Der PSSM Komplex und seine Bedeutung für die Haflingerzucht D R. T H O M A S D R U M L & M M A G. G E R T R U D G R I L Z - S E G E R S E P T E M B E R 2 0 1 6
PSSM - Polysaccharid storage myopathy Kohlenhydratspeicherkrankheit Komplex der Myopathien PSSM wurde erstmals von Valberg im Jahr 1992 beschrieben anhand von 9 Quarter Horse Pferden mit klinischen Symptomen einer Rhabdomyolyse Im Jahr 1997 wurde PSSM erstmals bei 8 Kaltblutpferden diagnostiziert (Alter 2 bis 21 Jahre)
Krankheitsbild PSSM Unter ungünstigen Umweltbedingungen (rohfaserarme, kohlenhydratreiche Ration; mangelnde Bewegung) kann es zum Auftreten von klinischen Symptomen kommen Diagnose: 1. Klinische Symptome Quarter Horse: schwerste Symptome, wiederkehrende Kreuzschläge bis zum Festliegen und Tod meist in Kombination mit dem RYR1 Gen (Halothanfaktor beim Schwein) Warmblut: Muskelatrophie, Rückenprobleme Kaltblut: progressive Schwäche, Muskelatrophie und Trainingsintoleranz 2. Histologie zweiter Schritt in der Krankheitsdiagnose von PSSM
Histologie PSSM Für die Diagnose wurde 1997 eine histologische Methode entwickelt, der Befund wurde retrospektive mit klinischen Symptomen abgeglichen Von 1997 bis 2010 zahlreiche Studien zuerst retrospektiv an Gewebeproben aus den klinischen Laborarchiven und Nekropsiedatenbanken Färbung von histologischen Schnitten als Diagnosemethode für PSSM Anhäufung von Glykogen und Polysaccharid Einschlüssen in Muskelfasern der Skelettmuskulatur
PSSM Gentest 2012 2008 Mutation am GYS1 Gen entdeckt, die beim Quarter Horse mit PSSM (Muskelhistologie) assoziierte Daher: - seit 2012 Gentest als diagnostische Alternativmethode zur Biopsie
GYS1 Mutation Die GYS1 Mutation (R309H) ist eine autosomale missense Mutation im Glykogen Synthase Gen (GYS1) Glykogen Synthase ist ein Enzym, das für die Produktion von Glykogen zuständig ist Die Mutation führt zu einer gesteigerten Enzymaktivität Die Assoziation zwischen GYS1 Mutation und PSSM ist nicht 100%ig!!! 25-80% von Tieren mit PSSM sind keine Träger von der GYS1 Mutation Trägertiere (bis mehrere 1000) in Populationsstudien waren klinisch gesund! GYS1 Mutation ist in zahlreichen Pferderassen (Quarter Horse, Warmblut, Kaltblut, Ponies) nachgewiesen Alter der Mutation wird mit 1.200 bis 1.500 Jahren angegeben
GYS1 Genotypenfrequenzen Mittlerweile sind bis zu 30 Pferderassen bekannt, in denen das mutierte GYS1 Allel vorkommt Sehr schwierig Aussagen zu treffen, weil der Großteil der untersuchten Populationen nur aus kleineren Stichproben bestehen (meist vorselektiert, geringe Anzahl an Tieren) z.b. Amerikanischer Belgier: Stichprobe 149 Show- und Zuchtpferde; Trägeranteil 39% Europäischer Belgier: Stichprobe 38 Tiere, Trägeranteil 92%
GYS1 Genotypenfrequenzen Anteil GYS1 Träger in unterschiedlichen Pferderassen 1 McCue; 4 Larcher et al. 2008 Rassen Anzahl GYS1 Träger/N Häufigkeit % Clydesdale 1 0/48 0,0 Shire Horse 1 1/195 0,5 Quarter Horse 1 22/335 6,6 Noriker 2015 4 523/1649 32,0 Noriker 3 43/130 33,0 Cob Normand 4 20/53 38,0 Belgier 1 58/149 39,0 Percheron 1 93/149 62,0 Breton 1 32/51 63,0 Trekpaard 1 17/23 74,0 Comtois 1 70/88 80,0 Haflinger 2 9/50 18.0 Haflinger 3 25/108 23.0 Haflinger 2015 4 38/455 8.3 2 Schwarz et al. 2011; 3 Van der Hoven 2013; 4 Druml et al. 2015
GYS1 Genotypfrequenzen In einer 2014-2015 in Österreich durchgeführten Studie zu PSSM wurden 2.076 Noriker eingehender untersucht Die erste wissenschaftliche Arbeit, in der eine gesamte Population untersucht wurde Im selben Projekt wurden auch die Genotypenfrequenzen für 455 Haflinger erhoben
GYS1 Genotypenfrequenzen Noriker GYS1 Trägeranteil pendelt zwischen 16 und 40% beim kompletten Fohlenjahrgang, Mittel = 32% Anzahl typisierter Noriker Fohlen der Jahrgänge 2014 und 2013 sowie Aufschlüsselung von Trägertieren gesamt N 0 1 2 Trägertiere Braun 424 288 120 16 0,32 Fuchs 434 260 139 35 0,40 Mohrenkopf 86 58 24 4 0,33 Rappe 535 378 146 11 0,29 Schecke 29 23 6 0,21 Tiger 141 119 21 1 0,16 Summe 1649 1126 456 67 0,32
GYS1 Genotypenfrequenzen Noriker GYS1 Genotypenfrequenzen pendeln zwischen 4 und 62% bei 518 Zuchttieren Anzahl typisierter Noriker Zuchtpferde, sowie Aufschlüsselung von Trägertieren gesamt, nach Hengsten, nach Zuchtstuten N 0 1 2 Trägertie re gesamt Trägertier e Hengste Trägertiere Stuten Braun 135 88 41 6 0,35 0,38 0,33 Fuchs 99 42 50 7 0,58 0,62 0,54 Mohrenkopf 38 28 9 1 0,26 0,32 0,21 Rappe 202 145 52 5 0,28 0,31 0,26 Schecke 5 4 1 0,20 0,20 - Tiger 39 36 3 0,08 0,04 0,17 518 343 156 19 0,44
Tigerfamilien Fuchsfamilien
GYS1 Genotypenfrequenzen Haflinger Trägertierfrequenz von 8%, davon sechs homozygote Träger und 32 heterozygote Träger 417 Haflinger hatten kein mutiertes GYS1 Allel GYS1 Genotypenfrequenz damit gering N Träger het. Träger hom. Nichtträger Trägertieranteil Hengste 240 214 23 3 10,83% Stuten 155 143 9 3 7,74% Junghengste 25 25 - - 0% Jungstuten 35 35 - - 0% Gesamt 455 417 32 6 8,35%
Leistungsfähigkeit und GYS1 Status - Noriker Daten der Leistungsprüfung von 2002 bis 2014 Insgesamt 237 Hengste Von 169 Hengsten war der GYS1 Status bekannt 107 gesunde Nichtträger-Tiere 55 heterozygote Träger 7 homozygote Träger Darstellung der Gesamtindexwerte der einzelnen Prüfkandidaten der Jahrgänge 2002 bis 2014, markiert nach ihrem Genotyp (rot = GYS1 reinerbig, gelb = GYS1 mischerbig, schwarz = Nichtträger). Gesamtindex der Leistungsprüfung 30 Tagestest = GYS1 Status n.s.!
Training Prüfung Leistungsfähigkeit und GYS1 Status Noriker Einzelnoten GYS1 Jah r Farb e Reiten Umgänglichkeit *** Lernbereitschaft *** Leistungsfähigk *** eit Schritt ** * Trab *** Galopp *** Reiteignung *** Fahren Umgänglichkeit *** Lernbereitschaft ** Leistungsfähigk *** eit Schritt *** Trab *** Fahranlage *** Schwach - holz Zugwide r- stand Zugmanier *** Konzentration *** Umgänglichkeit *** Zugmanier *** Bereitschaft *** Umgänglichkeit *** GYS1 und Training: kein Zusammenhang!!!! i Reiten Fahren Schwachholz Zugwiderstand Index Einzelnoten GYS 1 Jahr Schritt Trab Galopp Reiteignung * Schritt Trab * Fahranlage * Zugmanier Konzentration * Umgänglichke ** it Zugmanier Bereitschaft Umgänglichke * it Farb e GYS1 und Endprüfung: Fahranlage GYS1 sig. P<0.05 Umgänglichkeit/Schwerzug GYS1 sig. i
Diskussion Assoziation zwischen PSSM (Muskelhistologie klinische Symptome) mit GYS1 Allel ist nicht 100prozentig (zwischen 25% und 80%) Gentest wurde als Diagnosealternative entwickelt In der österr. Pferdezucht (Noriker, Haflinger) wurden somit zwischen 32 und 8% Anlageträger identifiziert (auf Basis von 2.500 genotypisierten Tieren), jedoch bis dato keine auffällige Anhäufung von Merkmalsträgern! Ebenso ist beim Noriker kein Leistungsabfall von Anlageträgern nachweisbar!
Diskussion Wissenschaftlich wird der hohe Umwelteinfluss beim PSSM Komplex unterstrichen Medial wird dieser Umwelteinfluss nicht diskutiert Weiter ist die tatsächliche Erforschung des PSSM Komplexes noch lange nicht abgeschlossen 25 80% der PSSM Fälle sind Nichtträger der GYS1 Mutation!
Diskussion In der europäischen Pferdezucht sind Rassen dokumentiert, die sehr hohe Trägertieranteile bezüglich der GYS1 Mutation aufweisen (Belgier, Ardenner, Französische Kaltblutrassen; 40-99%) Diese sind Anlageträger (gesund) und nicht Merkmalsträger! Umwelteinfluss und Geninteraktion sind nicht ausreichend erforscht Theorie des Selektionsvorteils, da Mutation schon 1.500 Jahre vorhanden
Schlussfolgerung Wissenschaft geht heute bei Pferderassen mit hohen Trägeranteilen von Geninteraktionen und Genotyp- Umwelt Interaktionen aus Tierzüchterisches Spannungsverhältnis: genetische Diversität versus Selektion gegen Anlageträger (nicht Merkmalsträger!)
Schlussfolgerung Für den Haflinger gilt: Geringe Trägerfrequenz Trägertiere sind genealogisch wenig gebündelt, daher in naher Verwandtschaft genügend Nichtträger Klinische Fälle? Merkmalsträger? Daraus folgert: Dokumentation nachgewiesener klinischer Fälle (klinische Symptome, Histologie) Abgesicherte Forschungsergebnisse zur Genotyp-Umwelt Interaktion in Bezug auf PSSM abwarten
Vielen Dank F Ü R I H R E A U F M E R K S A M K E I T