Risse in Decken und Wänden Praxisleitfaden zur schnellen Ursachenermittlung, fachgerechten Nachbesserung und sicheren Bestimmung der Verantwortung von Karl-Heinz Voggenreiter, Jürgen Gänßmantel, Klaus B. Gablenz 1. Auflage Risse in Decken und Wänden Voggenreiter / Gänßmantel / Gablenz schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG FORUM Merching 2009 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 89827 666 5 Inhaltsverzeichnis: Risse in Decken und Wänden Voggenreiter / Gänßmantel / Gablenz
Sammeln von Daten und Fakten 4/2 Seite 1 4/2 Sammeln von Daten und Fakten 4/2.1 Untersuchungen vor Ort Für die Bewertung von Rissen ist besonders wichtig zu wissen, wie sich Risse verändern. Wegen des relativ geringen Aufwandes ist eine Beurteilung der Rissveränderungen stets zu empfehlen. Wurden die Risse z.b. durch Schwinden, Kriechen o.ä. verursacht, so kann man davon ausgehen, dass sich die Rissbildungen zwei bis drei Jahre nach Fertigstellung des Gebäudes nicht mehr wesentlich verändern. Sind Lageänderungen die Ursache, können weitere Rissbewegungen festgestellt werden. Folgende Informationen über Risse und ihre Veränderungen sind daher besonders wichtig: Verteilung und Verlauf der Risse, Rissbreite, Risstiefe, Rissversatz parallel und senkrecht zur Bauteiloberfläche, Rissalter, zukünftige zu erwartende Bewegungen an den Rissflanken. Wichtige Riss- Informationen
4/2 Seite 2 Sammeln von Daten und Fakten 4/2.1.1 Rissverlauf und Verteilung Um diese Informationen zu ermitteln und zu dokumentieren, lassen sich meist einfache Verfahren anwenden. Die Verteilung und der Verlauf von Rissen können z.b. in Ansichtsplänen eingetragen und festgehalten werden; dies gilt auch für die Dokumentation von Hohlstellen. Kartierung In Ermangelung von Ansichtszeichnungen, Plänen usw. kann die betreffende Fassade auch mit einer Sofortbildkamera abfotografiert werden. In das Sofortbild können anschließend die befundenen Risse, ihre Verteilung und der Verlauf skizziert werden. Vorteilhaft bei der sofortigen Dokumentation ist, dass man auf einen Blick die Zusammenhänge erkennen und Rissursachen ableiten kann. Abb. 4/2.1.1: Beispiel der Kartierung von Rissen in einer Ansichtszeichnung
Sammeln von Daten und Fakten 4/2 Seite 3 4/2.1.2 Rissbreite, Risstiefe, Rissalter Die Rissbreite lässt sich vor Ort mit einer geeigneten Messlupe untersuchen. Die Bestimmung der Rissbreite erfolgt am einfachsten mit einem Rissbreiten-Vergleichsmaßstab. Zur Kennzeichnung feinster Risse auf der Fotografie hat sich ein Hinweispfeil bewährt. Rissbreitenmesser Abb. 4/2.1.2.1: Bestimmung der Rissbreite (hier 0,1 mm) mit Vergleichsmaßstab Zur Überprüfung der Risstiefe können die Putzschichten vorsichtig Schritt für Schritt freigelegt werden. Eine
4/2 Seite 4 Sammeln von Daten und Fakten bewährte Methode ist die Entnahme von Putzproben mittels Trennscheibe bzw. Kernbohrgerät und anschließende Überprüfung der Bauteilrückseite. Die Überprüfung der Risstiefe ist besonders wichtig, da dadurch die Ursachen der Rissbildungen, aber auch die Verantwortlichkeiten näher eingegrenzt werden können. Das Rissalter kann durch Vergleich des Zustandes der Rissflanken mit einer frischen Bruchfläche abgeschätzt werden. 4/2.1.3 Zeitliche Rissveränderungen Gipsmarken Die zeitliche Veränderung der Rissweite kann am einfachsten mit so genannten Gipsmarken überwacht werden. Gipsmarken können an Ort und Stelle angesetzt werden; auch eine Vorfertigung ist möglich. Das Ansetzen erfolgt dann mit Sekunden- oder Zweikomponetenkleber. Wichtig bei Gipsmarken ist eine möglichst große Haftfläche. Üblicherweise sollten sie daher etwa 1 cm dick, ca. 4-5 cm breit und ca. 20-25 cm lang sein. Abb. 4/2.1.3.1: Gipsmarke und Veränderungsrichtungen
Sammeln von Daten und Fakten 4/2 Seite 5 Folgende Aussagegenauigkeit kann mit Gipsmarken erzielt werden 1 : Rissbewegung Richtung Aussage durch Aufweitung (x x) Riss ab 0,005 mm Verengung (x x) Abscheren Gipsmarke Versatz (y y) Riss ab 0,01-0,02 mm Versprung (z z) Abscheren Gipsmarke Tab. 4/2.1.3: Ablesegenauigkeit von Gipsmarken Mit derartigen Gipsmarken sind also Verminderungen der Rissweiten und Rissversätze senkrecht zur Bauteiloberfläche nicht messbar. Schubert 2 schlägt daher Gipsmarken vor, bei denen die Haftflächen beiderseits des Risses vergrößert sind und der Gipssteg im Rissbereich relativ schmal ist. Gipsmarken müssen unbedingt beim Ansetzen mit dem Datum versehen werden; Strichmarkierungen quer zum Riss erleichtern das Ablesen. Unabdingbar für eine möglichst hohe Aussagegenauigkeit zur zeitlichen Veränderung der Rissweite ist die kontinuierliche Messung und Überwachung. Durch hohe Schlagregenbelastung, insbesondere auf der Wetterseite, kann es zur Beeinträchtigung der Gipsmarken kommen. Daher sind entsprechende Schutzmassnahmen zu treffen. In vielen Fällen ist aus dem schadensverursachenden Vorgang und der Standzeit des Gebäudes bzw. dem Rissalter die noch zu erwartende Rissflankenbewegung überschlägig ableitbar. 1 Oswald R.: Rissbildungen an Gebäuden und ihre Folgen; Hebel-Ingenieurtag 2001, Malsch. 2 Schubert P.: Schadenfreies Bauen mit Mauerwerk Katalog von Rissschäden und Maßnahmen zu deren Vermeidung.
4/2 Seite 6 Rissmonitoring Sammeln von Daten und Fakten Vermutet man aufgrund der Eindeutigkeit der Rissform Lageänderungen als Schadensursachen, kann es mitunter hilfreich sein, die Rissbewegungen, vor allem die Richtung und Größe der noch anstehenden Lageänderungen, über einen längeren Zeitraum zu überprüfen. Dabei ist Verwendung von speziellen Rissmonitoren hilfreich (zwei übereinander liegende durchsichtige Vergleichsmaßstäbe) 3, 4. Abb. 4/2.1.3.2: Einsatz eines Rissmonitors zur Lanzeitüberwachung eines konstruktiven Risses 3 www.rehm-haeusle.de/de/frame.html 4 www.polyplan.com/de/bpg/3.htm
Sammeln von Daten und Fakten 4/2 Seite 7 4/2.1.4 Überprüfung auf Hohlstellen Die Fassaden werden dazu am besten mit einem speziellen Drahtbügel überprüft und vorsichtig abgeklopft; aus dem Klangunterschied hell/dunkel erkennt man eindeutig die Lage und Größe von Hohlstellen. Diese werden durch Eintrag in ein entsprechendes Sofortbild oder eine Ansichtszeichnung der Fassade ebenso wie festgestellte Risse kartiert. Drahtbügel Bei Öffnung der Hohlstelle wird vielfach ersichtlich, an welcher Stelle im Wandaufbau die Spannung, die zur Überschreitung der Haftzugfestigkeit geführt hat, am größten war. Daraus lassen sich bei der späteren Rissbewertung Rückschlüsse auf die Rissfolgen ziehen. Abb. 4/2.1.4.1: Markierung einer Hohlstelle
4/2 Seite 8 Sammeln von Daten und Fakten Abb. 4/2.1.4.2: Öffnen einer Hohlstelle und Prüfen des Haftvermögens 4/2.1.5 Wasseraufnahme der Fassaden Prüfröhrchen nach Karsten Die kapillare Wasseraufnahme der Fassaden wird mittels Karsten schen Prüfröhrchen gemessen sowie qualitativ durch Annässen der Putzoberfläche beurteilt. Dazu wird das Prüfröhrchen mit einem elastischen Kitt an die Fassade temporär angeklebt; nach Füllen mit Wasser wird das Saugverhalten abgelesen.