Stellungnahme zum Rücktritt aus den beratenden Kommissionen nach 15 Tierschutzgesetz

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Transkript:

Stand 9. April 2014 Stellungnahme zum Rücktritt aus den beratenden Kommissionen nach 15 Tierschutzgesetz Der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts zu den Affenversuchen des Bremer Forschers Andreas Kreiter vom 20.01.2014 (BVerwG 3 B 29.13) in Verbindung mit dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Bremen (OVG 1 A 180/10; 1 A 367/10) bekräftigt in seiner Begründung, dass Genehmigungsbehörden keine eigene Bewertung der Bedeutung des Forschungsvorhabens oder ob das Versuchsziel nicht mit anderen Methoden als dem Tierversuch erzielt werden kann, d.h. in diesem Zusammenhang die Prüfung der Unerlässlichkeit, vornehmen dürfen. Hier sind sie auf eine reine Plausibilitätskontrolle beschränkt, d.h. sie können nur prüfen, ob der Antragsteller den möglichen Nutzen der Tierversuche wissenschaftlich begründet dargelegt hat. Aus der Sicht des Deutschen Tierschutzbundes ist es daher nicht möglich, eine eigenständige und unabhängige Kosten Nutzen Abwägung, d.h. eine Bewertung der ethischen Vertretbarkeit, die jedoch einen wichtiger Bestandteil der ethischen Vertretbarkeit, vorzunehmen. Im Beschluss wird darüber hinaus klargestellt, dass durch die Änderung des Tierschutzgesetzes (TierSchG) von 2013 Behörden ein Tierversuchsvorhaben genehmigen müssen, wenn der Antragsteller die Erfüllung der im Tierschutzgesetz genannten Bedingungen wissenschaftlich begründet dargelegt hat. Das Genehmigungsverfahren für Tierversuchsvorhaben wird damit endgültig zur Farce. Baumschulallee 15 53115 Bonn Tel: 0228/60496-0 Fax: 0228/60496-40 E-Mail: bg@tierschutzbund.de Internet: www.tierschutzbund.de Damit ist das Maß für die Tierschützer voll. Solange sich die Rechtslage so darstellt, wie nun vom Bundesverwaltungsgericht bekräftigt wurde und hierzu keine Anpassung der gesetzlichen Vorgaben durch die Bundesregierung erfolgt, fordert der Deutsche Tierschutzbund alle Tierschützer auf, die Mitarbeit in den beratenden Kommissionen, in welchen sie eigentlich sitzen, um die Genehmigungsbehörden hinsichtlich der Zulässigkeit von Tierversuchen zu beraten, niederzulegen. Tierschützer lehnen Tierversuche grundsätzlich ab. Deshalb ist die Mitarbeit in den beratenden Kommissionen für sie sehr belastend: Zwar können im Einzelfall möglicherweise Maßnahmen wie eine Reduktion der Tierzahlen oder der Einsatz schonenderer Versuchsmethoden erreicht werden, aber kaum ein Tierversuch lässt sich durch diese Arbeit verhindern (siehe Teil II). Dieser permanente Gewissenskonflikt hat die Mitarbeit von Tierschützern in diesen Kommissionen aus Tierschutzsicht von Anfang an belastet. Dazu kam in den Jahren vor 2002, dass der im Grundgesetz verankerten Forschungsfreiheit nichts entgegengesetzt werden konnte Tierversuchsanträge abzulehnen, war so gut wie unmöglich. Erst nach Jahrzehnte dauerndem Kampf wurde 2002 endlich der Tierschutz in die Verfassung aufgenommen. Tierschützer hofften, damit nun ein der Forschungsfreiheit ebenbürtiges Instrument zu besitzen, doch in der Genehmigungspraxis fiel auch das Staatsziel Tierschutz kaum ins Gewicht: Tierversuchsvorhaben wurden weiterhin fast durchweg genehmigt.

Seite - 2 - Stellungnahme zum Rücktritt aus den beratenden Kommissionen nach 15 TierSchG vom 09.04.2014 Die gerade abgeschlossene Novellierung des Tierschutzgesetzes hätte nun zu einer Klarstellung und Verbesserung der Situation genutzt werden können doch anstatt den Behörden mehr Spielraum bei der Prüfung von Tierversuchsvorhaben zu geben, wurde eine weitere Verschlechterung vorgenommen (siehe Teil II, 3). Zusätzlich hat nun der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes mit seiner Begründung das Fass zum Überlaufen gebracht: Allein als Erfüllungsgehilfen zu fungieren, damit die Tierversuchspraxis ohne weitere Einschränkungen fortgeführt werden kann, geht an den Zielen des Tierschutzes vorbei. Endgültig ist nun der Punkt erreicht, an dem aus Tierschutzsicht eine negative Bilanz der Kommissionsarbeit gezogen werden muss eine Mitwirkung in denselben ist nun tatsächlich nicht mehr sinnvoll. Sollte es im TierSchG zu einer Klarstellung kommen, so wird der Verband seine Mitwirkung in beratenden Kommissionen neu überdenken. Wir sehen es als unabdingbare Voraussetzung an, dass das TierSchG dergestalt nachgebessert wird, dass zukünftig ein materielles Prüfrecht der Behörden darin verankert wird. Dazu gehört auch, dass die Behörde unabhängig von der Einschätzung des Antragstellers eigenständig bewertet, ob das Verfahren unerlässlich und ethisch vertretbar ist. Die Bewertung der ethischen Vertretbarkeit muss dabei eine unabhängige Abwägung der Schmerzen, Leiden und Schäden für die Tiere und der (auch wissenschaftlichen) Bedeutung des Versuchsvorhabens umfassen. Behörden müssen auch Tierversuchsanträge ablehnen können, die sie für nicht unerlässlich und nicht ethisch vertretbar erachten. Die Gründe zum Rücktritt aus beratenden Kommissionen werden im Folgenden nochmals ausführlicher dargelegt: I. Auswirkungen des Beschlusses auf das Genehmigungsverfahren und die Arbeit der beratenden Kommissionen II. Tierschützer und die Arbeit in beratenden Kommissionen 1. Der Gewissenskonflikt 2. Kritik der Tierschützer an der Arbeit in beratenden Kommissionen III. Hintergründe 1. Das Rechtsverfahren zu den Bremer Affenversuchen mit abschließendem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts 2. Genehmigung von Tierversuchen ( 8 TierSchG) 3. Staatsziel Tierschutz 4. Das Genehmigungsverfahren im Widerspruch zum EU-Recht I. Auswirkungen des Beschlusses auf das Genehmigungsverfahren und die Arbeit der beratenden Kommissionen Die Ausführungen des Beschlusses des BVerwG in Verbindung mit dem vorangegangenen Urteil des OVG führen nach Auffassung des Deutschen

Seite - 3 - Stellungnahme zum Rücktritt aus den beratenden Kommissionen nach 15 TierSchG vom 09.04.2014 Tierschutzbundes das Genehmigungsverfahren zur Durchführung von Tierversuchen ad absurdum: Durch den Beschluss wurde nun von höchster Instanz bestätigt, dass die Behörde einen Tierversuch nicht mehr ablehnen kann, wenn der Antragsteller die Unerlässlichkeit (hier ob das Versuchsziel auch mit anderen Methoden als dem Tierversuch erreicht werden kann) und die wissenschaftliche Bedeutung des Tierversuchsvorhabens und daraus resultierend die ethische Vertretbarkeit (Abwägung zwischen den Belastungen für die Tiere und dem möglichen Erkenntnisgewinn) wissenschaftlich begründet dargelegt hat. Prinzipiell kann die Behörde also einen Antrag immer noch eigenständig prüfen, diesen aber nicht ablehnen, wenn sie einen Versuch für nicht unerlässlich oder nicht ethisch vertretbar hält. Ist der Tierversuchsantrag formal korrekt gestellt, muss er auch genehmigt werden. Gerade die Fragen, ob eine wissenschaftliche Fragestellung nicht mit anderen Methoden als den Tierversuch beantwortet werden kann (also die Unerlässlichkeit), und welche Bedeutung die Bearbeitung der Frage für die Wissenschaft hat, sollten eine Kernrolle bei der Bewertung von Tierversuchsanträgen spielen. So sieht es auch die EU-Tierversuchsrichtlinie vor (siehe auch Teil III 4.). Es herrscht politischer und gesellschaftlicher Konsens, dass Tierversuche solange sie nicht ganz abgeschafft sind - nur als letzte Möglichkeit durchgeführt und wenn immer möglich durch tierversuchsfreie Methoden ersetzt werden sollten. So wird es auch in der Öffentlichkeit dargestellt. Auch bewerten Antragsteller im Allgemeinen den möglichen Nutzen ihrer Arbeit wesentlich höher, als es unabhängige Dritte sehen. Doch gerade hier darf die Behörde keine eigene Einschätzung vornehmen, sondern nur eine Plausibilitätskontrolle durchführen. Dem Verband sind diverse Reaktionen von Genehmigungsbehörden bekannt, die seine Einschätzung der rechtlichen Lage bzw. der Auswirkungen des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichtes nicht teilen. Auch das auf Bundesebene übergeordnete Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat sich derart geäußert. Aber das zuständige Bundesministerium hat in seiner ansonsten aus Tierschutzsicht enttäuschend ausfallenden Antwort auf das Schreiben des Verbandes seine Einschätzung in dem Punkt bestätigt, dass durch die neue Formulierung im Tierschutzgesetz für die Unerlässlichkeit und wissenschaftliche Bedeutung des Versuchs die Prüfung durch die Behörde auf eine Plausibilitätskontrolle eingeschränkt ist. Auch eine Stellungnahme der Landestierschutzbeauftragten von Baden- Württemberg kam zu dem Schluss, dass das Prüfrecht der Behörden eingeschränkt wurde, was nicht zuletzt daraus abzulesen ist, dass Klarstellungsbedarf im TierSchG, und/oder in der Tierversuchsverordnung oder der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift hinsichtlich der unabhängigen Beurteilung des Nutzens des Tierversuchsprojekts und der Unerlässlichkeit gemäß der EU-Tierversuchsrichtlinie gesehen wird. Noch handelt es sich um eine ungeprüfte Rechtsauslegung der Behörden und Ministerien, nicht um eine endgültige Bewertung durch entsprechende Rechtsexperten. Die Rechtsabteilung des Deutschen Tierschutzbundes sieht aber in der jetzigen Situation die vorliegende Interpretation mit ihren dramatischen Konsequenzen als alternativlos.

Seite - 4 - Stellungnahme zum Rücktritt aus den beratenden Kommissionen nach 15 TierSchG vom 09.04.2014 II. Tierschützer und die Arbeit in beratenden Kommissionen 1. Der Gewissenskonflikt Tierschützer lehnen Tierversuche grundsätzlich ab. Aus ihrer Sicht ist es ethisch nicht gerechtfertigt, leidensfähigen Tieren zu Versuchszwecken Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen. Ziel des Deutschen Tierschutzbundes ist daher die Abschaffung von Tierversuchen sowie eine moderne, zukunftsfähige Forschung ohne Tierleid. Da dieses Ziel gesellschaftspolitisch bislang noch nicht durchgesetzt werden konnte, sind einige Tierschützer bereit, in beratenden Kommissionen mitzuarbeiten, um einen Beitrag zum Tierschutz zu leisten. Doch die Arbeit in beratenden Kommissionen wirft einen grundsätzlichen Gewissenskonflikt auf. Tierschützer wollen Tierversuche verhindern. Sie stellen daher vor allem den Nutzen der Tierversuche in Frage, führen tierversuchsfreie Methoden an und weisen auf die Belastungen der Tiere hin, die oft von den Antragstellern beschönigt werden. Aus Sicht der Tierschützer wird es kaum einen Tierversuch geben, der nach gewissenhafter Abwägung als ethisch vertretbar eingestuft werden könnte. Also müsste ein Großteil der Tierversuche eigentlich abgelehnt werden. Aufgrund der nicht-paritätischen Besetzung der Mehrzahl der beratenden Kommissionen werden sie jedoch zumeist überstimmt und das Votum fällt pro Tierversuch aus. Solange Tierversuche nicht verboten sind, ist es natürlich auch als positiv zu werten, wenn durch die Kommissionsarbeit beispielsweise die Anzahl der verwendeten Tiere oder das Leid der Tiere reduziert werden können, doch dies ist nicht das eigentliche Ziel des Tierschutzes. Traurig genug, dass Tierversuchsanträge nach wie vor häufig inhaltlich so mangelhaft verfasst sind, dass beispielsweise in Bezug auf die Versuchsplanung oder Schmerzbehandlung von Tieren die Angaben noch deutlich optimiert werden müssen. Nach Auffassung des Deutschen Tierschutzbundes müsste es eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, dass Wissenschaftler auch mit der unterstützenden Beratung von Tierschutzbeauftragten ihre Versuche immer an die bestmögliche, aktuelle Praxis im Sinne der Verfeinerung (Reduzierung von Leid für die Tiere) und Reduzierung der Tierzahl anpassen. Denn auch das Tierschutzgesetz schreibt vor, dass die Schmerzen, Leiden und Schäden, die den Tieren in Versuchen zugefügt werden, auf ein Mindestmaß reduziert werden müssen ( 7, Absatz 1). Es ist definitiv nicht die originäre Aufgabe von Tierschützern, Tierversuchsprojekte zu verbessern oder die Belastungen (Schmerzen, Leiden, Ängste und Schäden) der Tiere im Versuch zu diskutieren. Diese Aufgabe sollte vielmehr von Versuchstierkundlern wahrgenommen werden. Viele uns bekannte Mitglieder sind in den vergangenen Jahren bereits aufgrund dieses Gewissenskonflikts und der Tatsache, dass sie nur marginal etwas für die Tiere erreichen konnten, aus den Kommissionen ausgetreten. 2. Kritik der Tierschützer an der Arbeit in beratenden Kommissionen Seit Deutschland im Jahre 1986 das System der beratenden Kommissionen zur Unterstützung der Genehmigungsbehörden eingerichtet hat, hat der Deutsche

Seite - 5 - Stellungnahme zum Rücktritt aus den beratenden Kommissionen nach 15 TierSchG vom 09.04.2014 Tierschutzbund deren Arbeit verfolgt. Mit Umfragen bei Behörden und Mitgliedern der beratenden Kommissionen wurde auf Missstände aufmerksam gemacht und Vorschläge für deren Behebung wurden formuliert (Rusche, in der Reihe Ersatz- und Ergänzungsmethoden zu Tierversuchen, hrsg. von H. Schöffl, 1997; Kolar, ALTEX 24 4/2007). Doch die angemahnten Verbesserungen blieben aus. Kritikpunkte sind und bleiben: Mangelnde Einflussmöglichkeiten auf die Vermeidung von Tierversuchen: Nur ein verschwindend kleiner Prozentsatz (rund 1 %) der Tierversuchsanträge wird abgelehnt. Votum der beratenden Kommission: Bislang sind Tierschützer in der Minderheit und werden in der Regel von den anderen Mitgliedern überstimmt. Arbeitsbelastung: Die Anzahl der zu bearbeitenden Tierversuchsanträge nimmt stetig zu. Durch das neue Tierschutzgesetz wird die Zahl der Anträge weiter steigen. Die ehrenamtlich arbeitenden Kommissionsmitglieder müssen vor den Sitzungen die sehr umfangreichen Anträge begutachten. Laut der genannten Umfrage des Verbands müssen dabei bis zu zwanzig Anträge alle zwei bis vier Wochen durchgearbeitet werden, was kaum zumutbar ist. Oft werden auch pro Sitzung an die zwanzig Anträge beraten, was eine gewissenhafte Auseinandersetzung mit einem Tierversuchsvorhaben nicht zulässt. Die Mitarbeit in den Kommissionen erfolgt zudem ehrenamtlich, eine Aufwandsentschädigung gibt es in den wenigsten Fällen. Vertraulichkeit: Tierschützer können strafrechtlich verfolgt werden, wenn sie inhaltliche Informationen ihrer Kommissionsarbeit an die Öffentlichkeit weitergeben. Damit müssen sie auch hilflos mitansehen, wenn ethisch nicht vertretbare Tierversuche durchgeführt werden oder andere gravierende Missstände sichtbar werden. Auch ist es ihnen nicht möglich, externe Experten zu einzelnen Tierversuchsanträgen zu Rate zu ziehen oder sich mit Mitgliedern anderer Kommissionen auszutauschen. Fehlen geeigneter Informationen, Instrumente oder Maßnahmen zur Substantiierung von Kriterien und Beurteilungen, insbesondere zur Bewertung des wissenschaftlichen Nutzens und damit der ethischen Bewertung von Tierversuchsprojekten; keine kostenfreie Verfügbarmachung einschlägiger Datenbanken, keine Fortbildungsmöglichkeiten, keine Möglichkeit zur Einholung externer Expertise. Alibifunktion : Ein besonderes Ärgernis ist auch die Tatsache, dass es immer wieder von Wissenschaftlern und auch Behördenvertretern in den Medien heißt, es würden nur die notwendigsten Tierversuche durchgeführt und diese wären sogar von Tierschützern genehmigt worden. Diese Alibifunktion ist schon lange ein Dorn im Auge aller Tierschützer schließlich werden sie nur zu oft in den Kommissionen überstimmt. Mit schwindendem Einfluss auf die Genehmigung von Tierversuchen wollen Tierschützer nun endgültig nicht mehr dafür herhalten.

Seite - 6 - Stellungnahme zum Rücktritt aus den beratenden Kommissionen nach 15 TierSchG vom 09.04.2014 III. Hintergründe 1. Das Rechtsverfahren zu den Bremer Affenversuchen mit abschließendem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts Im Februar wurde ein Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig (BVerwG 3 B 29.13) vom 20.01.2014 veröffentlicht. Vorangegangen war die Ablehnung der Hirnversuche an Affen des Prof. Kreiter der Universität Bremen, da die zuständige Genehmigungsbehörde die Versuche für ethisch nicht vertretbar hielt. Die Universität Bremen legte Widerspruch gegen die Entscheidung der Behörde ein (2008). In einem Urteil des Bremer Oberverwaltungsgerichts (OVG) vom Dez. 2012 (AZ: 1 A 180/10 und 1 A 367/10), wurde dann festgestellt, dass die Versagung der Tierversuchsgenehmigung durch die Behörde nicht rechtens gewesen sei. Eine Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde nicht zugelassen. Der Bremer Senator für Gesundheit (Sitz der Genehmigungsbehörde) legte im April 2013 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ein. Im Beschluss des BVerwG von 2014 wurde nun die Beschwerde zurückgewiesen - das Bremer OVG Urteil ist somit rechtskräftig. Weitere Rechtsmittel sind nicht mehr möglich, somit können die Hirnversuche an Affen in Bremen weitergeführt werden. 2. Genehmigung von Tierversuchen ( 8 TierSchG) Seit 1986 bedarf die Durchführung von Versuchen an Wirbeltieren der Genehmigung durch die zuständige Behörde. Ausgenommen sind Tierversuche, die zum Beispiel ausdrücklich durch Gesetze oder Rechtsverordnungen vorgeschrieben sind. Diese unterliegen dem sog. Anzeige-Verfahren. Die Genehmigungsbehörden berufen zu ihrer Unterstützung bei der Entscheidungsfindung, ob ein Antrag genehmigt werden soll oder nicht, eine oder mehrere beratende Kommissionen nach 15 TierSchG. Die Kommissionen haben in der Regel sechs Mitglieder mit jeweils mindestens einem Stellvertreter. Die Mehrheit der Kommissionsmitglieder, das heißt in der Regel vier Personen, muss die für die Beurteilung von Tierversuchen erforderlichen Fachkenntnisse der Veterinärmedizin, Medizin oder einer naturwissenschaftlichen Fachrichtung vorweisen. Ein Drittel (nach dem neuen TierSchG von 2013: Mindestens ein Drittel) der Kommissionsmitglieder, das heißt in der Regel zwei Personen, muss aus Vorschlagslisten der Tierschutzorganisationen ausgewählt werden und aufgrund ihrer Erfahrungen zur Beurteilung von Tierschutzfragen geeignet sein. Die Aufgaben und Pflichten der beratenden Kommissionen sind in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des TierSchG vom Februar 2000 präzisiert. Danach muss die Kommission innerhalb von vier Wochen zu einem Genehmigungsantrag Stellung beziehen und sich insbesondere dazu äußern, ob das Vorhaben nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis unerlässlich, ethisch vertretbar und in Fällen erheblicher Belastung für die in den Versuchen eingesetzten Tiere von hervorragender Bedeutung ist. Die Kommission gibt nach der Beratung ein Votum ab.

Seite - 7 - Stellungnahme zum Rücktritt aus den beratenden Kommissionen nach 15 TierSchG vom 09.04.2014 Die Genehmigung des Tierversuchsvorhabens wird von der Behörde erteilt, wenn nach deren Ansicht die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Versuchsvorhabens erfüllt sind. Das Votum der beratenden Kommission ist für die Genehmigungsbehörde rechtlich nicht verbindlich. Im Tierschutzgesetz von 1986 war, von allen zwischenzeitlich vorgenommenen Änderungen unbenommen, in 8 Abs. 3 folgendes festgelegt: 8 Abs. 3: Die Genehmigung darf nur erteilt werden, wenn wissenschaftlich begründet dargelegt ist dass u.a. das Tierversuchsvorhaben unerlässlich und ethisch vertretbar ist. Im neu überarbeiteten TierSchG von 2013 wurde nun 8 Abs. 1 Satz 2so formuliert: Die Genehmigung eines Versuchsvorhabens ist zu erteilen, wenn wissenschaftlich begründet dargelegt ist, dass u.a. das Tierversuchsvorhaben unerlässlich und ethisch vertretbar ist. Damit wird der Behörde der ohnehin schon geringe Ermessensspielraum endgültig genommen. 3. Staatsziel Tierschutz Die rechtlichen Grundlagen zur Genehmigung von Tierversuchsvorhaben nach dem TierSchG wurden vor 2002 durch die im Grundgesetz verankerte Forschungsfreiheit ausgehebelt. 1994 gipfelte dieses Ungleichgewicht in einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes (Urteil Az: 1 BVL12/94 vom 20.06.1994), das besagte, durch den Tierschutz dürfe kein Eingriff in die Forschungsfreiheit erfolgen, das TierSchG müsse insofern verfassungskonform ausgelegt werden. Konkret wurde den Genehmigungsbehörden damit die Befugnis abgesprochen, die Unerlässlichkeit und die ethische Vertretbarkeit inhaltlich zu prüfen. Vielmehr müssten sie die Darlegung des Antragstellers akzeptieren, solange diese schlüssig und formal vollständig sei. Bis 2002 musste daher eine Genehmigung erteilt werden, wenn alle formalen Voraussetzungen erfüllt waren. Aus der Sicht des Deutschen Tierschutzbundes wurde bereits damals das Genehmigungsverfahren ad absurdum geführt. Eine unabhängige inhaltliche Begutachtung von Versuchsanträgen war rechtlich unerwünscht und eine Ablehnung eines Tierversuchsvorhabens aus ethischen oder wissenschaftlichen Gründen verstieß gegen das Grundrecht der Forschungsfreiheit. Mit der Aufnahme des Tierschutzes in die Verfassung im August 2002 wurde dann die rechtliche Basis für die Abwägung zweier Güter (Forschungsfreiheit / Schutz der Tiere) geschaffen. In einem Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen von 2004 wurde bestätigt, dass aufgrund der Grundgesetzänderung Genehmigungsanträge seitens der Genehmigungsbehörden gewissenhaft inhaltlich geprüft und gegebenenfalls abgelehnt werden müssen, wenn sie nicht den im TierSchG festgeschriebenen Anforderungen entsprechen. Tierschützer sahen sich damit endlich an einem Wendepunkt zugunsten des Tierschutzes. Der Einfluss des Staatsziels Tierschutz auf die Genehmigungspraxis wurde jedoch im Folgenden laut einer Umfrage des Deutschen Tierschutzbundes recht unterschiedlich bewertet. Während zum Teil die inhaltlichen Prüfungen von Tierversuchsanträgen

Seite - 8 - Stellungnahme zum Rücktritt aus den beratenden Kommissionen nach 15 TierSchG vom 09.04.2014 intensiviert wurden, vertraten einige Behörden die Auffassung, dass kein Handlungsbedarf bestehe, solange das TierSchG und die Allgemeine Verwaltungsvorschrift nicht geändert wurden. Aus der Sicht des Tierschutzes war eine Überarbeitung des TierSchG daher dringend erforderlich, da die damaligen Regelungen nicht die nötigen Voraussetzungen lieferten, um eine gewissenhafte inhaltliche Prüfung von Tierversuchsanträgen vorzunehmen und Anträge gegebenenfalls abzulehnen. Eine der Kernforderungen des Deutschen Tierschutzbundes während der gerade abgeschlossenen Novellierung des TierSchG war daher die Klarstellung in 8 TierSchG, dass die zuständigen Behörden verpflichtet werden, die Unerlässlichkeit und ethische Vertretbarkeit von Tierversuchsvorhaben eigenständig und vom Antragsteller unabhängig materiell zu prüfen und ggf. bei einer nicht positiven Projektbewertung die Tierversuchsvorhaben zu untersagen. Dass nunmehr im neuen Tierschutzgesetz die Klarstellung dahingehend erfolgte, dass Tierversuchsanträge genehmigt werden müssen, wenn sie formal richtig gestellt wurden, hat den Tierschutz um viele Jahre zurückgeworfen und das Staatsziel Tierschutz für den Bereich Tierversuche nun endgültig ausgehebelt. 4. Das Genehmigungsverfahren im Widerspruch zum EU-Recht Tierversuche dürfen nach EU-Recht (EU-Richtlinie 2010/63/EU) nur dann durchgeführt werden, wenn die Projektbeurteilung für das Tierversuchsvorhaben durch die zuständige Behörde positiv ausfällt (Art. 36 Abs. 2). Die Projektbeurteilung umfasst unter anderem die Prüfung des zu erwartenden wissenschaftlichen Nutzens (Art. 38 Abs. 2 lit. a), der Erfüllung des 3-R-Prinzips (Ersatz von Tierversuchen oder Verringerung der Anzahl und/oder des Leidens der Tiere) sowie eine Schaden-Nutzen- Analyse des Projekts, in deren Rahmen bewertet werden muss, ob die Schäden für die Tiere in Form von Leiden, Schmerzen und Ängsten unter Berücksichtigung ethischer Erwägungen durch das erwartete Ergebnis gerechtfertigt sind (Art. 38 Abs. 2 lit. d). Die Projektbewertung soll unparteiisch und unabhängig von den an der Studie Beteiligten durchgeführt werden (Erwägungsgrund 39). In 8 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TierSchG wird mit Bezug auf zwei zentrale Genehmigungsvoraussetzungen - nämlich die Unerlässlichkeit (also die Einhaltung der Anforderungen der Vermeidung, Verminderung und Verbesserung von Tierversuchen im Sinne des 3-R-Prinzips) und die ethische Vertretbarkeit (also die Schaden-Nutzen-Relation nach Art. 38 Abs. 2 lit. d der EU-Tierversuchsrichtlinie) - formuliert, dass die Genehmigung erteilt werden müsse, wenn diese Voraussetzungen "wissenschaftlich begründet dargelegt" seien. Die EU-Maßgaben zu einer unparteiischen und unabhängigen Prüfpflicht werden im deutschen Recht aber erst gar nicht erwähnt, geschweige denn umgesetzt. Ganz im Gegenteil wird es übrigens einmalig im deutschen Recht dem Antragsteller überlassen, die ethische Vertretbarkeit und damit die Zulässigkeit seines Antrags selbst zu beurteilen. Der Deutsche Tierschutzbund hat daher bei der EU-Kommission Beschwerde gegen Deutschland eingelegt und drängt auf eine Gesetzesänderung.