Calluna und Erica, Besenheide und Heide (Ericaceae) als Winterblüher der Friedhöfe und Gärten

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Transkript:

Calluna und Erica, Besenheide und Heide (Ericaceae) als Winterblüher der Friedhöfe und Gärten VEIT MARTIN DÖRKEN & ARMIN JAGEL 1 Einleitung Im Herbst wird im Gartenhandel massenhaft "Heide", "Erika" oder auch "Heidekraut" zur Bepflanzung von Gräbern, Kübeln oder Gärten angeboten. Die Handelsbezeichnungen nehmen in den meisten Fällen keinen Bezug auf die tatsächliche Art. Botanisch handelt es sich nämlich um Arten aus zwei verschiedenen Gattungen: Erica und Calluna. Morphologisch lassen sie sich aber relativ leicht voneinander unterscheiden. Bei den für Herbst- und Winterbepflanzung verwendeten Arten handelt es sich im Wesentlichen um Sorten der Besenheide (Calluna vulgaris), der Schneeheide (= Winterheide, Erica carnea = E. herbacea) und der Englische Heide (Erica darleyensis), die aufgrund ihrer späten bzw. sehr frühen Blütezeit besonders gut geeignet für die Winterzeit sind. Die beiden erstgenannten Arten gehören zur Flora Deutschlands, das Heidekraut ist auch in Nordrhein- Westfalen heimisch. Gepflanzt werden aber in der Regel nicht die Wildformen, sondern Zuchtformen, wobei man mit den sog. Knospenheiden beim Heidekraut Sorten selektiert hat, die von besonders hohem gärtnerischem Wert sind. Abb. 1: Erica carnea 'Myretoun Ruby' Abb. 2: Erica carnea 'Schneekuppe' Abb. 3: Calluna vulgaris 'Peter Sparkes' Abb. 4: Calluna vulgaris als Grabschmuck im Winter (A. JAGEL). 203

2 Name Der Name der "Besenheide" (Calluna vulgaris) leitet sich von der früheren Verwendung der Zweige für die Besenherstellung ab. Auch der botanische Name "Calluna" bezieht sich darauf, denn das aus dem Griechischen abgeleitete "kalynein" bedeutet so viel wie "schön machen, reinigen". Das Wort "Heide" leitet man aus dem Germanischen ab, man bezeichnete damit unbebautes Land "Kait". Dieses Wort entwickelte sich im Althochdeutschen dann zu "Heida" und schließlich zu "Heide". Die Gattung Erica wird volkstümlich ebenfalls als Heide oder Heidekraut bezeichnet. Der Name entstammt dem Griechischen "Ereike", der Bezeichnung für die im Mittelmeergebiet heimische Baum-Heide (E. arborea, vgl. GENAUST 2005). 3 Systematik Sowohl Calluna als auch Erica gehören zu den Heidekrautgewächsen (Ericaceae). Diese große Pflanzenfamilie umfasst weltweit über 100 Gattungen mit etwa 3850 Arten (MABBERLEY 2008). Hierzu gehören auch andere bei uns gepflanzte Zierarten aus den Gattungen Rhododendron (Alpenrose), Vaccinium (Heidel-, Preisel- und Moosbeere), Enkianthus (Prachtglocke) und Daboecia (Irische Heide, Glanz-Heide). Die Gattung Calluna ist monotypisch, Calluna vulgaris ist die einzige Art. Erica ist mit weltweit etwa 640 Arten weitaus artenreicher (MABBERLEY 2008), in Nordrhein-Westfalen allerdings kommen davon nur zwei Arten vor, die sehr seltene und nur im äußersten Westen des Landes auftretende Grau-Heide (Erica cinerea) und die Glocken-Heide (Erica tetralix) (HAEUPLER & al. 2003). Beide spielen zwar auch als Gartenpflanze mit einigen Sorten eine gewisse Rolle, allerdings nicht als winterblühende Arten. Abb. 5: Erica tetralix (Glocken-Heide), Wildvorkommen in der Hohen Mark bei Dorsten/NRW (2006, A. JAGEL). Abb. 6: Erica cinerea (Grau-Heide), Wildvorkommen im Kreis Viersen/NRW (2005, A. JAGEL). 4 Verbreitung und Lebensraum Die Besenheide (Calluna vulgaris) hat ein großes Gesamtareal von den Azoren bis zum Ural und dringt vom nördlichen Kleinasien bis in den Norden Marokkos (ROLOFF & BÄRTELS 1996). Auch in Nordrhein-Westfalen ist sie weit verbreitet, im Flachland besonders in den Heidegebieten, im Bergland eher an offenen, hellen Standorten in bodensauren Wäldern und in den noch verbliebenen Hochheiden. Auch im Ruhrgebiet tritt die Art noch auf, insbesondere in den Wäldern im Süden. Die Schneeheide (Abb. 8) ist in den Alpen ein häufig anzutreffender, immergrüner Zwergstrauch, der häufig ausgedehnte Bestände ausbildet. Sie ist ein typisches Element der 204

alpinen Kiefernwälder und Latschengebüsche und eine Kennart des Erico-Pinetalia, dem Schneeheide-Kiefernwald (Abb. 7). Darüber hinaus kommt sie aber z. B. auch auf Schotterterrassen alpiner Flüsse vor (DÜLL & KUTZENIGG 2005). Im Gegensatz zu den meisten Erica-Arten ist Erica carnea auch auf kalkhaltigen Substraten wie Dolomit oder Kalkgestein anzutreffen. Abb. 7: Schneeheide-Kiefernwald auf den Fluss begleitenden Schotterflächen am Lech in der Nähe von Füssen/Bayern Abb. 8: Erica carnea (Schnee-Heide), Wildform, BG Bochum 5 Morphologie Habitus Sowohl bei den Arten der Gattung Erica als auch bei der Gattung Calluna handelt es sich um immergrüne Gehölze. Die in Mitteleuropa heimischen Arten sind Zwergsträucher, die meist nur um 30-50 cm hoch werden. Im Gegensatz zu Calluna kahlen Eriken mit zunehmendem Alter nicht so stark von der Basis her aus. Ältere Pflanzen von Calluna sind nur noch im oberen Bereich beblättert. Daher ist ein jährlicher Rückschnitt von Gartenpflanzen notwendig, um dieses Verkahlen zu verhindern. Blatt Die Blätter der Besenheide werden meist als schuppenförmig bezeichnet. Sie stehen gegenständig und liegen meist dem Spross etwas an, sodass sie sich dachziegelartig überdecken. An der Basis haben sie einen zweizipfeligen Sporn (Abb. 9). Die Blattränder sind mehr oder weniger stark eingerollt, weswegen man sie auch als Rollblätter bezeichnet. Die Spaltöffnungen sind zwischen zahlreichen Papillen auf der Blattunterseite konzentriert (Abb. 10). Abb. 9: Calluna vulgaris (Heidekraut); Blattform und Blattstellung in Nahaufnahme Abb. 10: Calluna vulgaris (Heidekraut), Blattquerschnitt des Rollblatts 205

Solche Blätter werden im Pflanzenreich oft als Anpassung an Trockenheit gebildet, bei Calluna sind sie aber eher als Folge von Stickstoffmangel zu verstehen, der an den Standorten herrscht (= Peinomorphose, vgl. DÜLL & KUTZELNIGG 2011). Abgefallene Blätter des Heidekrauts sind wie auch die übrigen Pflanzenteile schlecht abbaubar. So gilt die Art aufgrund der massenhaften Produktion von Rohhumus als Bodenverschlechterer. Im Gegensatz zu Calluna sind die Blätter der Gattung Erica nadelartig und sitzen quirlständig zu 3-4 (manchmal auch mehr) am Spross. Sie stehen deutlich, oft sogar rechtwinklig ab (Abb. 11). Der Blattrand ist ebenfalls meist zur Blattunterseite hin eingerollt, auch wenn dies äußerlich kaum zu erkennen ist, sodass sie im Querschnitt denen von Calluna sehr ähnlich sind (Abb. 12). Die Blattspitzen sind häufig spitz und stechend. Abb. 11: Erica carnea (Schnee-Heide), Blattstellung Abb. 12: Erica darleyensis (Englische Heide), der Blattaufbau entspricht dem des Heidekrauts Blüte Die natürliche Blütezeit der Besenheide (C. vulgaris) liegt zwischen August und Oktober. Die Blüten stehen in langen Blütenständen am Zweigende. Die Einzelblüte hat vier gleichfarbene Kelch- und Kronblätter. Die Schauwirkung übernehmen hierbei die Kelchblätter, die wesentlich größer sind als die Kronblätter und diese deutlich überragen (Abb. 13, Unterschied zu Erica, Abb. 14). Die unscheinbare Blütenkrone der Besenheide ist trockenhäutig und bleibt noch lange nach der Blütezeit erhalten. Abb. 13: Calluna vulgaris (Heidekraut), Blüten mit rosa gefärbten Kelchblättern, die die Kronblätter überragen (A. JAGEL). Abb. 14: Erica carnea (Schnee-Heide, Sorte), Blüten, die Kronblätter überragen die gleichgefärbten Kelchblätter (A. JAGEL). 206

Anders als das Heidekraut ist die Schneeheide ein echter Winterblüher, dessen Blütezeitraum sich von (Dezember -) Januar bis April erstreckt. Die Krone der rosafarbenen Einzelblüten ist, wie für Erica typisch, glockenförmig ausgebildet, die Blüten nicken. Die Mündung der Krone ist dabei verengt. Zum Blütezeitpunkt ragen die Staubblätter wie auch der Griffel mit der Narbe weit aus der Blüte heraus (Abb. 14). Die Bestäubung erfolgt hauptsächlich durch Bienen (Produktion von "Heidehonig") oder Falter. Hierzu ist ein sog. Streumechanismus ausgebildet. Die Staubbeutel bilden einen Streukegel aus und öffnen sich bereits in der Knospe. Dort geben sie den trockenen Pollen in den Kegel ab (Abb. 15). Das Loch in der Spitze dieses Streukegels wird durch den Griffel verschlossen (Abb. 16). Wenn ein Insekt beim Blütenbesuch an den Griffel stößt, fällt der Pollen aus dem Kegel auf den Bestäuber herab. Sollte einmal der Insektenbesuch ausbleiben, kommt es zum verstärkten Wachstum der Staubfäden und der Pollen wird durch Wind ausgebreitet (DÜLL & KUTZELNIGG 2005). Abb. 15: Erica darleyensis (Englische Heide), Blüte im Längsschnitt, Griffel entfernt. Die Staubbeutel bilden einen Streukegel, in den nach innen der Pollen abgegeben wird Abb. 16: Erica darleyensis (Englische Heide), Blüte im Längsschnitt. Der Griffel wächst durch die Öffnung des Streukegels und verschließt ihn dadurch. Frucht Bei beiden Arten sind die Früchte rundliche Kapseln, die sich mit Klappen öffnen. Sie enthalten zahlreiche kleine, schwarze Samen. Bei Calluna bleibt die Frucht von den Kelchblättern größtenteils umhüllt. Die Fruchtreife erfolgt hier im Frühjahr des kommenden Jahres. Ähnlich wie beim Mohn (Papaver spp.) werden die Samen aus der reifen Frucht durch den Wind ausgeschüttelt. Laut DÜLL & KUTZELNIGG (2005) fördern Brände die Samenkeimung bei Calluna deutlich. Als Pionierart brauchen die Samen Licht zum Keimen. 6 Sorten Bei der Besenheide sind durch Zucht mittlerweile mehr als 1000 Sorten entstanden. Bei der Zucht achtete man einerseits auf verschiedene Blütenfarben (weiß über rosa bis dunkelviolett) und die Farbe der Blätter (Abb. 17-18). Andererseits war ein wichtiges Ziel, den Blütezeitpunkt der Art nach hinten zu verlagern, denn der natürliche Blütezeitpunkt der Besenheide liegt natürlicherweise nicht im Winter (s. o.). So entstanden die sog. "Knospenheiden" (= "Knospenblüher"), die heute von größter gärtnerischer Bedeutung sind. Solche "knospenblütigen" Pflanzen bringen eine große Fülle kleiner farbiger Knospen hervor, 207

die eine hervorragende Schauwirkung haben, obwohl sich die Blüten gar nicht öffnen (Abb. 19 & 20). Die farbigen Knospen selbst verharren praktisch den ganzen Winter in der Knospenruhe, weswegen sie nicht verwelken und ihr Zierwert bis in den März erhalten bleibt. So wurde das herbstblühende Heidekraut zu einem unserer bekanntesten "Winterblüher" der Gärten und Friedhöfe. Abb. 17: Calluna vulgaris 'Zeta', Knospenheide mit gelbem Laub Abb. 18: Calluna vulgaris 'Boskoop', Knospenheide, mit goldgelbem bis kupferfarbenem Laub Abb. 19: Besenheide (Calluna vulgaris), rot und weiß blühende Knospenheiden (A. JAGEL). Abb. 20: Besenheide (Calluna vulgaris), Knospenheide in pink, die Blüten bleiben geschlossen (A. JAGEL). Anders als das Heidekraut ist die Schneeheide ein echter Winterblüher, aber auch hier sind die Blütenknospen bereits im Herbst vollständig ausgebildet, sodass sie einen gewissen Zierwert bereits vor der Blütezeit haben. Auch von dieser Art gibt es zahlreiche Sorten, deren Farbspektrum der Blüten von purpurfarben über rosa bis weiß reicht. Neben den beiden genannten Arten und ihren Sorten spielt auch die sog. Englische Heide (Erica darleyensis) im Gartenhandel eine große Rolle (Abb. 21 & 22). Hierbei handelt es sich um eine Hybride zwischen der Schnee-Heide (Erica carnea) und der aus Westeuropa (Irland, Frankreich, Spanien, ROLOFF & BÄRTELS 2008) stammenden Purpur-Heide (E. erigena). Die Englische Heide ähnelt im Aussehen sehr stark der Schnee-Heide und wird häufiger auch als solche verkauft. Im Vergleich zur Schnee-Heide werden die Pflanzen höher (z. T. bis 90 cm), haben längere Blätter und, besonders wichtig für den Zierwert, blühen 208

früher und länger. Die Blütezeit beginnt manchmal schon Ende Oktober/Anfang November und kann bis Mai anhalten. Allerdings ist die Englische Heide weniger winterhart als die Schnee-Heide (KÖHLEIN & al. 2000). Abb. 21: Erica darleyensis 'Kramer's Rote' (Englische Heide) Abb. 22: Erica darleyensis 'White Perfection' (Englische Heide) Literatur DÜLL, R. & KUTZELNIGG, H. 2011: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands. Ein botanisch-ökologischer Exkursionsbegleiter, 7. Aufl. Wiebelsheim: Quelle & Meyer. GENAUST, H. 1996: Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen, 3. Aufl. Hamburg: Nikol. HAEUPLER, H., JAGEL, A. & SCHUMACHER, W. 2003: Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen in Nordrhein- Westfalen. LÖBF NRW (Hrsg.). Recklinghausen. KÖHLEIN, F., MENZEL, P. & BÄRTELS, A. 2000: Das große Ulmer-Buch der Gartenpflanzen. Stuttgart: Ulmer. MABBERLEY, D. J. 2008: Mabberley s plant book, 3. Aufl. Cambridge. ROLOFF, A. & BÄRTELS A. 2008: Flora der Gehölze. Stuttgart: Ulmer. Danksagung Ich bedanke mich recht herzlich bei Herrn Dr. JOACHIM HENTSCHEL und Frau LAURETTA NEJEDLI (REM-Zentrum, Fachbereich Biologie, Universität Konstanz) für die technische Unterstützung bei der Anfertigung der Paraffinschnitte. 209