Flexibilität hat Grenzen



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Transkript:

18 Dossier Arbeitszeit Flexibilität hat Grenzen Immer mehr Firmen erklären die Zeiterfassung für fakultativ. Das verstösst nicht nur gegen das Gesetz, sondern ist auch mit finanziellen und gesundheitlichen Nachteilen für die Beschäftigten verbunden. Text Therese Jäggi / Statements Andrea Mašek Siebzehn Prozent der Schweizer Arbeitnehmenden arbeiten heute flexibel und ohne dass ihre Arbeitszeit erfasst und dokumentiert wird. Diese Zahl geht aus einer im September vorgestellten repräsentativen Befragung der Schweizer Erwerbsbevölkerung hervor. Ziel der vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) in Auftrag gegebenen Studie ist es, die Zusammenhänge zwischen flexiblen Arbeitszeitregelungen und der Arbeitssituation der Befragten zu untersuchen. Im Mittelpunkt der Untersuchung mit dem Titel «Flexible Arbeitszeiten in der Schweiz» (Details siehe Ende des Artikels S. 25) steht die Frage nach der obligatorischen Erfassung der Arbeitszeiten. Flexible Arbeitszeiten nehmen in Schweizer Unternehmen und Organisationen immer mehr zu. 2005 gaben noch 14 Prozent der Arbeitnehmenden an, flexibel und ohne Arbeitszeiterfassung zu arbeiten. Anstelle der nachvollziehbaren Arbeitszeit tritt die sogenannte Vertrauensarbeitszeit. Im Fokus der Abmachungen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden steht das Ergebnis. Wann und wie lange die Beschäftigten an ihrem Projekt arbeiten, ist unwesentlich. Eine klare Definition von Vertrauensarbeitszeit gibt es nicht. Als Faustregel gilt, dass der Arbeitgeber darauf vertraut, dass seine Mitarbeitenden so lange arbeiten, wie vertraglich vereinbart ist, und die Beschäftigten anderseits verlassen sich darauf, dass ihnen nicht mehr Arbeit zugemutet wird, als sie in der entsprechenden Zeit bewältigen können. In vielen Konzepten wird aber neben zahlreichen anderen Aspekten der völlige Verzicht auf die Erfassung der geleisteten Arbeitsstunden als Kernelement von Vertrauensarbeitszeit erachtet. Noch sind die

19 Auch in anderen Ländern ist die Stempeluhr gang und gäbe, wie hier zum Beispiel in Polen.

20 Dossier Arbeitszeit «Wir müssen unsere Arbeitszeit wir haben gleitende Arbeitszeiten nicht erfassen. Es ist schön, wenn Arbeitgeber auf diese Weise ihr Vertrauen zu ihren Angestellten zeigen. Ich habe aber in früheren Jobs auch schon meine Arbeitszeit erfassen müssen und hatte nie Probleme damit.» Andrea Keller, Office Managerin Unternehmen, welche dies konsequent umsetzen, in der Minderheit. Beachtlich ist das Phänomen aber trotzdem, denn ein Verzicht auf Arbeitszeiterfassung verstösst eindeutig gegen die gesetzlichen Bestimmungen. In der Verordnung zum Arbeitsgesetz sind die Erfassung der Arbeits- und Ruhezeiten vorgeschrieben. Bei Banken und Versicherungen im Trend Weit verbreitet ist der Verzicht auf Arbeitszeiterfassung bei Banken und Versicherungen, aber auch im Kaderbereich der Bundesverwaltung. Beim Bund war es laut der Seco-Studie die hohe Zahl von Überstunden, die durch einen Verzicht auf Arbeitszeiterfassung reduziert werden sollten. Dieses Argument zählt sicher auch in der Privatwirtschaft. Ausserdem wird häufig argumentiert, dass ein akribisches Festhalten der Arbeitsstunden kleinlich sei und nicht zu einer modernen Betriebskultur passe. Manche Geschäftsführer von Kleinstunternehmen scheuen auch den Aufwand, die Präsenzzeit ihrer Angestellten zu registrieren und zu kontrollieren. Doch wie kann man sich erklären, dass zahlreiche Unternehmen und ganze Branchen das Arbeitsgesetz systematisch unterlaufen? «Es gibt zu wenige Arbeitsinspektoren, welche die Unternehmen regelmässig kontrollieren könnten», sagt Barbara Gisi, Leiterin Angestelltenpolitik beim KV Schweiz. Anderseits könne man aber auch annehmen, dass viele Arbeitnehmende mit dem Verzicht auf Arbeitszeiterfassung einverstanden seien. «Wir geben unsere Arbeitszeit in ein Programm namens Presento ein. Darin erfassen wir auch Urlaub, Arztbesuch, Weiterbildung etc. Mit meinem Visum bestätige ich die Richtigkeit meiner Eingaben. Ich habe so jederzeit einen Überblick über meine Gleitzeit, Überzeit und die restlichen Ferientage, und als Vorgesetzte habe ich ein zuverlässiges Instrument für die Kontrolle der Arbeitszeit meiner Mitarbeiterin.» Jacqueline Harr, Leiterin Organisation und Projekte auf dem Generalsekretariat einer kantonalen Direktion Andernfalls hätten sie ja das Recht auf ihrer Seite, wenn sie sich dagegen wehren würden. Vom Verzicht auf Arbeitszeiterfassung profitieren laut Barbara Gisi aber doch hauptsächlich die Arbeitgeber. So sei es beispielsweise bekannt, dass Bankangestellte durchschnittlich zweieinhalb Stunden mehr arbeiten pro Woche als der Durchschnitt. «Wenn Angestellte ihr Ziel nicht in der vorgegebenen Zeit erreichen, arbeiten sie tendenziell in der Freizeit, um nicht als unfähig dazustehen.» Dabei spiele auch der Gruppendruck eine gewisse Rolle. Unterschiedliche Bedingungen Man könne sich aber schon fragen, meint Barbara Gisi, ob es noch zeitgemäss sei, eine obligatorische Arbeitszeit zu definieren, die für alle Branchen gelte. Wer den ganzen Tag am PC verbringt, erledigt zwischendurch auch mal private Dinge, arbeitet dafür aber auch gelegentlich am Abend oder am Wochenende. Wieder anders ist es im Detailhandel oder in der Industrie. Dort sind die Arbeitszeiten durch Ladenöffnungszeiten beziehungsweise Arbeitsabläufe vorgegeben. Bei Coop z.b. ist das Stempeln denn auch abgeschafft worden. Wenn nun aber Angestellte länger arbeiten, müssen sie einen Antrag auf Korrektur «Ich erfasse die Arbeitszeit jeden Abend vor dem Herunterfahren des Computers. So ist die interne Vorgabe und es macht auch am meisten Sinn. Es gibt mir, meiner Vorgesetzten und den Personalverantwortlichen die Übersicht über meine Arbeitszeit, Überzeit und mein Ferienguthaben. Und mir hilft der tägliche Blick auf die Arbeitszeiterfassung insbesondere, meine Überzeit einigermassen im Griff zu haben.» Olivia Spinatsch, Marketing-Assistentin der Arbeitszeit ausfüllen und von ihrem resp. ihrer Vorgesetzten visieren lassen. Laut Barbara Gisi verzichten aber viele Angestellte darauf, weil sie befürchten, dass sie sich damit bei ihrem Vorgesetzten unbeliebt machen. «In einer solchen Situation wäre die Neutralität einer Stempeluhr von Vorteil», sagt Barbara Gisi. Noch bis 2008 wurde auch beim KV Schweiz gestempelt. Die Dauer der Anwesenheit im Betrieb wurde mit Stempelkarten erfasst und die Mitarbeitenden hielten separat fest, wie lange sie ausser Haus tätig waren. Dies führte Ende Monat jeweils zu langen Nachbearbeitungen in der Personalabteilung. «Wir empfanden dieses System als Ausdruck einer antiquierten Betriebskultur und wollten etwas Zeitgemässes», sagt Personalleiter Peter Rüesch. Heute erfassen die Mitarbeitenden ihre Arbeitszeiten egal ob intern oder extern geleistet an ihrem PC. Das Zeiterfassungstool gibt jederzeit Aufschluss über den aktuellen Stand bezüglich Ferien- und Überzeitsaldo. «Ich erachte dieses System als sinnvoll», sagt Peter Rüesch. Es sei nicht nur transparent für die Mitarbeitenden, sondern auch aufschlussreich für die Personalabteilung. So könnten beispielsweise mit der Erfassung der Krankheitstage und deren Analyse Rückschlüsse für das Case Management gezogen werden.

22 Dossier Arbeitszeit «Wir haben ein familienfreundliches Gleitzeitmodell. Wir können je nach Arbeitsvolumen früher oder später beginnen respektive früher oder später aufhören. Freitage sind ohne Bezug von Ferientagen möglich. Es gilt jedoch, pflichtbewusst den Stundensalto einzuhalten, denn wir stempeln elektronisch. Der Nachteil ist: Alle genannten Vorteile können vom Chef angeordnet werden.» Reto Racine, Technischer Sachbearbeiter Vorteile für beide Seiten Auch Martin Leu, Leiter Personal und Recht bei der Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) ist überzeugt, dass die Erfassung der Arbeitszeit Vorteile für beide Seiten Arbeitgeber wie Arbeitnehmer hat. «Es gab auch schon Zeiten, da habe ich mich fast geschämt, wenn ich sagen musste, dass bei uns noch gestempelt wird», sagt Martin Leu. Heute sei er aber klar der Meinung, dass eine Firma mit obligatorischer Zeiterfassung einen Mehrwert biete. Bei der bfu erfassen denn auch inklusive Kader und Direktion alle 126 Mitarbeitenden ihre Arbeitszeit. Konkret läuft das so: Jeder Mitarbeitende hat einen Badge. Mit diesem wird die Arbeitszeit erfasst und gleichzeitig dient er anstelle von Schlüsseln als Zutrittsinstrument. Aber mehr noch: Das Tool wird auch für die Projektzeitverbuchung eingesetzt. Das heisst: Die Mitarbeitenden halten fest, wie lange sie für welches Produkt gearbeitet haben. «Die Auswertung dieser Angaben dient uns als Führungsinstrument für die Steuerung der aktuellen Tätigkeiten sowie für die Planung der Geschäftstätigkeiten in den Folgejahren», sagt Martin Leu. Solche und ähnliche Zeiterfassungssysteme vertreiben zahlreiche Firmen. Eine davon ist die Zeit AG in Sursee. Sie entwickelt Produkte für Zeiterfassung und Zutrittsmanagement. Der Geschäftsführer Ivo Muri erinnert sich, wie die Vertrauensarbeitszeit aufkam. «1995 propagierte die ABB in ganzseitigen Inseraten die Abschaffung der Stempeluhren, und damit hielt der Begriff der Vertrauensarbeitszeit Einzug.» Muri erachtet den Begriff für problematisch. Seiner Meinung nach führt er Entscheidungsträger, die sich für oder gegen die Arbeitszeiterfassung entscheiden müssen, auf eine falsche Fährte. «Die Geschichte von der Stempeluhr bis zu heutigen modernen Zeiterfassungssystemen macht deutlich: Zeiterfassung war noch nie eine Frage des Vertrauens.» Vielmehr sei es immer um die Optimierung der Produktivität gegangen. Und zwar durch EXKLUSIV FÜR KV-MITGLIEDER: 4 NÄCHTE MIT HP AB CHF 414. P.P.* 4 NÄCHTE BLEIBEN, 3 NÄCHTE BEZAHLEN ü Kinder bis 12 Jahre essen und übernachten im Zimmer der Eltern kostenlos ü WLAN ist in allen Zimmern gratis ü Hoteleigener Wellnessbereich mit Solbad 33 C, Wildwasserkanal, Sauna, Dampfbad *Für Aufenthalte von Sonntag bis Donnerstag oder Montag bis Freitag schenken wir Ihnen eine Nacht, und zwar zwischen 23. und 28. Dezember 2012, 20. Januar und 8. Februar sowie 24. Februar und 29. März 2013. 4 Nächte mit Halbpension zum Preis von 3, ab CHF 414. p.p. im Doppelzimmer mit dem Code «KV Wengen» (Neubuchungen, nicht kumulierbar). Ferienverein, POSCOM Tour Operating AG, Tscharnerstr. 37, CH-3007 Bern, T +41 31 387 87 87 www.ferienverein.ch Hotel Victoria-Lauberhorn, T +41 33 856 29 29 www.hotel-victoria-lauberhorn.ch

23 Früher bekam man beim Stempeln immerhin vielleicht noch ein Lächeln von den Damen hinter der Uhr. Beat Meyer, Elektromonteur «Wir müssen stempeln. Ich finde das in Ordnung, da wir Gleitzeit arbeiten können. Wenn ich also früher Feierabend machen will, bleibe ich einfach an einem anderen Tag etwas länger. Das kommt mir sehr entgegen.» Pünktlichkeit oder durch Flexibilität. «Stempeluhren und Zeiterfassungssysteme sind dafür die logischen Führungsinstrumente», sagt Ivo Muri. Der Unternehmer hat seine Firma 1994 gegründet und beschäftigt heute 60 Mitarbeitende. Präsentismus nimmt zu Zurück zur Seco-Studie: «Der nicht gesetzeskonforme Verzicht auf die Arbeitszeiterfassung ist keine Randerscheinung, sondern betrifft einen relevanten Teil der abhängig Beschäftigten in der Schweiz», kommen die Verfasser zum Schluss. Was bedeutet das für die Angestellten? Ein Befund ist dominant: «Die Grenzen zwischen Arbeitszeit und Privatleben werden poröser, indem Beschäftigte, deren Arbeitszeit nicht erfasst wird, häufiger in ihrer Freizeit arbeiten, mehr überlange Arbeitstage haben und öfter Mehrarbeit leisten, die weder erfasst noch auf irgendeine Weise abgegolten wird.» Es werde sogar gearbeitet, wenn man krank sei, der sogenannte Präsentismus sei bei Beschäftigten, deren Arbeitszeit nicht erfasst werde, höher als in der Vergleichsgruppe. Präsentismus führt laut den Verfassern zwar kurzfristig dazu, dass die anstehende Arbeit erledigt wird, mittel- und langfristig wirke sich dies aber negativ auf die Gesundheit der Beschäftigten aus und entsprechend würden die Kosten für krankheitsbedingte Ausfallzeiten in den Unternehmen steigen. Gleichzeitig mit der Publikation der Studie hat das Seco am 11. September den Entwurf der revidierten Verordnung zum Arbeitsgesetz vorgelegt. Darin wird festgehalten, wie Arbeitgeber inskünftig Arbeits- und Ruhezeiten dokumentieren müssen. Die wichtigste Änderung ist die Einführung einer Lohngrenze: Wer jährlich mehr als 175 000 Franken brutto verdient, soll seine Arbeitszeit nicht mehr erfassen müssen. Zur Vorgeschichte dieses Vorschlags: Zwischen 2009 und 2011 fand unter der Leitung des Seco ein Pilotprojekt im Bankensektor statt. Die Projektgruppe sollte nach Lösungen suchen,

Publireportage Publireportage 24 Berufsbegleitendes Nachdiplomstudium MAS FHO Software Engineering Dossier Arbeitszeit Das Nachdiplomstudium MAS FHO in Software Engineering geht weit über einen «fresh -up» hinaus, indem aktuelle Grundlagen vermittelt und moderne Technologien angewendet werden. Wettbewerbsfähigkeit steigern Das in einer Grundausbildung erworbene Wissen ist insbesondere in der Informatik kurzlebig geworden. Das Nachdiplomstudium versteht sich als berufliche Weiterbildung in einem Gebiet mit schnellem Wandel. Vielleicht sind Sie als Quereinsteiger oder Quereinsteigerin bereits in der Softwareentwicklung tätig? Bei uns gewinnen Sie einen abgerundeten Überblick über den ganzen Software Engineering Prozess. Das Studium befähigt Sie, in einem Softwareprojekt in allen Phasen kompetente Arbeit zu leisten. Mit der berufsbegleitenden Weiterbildung in Software Engineering steigern Sie Ihre persönliche Wettbewerbsfähigkeit im Beruf. zusammengestellt. Das 4 Semester dauernde Nachdiplomstudium wird jährlich gestartet und inhaltlich laufend auf dem neusten Stand gehalten. Besonderer Wert wird auf den systematischen und zielgerichteten Einsatz von Software Engineering-Methoden und -Technologien in Theorie und Praxis gelegt, wie sie z. B. bei der Entwicklung von komplexen Internetapplikationen und anderen verteilten Applikationen zum Einsatz kommen. Studieren an der HSR freier, flexibler, mobiler Offenheit, Vertrauen, aber auch gegenseitige Wertschätzung, prägen das Verhältnis zwischen Studierenden und Dozierenden. Es finden regelmässig Informationsabende statt. Kommen Sie vorbei und überzeugen Sie sich. Falls Sie an Probelektionen interessiert sind, können Sie kostenlos unsere Ausbildung aus nächster Nähe kennen lernen. So haben Sie auch die Möglichkeit, mit Leuten in Kontakt zu treten, die gegenwärtig hier studieren und Ihnen von den eigenen Erfahrungen berichten werden. Sie sind sich nicht sicher, ob dies das richtige Weiterbildungsangebot für Sie ist? Gerne beraten wir Sie persönlich. Nehmen Sie Kontakt mit uns auf. Nächster Studienbeginn ist am 9. April 2013. Kontakt: Susanne Rigling Telefon +41 (0)55 222 49 22 E-Mail srigling@hsr.ch Qualität in der Lehre Die Qualität der Weiterbildung sowie der Lehrund Lernkultur an der HSR prägen das Angebot und bürgen für dessen Attraktivität. Von Profis für Profis Das Ausbildungsprogramm wird von Fachleuten aus der Hochschule und der Wirtschaft Nächster Einstieg in das Masterstudium im April 2013! Informationsveranstaltungen und Termine unter www.hsr.ch/weiterbildung Das Weiterbildungsangebot MAS Software Engineering richtet sich an Personen, die sich mit professioneller Software Entwicklung, deren Design und Architektur befassen. Werden Sie Expertin oder Experte für «State-of-the-art» Methoden und Technologien Das Studium befähigt die Teilnehmenden Softwareprojekte von der Inception- bis in die Transition-Phase kompetent zu bearbeiten. Ziel ist das Anwendenkönnen. Der Masterstudiengang richtet sich an Hochschulabsolventinnen und -absolventen, die in der Softwareentwicklung tätig sind. Zugelassen werden auch ausgewiesene Berufspraktiker mit mehrjähriger Berufserfahrung. Viele Studierende dieser Ausbildung haben ursprünglich nicht Informatik studiert, sind aber in der Softwareentwicklung tätig und möchten ihr Know-How professionalisieren oder planen den nächsten Karriereschritt. Das Nachdiplomstudium wird modular angeboten. Es kann komplett (MAS) oder in Teilen (CAS/DAS) gebucht werden. Es vermittelt Ihnen «State-of-the-art» Methoden und Technologien in Theorie und Paxis. Profis haben nie ausgelernt. Informieren Sie sich jetzt! Abschluss Studiendauer MAS Master of Advanced Studies 2,5 Jahre inkl. Masterarbeit 3 Zertifikatskurse à 200 h Masterarbeit à 400 h Selbststudium ca. 10 h pro Woche Unterrichtszeit Dienstag und Donnerstag 17.15 21.50 Uhr Studienort Beginn 9. April 2013 HSR Hochschule für Technik Rapperswil Informationen www.hsr.ch/weiterbildung Auskünfte T +41 (0)55 222 49 22 srigling@hsr.ch

die dem Bedürfnis der Praxis nach mehr flexibler Zeiterfassung entgegen kommt. Gleichzeitig mussten der Gesundheitsschutz der Arbeitnehmenden gewährleistet und die Einhaltung des Arbeitsgesetzes durch die Vollzugsbehörden überprüfbar bleiben. Hilfloser Vorschlag des Bundes Als Ergebnis hält das Seco fest, dass die vom Gesetz festgelegten Arbeits- und Ruhezeiten wichtig sind für den Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmenden. Deren Einhaltung müsse aufmerksam überwacht werden, um bei allfälligen Überschreitungen Gegenmassnahmen ergreifen zu können. «Die Arbeitszeiterfassung liefert hierzu ein wichtiges Instrument», hält das Seco fest. Es sei aber gerechtfertigt, eine Ausnahme zu machen für Arbeitnehmende, die aufgrund ihrer Funktion über einen grossen Freiraum beim Ausüben ihrer Tätigkeit geniessen. Mehr als 175 000 Franken jährlich verdienen lediglich 4% aller Angestellten. Für die grosse Mehrheit der Arbeitnehmenden sieht der Erlassentwurf vor, dass an der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung festgehalten wird. Die Anhörung läuft bis am 30. November 2012. Die Gewerkschaften lehnen die Ausnahmeregelung mehrheitlich ab. Die Arbeitgeber verlangen eine Senkung der Einkommensgrenze. So will beispielsweise der Bankenverband die Befreiung von der Zeiterfassung bei 126 000 Franken ansetzen. Barbara Gisi vom KV Schweiz erachtet den Vorschlag des Bundes als etwas hilflos. Gefragt ist ihrer Meinung nach eine Regelung, die der flexibilisierten Arbeitswelt Rechnung trägt. Wenn ein Gesetzesartikel derart eklatant verletzt werde, sei es mit einer kosmetischen Massnahme wie sie der Bund nun vorschlägt nicht getan. Man müsse über substanziellere Änderungen nachdenken und den Fokus auf die Gruppe legen, die heute ihre Arbeitszeit nicht mehr erfasst. * Flexible Arbeitszeiten in der Schweiz. Auswertung einer repräsentativen Befragung der Schweizer Erwerbsbevölkerung. Bern 2012. Download: www.seco.admin.ch (Dokumentation/Publikation/Studien und Berichte) Therese Jäggi ist Context-Redaktorin. therese.jaeggi@kvschweiz.ch 25 Vertrauen ist gut, aber Vertrauensarbeitszeit weist viele Vorteile auf, birgt jedoch gleichzeitig viele Risiken. Die Vertrauensarbeitszeit hat Vorund Nachteile für Beschäftigte und Unternehmen. Arbeitnehmende können dank ihr zum Beispiel ihre Arbeitszeit selbstständig und individuell auf ihre Bedürfnisse angepasst einteilen. Morgenmuffel können länger schlafen, Nachteulen länger arbeiten. Wer abends etwas vor hat, kann früher gehen, verlängerte Wochenenden wie auch Home Office sind einfacher realisierbar. Das verbessert die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Zudem entfällt der Druck, immer pünktlich sein zu müssen. Die Vertrauensarbeitszeit bedeutet auch mehr Eigenverantwortung. Diese sowie das vom Arbeitgeber geäusserte Vertrauen (daher der Name des Modells) motivieren Beschäftigte und führen zu mehr Selbstbewusstsein und Arbeitszufriedenheit. Administrative Erleichterung Letztere bewirkt mehr Produktivität und Effizienz und wirkt sich positiv auf das Betriebsklima aus, was den Unternehmen zum Vorteil gereicht. Positiv für einen Betrieb ist auch, dass der administrative Aufwand, beispielsweise die Verarbeitung der Stempelkarte entfällt. Für Unternehmen bedeutet Vertrauensarbeitszeit weiter, dass flexibel auf die Auftragslage reagiert werden kann. Dies hat eine grössere Kundenorientierung zur Folge. Es muss ausserdem mit weniger Fluktuationen gerechnet werden. Denn dank dem kontinuierlichen Auf- und Abbau von Zeitguthaben können Betriebe Entlassungs- und Wiedereinstellungskosten vermeiden. Ebenso sind Folgen einer Finanz- und Wirtschaftskrise so abfederbar. Insgesamt steigern Firmen dank der Vertrauensarbeitszeit ihre Attraktivität, insbesondere für Führungskräfte. Letztere sehen sich jedoch mit neuen Anforderungen konfrontiert. Die Bedeutung hierarchischer Strukturen nimmt ab, Teamarbeit gewinnt an Bedeutung und es sind neue Führungsqualitäten gefragt. Nachteilig für Firmen ist auch, dass sie durch den Verzicht auf die Arbeitszeiterfassung ein bis anhin zentrales Kontrollinstrument aus der Hand geben. Es ist gut möglich, dass die Arbeitnehmenden das System ausnützen. Neigung zur Selbstausbeutung Dafür kontrollieren sich die Angestellten untereinander eventuell stärker und misstrauischer als bisher, was dem Arbeitsklima wieder schadet. Und es kann ein erhöhter Gruppendruck entstehen. Vertrauensarbeitszeit bedingt mehr Selbstdisziplin. Wobei nicht alle mit solch einer Freiheit umgehen können und sich eventuell überfordert fühlen. Gewisse Menschen entwickeln vielleicht gar eine Neigung zur Selbstausbeutung. Da die Arbeitszeiten eben auch auf die Arbeitslage abgestimmt werden müssen, gibt es Phasen von grosser Belastung. Zuschläge für die Mehrarbeit beziehungsweise Überstundenkompensationen entfallen dann aber und es besteht die Gefahr, dass die Arbeitsintensität und das Arbeitsvolumen ganz allgemein zunehmen. ajm Quelle: Diplomarbeit «Vertrauensarbeitszeit» (im Auftrag von Angestellte Schweiz) von Rebekka Kabay, Fachhochschule Nordwestschweiz, 2007.