Übergewicht - Ein Problem für die gesetzliche Unfallversicherung? 200 Kg. Thomas Ideker. Bad Zwischenahn,

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Transkript:

Übergewicht - Ein Problem für die gesetzliche Unfallversicherung? Thomas Ideker 200 Kg Bad Zwischenahn, 11.11.2008

Begriffsbestimmungen Übergewicht: Erhöhung des Körpergewichts, die durch eine über das Normalmaß hinausgehende Vermehrung des Körperfettanteils gekennzeichnet ist. (Quelle: Robert Koch Institut: Adipositas 2008) Adipositas (Fettleibigkeit): Ist eine chronische Krankheit mit eingeschränkter Lebensqualität und hohem Morbiditäts- u. Mortalitätsrisiko, die eine langfristige Betreuung erfordert. (Quelle: Evidenzbasierte Leitlinie Prävention und Therapie der Adipositas, Version 2007) Thomas Ideker Seite 2

Einstimmung - WHO Adipositas hat in Europa epidemische Ausmaße angenommen, ihre Prävalenz verdreifachte sich in den letzten beiden Jahrzehnten. Falls nichts dagegen unternommen wird, muss für die europäische Region der WHO bis zum Jahr 2010 mit schätzungsweise 150 Mio. adipösen Erwachsenen (20 % d. Bevölkerung) 15 Mio. adipöser Kinder und Jugendlicher (10 % d. Bevölkerung) gerechnet werden. (Quelle: Europäische Ministerkonferenz der WHO zur Bekämpfung der Adipositas, Nov. 2006) Thomas Ideker Seite 3

Einstimmung - Aktionsplan 09.05.2007: Bundeskabinett beschließt Eckpunktepapier Gesunde Ernährung und Bewegung Schlüssel für mehr Lebensqualität als Grundlage des nationalen Aktionsplans zur Prävention von Fehlernährung, Bewegungsmangel, Übergewicht und damit zusammenhängenden Krankheiten (Inform). Beteiligte: Bund, Länder, Kommunen, Zivilgesellschaft. Ziel: Ernährungs- und Bewegungsverhalten in Deutschland nachhaltig verbessern. Thomas Ideker Seite 4

Body-Mass-Index (BMI) Zur Bestimmung von Übergewicht und Adipositas dient der Body- Mass-Index (BMI) nach WHO: Körpergewicht in Kg = Kg/m² Körperfläche (Körpergröße in Metern)² BMI Einteilungen und Risiko für Begleiterkrankungen: 18,5 24,9 kg/m² Normalgewicht durchschnittlich 25 29,9 kg/m² Übergewicht gering erhöht 30 34,9 kg/m² Adipositas I erhöht 35 39,9 kg/m² Adipositas II hoch >40 kg/m² Adipositas III sehr hoch Thomas Ideker Seite 5

Fettverteilung - Taillenumfang Eine erhöhte intraabdominelle Fettansammlung (sog. Apfeltyp) geht gegenüber einer subkutanen Fettansammlung im Bereich von Hüfte und Oberschenkel (sog. Birnentyp) mit einem höheren Risiko für metabolische und kardiovaskuläre Erkrankungen einher. Risiko erhöht deutl. erhöht Frauen > 80 cm > 88 cm Männer > 94 cm > 102 cm Thomas Ideker Seite 6

Datenbasis - NVS II Nationale Verzehrs Studie II 2008 (NVS II) des Max Rubner-Institut (Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel) Auftraggeber: Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Gegenstand: Erhebung der Ernährungsgewohnheiten im Bundesgebiet Teilnehmer: 19.329 Jugendliche und Erwachsene im Alter von 14 80 Jahre, davon wurden knapp 14.000 auch gewogen und gemessen. Thomas Ideker Seite 7

Ergebnis NVS II - BMI 60 51 % der Frauen und 66% der Männer (18 80 J.) sind übergewichtig 56,3 o. adipös*. 50 40 30 20 10 0 8,5 7,9 8,1 10,0 14,0 9,4 14,0 13,6 8,7 43,7 50,1 34,3 32,9 29,8 31,2 29,6 30,7 23,9 27,9 26,8 20,3 21,0 18,9 Männer >56% 20,1 >70% >77% >82% 14,3 10,6 13,2 Thomas Ideker Seite 8 *gewichtet 50,4 38,0 Frauen >35% >45% >56% >69% 51,8 39,8 14-17 18-19 20-29 30-39 40-49 50-59 60-69 70-80 Altersgruppen in % Frauen adipöse Frauen übergew. Männer adipös Männer übergew.

NVS II - Taillenumfang 60,0 50,0 Deutlich erhöhtes Risiko für metabolische und kardiovaskuläre Erkrankungen W > 88 cm 40,0 30,0 20,0 10,0 30,2 27,9 34,2 47,6 23,5 53,3 33,3 67% M > 102 cm adipöse Frauen übergew. Frauen adipöse Männer übergewi. Männer 0,0 17,4 18-19 20-29 30-39 40-49 50-59 60-69 70-80 Altersgruppen Thomas Ideker Seite 9 64,5 48,4 50% 69,2 53,0 75,9 64,5 in %

NVS II - Einkommensverhältnisse 45,9 47,7 48,2 50,3 41,8 26,5 24,4 19,9 Anteil Übergewichtiger nimmt zu 31,5 30,4 30 23 21,1 23,1 21,4 15,1 19,0 15,6 25 Anteil Adipöser nimmt ab 13,5 Frauen adipös Frauen übergew. Männer adipoös Männer übergew. < 500 > 500 >1000 >1500 >2000 Pro- Kopf-Nettoeink. Thomas Ideker Seite 10

NVS II - Schulabschluss 48,0 46,4 41,9 35,8 29,8 26,6 28,1 17,1 18,8 21,2 Anteil Übergewichtiger u. Adipöser nimmt ab mit höherem Abschluss. 9,7 13,0 Frauen adipös Frauen übergew. Männer adipös Männer übergew. Haupt-/Volksschule Realschule/POS Fachhochschul- /Hochschulreife Thomas Ideker Seite 11

Entw. Erwerbsfähige 20 69 Jahre 25% 21% 18% 16% 25% 25% 20% 21% 18% 19% 54,5 Mio 54,0 Mio 50,0 Mio 45,7 Mio 43,9 Mio 20-29 J 30-39 J 40-49 J 50-59 J 60-69 J 2010 2020 2030 2040 2050 Jahr Thomas Ideker Seite 12

Entw. Erwerbsfähige und NVS II 2020 2010 = 54,5 Mio Erwerbsfähige 27% = 50-69J 2020 = 54,0 Mio Erwerbsfähige 33% = 50-69J 16% 11% 43% 20% 13% 41% 9% 21% 8% 18% 50 69 J adipös 50 69 J übergew. adipös übergew. normal Erwerbsfähige 2020: 38% übergewichtig, 21% adipös, 33%sind 50-69 J. (2010=27%) 61% aller Adipösen sind 50 69 J. Thomas Ideker Seite 13

Entwicklung Erwerbsfähige und NVS II bis 2020 Im Jahr 2020 Ca. 21 % der Erwerbsfähigen (20 69 Jahre) werden adipös und damit krank sein. Von den adipösen Erwerbsfähigen (21%) werden 61% 50 Jahre und älter sein ca. 45% ein deutlich erhöhtes Risiko für metabolische u. kardiovaskuläre Komplikationen haben ca. 56% über einen Hauptschulabschluss verfügen u. ca. 44% über ein Pro-Kopf-Nettoeinkommen von unter 1000 Euro im Monat verfügen Thomas Ideker Seite 14

Daten 2007 gewerbl. BGen für Arbeitsunfälle Leistungsfälle Anzahl % Aufwendungen in Mio BWS, LWS, untere 673.656 27 969 Extremitäten % Neue Renten % 44 9.805 49,6 Sonstige Diagnosen 1.829.266 73 1.248 56 9.962 50,4 Gesamt 2.502.922 100 2.217 100 19.767 100 Quelle: DGUV, Prof. Rothe 10/2008 Thomas Ideker Seite 15

Daten 2007 gewerbl. BGen für Arbeitsunfälle Aufwendungen Reha und Leistungsfälle 2007 in % nach Altersgruppen 34,28 65,72 37,24 62,76 79,02 42,76 57,24-15,34% 77,23 20,98 22,77 44,22 74,42 55,78 44,94 55,06 46,87 + 20,54% 71,98 25,58 28,02 69,05 30,95 53,13 51,00 63,01 36,99 49,00 57,57 58,68 41,32 42,43 Aufwendungen in Mio BWS, LWS, unt. Extrem. Sonstige Verletzungen Leistungsfälle BWS, LWS, unt. Extrem. Sonstige Verletzungen 52,92 47,08 < 20 20-29 30-39 40-49 50-59 60-69 70-79 > 80 Thomas Ideker Alter Seite 16

Daten 2007 gewerbl. BGen für Arbeitsunfälle Aufwendungen nach Altersgruppen Gesamt über alle Altersgruppen: 2.217 Mio. 50 69J. sonstige Verletzungen 35% - 50-69J. 417 19% 16% 65% 348 1452 50-69J BWS, LWS, untere Extremitäten Übrige Altersgruppen Thomas Ideker Seite 17

Praktischer Fall Männlich, 38 Jahre, 1,78m, 165 Kg (BMI= 52) AU = dislozierte, geschl. Unterschenkelfraktur Vorauss. Dauer Aufk. nach Hax = ca. 3 Monate Begleiterkrankungen: Diabetes mellitus Typ 2 insulinpflichtig Bluthochdruck (180/90) Chronische Varikosis Komplikationen: Einstauchung Fraktur nach Teilbelastung (Teleskoping) Stauungsdermatitis verzögerte knöcherne Durchbauung Pseudarthrose Weichteilabszess Thomas Ideker Seite 18

Praktischer Fall Bisheriger Behandlungsverlauf 4 stat. Behandlungen Dauer 1. Aufk. = 6 Monate MdE 20 v. H. (ohne GA) Wiedererkrankung nach 10 Monaten, 2. Aufk. seit 5 Monaten lfd. Fazit: Übergewicht/Adipositas erhöhen das Risiko für Begleit und Folgeerkrankungen Übergewicht/Adipositas erschweren o. verhindern die erfolgreiche Rehabilitation nach Arbeitsunfall. Das Rehaverfahren wird komplexer, langwieriger und damit teurer Teilhabeplan notwendig Thomas Ideker Seite 19

Schlussfolgerung 3. Zunahme von Übergewicht/Adipositas mit dem Alter verschärft demograph. Entw. und erschwert Rehabilitation Unfallverletzer 2. Verletzungen BWS, LWS, untere Extremitäten hohen Anteil an den Reha- /Rentenkosten haben 1. Folgen der demographischen Entwicklung Übergewicht ein Problem der gesetzl. UV? JA! Thomas Ideker Seite 20

Take-Home-Message Adipositas ist eine chronische Krankheit und bedarf der langfristigen Betreuung!! Übergewicht/Adipositas sind Bremsfaktoren für den Reha- Verlauf und dessen Erfolg Die Reha-Verfahren werden komplexer (Begleiterkrankungen) und teurer. Netzwerke von Leistungserbringern, Kostenträgern, etc. sind notwendig (Teilhabeplan) Maßnahmen zur Nachhaltigkeit müssen ausgebaut werden. Thomas Ideker Seite 21

Internetadressen: www.die-praevention.de www.dge.de www.adipositas-gesellschaft.de www.was-esse-ich.de www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de www.gbe-bund.de www.euro.who.int www-wcrf.org World Cancer Research Fund International Ernährung, körperliche Aktivität und Krebsprävention Thomas Ideker Seite 22

Erläuterungen Folie 2: Der in der Leitlinie verwendete Krankheitsbegriff ist der im medizinischen Sinne und daher nicht identisch mit dem Krankheitsbegriff in der gesetzlichen Krankenversicherung nach 27 Abs. 1 SGB V - regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (u.a. BSG 19.10.2004 AZ B 1 KR 3/03 R). Die ernährungsbedingte Adipositas (nicht die krankheitsbedingte) allein erfüllt diesen Krankheitsbegriff nicht, denn es handelt sich dabei zunächst nur um eine Abweichung von einer körperlichen Idealnorm und nicht um einen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand. Für die Feststellung der Regelwidrigkeit ist vom Leitbild des gesunden Menschen auszugehen, der zur Ausübung normaler körperlicher und psychischer Funktionen in der Lage ist. Eine Abweichung von dieser Norm führt zur Regelwidrigkeit des körperlichen, seelischen oder geistigen Zustandes. Es muss aber eine erhebliche Abweichung vorliegen, nur geringfügige Störungen, die keine wesentliche funktionelle Beeinträchtigung zur Folge haben, reichen nicht aus (KassKomm-Höfler 27 SGB V Rz 9). Daher müssen bei der ernährungsbedingten Adipositas in der Regel Erkrankungen wie z. B. Bluthochdruck, Diabetes, chronische Gelenkschmerzen etc. vorliegen, was auch häufig der Fall ist, insbesondere bei älteren adipösen Menschen, wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen werden. Thomas Ideker Seite 23

Erläuterungen Folie 3: Die nachfolgenden beiden Folien dienen als Einstieg in das Thema und sollen dessen Bedeutung hervorheben, wodurch auch klar gestellt werden soll, warum sich der Verfasser mit dem Thema überhaupt beschäftigt. Folie 4: Quelle: Evidenzbasierte Leitlinie Prävention und Therapie der Adipositas, Version 2007 Thomas Ideker Seite 24

Erläuterungen Folie 6: Quelle: Evidenzbasierte Leitlinie Prävention und Therapie der Adipositas, Version 2007 Neben dem BMI zur Bestimmung des Ausmaßes von Übergewicht, ist die Fettverteilung ein wichtiger Indikator für des Risiko von metabolischen (Bluthochdruck, erhöhter Blutzucker, erhöhte Blutfettwerte) und kardiovaskulären Erkrankungen (Herzinfarkt, Schlaganfall). Die erhöhte Fettansammlung im Bereich der Taille ist mit einem erhöhteren Risiko von Stoffwechsel- und Herzkreislauferkrankungen verbunden als die Fettansammlung im Bereich von Hüfte und Oberschenkel. Es ist daher wichtig, neben dem BMI auch den Taillenumfang zu messen. Ein weiterer Indikator ist die so genannte Waist-to-Hip-Ratio (WHR), also das Verhältnis von Taillen- zu Hüftumfang. Jedoch ist dieser Wert insoweit ungenau, weil trotz hohem BMI das Verhältnis zwischen Taillen- und Hüftumfang gering sein kann. Dies ist damit zu begründen, dass übergewichtige Menschen eine erhöhte Fettansammlung sowohl im Bereich der Taille als auch im Bereich von Hüfte und Oberschenkel haben können. Auf die Darstellung der WHR wird daher im Vortrag verzichtet. Metabolisches Syndrom: Ein Syndrom ist das Zusammentreffen mehrerer Symptome, die gemeinsam eine Erkrankungsform bilden. Beim metabolischen Syndrom fängt alles mit dem Wohlstandbauch an. Das Bauchfett lässt dann häufig mehrere Stoffwechselfunktionen entgleisen. Der Blutdruck und die Blutfette sind erhöht und der Zuckerstoffwechsel funktioniert nicht mehr einwandfrei (Quelle: Landesärztekammer Baden-Württemberg). Thomas Ideker Seite 25

Erläuterungen Folie 7: Die NVS II liefert zurzeit die aktuellsten und epidemiologisch besten Daten zum Ernährungszustand der deutschen Bevölkerung seit dem Bundesgesundheitssurvey (BGS) von 1998. Folie 8: Mit zunehmendem Alter steigt die Prävalenz von Adipositas und Übergewicht stark an. Bereits ab dem 50 Lj sind über 20% der Männer u. Frauen adipös. Ab dem 60 Lj sind es bereits über 30%. Im Bereich der 14-17-jährigen ist der Anteil der adipösen mit 8,5% bei den Mädchen und 8,1% bei den Jungen im Vergleich zu den folgenden Altersgruppen niedriger, dennoch für diese Altersgruppe recht hoch und damit für die weitere Entwicklung ungünstig. Neuste Daten dazu liefert der Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS), der vom Robert Koch-Institut in den Jahren 2003 bis 2006 durchgeführt wurde. Als übergewichtig sind nach der KiGGS-Studie insgesamt15 % der Jungen und Mädchen im Alter bis 17 Jahre einzustufen, darunter 6 % mit Adipositas (Quelle: RKI, epidemiologisches Bulletin Nr. 18/2007). Im folgenden Vortrag wird sich auf die Verbereitung von Übergewicht und Adipositas bei Erwachsenen konzentriert, weil die Verbreitung dort am höchsten ist und vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung beurteilt werden soll. Thomas Ideker Seite 26

Erläuterungen Folie 9: Wie mit zunehmendem Alter der BMI sowohl bei Frauen als auch bei Männern ansteigt, nimmt auch der Taillenumfang ebenfalls zu. D. h. mit zunehmenden Alter steigt bei den übergewichtigen und adipösen Frauen und Männern das Risiko für metabolische und kardiovaskuläre Erkrankungen deutlich an. In der Altersgruppe der 50 69J haben 67% der Frauen und 50 % der Männer Taillenumfänge von über 84cm, bzw. 102 cm. Damit hat in dieser Altersgruppe über die Hälfte der übergewichtigen und adipösen Frauen und Männer ein deutlich erhöhtes Risiko für Begleiterkrankungen wie Stoffwechsel-(Diabetes) und Herzkreislauferkrankungen. Folie10: Auffällig ist, dass der Anteil übergewichtiger Frauen und Männer mit zunehmendem Einkommen steigt, also der so genannte Wohlstandsbauch. Anders dagegen sinkt der Anteil adipöser Frauen und Männer mit zunehmendem Einkommen, d. h. in den unteren Einkommensschichten ist Adipositas stärker verbreitet. Thomas Ideker Seite 27

Erläuterungen Folie 11: Der Anteil adipöser Frauen und Männer nimmt mit höherem Schulabschluss ab. Dies korrespondiert weitgehend mit den Feststellungen zu den Einkommensverhältnissen. Diese Feststellungen sind für die Konzeption von Maßnahmen zur Gewichtsreduzierung wichtig. Folie 12: Entsprechend der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2006 (Variante 1 - W2: Obergrenze der "mittleren" Bevölkerung) werden im Jahr 2020 die Erwerbsfähigen 50 Jahre und älter einen Anteil von 45% haben. Damit wird. fast jeder zweite Erwerbsfähige 50 Jahre und älter sein. Die 50 59-Jährigen stellen dabei die größte Gruppe. Im Jahr 2030 verschärft sich die Entwicklung der Alterung noch weiter: Die 60 69-Jährigen stellen dann die größte Gruppe unter den Erwerbsfähigen. Thomas Ideker Seite 28

Erläuterungen Folie 13: Davon ausgehend, dass sich bezüglich der Prävalenz von Übergewichtigen und Adipösen nach den Ergebnissen der NVS II bis 2020 keine Änderungen ergeben, ist anhand der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes eine Vorhersage der Verbreitung von Übergewichtigen und Adipösen unter den Erwerbsfähigen möglich. Um die Daten besser abgleichen zu können, wurde der Begriff der Erwerbsfähigen von 20 64 Jahre auf 20 69 Jahre erhöht. Unter Berücksichtigung der angestrebten Verlängerung der Lebensarbeitszeit ist dies m. E. nicht zu unrealistisch. Ergebnis 2010: Von den 54,5 Mio. Erwerbsfähigen werden 37% übergewichtig und 20% adipös sein. Davon werden 27% 50 Jahre bis 69 Jahre sein. Erwerbsfähige 2020: 38% übergewichtig, 21% adipös, mehr als jeder 3. (33%) ist 50-69 J. 61% der Adipösen sind 50 69 J. Der wesentliche Unterschied von 2010 zu 2020 besteht somit im deutlichen Anstieg des Anteils 50 69-Jährigen unter den Übergewichtigen und Adipösen. Dadurch steigen für diesen Personenkreis die Risiken von Begleiterkrankungen, was für den UV-Träger mit steigenden Aufwendungen nach AU verbunden sein kann. Gleichzeitig verringern sich die Möglichkeiten der beruflichen Wiedereingliederung, was insbesondere bei Änderung des Systems der abstrakten Schadensbemessung auf ein System der konkreten Schadensbemessung mit weiteren Kostensteigerungen für den UV-Träger verbunden sein kann. Thomas Ideker Seite 29

Erläuterungen Folie 15: Berücksichtigt wurden nur Arbeits- und Wegeunfälle, für die in 2007 eine Zahlung erfolgte. Für die Aufwendungen wurden Leistungen ohne Renten, Hinterbliebenenleistungen und Apothekensammelrechnungen berücksichtigt. Es handelt sich um Stichproben, die entsprechend hochgerechnet wurden. Eine Tendenz lässt sich anhand der Daten aber ableiten. (Quelle: DGUV, Prof. Rothe, Okt. 2008). Als Verletzungsgruppe wurden die Fälle mit der Hauptdiagnose BWS, LWS oder untere Extremitäten besonders betrachtet, weil sich bei diesen Verletzungen Übergewicht und Adipositas besonders negativ auswirken kann. Bemerkenswert ist, dass diese Gruppe nur knapp ein Drittel der Leistungsfälle ausmacht, aber über 40% der Aufwendungen und fast 50% der Renten verursacht (ohne Hinterbliebenenleistungen). Folie 16: Bemerkenswert ist, dass mit steigendem Alter die Aufwendungen im Bereich der Verletzungsgruppe BWS, LWS und untere Extremitäten sehr deutlich ansteigen, während die Aufwendungen in der übrigen Gruppe sinken. Die Leistungsfälle korrespondieren mit der Entwicklung der Aufwendungen. Worin die Gründe dafür liegen, kann nicht ausgeführt werden. Geschlussfolgert werden kann jedoch, dass die demographische Entwicklung diesen Effekt der Aufwandssteigerungen in der Verletzungsgruppe BWS, LWS, untere Extremitäten weiter forcieren wird. Die steigende Prävalenz von Übergewicht und Adipositas im Alter wird diesen Effekt noch weiter verstärken. Thomas Ideker Seite 30

Erläuterungen Folie 17: 35 % der Aufwendungen für Reha 2007 entfallen auf die Altersgruppe der 50 69-jährigen. Fast 50% der Aufwendungen dieser Altersgruppe entfallen auf die Verletzungsgruppe BWS, LWS und untere Extremitäten. Die Altersgruppe der 50 69-jährigen wird 2020 die stärkste Gruppe der Erwerbsfähigen (Anteil 39%) bilden. Daraus folgt, dass die Aufwendungen für Reha durch die demographische Entwicklung noch weiter steigen werden. Dazu kommt, dass sich auf die Verletzungsgruppe BWS, LWS, untere Extremitäten Übergewicht und Adipositas besonders negativ auswirken, was die Aufwendungen für Reha wegen der Zunahme der Prävalenz im Alter weiter ansteigen lassen wird. Folie 19: 35 % der Aufwendungen für Reha 2007 entfallen auf die Altersgruppe der 50 69-jährigen. Fast 50% der Aufwendungen dieser Altersgruppe entfallen auf die Verletzungsgruppe BWS, LWS und untere Extremitäten. Die Altersgruppe der 50 69-jährigen wird 2020 die stärkste Gruppe der Erwerbsfähigen (Anteil 39%) bilden. Daraus folgt, dass die Aufwendungen für Reha durch die demographische Entwicklung noch weiter steigen werden. Dazu kommt, dass sich auf die Verletzungsgruppe BWS, LWS, untere Extremitäten Übergewicht und Adipositas besonders negativ auswirken, was die Aufwendungen für Reha wegen der Zunahme der Prävalenz im Alter weiter ansteigen lassen wird. Thomas Ideker Seite 31

Erläuterungen Folie 22: Um sich der Bedeutung von Ernährung und Vermeidung von Übergewicht neben den im Vortrag bereits erwähnten Begleiterkrankungen bewusst zu werden, empfehle ich zusätzlich den Report der World Cancer Research Fund 2007 zu Ernährung, körperliche Aktivität und Krebsprävention. Thomas Ideker Seite 32