Die statisch integrierte Baumkontrolle Teil 2.

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Transkript:

Thomas Hintze Baumpflegespezialist Häuslenen Die statisch integrierte Baumkontrolle Teil 2. Die praktische Ausführung unter Berücksichtigung der statischen Grundsicherheit, sowie der Baumvitalität und der Kompensationsfähigkeit. Baumschäden, die die Verkehrssicherheit beeinträchtigen, können bevor ein Baum versagt, an bestimmten Schadsymptonen in der Regel erkannt werden. Um diese Schadsymptome zu erkennen und richtig zu beurteilen, braucht es eine gute Grundausbildung sowie Erfahrung in der Baumkontrolle. Bei der Durchführung einer Baumkontrolle ist es enorm wichtig, die gefundenen Schadsymptome nach Gefährlichkeit einstufen zu können. Denn bei genauer Betrachtung findet man viele Schadsymptome, doch nicht alle sind für die Verkehrssicherheit eines Baumes von Bedeutung. Dasselbe gilt bei der Beurteilung von den Holzzersetzenden Baumpilzen. Deshalb beschreibe ich hier nur die wichtigsten Schadsymptome und die wichtigsten Holzzerstörenden Pilzarten. Enorm wichtig ist es bei einer Baumbeurteilung, dass beim Betrachten eines Details, nicht der Blick fürs ganze verloren geht. Für die Durchführung dieser Baumkontrolle, wird folgendes Material und Werkzeug benötigt: - Aufnahmeblätter - Schreibmaterial - Fernglas - Kompass - Digitalkamera - Gummihammer - Messband - Höhenmessgerät - Splintmesser - Verschiedenes Kratzwerkzeug - Meter - Taschenlampe - SIB- Beurteilungsunterlagen - Dessinfiszierwerkzeug SIB- Beurteilunsunterlagen nach Wessolly Bei der Durchführung einer Baumkontrolle, darf der zu untersuchende Baum in keiner Art und Weise verletzt werden. Vor allem Pilzbefallene Bäume dürfen niemals angebohrt werden, denn der verursachte Schaden, beeinträchtigt die Baumvitalität und vor allem die baumeigenen Abwehrzonen massiv. Bevor ein Baum genau untersucht wird, wird die Umgebung des Baumes beurteilt. Steht der Baum alleine, ist er in einer Alle oder Baumgruppe integriert, steht er in einer Stadt, Dorf oder auf dem Felde? Ist es ein Strassen- oder ein Parkbaum? Ist die unmittelbare Umgebung des Baumes stark von Fußgänger oder Autos frequentiert? All diese Fragen müssen im Vorfeld der Baumuntersuchung beantwortet werden, denn Bäume, die in einer Umgebung stehen, die stark von Autos und Fußgänger frequentiert werden, müssen viel genauer Untersucht werden, als Bäume die abseits stehen. 1

Die Beurteilung des Baumstandortes: Bäume, die in einer Baumalle oder in einer Baumgruppe ihren Standort haben, sind vielmals besser vor Stürmen geschützt, als freistehende Bäume, da sich die Bäume gegenseitig Windschutz bieten. Durch den Konkurrenzkampf ums Licht, vernachlässigen diese Bäume vielmals ihr Dickenwachstum. Da sie mehr geschützt stehen, als freistehende Bäume, brauchen diese Bäume auch weniger dicke Stämme. Problematisch wird es erst, wenn einzelne Bäume aus einer Baumgruppe oder aus einer Baumalle gefällt werden. Der Winddruck nimmt massiv zu und die freigestellten Bäume, können sich auf diese Änderung nicht sofort umstellen. Dies können sie erst im laufe der Zeit. Vielmals sind diese Bäume dann stärker bruch-, und kippgefährdet. Um feststellen zu können, wie die Grundsicherheit dieser Bäume aussieht, kann mittels der statisch integrierte Baumbeurteilung SIB nach Wessolly gut gearbeitet werden. Bäume die zwischen Häusern und Gebäuden stehen, müssen vielfach höhere Windbelastungen standhalten können, als auf ihrem natürlichen Standort. Da die Winde in den Straßenschluchten gesammelt werden und mit großem Druck auf die Bäume zuströmen. Die Beurteilung des Stammfußes und des Wurzelbereiches: Buchenstammfuß mit typischen Wurzelanläufen Bei der Untersuchung des Wurzelbereiches, ist auf folgende Punkte zu achten: - Bodenrisse-, Anhebungen: Dies kann nach starken Stürmen festgestellt werden, vor allem wenn es zusätzlich stark geregnet hat. Das Bodenreich wird durch den Regen stark aufgeweicht und bei starken Stürmen können sich dann die Haltewurzeln leichter aus dem Boden lösen. Findet man Bäume, die starke Bodenrisse und Bodenanhebungen aufzeigen, ist der Zeitpunkt gekommen, den Baum so schnell wie möglich zu fällen. Bäume die keine Wurzelanhebungen dafür Bodenrisse aufzeigen, sollten umgehend genauer betrachtet werden. Tauchen Risse in der Nähe vom einfachen Stammdurchmesser auf, so kann dies ein Hinweis auf Standsicherheitsprobleme sein. Risse die weiter entfernt liegen, sind vielfach auf den Wurzeldruck zurückzuführen, beeinträchtigen die Standsicherheit des Baumes aber kaum. 2

- Mauern, Bodenverdichtungen, Bodenversiegelungen und Auffüllungen: Wuchsen Bäume in der Nähe von Mauern auf, so wurde die Mauer vom Baum in sein statisches Wurzelwerk eingebunden. Wird die Mauer jedoch entfernt, so verliert der Baum seinen Halt und ist somit nicht mehr standsicher. Stark versiegelten Baumstandort Bodenverdichtungen verursachen für viele Bäume massive Schädigungen. Sie verlieren dabei oftmals ihre Standsicherheit, sowie auch massive Verluste in ihrer Vitalität. Der Boden besteht aus vielen verschiedenen grossen Poren und Partikeln, die für die Durchlüftung und Wasserspeicherung zuständig sind. Und werden diese dann durch befahren oder durch Baumassnahmen zusammengepresst, so verliert der Boden die Fähigkeit Wasser zu speichern und den Boden zu durchlüften. Der Sauerstoffgehalt des Bodens wird dadurch massiv reduziert. Als Resultat davon sterben die Baumwurzeln ab, da sie ersticken, des Weiteren verlieren die für den Baum vielfach überlebensnotwendigen Mykorrhizen ihre Funktion. Wurde der ursprüngliche offene Boden durch Asphalt-, Beton- oder Pflasterbelag versiegelt, so führt dies für die Baumwurzeln zu einer Verringerung des Gasaustausches und der Wasserversorgung, da das benötigte Regenwasser abgeleitet wird. Versiegelte Flächen führen oftmals zu Temperaturerhöhungen, da diese Flächen bei Sonneneinstrahlung stark abstrahlen. Bei der Kontrolle des Wurzelbereiches ist es enorm wichtig zu beurteilen, ob der Boden aufgefüllt wurde. Vielmals sind Bodenauffüllungen für den betreffenden Baum verheerender als Bodenabgrabungen. Der natürliche Wurzelhorizont wird durch eine Auffüllung nach unten verschoben. Als Folge dieser Verschiebung sterben hauptsächlich die Wurzeln im Feinbereich ab, da diese Wurzeln durch den Bodenauftrag plötzlich von der Luft abgeschnitten wurden. Die Folgen für den Baum: Starker Vitalitätsverlust, verbunden mit Wachstumsdefizite, Fäulen im aufgefüllten Stammbereich, Befall durch Holzabbauende Pilze, verbunden mit Standsicherheitsprobleme. Die Beurteilung des Stammfußes: Beispiele vers. Wurzelanläufen, linkes Beispiel wenig Verankerungskraft- gefährlich! Bei der Beurteilung des Stammfußes gilt es zuerst die Form der Wurzelanläufe zu betrachten. Je grösser der Radius des Wurzelanlaufes, desto grösser ist auch sein Verankerungshebel und somit seine Verankerungskraft im Boden. Bäume mit grossen Wurzelanläufen besitzen eine viel grössere Standsicherheit, als Bäume mit kleinen oder keinen Wurzelanläufen. Werden bei der Baumkontrolle Bäume mit keinen sichtbaren Wurzelanläufen entdeckt, so ist davon auszugehen, dass der Boden künstlich aufgefüllt wurde. Und somit die Grundsicherheit des Baumes beeinträchtigt wurde. 3

Bevor der Stammfuss genauer untersucht wird ist es enorm wichtig, den Stammfuss von Laub, Efeu, Erde, etc. freizulegen, denn einige Schadpilze oder Risse befinden sich versteckt in den Wurzelanläufen. So zum Beispiel der Brandkrustenpilz (Kretzschmaria deusta), den ich zu den gefährlichsten holzzerstörenden Pilzen am Stammfuss zähle. Dieser Pilz verursacht eine intensive Weißfäule im Stammund Stockbereich. Da sich der Brandkrustenpilz sowohl im Stammbereich wie auch im Wurzelbereich ausbreitet, kann sich dies negativ auf die Bruch-, bzw. Standsicherheit des Baumes auswirken. Als Besonderheit dieses Pilzes kann man erwähnen, dass auch bei einem starken Befall selten Anzeichen in der Baumkrone zu finden sind, die auf einen Befall des Brandkrustenpilzes hinweisen. Durch Brandkrustenpilz befallener Stammfuss. Da dieser Pilz bei einer Baumkontrolle vielfach übersehen wird, ist es unbedingt notwendig jede Ritze und jede Öffnung mit Hilfe einer Taschenlampe genauestens zu kontrollieren. Der Brandkrustenpilz besiedelt vor allem Laubbäume, insbesondere Linde, Buche, Ahorn, Esche, Rosskastanie und Platane. Seltener kommt er an Nadelbäumen vor. Bäume die durch den Brandkrustenpilz befallen wurden, zeigen diverse Symptome auf, wie zum Beispiel: Absterbeerscheinungen im Rindenbereich, Rissbildungen, schwarze Flecken auf der Rinde, vor allem bei der Buche gut sichtbar, Schleimfluss, und deutlich zu erkennen sind die Wachstumsdefizite, sowie die schwarzen oder weißgrauen Pilzfruchtkörper des Brandkrustenpilzes Pilzfruchtkörper. Wurde der Brandkrustenpilz bei der Baumkontrolle festgestellt, so bedeutet dies noch lange nicht, dass der Baum gefällt werden muss. Bäume mit grossen und breiten Wurzelanläufen können noch lange Zeit mit dem Brandkrustenpilz leben, ohne Beeinträchtigung ihrer Stand- und Bruchsicherheit. Bäume mit kleinen oder keinen sichtbaren Wurzelanläufe sind wiederum als viel gefährlicher einzustufen, dies wurde vor allem bei der Linde festgestellt. Fruchtkörper des Lackporlings Ein weiterer wichtiger stammfußbürtiger holzzerstörenden Pilz ist der Lackporling (Ganoderma- Arten). Neben dem Brandkrustenpilz zähle ich den Lackporling ebenfalls zu den gefährlichsten holzabbauenden Pilzarten. Selten findet man den Lackporling auch an Baumstämmen. Er besiedelt nahezu alle einheimischen Baumarten, selten auch Nadelbäume. Bei uns findet man vor allem den flachen und den wulstigen Lackporling. Selten findet man den kupferroten und der glänzende Lackporling, doch diese beiden Arten sind weniger von Bedeutung. 4

Der flache sowie der wulstige Lackporling sind typische Schwächeparasiten, die im Stammfuss und im Wurzelbereich eine intensive Weißfäule verursachen. Laut Aussage von Pilzspezialist Francis Schwarze, ist der wulstige Lackporling als viel gefährlicher einzustufen, als der flache Lackporling. Doch diese beiden Pilzarten können von Auge fast nicht unterschieden werden. Für eine genaue Bestimmung sollten diese Pilze in ein Pilzlabor gebracht werden. Grundsätzlich kann man festhalten, dass beim Auffinden eines Lackporling Kipp-, oder Bruchgefahr besteht. Bäume die sehr dicke Stämme und relativ kleine Kronen besitzen, können noch sicher sein. Baumarten wie die Eiche können dem Pilz noch lange widerstehen, Linde dagegen offenbar nicht. Bäume mit stark ausgeprägten Wurzelanläufen sind als stand-, und bruchsicherer einzustufen. Junger Lackporling Fruchtkörper Bei der Kontrolle des Stammfußes findet man oftmals noch einen anderen wichtigen Schwächeparasit, der Hallimasch (Armillaria- Arten). Für die Baumkontrolle von Bedeutung sind vor allem der honiggelbe- und der dunkle Hallimasch. Die einjährigen, gelblich-braunen Pilzfruchtkörper treten in grossen Büscheln an der Stammbasis oder an den Wurzeln auf. Der Hallimasch befällt praktisch alle Laub und Nadelholzbäume. Die Pilzfruchtkörper von Hallimasch findet man in den Monaten September bis November und oftmals zerfallen sie nach dem ersten Frost. Typisch für den Hallimasch sind die gestielten, mit einem Ring versehenen, honiggelbe bis braune Pilzfruchtkörper. Dank den charakteristischen Ringen ist der Hallimasch auch im zerfallenen Zustand noch gut erkennbar. Sind die Pilzfruchtkörper nicht mehr auffindbar, so ist die Zeit gekommen, im Bereich des Stammfußes die Borke genau zu untersuchen. Hier findet man bei befallenen Bäumen unter der Borke, die gut sichtbaren schwarzen Rhizomorphen und bei frisch befallenen Bäumen, dass weiße Mycel. Die Borke in diesen bereichen lassen sich von Hand gut ablösen. Der Hallimasch besiedelt die geschwächten Bäume durch Sporen über Wunden, durch Wurzelkontakte zwischen den benachbarten Bäumen oder durch die im Boden wachsenden Rhizomorphen. Mit Hilfe der Rhizomorphen und des Mycels wandert der Hallimasch im Kambium, zwischen Holz und Rinde stammaufwärts und zerstört diese Bereiche irreparabel. Aus diesem Grund wird der Hallimasch auch als Kambiumkiller bezeichnet. Typische Hallimasch- Rhizomorphen Sobald der Pilz im Bereich des Stammfußes den gesamten Stammumfang zerstört hat, so stirbt der befallene Baum innerhalb weniger Wochen ab, da die für den Baum lebensnotwendigen Leitungsbahnen zerstört wurden. Die Verkehrssicherheit des Baumes ist aber noch gewährleistet. Des Weiteren verursacht der Hallimasch in den befallenen Bereichen eine Weißfäule. Dadurch wird auch die Verkehrssicherheit, vor allem in der Endphase, massiv beeinträchtigt. 5

Als weiteres Merkmal eines Hallimaschbefalles sind die starken Vitalitätsverluste in der Baumkrone. Vitale Bäume und Bäume, die gute Abschottungseigenschaften besitzen (Buche und Eiche), können den Hallimaschbefall und die dadurch hervorgerufene Fäule nach allen Seiten gut eingrenzen. Weniger widerstandsfähige Baumarten wie Fichte, Pappel und Weide können die Ausbreitung des Pilzes nicht eingrenzen. Dadurch kann sich im Laufe der Zeit eine starke und verkehrsgefährdende Fäule entwickeln. Weitere Wurzel- und Stammfußbürtige Holzzersetzende Pilzarten: - Die Ochsenzunge oder Leberpilz: Dieser einjährige Pilz befällt vor allem alte Eichen und (Fistulina hepatica) zuweilen auch Esskastanie. Er wird als Schwächeparasit bezeichnet und schädigt hauptsächlich das Kernholz im unterem Stamm und Wurzelstock. - Der Eschenbaumschwamm: Dieser mehrjährige und einzeln oder in büscheln wachsende (Perenniporia fraxinea) Pilz, befällt hauptsächlich Esche und Robinie. Dort verursacht er eine Weißfäule im Kernholz. - Der Riesenporling: Der Riesenporling befällt hauptsächlich Buche, selten findet (Meripilus giganteus) man ihn an Rosskastanien, Eichen und an Sorbus -Arten. Die grossen einjährigen Pilzfruchtkörper können am Stammfuss, sowie in weiterer Entfernung des Stammes festgestellt werden. Dies ist ein sehr auffälliger Pilz, da der Pilzfruchtkörper bis zu einem Meter gross werden kann. Der Riesenporling ist ein Schwächeparasit, der den Baum über Wurzelverletzungen besiedelt. Treten an einem Baum viele Fruchtkörper auf, so kann dies ein Hinweis auf Wurzelverletzungen sein. Der Riesenporling verursacht eine intensive Weißfäule die bis in den Stammfußbereich vordringen kann. Bäume mit sehr kleinen Wurzelanläufen verlieren bei starkem Befall ihre Standsicherheit. Dagegen sind Bäume mit ausgeprägten Wurzelanläufen noch lange standsicher. Denn vitale Bäume die durch den Riesenporling befallen wurden, bilden als Reaktion vielfach neue Wurzeln und erhöhen somit ihre Standsicherheit. - Tropfender Schillerporling: Die einjährigen Pilzfruchtkörper des tropfenden (Inonotus dryadeus) Schillerporlings werden einzeln oder in Büscheln am Stammfuss von Eiche (Hauptwirt), selten an Rossund Esskastanie sowie an Buche und Platane gefunden. Dieser Pilz besiedelt den Baum über seine Wurzeln und verursacht eine Weißfäule im Stockbereich. Bei starkem Befall durch den tropfenden Schillerporling erkennt man in der Baumkrone deutliche Schadsymptome, die durch den Pilz der die Versorgungsbahnen des Baumes zerstört, hervorgerufen werden. Der Tropfende Schillerporling zersetzt das Holz des befallenen Baumes sehr langsam und beeinträchtigt die Verkehrssicherheit erst im Endstadium. Bei guter Vitalität des befallenen Baumes kann der Baum diesen Pilz sehr lange eingrenzen und eine Ausbreitung verhindern. 6

Weitere wichtige Merkmale bei der Beurteilung des Stammfußes: - Rindennekrosen: Rindennekrosen werden vielfach durch verschieden Pilze hervorgerufen und man findet sie meistens an den vertieften Stellen des Stammfußes. Die meisten Bäume die in einem vitalem Zustand sind, reagieren auf diese Nekrosen mit Wundholzbildung und versuchen somit den Schaden einzugrenzen. - Reaktionsholz am Stammfuss: Reaktionsholz am Stammfuss ist ein Hinweis, dass der betroffene Baum bei einem Sturm stark belastet wurde oder ein Schaden im betreffendem Bereich vorliegt. Der Baum versucht mit der Bildung des Reaktionsholzes seinen nötige Stabilität wieder herzustellen. Bilden Bäume Reaktionsholz so ist dies ein gutes Zeichen, denn Bäume die nicht mehr vital sind bilden dies weniger oder gar nicht mehr. Die hellen Streifen, deuten auf starkes Wachstum oder auf Reaktionsholzbildung hin. Der Baum verstärkt somit seine Schwachstellen und kann somit sein Baumleben verlängern. - Adventivwurzeln am Stammfuss: Dies bedeutet vielfach, dass der Baum seine statisch wirksamen Starkwurzeln verloren hat. Und mit der Bildung von vielen Adventivwurzeln, versucht der Baum diesen Verlust wieder zu kompensieren. Will man so einen Baum erhalten, sollte der Baum umgehend mit Hilfe der Inclinomethode auf seine Standsicherheit überprüft werden. - Wurzelhalsverdickungen: Ist der gesamte Wurzelhalsbereich verdickt, so kann dies auf eine ausgedehnte Fäule im Innern des Holzkörpers hinweisen. Dies bedeutet aber nicht, dass der betreffende Baum gefährdet ist, es kann auch eine gute Kompensation sein. Bei Linden kann dieses Phänomen gut beobachtet werden. 7

- Wurzelverletzungen, Würgewurzeln: Starke Wurzelabgrabung, dieser Baum war stark kippgefährtdet und wurde gefällt. Wurzelverletzungen entstehen in den meisten Fällen durch menschliche Hand, seien dies durch Rasenmähen, Wurzelabgrabungen bei Bauvorhaben, Überfahren von Starkwurzeln und unsachgemäße Pflanzung. Wurden bei Wurzelabgrabungen die Hauptwurzeln entfernt, so verliert der Baum seinen Halt und ist somit nicht mehr Standsicher. Wurzelabgrabungen im äusseren Wurzelbereich beeinträchtigen die Standsicherheit kaum. Doch diese Wurzeln werden oft von holzzerstörenden Pilzen befallen. Langfristig wird auch hier die Standsicherheit beeinträchtigt, vor allem, wenn die verletzten Wurzeln nicht fachgemäß behandelt wurden. Doch auch hier besitzt der Baum die Möglichkeit, Wurzelverletzungen zu kompensieren, in dem er neue Wurzeln bildet und die verletzten Wurzeln abschottet. Durch die Erfahrungen die man in den vielen Zugversuchen gewonnen hat, wurde festgestellt, dass Bäume nur einen relativ kleinen Radius von Hauptwurzeln brauchen, um standsicher zu sein. Dies soll aber keinesfalls bedeuten, dass man viele Starkwurzeln entfernen darf, denn die daraus entstehende Probleme dürfen niemals unterschätzt werden. Würgewurzeln entstehen vielfach bei der Drehung des Wurzeltellers, während des Pflanzens. Da, wo die Wurzel um den Stamm liegt, wird später das wichtige Dickenwachstum des Baumes verhindert, es kann eine Bruchgefährdete Kerbe entstehen. Relativ schwache Würgewurzel 8

Die Beurteilung des Stammes: Nach der genauen Beurteilung des Stammfußes hat man jetzt einen Einblick in die Stand-und Bruchsicherheit sowie in die Vitalität des zu untersuchenden Baumes bekommen. Hat man nun einige Schwachstellen oder Pilzbefall gefunden, so stellt sich jetzt die Frage, dürfen dem Stamm noch Schäden zugetraut werden, wenn ja wie viele? Sobald sich der Baumkontrolleur mit dieser Frage auseinandersetzen muss, ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, den Baum mit Hilfe der SIB- Grundsicherheitsabschätzung nach Dr. L. Wessolly zu beurteilen. Als Resultat dieser Beurteilung ist nun die Grundsicherheit des zu untersuchenden Baumes bekannt. Besteht eine grosse Grundsicherheit, so dürfen dem Baum einige Schäden zugetraut werden, ist die Grundsicherheit jedoch knapp genügend, so können Schäden die Stand -und Bruchsicherheit beeinträchtigen. - Holzabbauende Pilze: Bei der genauen Beurteilung des Stammes werden häufig Pilzfruchtkörper von holzzersetzenden Pilzen gefunden. Bei genauer Betrachtung findet man auch noch andere Pilze, die für uns aber weniger von Bedeutung sind. Hier beschreibe ich nur die wichtigsten Pilzarten, die man auch in der Baumkrone feststellen kann. - Der Zunderschwamm: Diese mehrjährige, einzelne oder in Gruppen (Fomes fomentarius) auftretende Pilzart, ist häufig an Buche und Birke anzutreffen. Er wurde auch schon an Hagebuche, Eiche und Ahorn gefunden, selten tritt der Zunderschwamm an Nadelhölzern auf. Der Zunderschwamm besiedelt die betroffenen Bäume über Rindenverletzungen, Astabbrüche, und über Astungswunden. In diesen Bereichen verursacht der Zunderschwamm eine intensive Weißfäule, die bei geschwächten Bäume die Bruchsicherheit stark beeinträchtigen können. Bei Buchen, die stark durch den Zunderschwamm befallen waren, konnten grosse Astabbrüche beobachtet werden. - Der Birkenporling: Der Birkenporling ist ein typischer wirtsspezifischer Pilz, (Piptoporus betulinus) der ausschließlich an Birken vorkommt. Die einjährigen Pilzfruchtkörper befinden sich hauptsächlich am Stamm und verursachen dort eine intensive Braunfäule. Der Birkenporling befällt ausschließlich absterbende oder bereits abgestorbene Birken und ist neben dem Zunderschwamm der wichtigste Schwächeparasit. 9

- Der Schwefelporling: Die einjährigen, zuerst sehr gelben Pilzfruchtkörper, (Laetiporus sulphureus) besiedeln hauptsächlich die Buche, Eiche, Pappel und Robinie. Der Schwefelporling wurde auch schon an Lärchen festgestellt. Wie der Birkenporling so verursacht auch der Schwefelporling im Stammbereich eine Braunfäule. Bei vitalen Bäumen dringt die durch den Schwefelporling hervorgerufene Fäule selten in den statisch wichtigen Splintholzbereich. Zusätzlich bilden die befallenen Bäume Kompensationsholz, worauf ihre statische Schwächungen wieder wettgemacht werden. Sobald jedoch die Baumvitalität schwächer wird und deutliche Schwächungen im Kronenbereich sichtbar werden, so verliert der Baum auch seine Bruch- und Standsicherheit. Fallen die Pilzfruchtkörper ab, so werden weiße Spuren auf der Borke sichtbar. - Der schuppige Porling: Dieser auffällige Pilz kann man viel beobachten, vor allem (Polyporus squamosus) an grossen Astungswunden bei Linden, Ulmen, Eschen, Rosskastanien und Ahorne. Grundsätzlich kommt dieser einjährige Pilzfruchtkörper an allen Laubbaumarten vor. Der schuppige Porling ist ein typischer Wundparasit und verursacht eine Weißfäule. Der schuppige Porling wird vielfach auch an Starkästen gefunden und kann dort zu Astabbrüchen führen. Die Weiden und Pappeln sind durch den schuppigen Porling viel gefährdeter als die anderen Baumarten. Der schuppige Porling kann bei der Baumkontrolle ähnlich beurteilt werden wie der Schwefelporling. - Der Eichenfeuerschwamm: Die mehrjährigen Pilzfruchtkörper des (Phellinus robustus) Eichenfeuerschwamms treten in erster Linie an alten Eichen auf. Selten findet man sie auch an Rosskastanie und Robinien. Die Eiche kann den Befall eines Eichenfeuerschwamm sehr eng begrenzen. Erst bei stark abnehmender Baumvitalität kann der Eichefeuerschwamm statische Probleme hervorrufen. Bei sehr alten Eichen, die stark durch den Eichenfeuerschwamm befallen waren, habe ich schon Starkastausbbrüche beobachtet. - Der zottige Schillerporling: Die einjährigen, vor allem an Esche, Platane, Nussbaum (Inonotus hisbidus) und Apfelbaum auftretenden Pilzfruchtkörper des zottigen Schillerporling, werden hauptsächlich im Stammund im Kronenbereich gefunden. Der zottige Schillerporling ist ein typischer Wundparasit und verursacht im Kernholz eine Weißfäule, bei der Platane kann er auch eine Moderfäule hervorrufen. Sobald Pilzfruchtkörper aus dem Stammbereich hervortreten, ist mit starkem Holzabbau und Verringerung der Bruchsicherheit zu rechnen. Der zottige Schillerporling verursacht zusätzlich Kambiumnekrosen, die man bei der Platane infolge der Reaktion des Baumes gut erkennen kann. 10

Die Eschen sind nach einem Befall des zottigen Schillerporlings stärker bruchgefährdet als die Platanen, da die Holzstrahlen von Eschen im Gegensatz zu Platanen abgebaut werden. Sobald die Holzstrahlen abgebaut werden und das befallene Holz zu trocknen beginnt, entstehen Risse im Holzkörper. - Die Trameten: Diese Pilzarten besiedeln die Bäume meistens als Saprophyten, Saprophyten können nur totes Holz abbauen und werden an liegendem totem Holz gefunden. Für die Baumkontrolle sind die Schmetterlingstramete (Trametes versicolor) und die Buckeltramete (Trametes gibbosa) von Bedeutung. Diese beiden einjährigen Pilzarten treten an zahlreichen Laubbäumen als Wundparasiten auf und verursachen eine intensive Weißfäule. Der Holzabbau bei der Buckeltramete ist viel stärker als bei der Schmetterlingstramete und vor allem stark Die Buckeltramete geschwächte Bäume verlieren ihre Bruchsicherheit. Bei der Beurteilung von holzabbauenden Pilzarten an Bäumen ist es enorm wichtig, den Vitalitätszustand des ganzen Baumes zu betrachten. Bei vitalen und statisch sicheren Bäumen können Pilze lange Zeit ohne Beeinträchtigung der Stand- und Bruchsicherheit an Bäumen leben. Befallene Bäume müssen regelmässig kontrolliert werden und die Reaktionen des Baumes auf den Pilzbefall müssen sorgfältig beurteilt werden. Weitere wichtige Merkmale bei der Beurteilung des Stammes: - Einwallungen und abgestorbene Rindenpartien: Fäulebedingte Einwallungen Bilden Bäume starke Einwallungen, so kann davon ausgegangen werden, dass im innern des Baumes eine fortgeschrittene Fäule vorhanden ist. Sobald die Fäule den Splintbereich durchwachsen hat und die Fäule in den Kambiumbereich vorgedrungen ist, bilden sich Einwallungen. Sobald die Fäule den Kambiumbereich erreicht, stellt der betroffene Baum sein Dickenwachstum an dieser Stelle ein. Die benachbarten Stammteile, die noch nicht von der Fäule betroffen sind, bilden weiterhin Dickenwachstum und somit entstehen die typischen Einwallungen. Diese Einwallungen können bei oft gekappten Säulenpappeln gut beobachtet werden. In den Bereichen wo der Baum kein Dickenwachstum mehr bildet, stirbt die Rinde ab und es entstehen häufig Rindennekrosen. Oftmals können in diesen Bereichen auch Stammöffnungen und Risse beobachtet werden. Solche Bäume sind zunächst als Gefahrenbäume einzustufen, da bei Belastung die Lastabtragung nur über die Einwallungswülste erfolgt und nicht über den gesamten tragenden Querschnitt. Solange diese Bäume noch Dickenwachstum bilden und die Wurzelanläufe noch intakt sind, kann der Baum diese Schwächung kompensieren. Die meisten vitalen Bäume reagieren auf Stockfäulen mit erhöhtem Dickenwachstum und ersetzen die durch den Pilz abgebauten Holzbereiche mit neuem Holz. Die Bäume wachsen dem Pilz davon und bilden breite Stammbereiche, die man gut bei Pappeln und Linden anhand ihrer glockenförmigen Stammfüße beobachten kann. Bei allseitig gutem Kompensationswachstum sind diese Bäume noch lange Bruchsicher. 11

Im Zweifelsfall, können diese Bäume mit Hilfe der Elastometer Messung auf ihre Bruchsicherheit überprüft werden. Abgestorbene Rindenpartien und Rindennekrosen deuten vielfach auf Pilzbefall von verschiedenen parasitischen Pilzarten. Verschiedene Phytophtora Pilze verursachen bei Buchen und Rosskastanien starke Rindennekrosen die oftmals mit Schleimfluss verbunden sind. Diese Nekrosen können sich schnell ausbreiten und ganze Rindenbereiche zum Absterben bringen. Die betroffenen Bäume reagieren mit Absterbeerscheinungen im Kronenbild, da diese Nekrosen die wichtigen Nährstofftransportleitungen unterbrechen und zerstören. Buchenrindennekrose, Verdacht auf Phytophtorabefall - Risse und Löcher: Findet man während einer Stammkontrolle Risse, so stehen diese meistens im Zusammenhang mit früheren Stammverletzungen, oder die Risse entstanden durch eine im Bauminneren sich ausbreitende Fäulnis. Wird ein Riss nur auf einer Seite des Stammes gefunden, so besteht für den betreffenden Baum selten eine Gefahr. Rissbildung mit sehr starker Überwallung bei Tulpenbaum Astungswunde mit guter Wundholzbildung Löcher, die durch Astungen entstanden sind, bedeuten für den Baum keine unmittelbare Gefahr. Bei guter Wundreaktion des Baumes werden solche Öffnungen im laufe der Zeit vom Baum überwachsen. Stammöffnungen, die einen grossen Durchmesser besitzen, zum Beispiel bei einer Starkastentnahme, sind sehr anfällig auf parasitische Pilze und werden auch vielmals von solchen Pilzen befallen. Der Baum wird auch im Bereich der Wunde langfristig geschwächt, was wiederum zu statischen Probleme führen kann. Starkastentnahme bei Ulme mit anschliessendem Pilzbefall, hier durch den schuppigen Porling. 12

- Stammverletzungen: Frische Stammverletzungen sind kaum ein unmittelbares Problem für den betroffenen Baum, ausser sie sind sehr tief und gross. Die Probleme kommen erst in den kommenden Jahren, wo der Baum durch holzzerstörende Pilze befällt wird. Die Bäume reagieren auf Holzverletzungen, indem sie Wundholz bilden und die Schäden im Holzinnern eng begrenzen. Der Baum stellt somit seine Sicherheit wieder her, unter der Voraussetzung, dass der betroffene Baum noch vital ist. Grosse Stammverletzung bei der Rosskastanie mit sehr guter Wundholzreaktion. Die Schwächung wurde vom Baum gut kompensiert. - Stammverdünnungen: Stammverdünnungen findet man häufig bei Bäumen, die durch den Brandkrustenpilz befallen wurden. Durch den Holzabbau des Pilzes versteift sich der betroffene Holzteil und der Baum fühlt sich oberhalb dieses Holzteiles vermeintlich geschwächter und bildet hier neues Holz. - Stauchungen: Stauchungen zeigen an, dass der Baum bei einem Sturm stark belastet wurde und an der betroffenen Stelle überbelastet war oder ist. Der Baum hat die Elastizitätsgrenze auf der Druckseite überschritten und die äusseren Fasern wurden geknickt. Man kann eine plastische Verformung feststellen. An diesen Stellen bildet der Baum verstärktes Dickenwachstum, so dass später diese Stauchung für den Baum kein Problem mehr darstellt. Die Beurteilung der Baumkrone - Die Gabelungen: Bei der Beurteilung der Baumkrone auf ihre Bruchsicherheit, sollten zuerst die Gabelungen untersucht werden. Es macht keinen Sinn die restliche Baumkrone zu untersuchen und eine Diagnose zu erstellen, wenn vorher die Gabelungen nicht untersucht worden ist und dann festgestellt wird, dass diese bruchgefährdet ist. - Die V- Gabelung: Wird bei der Kronenbeurteilung eine Gabelung oder eine Hauptvergabelung gefunden, wo die Stämmlinge sehr eng zueinander stehen und die so genannte V- Form aufweist, so kann hier Bruchgefahr bestehen. Bei vielen Gabelungen, die die V- Form besitzen, kann es vorkommen, dass die Rinde eingewachsen ist. Bildet der Baum dann noch eine deutliche Leiste, so besteht Ausbruchgefahr. V- Gabelung mit eingewachsener Rinde, hier bei einer Linde. 13

Im Laufe der Jahre bildet sich durch das sekundäre Dickenwachstum der Stämmlinge gegeneinander eine Leiste. Die Stämmlinge drücken sich immer stärker auseinander und die Belastung auf die Verbindung wird immer grösser. Mit der Zeit entstehen Risse, die der Baum durch Kompensationsholz ersetzen will. Werden bei der Baumkontrolle Gabelungen die eine V- Form, eingewachsene Rinde und Leistenbildung aufzeigen, so besteht akute Ausbruchgefahr. Die Linden und Robinien haben vielfach solche Gabelungen und müssen mit einer Verankerung gesichert werden. - Die U- Gabelung: Die Gabelungen die nicht eng zusammenstehen und eine U- Form besitzen, können in der Regel als ausbruchsicher beurteilt werden. Im Gegensatz zur V- förmigen Gabelung, besteht bei der U- Gabelung eine sichere Verbindung zwischen den Holzteilen. Sichere U- Gabelung bei der Rosskastanie. - Astanbindungen: Bei einer guten Kronenbeurteilung sollten auch die Hauptäste auf ihre Anbindung kontrolliert werden. Häufig werden Äste mit eingewachsener Rinde gefunden, diese stellen dann meistens Ausbruchgefahr dar und sollten ähnlich wie eingewachsene Gabelungen beurteilt werden. Hauptast mit guter Astanbindung- keine Gefahr. - Astabbrüche: Astabbrüche werden durch starke Stürme ausgelöst und betreffen hauptsächlich den Feinastbereich. Grössere Äste brechen nur dann, wenn ein Schaden vorliegt. Astabbruch im Feinastbereich- keine Gefahr für den Baum. 14

- Ausladende Äste: Äste, die weit aus der Kronenperipherie herausragen, können bei starken Stürmen brechen. Dasselbe gilt für Äste, die zuerst gerade aus und dann plötzlich steil nach oben wachsen. Diese Äste schwingen bei starken Winden auf und kommen in immer stärker werdende Schwingungen, bis ein Stadium erreicht ist, wo die Äste brechen oder angerissen werden. Bei asymmetrischen Kronen ist es der ähnliche Effekt, die Kronen kommen viel stärker ins schwingen als symmetrische Baumkronen. Bei einem Orkan können diese Bäume durch die Eigenschwingungen versagen. Bruchgefährdete Äste, die sehr ausladend und aus der Kronenperipherie wachsen. - Vitalitätsbeurteilung von Bäumen: Bei der Vitalitätsbeurteilung von Bäumen ist auf folgende Punkte zu achten: Dickenzuwachs und Zustand der Rinde, Kronenverlichtung, Dürrholzbildung, Triebwachstumslänge, Vergilbung der Blätter und Nadeln, Kleinblättrigkeit, Blattnekrosen, Blattfraß und Saugschäden. Um die Kronenverlichtungen fachgerecht zu beurteilen, kann mit dem Schlüssel von Prof. Dr. A. Roloff sehr gut gearbeitet werden. Stark geschädigte Hainbuche, nach Befall durch den Spaltblättling Nach Prof. Dr. A. Roloff Vitalitätsstufe drei- absterbend. Die Beurteilung der Vitalität von Bäumen während der Baumbeurteilung, ist etwas vom wichtigsten. Ist der Baum in seiner Vitalität stark geschwächt, so kann er Schadstellen und Auswirkungen von Schädlingen nur schwach oder gar nicht kompensieren. Vitale Bäume hingegen haben die Möglichkeit, Schäden und Verletzungen aller Art sehr gut zu kompensieren, um somit ihr Baumleben langfristig zu erhalten. Die Aufgabe des Baumpflegers besteht nun darin, den Baum in seinen Bemühungen zu unterstützen und gut zu pflegen. 15

Schlussbemerkungen: Beim Durchlesen dieser statisch integrierten Baumkontrolle wird man schnell einmal feststellen, dass nicht alle Schadsymptome die man bei einer Baumkontrolle findet, gleich als schlimm und gefährlich beurteilt werden müssen. Dank dem Wissen das durch die vielen statischen Baumgutachten ermöglicht wurde, können Bäume als gesamtes und vor allem als sehr gut funktionierendes Wesen beurteilt werden. Leider ist dieses Wissen noch zu wenig verbreitet und wird von vielen Baumpflegern verurteilt. Es wird auch in der Baumpflegerschule nicht gelernt. Es werden viele Bäume, die absolut standund bruchsicher sind durch Untersuchungsmaßnahmen, die den Baum verletzen und unnötige Schnittmassnahmen mit sich ziehen, gepflegt. Es werden heute noch viele Bäume mit der Begründung der Vitalitätsförderung durch Schnittmassnahmen ausgelichtet. Betrachtet man Bäume, die in der offenen Natur leben, so wird man schnell einmal feststellen, dass diese Baumkronen eine dichte Krone besitzen. Wäre dies für die Baumvitalität nicht von nutzen, so hätten diese Bäume auch keine dichte Baumkrone. Baumkronen, die ausgelichtet wurden, sind dem Sturm viel mehr ausgesetzt als dichte Baumkronen. Sobald der Wind in die Krone kommt, hat der Wind die Möglichkeit, diese Baumkrone auseinander zu reißen. Geschlossene Baumkronen können wie ein Segel betrachtet werden, sobald der Sturm auf den Baum zukommt, legt sich der Baum mit seiner ganzen Baumkrone in den Wind und kann so die hohen Belastungen an die lastabtragenden Baumteile abgeben. Wurde ein Baum ausgelichtet, so kann man nach einem guten Jahr beobachten, wie der Baum seine Baumkrone verdichtet und seine statische Sicherheit wieder herstellt. Falls der Auslichtungsschnitt dem Baum etwas nützen würde, so würden ja alle Bäume von Natur aus ausgelichtet da stehen! Ulme nach Auslichtungsschnitt- Da diese Baumkrone nun verschiedene Öffnungen besitzt, ist sie dem Sturm viel mehr ausgesetzt. Ich hoffe, dass in Zukunft die Bäume als ganzes Lebewesen betrachtet werden und das solche Schnittmassnahmen bald einmal der Vergangenheit angehören. 16

Literaturverzeichnis Verwendete und weiterführende Literatur - Butin, H., 1996: Krankheiten der Wald- und Parkbäume. 3., neubearbeitende u, erweiterte Auflage Georg Thieme Verlag Stuttgart, New York - Wessolly, L., Erb, M., 1998: Handbuch der Baumstatik und Baumkontrolle Patzer Verlag Berlin, Hannover ISBN 3-87617-093-1 - Sinn, G., 2003: Baumstatik: Stand- und Bruchsicherheit von Bäumen an Strassen, in Parks und der freien Landschaft Thalacker Medien Braunschweig ISBN 3-87815-200-0 - Roloff, A., 2001: Baumkronen: Verständnis und praktische Bedeutung eines komplexen Naturphänomens Verlag Eugen Ulmer GmbH & Co, Stuttgart ISBN 3-8001-3193-5 - Jahn, H., 1990: Pilze an Bäumen Patzer Verlag Berlin, Hannover ISBN 3-87617-076-1 - Schwarze, F., 1999: Holzzersetzende Pilze in Bäumen: Strategien der Holzzersetzung/ F. Schwarze, J. Engel, C. Mattheck Rombach GmbH, Freiburg im Breisgau ISBN 3-7930-9194-5 - SIA Statisch Integrierte Abschätzung der Baumsicherheit Ingenieur- und Sachverständigenbüro Dr.Ing.L.Wessolly 70195 Stuttgart - www.baumstatik.de Biostatische Baumkontrolle Teil 1, 2 und 3 - Reinartz, H und M. Schlag Integrierte Baumkontrolle (IBA) - www.tree-consult.org Danksagung: Ich möchte mich ganz herzlich bei den Mitarbeitern und vor allem bei Martin Erb und Beni Heilmann von der Baumpflegefirma Tilia Baumpflege AG bedanken. 17