Hans-Joachim König Kleine Geschichte Kolumbiens

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Transkript:

Unverkäufliche Leseprobe Hans-Joachim König Kleine Geschichte Kolumbiens 191 Seiten, Paperback ISBN: 978-3-406-56804-6 Verlag C.H.Beck ohg, München

Vorwort In Lateinamerika, dem Kontinent von Revolutionen und Diktaturen, nimmt Kolumbien in gewisser Weise eine Sonderstellung ein, weil hier sowohl sozialrevolutionäre Umwälzungen als auch Diktaturen oder Militärherrschaften Ausnahmeerscheinungen blieben. Zudem gehört das Land nach offizieller Lesart zu den ältesten Demokratien Lateinamerikas und wurde fast immer von verfassungsmäßig gewählten Regierungen geleitet. Trotzdem erscheint Kolumbien in den Medien heute als ein Land, in dem Gewalt an der Tagesordnung ist, wo trotz einer an Bodenschätzen und Agrarprodukten reichen naturgeographischen Ausstattung Armut herrscht und wo Guerillas und bis vor einiger Zeit auch paramilitärische Gruppen, oft in Verbindung mit Drogenbaronen, die staatliche Ordnung gefährden und mit Entführungen bis in die jüngste Zeit das Land terrorisieren. Tatsächlich ist Kolumbien seit über 60 Jahren Schauplatz blutiger innerer Kämpfe, und es bestehen trotz wirtschaftlichen Wachstums krasse soziale Gegensätze, die dadurch weiter verschärft werden, dass sowohl das verfassungsmäßig verbriefte Staatsbürgerrecht als auch die proklamierte politische Gleichheit mit der Realität noch immer vorhandener Privilegien kollidieren. Zudem ist in Kolumbien kein irgendwie geartetes Gemeinschaftsgefühl zu erkennen, das Menschen unterschiedlicher Landesteile, Schichten und Kulturen solidarisch verbinden und zu einem Konsens über gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung führen könnte. Ich möchte mit diesem Überblick über die Geschichte Kolumbiens versuchen, Antworten auf die Fragen zu geben, wie es zu dieser Situation sozialer Ungleichheit und fehlender echter politischer Teilhabe kommen konnte bzw. weshalb auch nach 200 Jahren politischer Selbständigkeit sich die Situation immer noch nicht entschieden geändert hat. Dazu stelle ich wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Zusammenhänge und Entwicklungen dar und berücksichtige auch die besondere geographische und topogra- 7

phische Gestalt des Landes. Dabei sollen mir die beiden Aspekte soziale Ungleichheit und politische Teilhabe gewissermaßen als Sonde dienen, um die Darstellung der komplexen Geschichte Kolumbiens auf knappen 200 Seiten zu ermöglichen. Obwohl die Indianerbevölkerung hier keine so bedeutenden Reiche wie in Mexiko oder Peru gebildet hatte, beeinflusste sie durch die Art ihrer Einbeziehung in das spanische Kolonialreich sowie ihre weitere gesellschaftliche Entwicklung den historischen Prozess des Landes, so dass ich ihren Anteil an seiner Geschichte immer einschließe. Zunächst beschreibe ich die topographische Fragmentierung mit unterschiedlichen Klimazonen und die naturgeographische Ausstattung Kolumbiens. Danach stelle ich die vorspanischen Reiche und Kulturen vor, gehe auf ihre Rolle bei der Eroberung und Besiedlung durch die Spanier ein und benenne einige kolonialzeitliche Strukturen, die als Hypothek für die weitere Entwicklung fortwirken. Auch auf den Prozess der Trennung von der Kolonialmacht zu Beginn des 19. Jahrhunderts und die Probleme bei der Staatsbildung gehe ich ein. Weiter zeichne ich nach, wie im 19. Jahrhundert die Modernisierungspolitik der Eliten durch Agrarproduktion und Außenhandel nur partielles Wachstum hervorrief und die wirtschaftliche Entwicklung vom Welthandel abhängig machte. Ausführlich behandele ich, wie im 20. Jahrhundert eine Politik der Industrialisierung durch Importsubstitution zu neuen Abhängigkeiten führte, aber auch gesellschaftliche Differenzierung und damit Ansprüche neuer Akteure hervorbrachte. Dies wiederum führte dazu, dass sich das Selbstverständnis des Staates veränderte. Dabei interessieren mich nicht nur die Reaktionen der alten Eliten, sondern auch die der Kolumbianer allgemein in ihrem Wunsch nach sozialem Wandel.

Das Land und seine Bewohner Geographische Vielfalt Mit einer Fläche von fast 1,14 Millionen km 2 ist das heutige Kolumbien der viertgrößte Staat Lateinamerikas. Zwischen zwölf Grad nördlicher und vier Grad südlicher Breite gelegen, ist es das einzige südamerikanische Land mit Küsten am Pazifischen und am Atlanti schen Ozean. Während die feuchtheiße Pazifikküste mit einer Länge von rund 1500 km nur wenige Häfen aufweist, verfügt die atlantische, karibische Küste mit einer Ausdehnung von ca. 1760 km über wichtige Häfen, wodurch sie wirtschaftlich bedeutender ist. Für die politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung aber hat vor allem die Großgliederung durch die Anden eine Rolle gespielt. Das im Westen des südamerikanischen Kontinents verlaufende, insgesamt 8000 km lange Hochgebirge gliedert sich im Südwesten Kolumbiens im sogenannten «Knoten von Pasto» (Nudo de Pasto) an der Grenze zu Ecuador in drei parallel von Südwest nach Nordost verlaufende Gebirgszüge, die sich zum karibischen Meer hin auffächern: die Westkordillere, die Zentralkordillere mit den höchsten schneebedeckten vulkanischen Gipfeln des Landes (Nevado de Huila 5439 m, Nevado de Tolima 5215 m, Nevado de Ruiz 5400 m) und die Ostkordillere. Diese verbreitert sich nördlich des 3820 m hohen Páramo de Sumapaz auf 150 km und schließt hochgelegene Beckenlandschaften wie die Sabana von Bogotá ein. Bei acht Grad nördlicher Breite spaltet sich die Ostkordillere weiter auf: Während nördlich des 5360 m hohen Nevado del Cocuy ein östlicher Ast nach Venezuela zur Kordillere von Mérida schwenkt, setzt sich der westliche als schmaler, aber wenig erschlossener Grenzgebirgszug nach Norden fort. In der pazifischen Küstenlandschaft von Chocó liegt vor der Westkordillere als selbständiger Gebirgszug die Serranía de Chocó mit rund 500 m Höhe. Aus der weitgehend ebenen karibischen 9

Küstenlandschaft erhebt sich, isoliert vom übrigen Gebirgssystem, das mächtige Massiv der Sierra Nevada von Santa Marta mit ihren bis zu 5300 m hohen Schneegipfeln. Zwischen den Hauptgebirgszügen verlaufen drei wichtige Längstalsenken in Nord-Süd-Richtung: im Westen die Senke des Río Atrato, der zum Karibischen Meer entwässert, und die des Río San Juan, der zum Pazifik fließt; zwischen West- und Zentralkordillere das Cauca-Tal und zwischen Zentral- und Ostkordillere das Stromtal des etwa 1540 km langen Río Magdalena. Dieser ist der wichtigste Fluss und die Lebensader des Landes; von der Hafenstadt Barranquilla aus ist er 950 km flussaufwärts bis Honda, wo Stromschnellen die Weiterfahrt behindern, schiffbar. Die Ostkordillere fällt steil zu den Llanos Orientales, einer Feuchtsavanne, ab, deren Hauptflüsse Guaviare und Meta in Richtung Orinoco entwässern. Zusammen mit dem kolumbianischen Anteil des Amazonas-Tieflands, das von dichtem Regenwald bedeckt und von den breiten Flussströmen Putumayo, Caquetá und Caguán durchzogen ist, machen die kaum besiedelten Llanos über die Hälfte des Staatsgebietes aus. Dieser Blick auf die Topographie zeigt, dass die Längsgliederung der Andenketten das Land stark aufteilt und Kommunikation sowie Transport zwischen den einzelnen Regionen enorm behindert. So ist das Land zunächst in drei Hauptregionen gegliedert: die östliche der Ostkordillere mit dem oberen Magdalena-Tal, die westliche der Zentral- und Westkordillere inklusive Cauca-Tal und in die Küstenregion an der Karibik. Innerhalb dieser Bereiche ist die Kommunikation leichter, doch auch hier wechseln sich zusammenhängende Gebiete mit schwer zugänglichen Gebirgstälern, Quebradas, ab. Die Flüsse ihrerseits sind mit ihrer Süd-Nord-Ausrichtung nicht geeignet, die Regionen miteinander zu vernetzen. Immer hin bildet der Magdalena eine wichtige Verbindung zur Außenwelt und war ein Einfallstor sowohl für die autochthonen Bevölkerungsgruppen als auch für die Eroberungszüge der Spanier im 16. Jahrhundert. Das Hauptcharakteristikum Kolumbiens, die landschaftliche Frag mentierung und die daraus folgenden mangelnden interregionalen Verbindungen, haben im Laufe der Geschichte zu problematischen Regionalismen und interregionalen Rivalitäten geführt. Wegen dieser schwierigen Kommunikationsmöglichkeiten zu Lande 10

erlangte der Flugverkehr schon frühzeitig eine außergewöhnliche Bedeutung. So entstand die erste lateinamerikanische Luftfahrtgesellschaft in Kolumbien: 1919 gründeten Deutsche und Kolumbianer in Barranquilla die SCADTA (Sociedad Colombo-Alemana de Transporte Aéreo), die Vorgängerin der späteren AVIANCA; sie war weltweit die zweite Luftfahrtgesellschaft. Aufgrund der geographischen Gegebenheiten finden sich auch differenzierte Klimalagen und eine dadurch mögliche Vielfalt agrarischer Produkte. Kolumbien liegt in der innertropischen Klimazone. Ohne die Anden würde überall ein sehr heißes Klima herrschen. Doch durch diese Gebirgskette ist das Land mit seinen Höhenabstufungen klimatisch reich gegliedert. Das heiße Land, die sogenannte tierra caliente, mit Temperaturen im Jahresmittel höher als 24º C reicht bis zu etwa 1000 m und umfasst ca. 83 % des Landes. Hier gedeihen vor allem Reis, Mais, Bananen, Yuca, Achiote, Bohnen. Die gemäßigte Zone, die tierra templada, mit Temperaturen nicht niedriger als 17,5º C, dem sogenannten Kaffeeklima, liegt zwischen 1000 und 2000 m, mit Tendenz zu Kälte oder Hitze an den jeweiligen Grenzen, und macht rund 9 % der Fläche aus. Sie ist zusammen mit der oberen Zone des heißen Landes besonders für den Kaffeeanbau (ab Ende des 18. Jahrhunderts) geeignet. Daneben wachsen hier auch Tabak, Mais, Yuca, Bananen und Bohnen. Die kalte Zone, die tierra fría, mit Temperaturen nicht niedriger als 12º reicht von 2000 bis 3000 m und umfasst ca. 6 % des Landes. Hier befinden sich die Anbauflächen für Knollenfrüchte wie die Kartoffel (papa) und die Arracacha, für Saubohne, Erbsen, Weizen und ebenfalls Mais. Die Stufe darüber bis ca. 4500 m bildet die eiskalte Páramo-Region, die tierra helada, mit Durchschnittstemperaturen unter 12º und einem Flächenanteil von 2 %. Auch hier gedeihen noch Kartoffel und Saubohne. Bis weit in das 19. Jahrhundert hinein ermöglichte die Verteilung der wichtigsten agrarischen Nahrungsmittel entsprechend Klima und unterschiedlicher Höhenlage die Komplementärversorgung in kleinen, vertikal strukturierten Räumen der Gebirgsregionen. Hier konzentrierte sich wegen des gemäßigten Klimas schon immer der Hauptteil der Bevölkerung, während das feucht-tropische Tiefland dünn besiedelt war. Ein ausgedehnter Nahrungsmitteltransport über weite Strecken war wegen der geographischen Ge- 11

gebenheiten nicht nur erschwert, sondern auch gar nicht erforderlich. So bildete sich über die Versorgung lokaler Märkte hinaus kein ausgeprägter Handel mit Agrarprodukten, der zu einem stimulierenden Faktor für ein ausgedehntes Verkehrsnetz hätte werden können. Kolumbiens Böden waren und sind für eine Vielzahl von Nutzpflanzen geeignet: Von den Ureinwohnern wurden z. B. schon Mais, Yuca, Kartoffel, Kakaobohne und Tabak angebaut, während die Spanier aus Europa z. B. Banane, Reis und Zuckerrohr mitbrachten. Tabak, Kaffee und Banane wiederum wurden später zu wichtigen agrarischen Exportprodukten. Zur naturräumlichen Ausstattung Kolumbiens gehören auch bedeutende Vorkommen wertvoller Bodenschätze wie Gold und Smaragde. Schon die vorspanische Bevölkerung schürfte Gold und verwandte es ebenso wie die Smaragde für Schmuck und Kultgegenstände. Gerade die Goldvorkommen in der westlichen Region, besonders im Gebiet der heutigen Departements Antioquia, Nariño, Choco, Cauca und Caldas sowie die Smaragdminen in Muzo, Cosquez, Chivor im Departement Boyacá begründeten die bedeutende Stellung, die Neu-Granada, wie Kolumbien in der Kolonialzeit hieß, im spanischen Kolonialreich einnahm. Noch heute ist Kolumbien der weltweit wichtigste Produzent von Smaragden. Außerdem ist es reich an abbaubaren Mineralien wie Kupfer und Eisen sowie Energieträgern wie Erdöl und Kohle, die neuerdings auch in größerem Stil abgebaut werden. Autochthone Kulturen Seit etwa 12 000 Jahren ist Kolumbien besiedelt. Hier entwickelten die Menschen bis zur spanischen Eroberung (Konquista) unterschiedliche Kulturen. Wie in vielen anderen Ländern Südamerikas auch erfolgten die Erschließung und die Besiedlung und gesellschaftliche Entwicklung in einem langen Prozess der Anpassung an die klimatischen und ökologischen Bedingungen des Raums. Zunächst lebte die Bevölkerung in den tropischen Regionen und ernährte sich von Jagd und Fischfang. Zwischen dem 4. und dem 1. Jahrtausend vor Christus entstand hier und an den Flussläufen 12

des unteren Río Magdalena oder des Sinú ein dörfliches Leben, von dem vor allem archäologische Keramikfunde zeugen. Im letzten Jahrtausend vor Christus begann dann, bedingt durch Bevölkerungswachstum und Nahrungsmittelknappheit, eine langsame Abwendung von den Küsten und den Flüssen und eine zunehmende Besiedlung an den Bergflanken der Kordilleren hinauf. Die Entwicklung im Maisanbau erlaubte es den Menschen, deren Nahrung bislang aus Fischen, Meeresfrüchten und Wurzelgewächsen bestanden hatte, sich immer mehr in das Landesinnere und die Andenhänge hinauf auszubreiten. Auf der Suche nach geeigneten Anbauflächen gliederten sich die alten, dörflich strukturierten Stammesgruppen in kleinere soziale Einheiten auf, die sich über die Kordilleren verbreiteten und in der jeweiligen Anpassung an die neuen ökologischen Bedingungen verschiedene wirtschaftliche, gesellschaftliche und religiöse Formen ausbildeten. In dem Maße, in dem im 1. Jahrtausend auf den unterschiedlichen Höhenstufen verschiedene Produkte angebaut werden konnten, sich also Spezialisierungen und besonders mit dem Maisanbau auch längere Lagerungsmöglichkeiten ergaben, mussten auch die Verteilung solcher Produkte koordiniert und die Verteidigung der ertragreichsten Böden organisiert werden. Dies hatte eine stärkere soziale Schichtung zur Folge. Es entstanden Gesellschaften mit einem Kaziken an der Spitze, der seine Rechte vererben konnte; um ihn herum bildete sich eine Art Nobilität heraus, die soziale, wirtschaftliche und religiöse Kontrolle ausübte. Innerhalb des sozialen Gefüges lassen sich unter anderem religiöse Würdenträger, Krieger, Handwerker und Händler ausmachen, die in Dörfern lebten, welche jeweils von mehreren kleineren Siedlungen umgeben waren. Von den Archäologen werden diese Herrschaften als Häuptlingstümer, cacicazgos, bezeichnet. Eine Vielzahl solcher Cacicazgos sind besonders in der Zentralkordillere, an den Hängen des andinen Gebirgsstocks, des Macizo Colombiano im Süden, und in den Flusstälern von Magdalena, Cauca und Sinú archäologisch belegt, also dort, wo sich die besten Böden für die Landwirtschaft befinden und die Bewohner von der vertikalen Verteilung der landwirtschaftlichen Produkte profitieren konnten. Wichtige Erkenntnisse über die hierarchisch strukturierten Cacicazgos und ihre Kultur lieferten in vielen Regionen Kolumbiens 13

Grabform und Bestattungsweise sowie Beigaben und Darstellungen in Stein, Keramik oder aus Metallen, besonders Gold. Die bedeutendsten Funde stammen aus der Region von San Agustín am oberen Magdalena im heutigen Departement Huila, das auf einer Höhe von 1 800 m liegt und mit allen landwirtschaftlichen Vorzügen des dortigen Klimas ausgestattet ist. Mehr als 300 große Steinskulpturen mit anthropomorphen Götter- und Dämonendarstellungen sowie zahlreiche Grabanlagen machen San Agustín zur beeindruckendsten archäologischen Fundstätte Kolumbiens. Auch in der Region von Tierradentro, nördlich von San Agustín, belegen Statuen und vor allem große unterirdische Grabanlagen und die dazu gehörenden Keramiken das Vorhandensein von Häuptlingstümern, deren wirtschaftliche Grundlage der Anbau von Mais war. Das gleiche gilt für die fruchtbaren Abdachungen der Zentralkordillere in den aktuellen Departements Cauca, Valle, Caldas, Quindío, Risaralda und Antioquia, wo es zahlreiche Zeugnisse solcher Gesellschaften gibt. Noch die spanischen Chronisten des 16. Jahrhunderts beschreiben recht genau die Anpassung der Bevölkerung an ihre Umwelt, die verschiedenen Anbaumethoden, die Form der Dörfer und Tempel sowie die hierarchische Ordnung von Herren, Adligen, einfachen Untertanen und Sklaven. Die Mehrzahl dieser Cacicazgos befand sich wohl in dauerndem Verteidigungs- bzw. Kriegszustand, vollzog wohl auch rituelle Anthropophagie oder erbeutete die Köpfe der Gegner als Trophäen, was durch archäologische Funde oder die ikonographischen Elemente ihrer Kunst belegt wird. Ein besonderes Charakteristikum dieser Cacicazgos waren die spezialisierten Handwerker, die mit großer Kunstfertigkeit Gold für Grabbeigaben oder persönlichen Schmuck verarbeiteten. Gerade diese Kunstgegenstände geben zusammen mit der Anordnung der Gräber sowie der Größe und Gestalt der Urnen Auskunft über diese Gesellschaften und ihre kulturellen Besonderheiten. Alle diese Funde sind im Goldmuseum in Bogotá zu besichtigen. Sie belegen die Fähigkeit der vorspanischen Bevölkerung in Kolumbien, Steine zu bearbeiten, Gold und Kupfer zu schürfen und zu verarbeiten. Monumente wie Kultstätten, Statuen, unterirdische Kammern und Felszeichnungen zeigen darüber hinaus durch ihre 14

exakte Positionierung in Bezug auf die Sonnenumlaufbahn Sommer- und Wintersonnenwende, Tagundnachtgleiche die hervorragenden astronomischen Kenntnisse dieser Menschen. Aus der Vielzahl der Cacicazgos ragen zwei große Kulturen heraus: die Tairona im Gebiet der Sierra Nevada von Santa Marta und die Muisca auf den Andenhochebenen der heutigen Departements Cundinamarca und Boyacá. Beide zeichneten sich durch großräumige Ansiedlungen und vor allem den Zusammenschluss mehrerer Kazikentümer aus, die der Autorität eines gemeinsamen Oberhauptes mit politischen, administrativen und sogar religiösen Funktionen unterstanden. Im 16. Jahrhundert entsprach ihr politischsozialer Organisationsgrad annähernd dem eines Großreichs. Die Tairona waren ursprünglich Tieflandbewohner und besiedelten die Ausläufer der Sierra Nevada bis zu einer Höhe von 1 000 m. Zur Zeit der Konquista erstreckte sich ihr Territorium von der Gegend des heutigen Santa Marta in östlicher Richtung zu den nördlichen Gebirgsflanken der Sierra Nevada bis ungefähr zum Río Ancho, in südlicher Richtung bis zur westlichen Abdachung des Gebirgsstocks. Dessen südliche und östliche Hänge waren weniger besiedelt. Die Bevölkerung lebte in großen Siedlungen, von denen einige sogar als Städte bezeichnet werden können. Sie bestanden aus Dutzenden, ja zum Teil sogar Hunderten von runden Holzhäusern, die auf steinernen Plattformen konstruiert waren. Oft waren diese Siedlungen, die alle einen Tempel besaßen, an steilen Abhängen angelegt und weisen aufgrund ihrer Struktur auf eine deutliche soziale Gliederung hin. Außerhalb davon gab es vielfältige Steinkonstruktionen, z. B. Wege oder Terrassenabstützungen und -einfriedungen von Feldanlagen an steilen Hängen. Ein Beispiel ist die sogenannte Ciudad Perdida, Verlorene Stadt, im Buritaca-Tal mit mehr als 200 steingefassten Terrassen, die noch heute erkennbar und begehbar sind. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts hatten sich zahlreiche Siedlungen um zwei größere Zentren geschart. Das eine war Bonda, das nahe bei der heutigen Stadt Santa Marta lag; das andere, Pocigueica, befand sich an den steilen Bergflanken im Gebiet der oberen Flusstäler von Río Frío und Río Don Diego. Zwischen den beiden bestanden Rivalitäten, die auch zu militärischen Auseinandersetzungen führten. Dies verhinderte einerseits eine Großreichbildung, 15