zu beschreiben, 1 Eine frühere Version dieses Beitrags erschien unter dem Titel Die sechs Schritte helfender Kommunikation. Eine Handreichung für die Praxis und Ausbildung Sozialer Arbeit im Sozialmagazin, Heft 12/2002, S. 41 52. 103

Britta Haye und Heiko Kleve zweitens soll erklärt werden, welche Ursachen die in der aktuellen Situation beobachtbaren Wirkungen erzeugten, und drittens geht es um ein Bewerten von Handlungsmöglichkeiten hinsichtlich der Lösung der Problemsituation. 1. Schritt 2. Schritt 3. Schritt Anamnese Diagnose Behandlung Phänomenales Kausales Aktionales Erkenntnisinteresse Erkenntnisinteresse Erkenntnisinteresse Was war und ist los? Warum ist das so? Was ist zu tun? Beschreibung Erklärung Bewertung von Handlungen und Handlungsentwurf Abb.: Der klassische methodische Dreischritt Dieses Drei-Schritt-Modell soll im Folgenden jedoch im Sinne aktueller An forderungen Sozialer Arbeit, beispielsweise für die Prozesse der Falleinschätzung und Hilfeplanung im Case Management in sechs Schritte differenziert werden, die sich allerdings durchaus auf die Kategorien von Anamnese (phänomenale Frage), Diagnose (kausale Frage) und Behandlung (aktionale Frage) sowie auf die Case-Management-Phasen Falleinschätzung und Hilfeplanung beziehen lassen: Falleinschätzung Hilfeplanung 1. Schritt 2. Schritt 3. Schritt 4. Schritt 5. Schritt 6. Schritt Kontex- Beschreibung Bildung von Zielfi ndung und Handlung / Evaluation tualisierung der Probleme Hypothesen Auftrags- Interund Analyse klärung ventionen der Ressourcen Anamnese Diagnose Behandlung Phänomenale Frage: Kausale Aktionale Frage: Frage: Was war und was ist? Warum ist das so? Was ist zu tun? Abb.: Die sechs Schritte des sytemischen Case Management Besonders betonen möchten wir, dass alle sechs Schritte in Kommunikation, Kooperation und Dialog mit den KlientInnen und KundInnen 104

Systemische Schritte helfender Kommunikation erarbeitet, ausgehandelt werden sollten. Wir unterscheiden dabei wieder zwischen KlientInnen und KundInnen; KlientInnen sind die AdressatInnen Sozialer Arbeit, während KundInnen die finanzierenden Auftraggeber (z. B. Jugend-, Sozial- und Gesundheitsämter, Krankenkassen) sind. Wie die einzelnen Schritte nun zu verstehen und auszufüllen sind, soll Thema der nachfolgenden Ausführungen sein. Dabei werden wir ebenfalls in sechs Schritten vorgehen, zunächst also darstellen, wie kontextualisiert wird, dann die Problembeschreibung und Ressourcenanalyse darstellen, einige Aspekte der Hypothesenbildung erläutern, die Zielfindung und Auftragsklärung beschreiben, skizzieren, wie Handlungen geplant werden können, um schließlich knapp die Evaluation zu erläutern. Den Abschluss unserer Ausführungen bildet eine so genannte rhizomatische Nachbemerkung, in der wir die Linearität unserer theoretischen Darstellungen mit der komplexeren Zirkularität der Praxis konfrontieren. 1. Schritt: Kontextualisierung Uns interessieren in der Sozialen Arbeit soziale Kontexte, also soziale Rahmen und Zusammenhänge, in denen Verhalten gezeigt wird, in denen es als Kommunikation, d. h. als Mitteilung von Informationen, verstanden wird (vgl. Luhmann 1984). Wir können mit der systemischen Theorie davon ausgehen, dass zwischenmenschliches Verhalten nur verständlich wird, wenn wir es in dem Rahmen betrachten, in dem es gezeigt wird (vgl. Simon u. Stierlin 1984, S. 198). Dafür lassen sich unterschiedliche Beispiele anführen, z. B. jenes vom Fußballspiel: Stellen Sie sich vor, Menschen, die noch nie etwas von Fußball gehört haben, beobachten ein Fußballspiel und betrachten besonders genau diese schwarz gekleidete Person, die am Rand herumläuft, mit einer Pfeife bewaffnet ist und in einer nicht vorhersehbaren Weise mit den Händen gestikuliert und pfeift. Wenn dieses Verhalten des Linienrichters losgelöst vom Kontext des Spiels betrachtet wird, dann macht es offenbar wenig Sinn. Das Verhalten des Linienrichters wird erst dann als sinnhaft verständlich, wenn man den Kontext des Fußballspiels mit seinen Regeln und aufeinander bezogenen Handlungen in die Betrachtung mit einbezieht. Verhalten entfaltet seinen Sinn im Kontext anderer Verhaltensweisen, in einem sozialen Interaktionszusammenhang. Aus diesem Grund ist es während der sozialarbeiterischen Fallarbeit ausgesprochen 105

Britta Haye und Heiko Kleve wichtig, den Kontext der Klientinnen und Klienten mit einzubeziehen. Wir wollen insbesondere zwei Kontexte betrachten (s. dazu in diesem Band auch Heiko Kleves Beitrag Systemische Kontextklärung), die das Interaktionsgeschehen eines Falls unmittelbar tangieren: den lebensweltlich-familiären Kontext und den Kontext der Hilfesysteme. Lebensweltlich-familiärer Kontext Der lebensweltlich-familiäre Kontext umfasst das Wohnumfeld, den gesamten Sozialraum, in dem die KlientInnen leben. Dazu gehören u. a. infrastrukturelle Gegebenheiten wie Arbeits- und Freizeitmöglichkeiten, die Ausstattung mit medizinischen, erzieherischen, schulischen u. a. Dienstleistungssystemen. Zu Beginn der Hilfe sollte es eine gründliche Analyse dieser kontextuellen Bedingungen geben (s. dazu vor allem den Beitrag von Matthias Müller in diesem Band), um vor diesem Hintergrund die Probleme und Ressourcen der KlientInnen verstehen zu lernen. Ein Verfahren, das sich in der Praxis bewährt hat, um insbesondere den familiären Kontext zu analysieren, ist das aus der Familientherapie stammende Genogramm (s. zu den Symbolen und Visualisierungsregeln von Schlippe u. Schweitzer 1996 oder den Beitrag von Matthias Müller in diesem Buch). Genogramme dienen der übersichtlichen Darstellung von komplexen Informationen über Familiensysteme. Ein Genogramm kann bis zu drei Generationen umfassen und wird in der Regel gemeinsam diskursiv, dialogisch mit den Familienmitgliedern oder den einzelnen KlientInnen erarbeitet. Ein Genogramm ist eine (Re-)Konstruktion der familiären Vergangenheit aus der jeweiligen sozialen, sachlichen und zeitlichen Perspektive; insofern offenbart ein Genogramm nicht, wie die familiäre Geschichte wirklich war, sondern wie sie»hier und jetzt«(zeitdimension) aus der Perspektive der entsprechenden Person(en) (Sozialdimension) bezüglich einer bestimmten in der Beratung zu bearbeitenden Problemstellung bzw. bezüglich eines bestimmten Themas (Sachdimension) beschrieben wird/werden kann. Das Genogramm wird in der Regel ausgehend von einem Klienten erarbeitet. In das Bild lassen sich dann wichtige Fakten einschreiben: Name, Alter, Geburts- und eventuell Todesdaten, Datum der Heirat, eventuell auch des Kennenlernens, Daten der Trennung und Scheidung, Wohnorte, Herkunftsorte der Familie, Ortswechsel, Krankheiten, Symptome, Todesursachen, Berufe. Interessant sind auch 106

Systemische Schritte helfender Kommunikation weitere Informationen, die sich im Gespräch über das Genogramm herausdifferenzieren: Eigenschaften, die Personen zugeschrieben werden auch besondere Fähigkeiten, Auffälligkeiten und Stärken, Begriffe zur Kennzeichnung der jeweiligen Familienatmosphäre, Hinweise auf bestimmte immer wiederkehrende Themen in der Familie, Tabus und»weiße Stellen«im Genogramm (z. B. Familienmitglieder, von denen nur wenig oder nichts bekannt ist), Ressourcen, besondere Leistungen der Familie.»Das Wichtigste bleiben jedoch die Geschichten, die zu den Genogrammdaten erzählt werden. Sie bilden den Hintergrund für ein neues Verständnis der Gegenwart«(von Schlippe u. Schweitzer 1996, S. 131). Die Erarbeitung eines Genogramms dient einem zweifachen Ziel: Erstens soll die aktuelle (Familien-)Situation visualisiert werden mit allen dazugehörenden Personen; zweitens sollen aktuelle Themen neu, d. h. anders als bisher, beschrieben werden, und zwar bestenfalls so, dass Ressourcen entdeckt werden können, die bei der Lösung aktueller Schwierigkeiten/Probleme hilfreich sind. Mithilfe von Genogrammen sind also nicht lediglich problematisch bewertete Aspekte, Eigenschaften von Personen, Familienthemen etc. zu explizieren, sondern insbesondere auch Stärken, Ressourcen von Personen und vor allem die (verschütteten, bisher ausgeblendeten)»schätze«der Familie, die es gilt, schätzen zu lernen. Hilfesystem-Kontext Die Übersicht über relevante Hilfesysteme erscheint wichtig, weil KlientInnen Sozialer Arbeit häufig bereits unterschiedliche andere Hilfesysteme durchlaufen haben, bevor sie zu Fällen der jeweils aktuellen Sozialen Arbeit werden, sie haben möglicherweise bereits eine Problemgeschichte durchschritten (vgl. ausführlicher dazu den Beitrag von Heiko Kleve, Systemische Kontextklärung, in diesem Band). Die Frage ist dann, was sie dort an Erfahrungen gesammelt haben, welche Bedeutung diese anderen Hilfesysteme für sie hatten oder immer noch haben. Des Weiteren kann es im Verlauf der Hilfe wichtig sein, im Case Management ist es geradezu Bedingung, ja eine Prozessregel, mit den anderen HelferInnen Kontakt aufzunehmen, um Absprachen zu treffen, das weitere Vorgehen gemeinsam zu koordinieren (z. B. mittels einer Hilfekonferenz). Die beteiligten HelferInnen können ebenfalls visualisiert werden, um die mögliche Komplexität des Hilfesystemkontextes zu betrachten. 107