2. Gewalt und Geschlecht - Männer als Täter, Frauen als Opfer?

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Transkript:

2. Gewalt und Geschlecht - Männer als Täter, Frauen als Opfer? Eine These, die sich hartnäckig in der Debatte um Gewalt, Geschlecht und Männlichkeit hält, lautet: Männer dominierten alle Formen der Gewalt - eine These, die auch von prominenten Vertretern und Vertreterinnen der Männerforschung formuliert wird: "So men predominate aeross the spectrum of violence".14 Um diese These im Folgenden überprüfen zu könoen, muss zunächst geklärt werden, was unter Gewalt eigentlich zu verstehen ist und aufweiche Weise Gewalt begrifflich und analytisch angemessen bestimmt werden kann. Schwierigkeit, Gewalt zu erkennen Viele sind heute bereit, die Gewalt zu bekämpfen, die gegen die Wehrlosen angewendet wird. Aber können sie auch die Gewalt erkennen? Einige Gewalttaten sind leicht zu erkennen. Wenn Menschen wegen der Form ihrer Nase oder der Farbe ihrer Haare mit Füßen getreten werden, dann ist die Gewalttat den meisten offenbar. Auch wenn Menschen in stickige Kerker eingesperrtwerden, sieht man Gewalt am Werk. Wir sehen aber allenthalben Menschen, die nicht weniger venmstaltet aussehen, als wenn sie mit Staklroten geschlagen worden wären, Menschen, die im Älter von 30 Jahren wie Greise aussehen, und doch ist keine Gewalt sichtbar. Menschen wohnen in Löchern jahraus,jahrein. die nichtfreundlicker sind als die Kerker, und es gibtfür sie nicht mehr Möglichkeit, aus ihnen herauszukommen als aus Kerkern. Freilich stehen keine Kerkermeister vor diesen Türen. De7jenigen, denen diese Gewalt angetan wird. sind unendlich mehr als derer. die an einem bestimmten Tag geprügelt oder in bestimmte Kerker geworfen werden. (aus: Berthold Brecht, Me-ti. Buch der Wendungen, Frankfurt am Mall: Suhrkamp, 1969, S. 39) 2.1 Gewalt als soziale Interaktion Auch weno in der Öffentlichkeit vielfach gebraucht, ist der Gewaltbegriff doch eher unbestimmt." Dies rührt nicht zuletzt daher, dass die Definition dessen, was als Gewalt gesehen wird, historisch und kulturell variabel ist. Hinzu kommt, dass der Gewaltbegriff immer politisch sowie normativ aufgeladen und stark interessensgeleitet verwendet wird. 14 15 Connoll1998: 2 GugI2006:47ff. P. Döge, Männer die ewigen Gewalttäter?, DOI 10.1007/978-3-531-19665-7_2, Springer Fachmedien Wiesbaden 2013

28 2. Gewalt und Geschlecht - Männe! als Täter, Frauen als Opfer? Um vor diesem Hintergrund im Rahmen einer Analyse von Gewalthandeln und -erleiden von Männem und Frauen den Untersuchungsfokus nicht unnötigerweise einzuschränken und zudem einen Genderbias im Hinblick aufunterschiedlich Gewaltaktivitäten zu vermeiden, sollte der Gewaltbegriffweit gefasst werden. Ausgehend von dem Umstand, dass der Mensch zugleich Lebe- und Kulturwesen ist, sollte Gewalt verstanden werden als eine Handlung mit dem Ziel, in der Auseinandersetzung um den Zugang zu und die Sicherung von Ressourcen oder zur Durchsetzung einer vermeintlich richtigen Weltanschauung einer anderen Person (oder auch einer Sache oder einem anderen Lebewesen) Schaden oder Leiden zuzufiigen - und die andere Person, das andere Wesen damit zu schwächen.!' Gewalt ist somit nicht gleichzusetzen mit Aggression, denn Aggression bedeutet zunächst nichts anderes als eine,,durchsetzungshandlung" - und eine solche kann mit oder ohne Gewalt erfolgenp In gleicher Weise müssen Gewalt und Konflikt unterschieden werden: Gewalt kann, muss aber nicht zwangsläufig die Folge eines Konflikts sein. Jeder Konflikt kann auch konstruktiv ausgetragen werden: Im Falle eines Ressourcenkonflikts könnte dies ein Kompromiss im Hinblick auf die Verteilung der Ressource sein, im Falle eines Weltanschsuungskonflikts gegenseitiges Verstehen und Respektieren. Gewalt sollte demnach nicht auf physische, körperliche Gewalt reduziert werden.!' In den Gewaltbegriff sind immer psychische, das heißt auf die Seele und den Geist eines Menschen abzielende Gewalthandlungen eingeschlossen:,,psychische Gewalt stiitzt sich auf Worte, Gebärden, Bilder, Symbole oder den Entzug von Lebensnotwendigkeiten, um Menschen durch Einschüchterung und Angst oder spezifische,belohnungen' gefiigig zu machen".!' Obwohl psychische Gewalt meist unsichtbar ist, kann sie"... bedeutend inhumaner sein als physische Gewalt".20 Besonders dentlich zeigt sich dies an den Folgen von Mobbing, das sich wiederum aus einer Vielzahl von psychischen Gewaltformen zusammensetzt. 2! 16 Daly I Wilson 2002; Kempf2000 17 Kempf2000:45 18 WHO 2002: 5ff.; Gug12006: 50ff.; Hügli 2005: 22ff. 19 Imbu,ch 2002: 38 20 Imbusch 2002: 38. Diese These wird nochmals bestätigt durch Untersuchungen von Gefangenen, bei denen keine Unterschiede in den Folgen erlittener psychischer oder physischer Folter feststellbar sind (Basoglu u.a. 2007. In der Studie wurden 279 Opfer von Folter und Gewalt aus den Bürgerkriegen im ehemaligen Jugoslawien befragt). 21 Me,chkutat u.a. 2002; BAUA 2007.,,Mobbing" bedeutet, "... dass jemand am Arbeitsplatz systematisch und über einen längeren Zeitraum schikaniert, drangsaliert, benachteiligt und ausgegrenzt wird" (BAUA 2007: 7). E, wird dsvon augegegangeo, dsss in Deut,chlsod etwa 11 % der Erwerbstätigen von Mobbing betroffen sind oder in der Vergangenheit waren (BAUA2007: 5).

2.1 Gewalt als soziale loteraktioo 29 GALTUNG unterscheidet weiterhin zwischen kultureller und struktureller Gewalt. Strukturelle Gewalt umfasst alle Gewaltformen, die aus sozialen Strukturen resultieren, wobei Ausbeutung den "Schlüsselfall struktureller Gewalt" bildet. 22 Als Gewalt versteht er dabei jede "... venneidbare Verletzung grundlegender menschlicher Bedürfnisse oder, allgemeiner ausgedrückt, des Lebens, die den realen Grad der Bedürfnisbefriedigung unter das herabsetzen, was potentiell möglich ist".23 Kulturelle Gewalt"... stellt jenen Aspekt von Kultur dar, der die Ausübung struktureller und direkter Gewalt legitimiert".24 Tabelle 1: Gewaltarten, Gewaltorte und Gewaltursachen Gewaltursachen Ressourcenkon:ftikt I ~eltanschauungskonflikt Gewaltarten getreten, gebissen, gestoßen, geobrfeigt; Gewalton. mit etwas beworfen oder mit der flachen Hand Nahraum physiscbe Gewalt geschlagen; (Erziehungsgewalt, psychiscbe Gewalt mit den Fäusten geprügelt. zusammemwhlagen. Beziehungsgewalt, mit einer Waffe bedroht, mit einer Waffe ver- Familiale Gewalt) kolturelle Gewalt letzt; strukturelle Gewalt zu sexuellen Handlungen gezwungen; Fcrnraum beleidigt, beschimpft, angeschrieen; (Gewalt gegeo in Handlungen und Aktivitäten kontrolliert;,,fremde") verfolgt, bedrängt Gewalt in diesem weiten Verständnis besitzt unterschiedliche Formen, sie findet sich zudem an unterschiedlichen Orten des sozialen Raums. Grob unterscheiden lassen sich diese in Orte des sozialen Nahraums (Familie, Partnerschaft) und Orte des so genannten öffentlichen Raums. Insgesamt ergibt sich damit eine Matrix der Gewaltarten und Gewaltorte, in die wiederum die Items der MÄNNERSTUDm entsprechend eingebettet sind und die die konzeptionelle Grundlage der vorliegenden Sonderauswertong bildet (Tabelle 1). 22 Gattung 1998: 347 23 Gattung 1998: 343 24 Gattung 1998: 341

30 2. Gewalt und Geschlecht - Männe! als Täter, Frauen als Opfer? 2.2 Männer und Frauen als Täter Schaut man sich ausgehend von diesen Überlegungen zum Gewaltbegriff nun die Daten der MÄNNERSTUDIE an, wird die Unhaltbarkeit der These CoNNELLS, die sich auch in weiten Teile der feministischen Gewaltforschung findet, mehr als deutlich: 34,5% der Männer, aber auch 30% der Frauen geben an, im Zeitraum von einem Jahr eine Gewalthandlung gegen eine andere Person ausgeübt zu haben (Abb. I)." Abbildung 1: Täter und Täterinnen (Anteile an Gesamtstichprobe in %) 35 33 ;f. 32.!: 31 30 29 34 +-------- 28 Insgesamt Männer Frauen Wie erwartet zeigen sich in den Gewaltmustern dann allerdings deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede (Abb. 2): Männer dominieren bei der starken körperlichen (121_3) und sexualisierten Gewalt (121_4), Frauen dominieren die verbalen Gewaltformen (121_5) sowie die Kontrollgewalt (121_6). 25 Die Frage der Ml.NNERs11JDIE lautete:,,haben Sie im letzten Jahr mit einer Person folgendes gemacht..!". Als "Täter" werden imfolgenden Männer und Frauen definiert, die mindestens bei einer der aufgefiihrten Gewa1thandlungen eine positive Nennung abgegeben haben. Gleichermaßen gilt als "Opfer", wer von mindestens einer der aufgeführten Gewalthandlungen betroffen ist

2.2 Männer und Frauen als Täter 31 Abbildung 2: Ausgeübte Gewaltarten - geschlechts spezifische Unterschiede Haben Sie im letzten Jahr mit einer Person folgendes gemacht... 1 121J.r==,==r o 5 10 15 20 25 Anteile an den Nennungen 30 35 121_1 = getreten, gebissen, gestoßen, geohrfeigt; 121_2 = mit etwas beworfen oder mit der :flachen Hand geschlagen; 121_3 = mit den Fäusten geprügelt, zusammenschlagen, mit einer Waffe bedroht, mit einer Waffe verletzt; 121_4 = zu sexuellen Handlungen gezwungen; 121_ 5 ~ beleidigt, beschimpft, angeschrieen; 121_6 = in Handlungen und Aktivitäten kontrolliert; 121_7 ~ verfolgt, bedringt Von Bedeutung ist jedoch weiterhin, dass sich die männlichen und weiblichen Täterlnnen im Hinblick auf die Ausübung leichterer physischer Gewaltarten kaum unterscheiden: rund 16% der Täter und 15% der Täterinnen haben im vergangenen Jahr eine Person "getreten, gestoßen, gebissen, gekratzt oder geohrfeigt" (121_1), 13% der Täterinnen und Täter eine Person,,mit etwas beworfen oder mit der flachen Hand geschlagen" (121_2). Frauen üben also keineswegs ausschließlich psychische Gewalt aus. Diese Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Gewalthandeln von Frauen und Männern werden noch einmal dentlicher, wenn jeweils die Anteilswerte einander gegenübergestellt werden (Abb. 3).

32 2. Gewalt und Geschlecht - Männe! als Täter, Frauen als Opfer? Abbildung 3: Unterschiede im Gewalthandeln zwischen Männem und Frauen 121 7 I 3,5 121 6-5,6 121 _5 I -9,8 121_4 4,7 121_3 ~ 5,3 121_2 10,1 121-1 Q 1,3-15 -10-5 0 5 10 Prozentpunkte (negativer Wert = Frauen aktiver als Männer. positiver Wert = Minner aktiver als Frauen) 121_1 - getreten, gebissen, gestoßen, geohrfeigt; 121_2 - mit etwas beworfen oder mit der ßacben Hand geschlagen; 12C3 - mit den Fäusten geprügelt, zusammenschlagen, mit einer Waffe bedroht, mit einer Waffe verletzt; 121_4 - zu sexuellen Handlungen gezwungen; 121_5 - beleidigt, beschimpft, angeschrieen; 121_ 6 ~ in Handlungen und Aktivitäten kontrolliert; 121_7 ~ verfolgt, bedrängt Das Gewalthandeln von Frauen und Männern richtet sich dabei keinesfalls nur gegen den jeweiligen Partner I die jeweilige Partnerin (Abb. 4). Die Zielpersonen von Gewalthandlungen sind vielmehr auch die eigenen Kinder, Verwandte und Fremde. In etwa zu gleichen Anteilen zielt das Gewalthandeln bei beiden Geschlechtem jeweils gegen den Partner I die Partnerin: 23,5% der Männer nennen die Partnerin und rund 25% der Frauen den Partner als Zielperson. Allerdings richtet sich das Gewalthandeln der Männer - dazu gehören Männer aller Altersstufen - stärker als das der Frauen gegen die Eltern, dabei vor allem gegen den Vater (Differenz Männer-Frauen 5,9 Prozentpunkte), weniger gegen die Mutter (Differenz Männer-Frauen 1,5 Prozentpunkte). Weibliches Gewalthandeln zielt demgegenüber stärker als das der Männer gegen die Kinder, wobei die Anteils-Differenz bei der Tochter mit fast 6 Prozentpunkten höher ist als beim Sohn. Weibliches Gewalthandeln richtet sich anscheinend auch stärker gegen Verwandte, männliches dagegen stärker gegen Fremde.

2.2 Männer und Frauen als Täter 33 Abbildung 4: Gewalthandeln Männer und Frauen - Zielpersonen 35 30+-----------------~u 25 20 15 10 5 o.~< qj. </.",<1>. ~~.I" / Bei beiden Geschlechtern bestimmen allgemein die seltenen Häufigkeiten das Gewalthandeln, wobei eine geringe Häufigkeit bei den Männern noch stärker ausgeprägt zu sein scheint, als bei den Frauen (Abb. 5). Abbildung 5: Gewalthandeln Männer und Frauen - Häufigkeiten 35 30 ry~~~~~--~~--------~~~-1 25 20 * 15 10 5 o 1x 2-3x 4-10x 11l-20x 21l-40x >4Ox Jeweils Anteile an den Nennungen

34 2. Gewalt und Geschlecht - Männe! als Täter, Frauen als Opfer? Frauen finden sich öfter als Männer bei den stärkeren Häufigkeiten - und vor allem in der Gruppe der sehr hohen Häufigkeitswerte. Um jedoch eioe Fehlinterpretation dieser Daten zu venneiden, soll an dieser Stelle nochmals betont werden, dass es sich bei den an dieser Stelle berücksichtigten Gewaltakten nicht nur um Gewalthandeln gegen Familienmitglieder, sondern auch gegen Fremde handeln ksnn. Tabelle 2 Gewalthandeln der Männer - Gewaltaktivitäten und Häufigkeiten 121 1 121 2 121 3 121 4 121 5 121 6 121 7 Ix 34,9 34,2 36,0 28,8 22,5 23,7 34,2 2-3x 32,8 27,0 24,0 21,6 36,4 29,5 22,5 4-1Ox 19,0 20,4 18,4 26,1 18,2 22,2 18,0 1O-2Ox 7,4 15,1 14,4 16,2 14,2 12,1 17,1 20-4Ox 4,8 3,3 6,4 6,3 4,7 5,8 5,4 >4Ox 1,1 0,0 0,8 0,9 4,0 6,8 2,7 Legende: 121_1 = getreten, gebissen, gestoßen, geohrfeigt; 121_2 = mit etwas beworfen oder mit der flachen Hand geschlagen; 121_3 = mit den Fäusten geprügelt, zusammenschlagen, mit einer Waffe bedroht, mit einer Waffe verletzt; 121_4 = zu sexuellen Handlungen gezwungen; 121_5 = beleidigt, beschimpft, angeschrieen; 121_6 = in Handlungen und Aktivitäten kontrolliert; 121 7 ~ verfolgt, bedrängt Die Dominanz der geriogen Häufigkeiten zeigt sich im Gewalthandeln der Männer über alle Gewaltformen hioweg (Tabelle 2) ganz hohen Häufigkeiten (>40x) finden sich bei der verbalen Gewalt (121_5) und der Kontrollgewalt (121_6). Gut eio Fünftel der Gewalthandlungen im Bereich der schweren körperlichen Gewalt (121_3) und der sexualisierten Gewalt (121_4) werden jedoch mehr als zehnmal ausgeführt - wobei sich diese Handlungen allerdings nicht nur gegen die eigene Partnerio richten müssen. In der Tendenz findet sich bei den gewaltaktiven Frauen bei den hohen Häufigkeiten (>20x) im Hioblick auf sexualisierte (121_4) und schwere körperliche Gewalt (121_3) eio weitgehend identisches Gewaltmuster, demgegenüber wird Kontrollgewalt (121_6) deutlich öfter von Frauen ausgeübt zu werden als von Männern. Zusammenfassend ksnn vor dern Hiotergrund dieser ersten Befunde die These, Männer dominierten alle Formen von Gewalt, keioeswegs bestätigt werden.

2.3 Männer und Frauen als Opfer von Gewalt 35 Männer und Frauen weisen zwar Differenzen im Hinblick auf die Art der Gewaltaktivitäten auf, wobei jedoch auch Frauen physische Gewaltformen ausüben. Allerdings domioieren Männer die starken physischen Gewalthandlungen, was wiederum zu eioer Verzerrung der Gewaltaktivität von Männem io der Öffentlichkeit fiihren kann, wenn eio enger Gewaltbegriffzugrunde gelegt wird." Wenn Frauen und Männer etwa zu gleichen Teilen Täter siod, stellt sich die Frage, ob sie dann nicht auch zu gleichen Teilen Opfer von Gewalthandlungen seio müssen. 2.3 Männer und Frauen als Opfer von Gewalt Die dichotome Unterscheidung von männlichem Täter und weiblichem Opfer bildet nach wie vor eioe grundlegende Denkfigur io der Diskussion um Gewalt im Geschlechterverhältnis. Unterstellt wird, dass Frauen von Gewalt - iosbesondere häuslicher Gewalt - stärker betroffen seien als Männer. Demgegenüber wird seit Jahren jedoch zunehmend männliche Opferschaft diskutiert." In diesem Zusammenhang macht eio Blick auf die POUZEILICHE KRIMINALSTATISTIK (PKS) deutlich, dass Männer die überwiegenden Opfer vor allem von schwerer körperlicher Gewalt darstellen. Gemäß PKS 2008 waren 75% der Opfer schwerer Körperverletzung männlich." Abbildung 6: 50 Gewalterleiden Männer und Frauen - Opfer 40 ";/I. 30.5 20 10 o Frauen Männer Insgesamt Anteile an Gesamtstichprobe 26 Mills 2003: 78f. 27 BMFSFJ 2004. 28 BKA2007: 151

36 2. Gewalt und Geschlecht - Männe! als Täter, Frauen als Opfer? Männer sind aber nicht nur Opfer starker körperlicher Gewalt, sondern - wie auch schon die Pilotstudie zur Männergewalt zeigte - von allen Gewaltfonnen. 29 Abbildung 7: Gewalterleiden Männer - Frauen - erlittene Gewaltarten Haben Sie im vergangenen Jahr Folgendes schon einmal er1ebt? Sind Sie im letzten Jahr von'... worden? 119J 119_6 119_5... 119_4.5 119_3 119_2 o 10 20 30 40 Anteile an Nennungen 119_1 = getreten, gebissen, gestoßen, geohrfeigt; 119_2 = mit etwas beworfen oder mit der flachen Hand geschlagen; 119_3 = mit den Fäusten geprügelt, zusammenschlagen, mit einer Waffe bedroht, mit einer Waffe verletzt; 119_4 = zu sexuellen Handlungen gezwtdlgen; 119_5 = beleidigt, beschimpft, angeschrieen; 119_6 = in Handlungen und Aktivitäten kontrolliert; 119_7 - verfolgt, bedrängt Demgemäss sind 45% der in der MÄNNERSTUDm befragten Männer und 41 % der Frauen Opfer von Gewalthandlungen. Der Wert der weiblichen Betroffenheit deckt sich dabei fast genau mit dem Ergebnis der Frauengewaltstudie des BMFSFJ aus dem Jahr 2004, der zufolge 40% der Frauen Opfer einer Gewalthandlung waren (Abb. 7): Frauen erleiden stärker als Männer verbale (119_5) und Kontrollgewalt 29 BMFSFJ 2004.

2.3 Männer und Frauen als Opfer von Gewalt 37 (119_6), Männer stärker als Frauen starke körperliche Gewalt (119_3) (Abb. 8). Von Bedeutung an den Daten der MÄNNERSTUDIE im Hinblick auf das Gewalterleiden ist drbei, dass Männer etwas häufiger als Frauen angeben, Opfer sexualisierter Gewalt (119_4) zu sein. Die Differenz bei der sexualisierten Gewalt (119_4) liegt bei einem positiven Wert von 1,2 Prozentpunkte. Männer sind also stärker betroffen als Frauen. Beachtet werden sollte drbei, dass sexualisierte Gewalt gegen Männer nicht nur durch Frauen ausgeübt wird. Abbildung 8: Erlittene Gewalt - geschlechtsspezifische Unterschiede 119 7 2 i 119_6-5,5 I I i 119_5-6,5 ~ 119_4 )-1,2 119_3 5,7 = 119_2 1,5 119_1 1,8 Prozentpunkte (Positiver Wert MAnner stärker betroi'fen 0 2 4 6 8 Negativer Wert = Frauen stärker betroffen) Bedeutsam erscheint auch, drss die befragten Männer stärker als die Frauen von Verfolgen und Bedrängen betroffen sind (119_7). Männer erleiden Gewalt jedoch nicht nur von anderen Männem, sondern in einem nicht unerheblichen Maße durch die eigene Partnerin (19,8%) (Abb. 9). Dabei zeigt sich auch hier wiederum eine in etwa gleich hohe Betroffenheit bei den Frauen: 20,9% der Frauen geben an, von ihrem Partner Gewalt erlitten zu haben. Männer - in diesem Fall wohl die Söhne - erfahren Gewalt von Frauen insbesondere seitens der Mutter (12,3%), wobei hier der Anteilswert der Nennungen sogar etwas höher liegt als der beim Vater (11,5%). Auch Frauen - in diesem Falle wohl die Töchter - erleiden Gewalt häufiger von der Mutter als vom Vater (8,7% zu 6,8%), während Männer- in diesem Falle wohl der Vater- eher Gewalt vom Sohn

http://www.springer.com/978-3-531-19664-0