Univ.-Prof. Dr. Andreas Janko Das Vorverfahren vor der belangten Behörde Vortrag im Rahmen des Seminars Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte erster Instanz Herausforderungen für die belangte Behörde Klagenfurt, 18. November 2013 1
Vorverfahren Übersicht Vorverfahren = Verfahrensabschnitt zwischen der Einbringung der Beschwerde und der Vorlage an das Verwaltungsgericht (vgl 12 VwGVG) Pflichten der (für diesen Abschnitt verantwortlichen) belangten Behörde: unverzügliche Mitteilung eingelangter Beschwerden an alle sonstigen Parteien, wenn darin erheblich scheinende neue Tatsachen und Beweise vorgebracht werden, bei gleichzeitiger Einräumung einer maximal zweiwöchigen Stellungnahmefrist Anordnung des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung sowie Aufhebung oder Abänderung solcher Bescheide bei Änderung des maßgeblichen Sachverhalts Ermessensübung hinsichtlich der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung Beurteilung der Rechtzeitigkeit und Zulässigkeit allfälliger Vorlageanträge 2
Beschwerdevorentscheidung allgemein Befristung der BVE auf zwei Monate ab Einlangen der (ersten) Beschwerde Alternativen bei Entscheidung für eine BVE ( 14 Abs 1 VwGVG): Aufhebung oder Abänderung des bekämpften Bescheides Zurückweisung der Beschwerde Abweisung der Beschwerde (neu!): Möglichkeit der belangten Behörde, die Begründung ihrer ursprünglichen Erledigung im Lichte der Beschwerde zu schärfen Kompetenz zur BVE grundsätzlich umfassend; Ausnahmen bestehen nur für: Beschwerden gegen Bescheide, mit denen die aufschiebende Wirkung ausgeschlossen wird (gemäß 13 Abs 5 VwGVG lediglich Zurückweisung zulässig) Beschwerden gegen die Zurückweisung eines Vorlageantrags ( 15 Abs 3 VwGVG) 3
BVE Zurückweisungskompetenz Verfassungswidrigkeit der Zurückweisungskompetenz? (trotz inhaltlicher Übereinstimmung mit BVE alt) Zurückweisungskompetenz bedingt Prüfung der Zulässigkeit der Beschwerde: tauglicher Beschwerdegegenstand? Beschwerdelegitimation des Beschwerdeführers? Beachtung der Vorgaben für Form und Inhalt der Beschwerde? Einhaltung der Beschwerdefrist? bei verbesserungsfähigen Mängeln Mängelbehebungsauftrag nicht vergessen! ( 11 VwGVG ivm 13 Abs 3 AVG) 4
Beschwerdegegenstand Bescheid einer Verwaltungsbehörde (Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG): keine abgesonderte Beschwerde gg. Verfahrensanordnungen ( 7 Abs 1 VwGVG) Bescheid muss durch Erlassung gegenüber zumindest einer Partei existent geworden sein (vgl 7 Abs 3 VwGVG) Fehlen eines alternativen Rechtsweges: Anrufbarkeit der ordentlichen Gerichte oder des VfGH (Art 130 Abs 5 B-VG) Berufung gegen Gemeindebescheide im eigenen Wb (Art 132 Abs 6 B-VG) remonstrative Rechtsbehelfe (insb Vorstellung gegen Mandatsbescheide) Vorlageantrag bei Beschwerdevorentscheidung 5
Beschwerdelegitimation Möglichkeit der Verletzung in subjektiven Rechten (Art 132 Abs 1 Z 1 B-VG): Parteistellung im zugrundeliegenden Verwaltungsverfahren kein Verlust der Parteistellung durch Präklusion Beschwer Befugnis zur Beschwerde wegen objektiver Rechtswidrigkeit: Art 132 Abs 1 Z 2 B-VG (Amtsbeschwerde des zuständigen Bundesministers) Art 132 Abs 5 B-VG ivm sondergesetzlichen Anordnungen des jeweils zuständigen Materiengesetzgebers (Beschwerde von Formal- und Organparteien) kein nachträglicher Verlust der Beschwerdelegitimation durch Beschwerdeverzicht ( 7 Abs 2 VwGVG) oder Zurückziehung der Beschwerde 6
Form der Beschwerde Beschwerden müssen schriftlich eingebracht werden: arg Schriftsätze in 12 VwGVG (vgl die RV 2009 BlgNR 24. GP 4, der zufolge sich diese Bestimmung obwohl im Abschnitt Vorverfahren enthalten auch auf Beschwerden bezieht); allenfalls auch 11 ( 17?) VwGVG ivm 13 Abs 1 AVG Übermittlung nach Maßgabe von 11 ( 17?) VwGVG ivm 13 Abs 2 AVG nicht nur am Postweg, sondern in jeder technischen Form möglich Übertragbarkeit der höchstgerichtlichen Judikatur zur Zulässigkeit von niederschriftlich aufgenommenen mündlichen Berufungen? kein grammatikalischer und schon gar kein teleologischer Unterschied im Zweifel sollte die belangte Behörde auf ein entsprechendes Service verzichten! 7
Inhalt der Beschwerde gemäß 9 Abs 1 VwGVG hat jede (Bescheid-)Beschwerde folgende Elemente zu enthalten: die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides und der belangten Behörde die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt das Begehren Angaben zur Beurteilung der rechtzeitigen Einbringung der Beschwerde zusätzlich: (unspezifizierte) Behauptung der Verletzung in subjektiven Rechten? Sondervorschriften für Beschwerden wegen objektiver Rechtswidrigkeit: Erklärung über den Umfang der Anfechtung anstelle der Angabe von Gründen, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt ( 9 Abs 3 VwGVG) 8
Beschwerdefrist (1) Dauer der (Bescheid-)Beschwerdefrist: 4 Wochen ( 7 Abs 4 S 1 VwGVG) Beginn des Fristenlaufs: bei Parteibeschwerden ab Zustellung des Bescheides, außer dieser wurde dem Beschwerdeführer gegenüber nur mündlich verkündet ( 7 Abs 4 S 3 Z 1 VwGVG) bei Amtsbeschwerden ab Zustellung an den zuständigen Bundesminister oder (hat eine solche nicht stattgefunden) ab Kenntnisnahme ( 7 Abs 4 S 3 Z 2 VwGVG) im Falle des 7 Abs 3 VwGVG ab Kenntnisnahme (optional) Tage des Postlaufs sind in die Beschwerdefrist nicht einzurechnen: Anwendbarkeit des 33 Abs 3 AVG aufgrund des Verweises in 11 VwGVG trotz dessen Beschränkung auf das Vorverfahren 9
Beschwerdefrist (2) Beschwerden sind bei der belangten Behörde einzubringen ( 12 VwGVG): rechtsschutzfreundliche Anordnung, weil Beschwerdeführer nicht mit der Lösung der teils schwierigen Zuständigkeitsfrage belastet wird aber: im Gegensatz zu Berufungen, die auch bei der Berufungsbehörde wirksam eingebracht werden können, wirkt die Einbringung beim zuständigen Verwaltungsgericht nicht fristwahrend! Verwaltungsgericht trifft Pflicht zur Weiterleitung gemäß 17 VwGVG ivm 6 Abs 1 AVG Wahrung der Beschwerdefrist nur bei rechtzeitiger Weiterleitung an die belangte Behörde 10
BVE Kompetenz zur materiellen Erledigung beschränkter Prüfungsumfang: Gründe und Begehren bzw Anfechtungserklärung als maßgebliche Determinanten (vgl 27 VwGVG, der gemäß 14 Abs 1 leg cit auch für die BVE gilt) systemwidrige Privilegierung der Beschwerden wegen objektiver Rechtsverletzung (noch in der RV 2009 BlgNR 24. GP war die Anfechtungserklärung ebenso wie in 28 Abs 2 VwGG als Ersatz für die Angabe von Beschwerdepunkten konzipiert) Relevanz neuer Tatsachen und Beweise (vgl 10 VwGVG) Relevanz einer Modifikation des verfahrenseinleitenden Antrags? 13 Abs 8 AVG ivm 11 oder 17 VwGVG allenfalls Pflicht zur Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens 11
Vorlageantrag (1) Vorlageantrag als einzig zulässiges Rechtsmittel gegen eine BVE Kompetenz der belangten Behörde zur Zurückweisung des Vorlageantrags Zurückweisungskompetenz bedingt Prüfung der Zulässigkeit der Beschwerde: Einbringung bei der belangten Behörde binnen zwei Wochen ab Zustellung der BVE ( 15 Abs 1 S 1 VwGVG) Erfordernis der Angabe von Gründen und eines Begehrens, wenn der Vorlageantrag von anderen Parteien als dem Beschwerdeführer stammt ( 15 Abs 1 S 3 VwGVG) analoge Anwendbarkeit von 9 Abs 3 VwGVG? Zurückweisungsbescheid mittels Bescheidbeschwerde bekämpfbar aber: keine Befugnis der belangten Behörde zur BVE ( 15 Abs 3 VwGVG) 12
Vorlageantrag (2) Pflichten der belangten Behörde, wenn der Vorlageantrag nicht als unzulässig zurückgewiesen wird (vgl 15 Abs 2 letzter Satz VwGVG): Vorlage von Vorlageantrag, Beschwerde und Verfahrensakten an das zuständige Verwaltungsgericht Mitteilung der Vorlage an die sonstigen Parteien Vorlageantrag führt nicht zum Außerkrafttreten der BVE abhängig vom Inhalt der BVE obliegt dem Verwaltungsgericht: Prüfung der zurückweisenden BVE und (nach Kassation) Entscheidung über die Bescheidbeschwerde (im Rahmen von Gründen + Begehren / Anfechtungserklärung) Prüfung der konsolidierten Fassung des Bescheides (im gleichen Rahmen!) 13
Anmerkungen zur sachlichen Zuständigkeit abschließende Zuständigkeitsverteilung im B-VG (Art 131 B-VG) taxative Umschreibung der Zuständigkeiten von BFinG und BVwGer Generalklausel zugunsten der Zuständigkeit der LVwGer Ermächtigung des einfachen Gesetzgebers zur Veränderung der verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsordnung Spezialfragen: Verständnis der Begriffe Rechtssache und Angelegenheit Administrativverfahren in unmittelbarer BVw, Strafverfahren in mittelbarer BVw vom einfachen Gesetzgeber implizit vorausgesetzte Zuständigkeitsverteilung 14
Anmerkungen zur örtlichen Zuständigkeit Regelung der Zuständigkeitsverteilung zwischen den LVwGer (im weitgehend verfassungsfreien Raum) durch 3 VwGVG differenzierende Regelung in Abhängigkeit von der Verbandskompetenz: in Angelegenheiten, in denen die Vollziehung Landessache ist: Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts im Land (= Rekurs auf die verfassungsrechtliche Verbandskompetenz des jeweiligen Landes); im Falle des Einschreitens von Verwaltungsbehörden des falschen Landes wird dieser Weg fortzusetzen sein in Angelegenheiten, in denen die Vollziehung Bundessache ist: Verweis auf 3 Z 1, 2 und 3 AVG (ohne dessen letzten Halbsatz); materienspezifische Sondernormen insb auch jene für die belangten Behörden sind vom Verweis nicht umfasst 15