Im Augenblick ist Unschuld

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Transkript:

Im Augenblick ist Unschuld Quint Buchholz im Gespräch mit Siggi Seuß über sein wiederaufgelegtes Bilderbuch von 1993, Schlaf gut, kleiner Bär Er sieht so aus und denkt so wie der Bär unserer frühen Kindheit, bevor wir ihn zerknuddelten, ihn später ins hinterste Eck der Bodenkammer warfen, um ihn schließlich in gereiften Jahren posthum der Ideologiekritik zu unterwerfen. Es ist der Teddybär aus jener Zeit, in der wir noch glaubten, genügend Abenteuer zwischen uns und dem Horizont erleben zu können. Forschungsreisen für 365 und einen Tag. Es ist der Teddybär aus jener Zeit, in der er uns bedingslos ganz allein gehörte und wir ihm. Aus der Begründung für den Luchs 83 der ZEIT für das Bilderbuch Schlaf gut, kleiner Bär von Quint Buchholz Schlaf gut, kleiner Bär wurde 1993 zum ersten Mal veröffentlicht und war damals für ein Bilderbuch ein riesiger Erfolg. Erzählen Sie etwas von der Entstehungsgeschichte dieses Buches. BUCHHOLZ: Schlaf gut, kleiner Bär ist ganz stark entstanden aus dem konkreten Erleben des Abendrituals meiner kleinen Tochter Nina. Die hab manchmal ich ins Bett gebracht und manchmal meine Frau. Es wurde jeden Abend vorgelesen. Und bei ihr war's so mehr als bei den anderen beiden Kindern -, dass es für sie schwierig war, sich in die Nacht zu begeben, sich dem Dunkel anzuvertrauen. Und ich war damals gerade beschäftigt mit einem Bilderbuch über die Nacht, das aber eine ganz andere Grundidee hatte. Da sollte viel mehr passieren, da sollte viel mehr erzählt werden, was nachts alles Tolles geschehen könnte. Bei Nina habe ich dann gesehen, dass sie eigentlich in dieser Situation ein ganz anderes Buch

braucht. Irgendetwas, das ruhig macht und das Tempo aus dem Tag nimmt. Hat sich an dieser archaischen Situation der Abendrituale inzwischen etwas verändert? Ich glaube, wir finden sie längst nicht mehr so oft wie früher. Natürlich gucken wir auch mit einer bestimmten Idealisierung auf unsere eigene Kindheit. Ob das wirklich immer so schön war oder so heimelig? Sie glauben, Kinder und Erwachsene sind heutzutage am Abend wesentlich überreizter als vor zwanzig Jahren? Das ist ein generelles Problem, nicht nur am Abend. Das geht ja den ganzen Tag so. Dass eigentlich viel zu viel da ist. Die Medien verführen mit Rafinesse, sozusagen. Da ist es natürlich schwierig, mit einer einfachen Geschichte oder mit einem selbstgesungenen Lied daherzukommen, wenn man als Konkurrenten ein Computerspiel hat, mit tollen Klängen, optischen Effekten und allem möglichen Pipapo. Aber es geht. Ist das Milieu der Geborgenheit, das in Schlaf gut, kleiner Bär anklingt, heutzutage ein aussterbendes Milieu? Ich hoffe, ehrlich gesagt, nicht, dass dieses Buch bereits unter die Abteilung Nostalgie fällt. Ich glaube, die Frage, warum gehen wir in einer gewissen Weise mit Kindern um oder welchen Einflüssen setzen wir sie aus, die hat ja oft mit anderen Sachen zu tun als mit dem, was Kindern gut tut. Was kann ein Kind gut verkraften? Was hilft ihm? Was macht es stark? Ich finde, in einem bestimmten Alter ist dieser Blick darauf wichtig, dass es Orte oder Zeiten gibt, wo die Welt in Ordnung sein darf, wo es Ruhe gibt,

wo es Geborgenheit gibt, wo nicht alles wuselt, wo man auch nicht dauernd an die Katastrophen in dieser Welt denkt, und dass dieser beruhigende Blick auch sein darf. Dafür ist dieses Buch da. Ich finde archaische Dinge in den Bildern. Dieses Licht, das vom Flur ins Zimmer leuchtet, zum Beispiel, war für mich als Kind ganz wichtig. Ich glaube, die Grundsituation der Angst hat sich nicht verändert. Nur liegen heute tausend Spielsachen mehr im Zimmer. Braucht es also heute komplexere Bilder? Eben nicht, wie man sieht. Ich denke, ich habe damals und das ist für mich eigentlich von der Situation her immer noch aktuell genau in dieser reduzierten Form erzählen wollen, die für mich das Wesentliche, das Elementare am Einschlafen beleuchtet. Ich glaube, es kommt noch etwas anderes hinzu: Dieses Problem, dass zuviel von allem da ist. Wir sind ja alle oder fast alle - damit beschäftigt, dieser Flut von Geflimmere und Gefiepse und Emails und Handy und Fernsehen und allem Herr zu werden und sind auch vom Anspruch verfolgt, dass man allem gerecht werden muss. Wo befindet sich der Teddybär Ihrer Kindheit? Er sitzt bei mir zu Hause, auf dem Regal in meinem Zimmer. Abgegriffen? Sehr abgegriffen, viel abgegriffener als der im Buch. Das Schöne ist, dass wir in den Bildern unsere eigene Einschlaf- Geschichte wiederfinden können - das Licht, das durchs

Türfenster scheint, das Zwischenlicht, das Mondlicht, das sich in den Vorhängen fängt, das Licht des frühen Morgens als würde sich vor uns eine Parallelwelt öffnen. Mir geht das auch so. Ich erlebe das sogar am Morgen noch stärker als am Abend, diesen Zauber, den dieses Wetter hat. Dann ist der Tag auch noch jung, noch unschuldig. Du wachst auf, du bist wieder neu und du kannst noch Entscheidungen treffen und du bist auch noch nicht voll von Ansprüchen, die an dir zerren. Genießen wir hier nicht eine Illusion von Unschuld? Ich weiß nicht, ob das eine Illusion ist. In dem Augenblick stimmt das ja. Im Augenblick ist Unschuld und später verliert sie sich wieder. Das geht ja auch nicht anders. Was ich dabei wichtig finde, ist, dass wir sozusagen starten mit einem Moment, wo wir bei uns sind wie der Teddy und der Junge am nächsten Morgen. Nimmt das Nachtlicht der Akkuratesse der zivilisierten Natur, die in Ihren Bildern zu finden ist, die Schärfe? Würde ich so sehen. Das ist auch ein Aspekt dieser Dämmerung oder, zum Beispiel, des Schnees, den ich oft benutze. Damit kann ich in meinen Bildern etwas reduzieren. Das heißt, wenn ich dieselbe Szenerie in einem knalligen Sonnenlicht male, dann hat das eine ganz andere Anmutung. Und deshalb suche ich mir oft Situationen, in denen sich die Natur oder die Welt schon von allein vereinfacht hat, ein bisschen. Sind die Bilder aus Schlaf gut, kleiner Bär Bilder einer untergehenden oder untergegangenen Epoche?

Ich bin ein optimistischer Mensch und insofern sag ich Nein. Ich glaube, das ist schon noch da. Und ich hoffe auch, das kommt sogar wieder mehr. Ich finde, dass es genau solche stillen, ruhigen Räume geben muss. Wo man einfach für einen Moment auch mal sagen kann: Es ist gut. Das ist auch eine Frage des richtigen Blickwinkels. Die Blickwinkel zum Aufspüren stiller Räume werden kleiner, aber wir müssen die Räume trotzdem suchen. Das ist eine Sache, an der ich lange arbeite, wo ich viel probiere und gucke: Wie entsteht eine bestimmte Harmonie die richtige Mischung aus Ruhe und Spannung? Wie ordnet man also bestimmte Dinge einander zu. Hat sich an den Grundempfindungen, die Sie beim Verfassen dieses Bilderbuchs inspirierten, etwas verändert? Ich glaube, dass ich damals zuversichtlicher war als ich es jetzt bin, was die Lage in der Welt betrifft - wenn ich das so offen sagen darf. Ich war damals auch als junger Vater, als unglaublich glücklicher und stolzer Vater, mittendrin im ganz direkten Erleben dieser Welt. Deshalb war der Blick darauf ein anderer, als er es jetzt sein kann. Der ist heute vielleicht doch ein bisschen skeptischer, obwohl ich wirklich gerne ein optimistischer Mensch bin. - Was Schlaf gut, kleiner Bär betrifft: Auch, wenn das Buch schon 1993 erschienen ist, kenne ich viele Geschichten von Kindern und Erwachsenen, die mit dem Buch eine Zeit lang sehr intensiv leben oder gelebt haben. Einige Freunde erzählten mir: Ich hab angefangen, dieses Buch vorzulesen. Jetzt muss ich es seit einem halben Jahr jeden Abend tun. Oder sie oder die Kinder können den Text schon auswendig.