Lösungsskizze zur 3. Klausur

Ähnliche Dokumente
1.Teil Einführung 1 l. A. Überblick 6 2

Aufbau von Delikten im Strafrecht AT II

Universität Heidelberg Besprechungsfall 8 Wintersemester 2014/15

Universität Heidelberg Lösung 1. Klausur Sommersemester 2014 Prof. Dr. Gerhard Dannecker Übung im Strafrecht für Fortgeschrittene

I. Versuchter schwerer Raub, 249 I, 250 II Nr. 1, 22, 23 I StGB

Universität Heidelberg Besprechungsfall 3 Sommersemester 2014

Lösungsskizze Fall 3

3. Unterlassen einer zur Erfolgsabwehr geeigneten und möglichen Handlung

Universität Heidelberg Besprechungsfall 2 Sommersemester 2015

BGH, Urteil vom 18. Mai 1993, BGH NStZ 1993, 489 Falscher Zeuge

Examensklausurenkurs Klausur vom

2. Alt. Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination. konkretes Gefährdungsdelikt als Vorsatz-Vorsatz-Kombination

UE Straf- und Strafverfahrensrecht SS Klausur. Hubert Hinterhofer

Prüfungsaufbau des 216

Universität Heidelberg Lösung 1. Klausur Sommersemester Lösungsskizze

Thematik: Unmittelbares Ansetzen beim Unterlassungsdelikt. Materialien: Arbeitsblatt Examinatorium AT Nr. 2

Universität Heidelberg Besprechungsfall 1 Sommersemester 2014

Strafrecht. Strafrecht AT 9 Sitzungen Strafrecht BT 11 Sitzungen Stpo: 2 Sitzungen. Strafrecht AT

Strafrecht. Eine Einführung für die. Schulung des kommunalen Ordnungsdienstes der Stadt Kiel. Die gezeigten PowerPoint Folien

Anwendungskurs Strafrecht Allgemeiner Teil II und Eigentumsdelikte. SoSe Fall 2: Lösungsskizze -

Prof. Dr. Sabine Gless FS 2009 Klausurenkurs

Inhaltsverzeichnis Strafrecht BT 1. Inhaltsverzeichnis

Verhältnis Mord und Totschlag. Lösungshinweise Fall 1a

Inhaltsverzeichnis. Tötungsdelikte

Lösungshinweise zu den Straftaten gegen das Leben (2)

Jura Online - Fall: Latino Liebe - Lösung

Begehungsdelikt Teil 1 (TB)

Basiswissen Strafrecht Allgemeiner Teil

Besprechungsfall 5 Lösungshinweise. Heimtücke (+), sowohl in feindlicher Willensrichtung als auch besonders verwerflicher Vertrauensbruch.

BGH, Beschluss vom 6. Mai 1964, BGHSt 19, 305 Fahrerwechsel

schnell und portofrei erhältlich bei

Fall 4. Indem R dem J mit dem Baseballschläger hart auf den Kopf schlug, könnte sie sich wegen Totschlags gemäß 212 Abs.1 StGB strafbar gemacht haben.

BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 1990, NStZ 1990, 537 1,1 Promille-Grenze

Fälle zum Strafrecht für Fortgeschrittene

2. Klausur / Feuer nach dem Feuerwerk

VOLLENDETES VORSÄTZLICHES BEGEHUNGSDELIKT I. TATBESTAND. Vorsatz hinsichtlich aller Umstände des objektiven Tatbestands ( 5 StGB) II.

jeder Fahrlässigkeitstat =

Lösungshinweise zu den Straftaten gegen das Leben (2)

Lösung Fall 1: Rivalitäten. L ö s u n g s s k i z z e

Straftaten gegen das Leben III Verhältnis Mord und Totschlag. Lösung Fall 1a

Examensklausurenkurs Klausur vom 8. November 2017

I. Versuchter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, 315 b Abs. 1, Abs. 2, 22 StGB

Examensklausurenkurs Klausur am

BGH v StR 529/74 BGHSt 26, 35 ( Gastwirt- Fall )

BGH, Urteil vom 11. Dezember 2003, BGHSt 49, 34 Heroin

Konversatorium Strafrecht IV Vermögensdelikte

A. Tatkomplex 1: Das Täuschungsmanöver gegenüber der Mutter - Strafbarkeit des A

Examensklausurenkurs. Lösungshinweise Strafrecht, 9. Klausur vom

Klausur Viel Spreu, wenig Weizen

Klausurenkurs im Strafrecht Lösungshinweise zur Klausur vom Diana Thörnich Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Prof. Dr. Mark A.

Fall Tatkomplex: Das Geschehen rund um den Unfall. A. Strafbarkeit des U wegen Totschlags gem. 212 Abs. 1 StGB durch Anfahren des X

1. Teil: Die Fahrt zur Wohnung der G

Stress in der Schule

SP7: Strafrechtspraxis II Materielles Strafrecht Aufbau der StPO

Konversatorium zum Grundkurs Strafrecht IV

Lösungsskizze Fall 10

9: Aussetzung ( 221 StGB)

Staatsanwaltschaft erwirkt Haftbefehl gegen den Unfallverursacher

Vorlesungsbegleitende Arbeitsgemeinschaft im Strafrecht für das 1. Semester (WS 11/12) Wiss. Mit. Jürgen Telke

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

BGH, Beschl. v. 26. November 1970, BGHSt 24, 31 Verkehrsunfall

Klausur Strafrecht AT Sabine Gless

Die Grundlagen: Kausalität, Vorsatz und deliktsspezifische Absichten der strafrechtliche Deliktsaufbau. Fall 1: Doofgelaufen 14

Lösungshinweise. Teil B Grundfall L (Strafrecht 1) 1. Materielles Recht

5 IX: Beteiligung an einer Schlägerei ( 231)

Universität Heidelberg Besprechungsfall 2 Wintersemester 2014/15. Lösungsskizze

A: Strafbarkeit der N

I. 212 I StGB T könnte sich gem. 212 I StGB des Totschlags an O strafbar gemacht haben, indem er auf diesen geschossen hat.

Strassenverkehrsrecht

Fall 2 Lösung des 2. Falles zur Täterschaft/Teilnahme (Anstiftung, Beihilfe, 28 II); ausnahmsweise ausformuliert

Strafrecht IV. Aussagedelikte. Prof. Dr. D. Klesczewski

35. Jg Klausur Modul 5 ST/SP/ER. 1. Teil: StrafR

Täterschaft und Teilnahme. Dualistischer Aufbau

Anwendungskurs: Strafrecht Allgemeiner Teil II und Eigentumsdelikte

Tatkomplex A: Die Niederschrift Strafbarkeit des R. I. Rechtsbeugung, 339 StGB (+/-) Verstoß gegen formelles Recht: 275 StPO

Strafrecht V. Aussagedelikte, Strafvereitelung. Prof. Dr. D. Klesczewski

A vergiftet B mit 1/2 Dosis Gift (Handlung 1). B stirbt am Gift (Erfolg).

Lösungsvorschlag Fall 1

Beteiligungslehre II. PD Dr. Peter Rackow Wintersemester 2008 / 2009

SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/ Wahlperiode des Abgeordneten Dr. Patrick Breyer (PIRATEN)

BGH, Beschluss vom 18. November 1969, BGHSt 23, 156 Schläfrigkeit

1. Versuchter Mord/Totschlag, 211, 212, 22 StGB ( - )

BGH, Urteil vom 19. Juli 1973, BGHSt 25, 218 Normalfahrer

Gliederung. I. Strafbarkeit des B, C und D nach 242 I, 243 I Nr. 2, Nr. 3, 25 II StGB

Lösungsskizze zum Probeexamen vom Besprechung am

Verantwortung und Haftung des Koordinators insbesondere unter dem Aspekt der Regressnahme

Übung Strafrecht WS 2012/ 2013 Lösungshinweise Übungsfall 3

Würzburger Woche an der April Dipl. Jur. Christopher Jones, Europajurist (Universität Würzburg)

Lösungsskizze Fall 3

obj Tatsubj: Zeuge / SV Zuständige Stelle Tathandlung: Falsche Aussage, die der Wahrheitspflicht unterliegt, abgeschlossen subj: Vorsatz Rw Schuld

Eröffnung des Anwendungsbereiches bei 315 ff.

A. Strafbarkeit wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB durch Schlagen des L mit der Tüte

13: Körperverletzung mit Todesfolge ( 227 StGB)

Transkript:

Lösungsskizze zur 3. Klausur 1. Wie hat sich M am Unfalltag strafbar gemacht? Erster Tatkomplex: Fahrt bis zum Unfall (1) Vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs, 315c I Nr. 1a, III Nr. 1 StGB Objektiver Tatbestand: M führt im Straßenverkehr ein Fahrzeug. Alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit ist laut Sachverhalt gegeben. Konkrete Gefährdung unproblematisch, da O nicht nur verletzt wird sondern verstirbt. Keine konkrete Gefährdung deshalb, weil F bei dem absolut fahruntüchtigen M mitfährt. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz hinsichtlich der Tathandlung liegt vor; M erkennt seine Fahruntüchtigkeit. Aber kein Vorsatz, sondern nur Fahrlässigkeit (Eintritt der Gefahr war vorhersehbar und vermeidbar) hinsichtlich der konkreten Gefährdung (= Erfolg), weshalb nur Abs. 3 Nr. 1 erfüllt ist (aufgrund der Vorsatz Fahrlässigkeits Kombination liegt nach 11 II StGB eine vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs vor). Schuld: Die Alkoholisierung von 1,54 Promille bedingt noch keine verminderte Schuldfähigkeitnach 21 StGB. (2) Vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr, 316 I StGB Tritt im Wege der der Gesetzeskonkurrenz (ausdrücklich angeordnete Subsidiarität) hinter 315c zurück. (3) Fahrlässige Tötung, 222 StGB Unproblematisch gegeben (4) Fahrlässige Körperverletzung, 229 StGB Unproblematisch gegeben, tritt aber hinter 222 StGB im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurück. Zweiter Tatkomplex: Verlassen des Unfallorts 1

(1) Totschlag durch Unterlassen; 212, 13 StGB Es fehlt an Vorsatz. (2) Aussetzung mit Todesfolge, 221 I, III StGB M hat eine hilflose Person verlassen. Gefährdung liegt infolge der Lebensgefährdung vor. Die besondere Pflichtenstellung ist gegeben, weil der Täter Garant dafür ist, dass der Verlassene nicht in Lebensgefahr gerät. Vorsatz mit Blick auf die Gefährdung ist gegeben. Abs. 3 erfordert nach 18 StGB mindestens Fahrlässigkeit. Die Sorgfaltspflichtverletzung folgt bei diesem erfolgsqualifizierten Delikts schon aus der Verwirklichung des Grundtatbestands. Der Erfolg war auch vorhersehbar; denn bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte M erkennen können, dass das Verlassen des O zu seinem Tod führen könnte. (3) Fahrlässige Tötung durch Unterlassen; 222, 13 ; insgesamt liegt neben dem positiven Tun und Unterlassen nur eine fahrlässige Tötung vor. (4) Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen, 227, 13 Die erforderliche vorsätzliche Körperverletzung liegt nicht schon im Anfahren (kein Vorsatz), sondern im Liegenlassen des Verletzten als Steigern eines pathologischen Zustands. Garantenstellung aus Ingerenz. Vorsatz gegeben mit Blick auf Körperverletzung und Garantenstellung. Zurechnung der Todesfolge nach 18 StGB (5) Unterlassene Hilfeleistung, 323c StGB Liegt tatbestandlich vor, tritt aber hinter 221 III StGB zurück. (6) Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, 142 I Nr. 2 StGB. (7) Vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr, 316 I StGB 2. Wie haben sich F, M und G wegen der Aussagen vor Gericht strafbar gemacht? 2

(1) Strafbarkeit der F Falsche uneidliche Aussage, 153 StGB F gibt vorsätzlich vor Gericht Unwahres an; die Tat ist vollendet, weil die Aussage abgeschlossen ist. Die Berichtigung gewinnt nur im Rahmen von 158 StGB Bedeutung. Aussagenotstand, 157 StGB, ist gegeben. Versuchte Strafvereitelung, 22, 258 I, IV, VI StGB Keine Vollendung: M wird seiner Tat gemäß verurteilt; die zunächst falsche Aussage der F hat die Bestrafung auch nicht für eine geraume Zeit vereitelt. Strafbarkeit des Versuchs: 258 IV StGB. Tatentschluss wie unmittelbares Ansetzen liegen vor. Rücktritt vom beendeten Versuch: F hat durch Berichtigung ihrer Aussage die Vollendung verhindert; Freiwilligkeit liegt vor. Persönlicher Strafausschließungsgrund: 258 VI StGB ist gegeben (kann auch vor dem Rücktritt geprüft werden). (2) Strafbarkeit des M Anstiftung zur falschen uneidlichen Aussage, 153, 26 StGB Vorsätzliche rechtswidrige Haupttat der F liegt vor. Aber kein Bestimmen, weil F bereits zur Tat entschlossen war (omnimodo facturus). Versuchte Anstiftung zur falschen uneidlichen Aussage, 153, 159 StGB Beihilfe zur falschen uneidlichen Aussage, 153, 27 StGB ( 157 StGB gilt nicht für den Teilnehmer, da er sich nicht in der vom Gesetz vorausgesetzten Zwangslage befindet). Konkurrenzen: Das Verhältnis von versuchter Anstiftung und psychischer Beihilfe ist umstritten. Die wohl herrschende Meinung gibt der Beihilfe am vollendeten Delikt im Vorrang; vertretbar ist aber auch Idealkonkurrenz oder auch die Beihilfe als subsidiär zurücktreten zu lassen. 3

Strafbarkeit des G Anstiftung zur falschen uneidlichen Aussage, 153, 26 StGB Wie bei M Versuchte Anstiftung zur falschen uneidlichen Aussage, 153, 159 StGB Versuchte Strafvereitelung, 22, 258 I, IV, VI StGB Wie bei F 3. Trifft die Ansicht von M zu, dass man ihn wegen des schwereren Delikts nicht hätte verurteilen dürfen, weil es nicht in der Anklageschrift genannt war, und dass die Staatsanwaltschaft eine neue Anklage hätte erheben müssen? Nein. Das Gericht ist in der rechtlichen Würdigung der angeklagten Tat im prozessualen Sinn frei. Eine neue Anklage war also nicht erforderlich. Lediglich war auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts nach 265 StPO hinzuweisen. Der Hinweis, es komme "ein Verbrechen" in Betracht, genügt für den erforderlichen Hinweis nicht. 4. War das Schöffengericht zur Entscheidung sachlich zuständig? Welches Gericht wäre gegebenenfalls sachlich zuständig gewesen? M hat sich der Aussetzung mit Todesfolge und der Körperverletzung mit Todesfolge schuldig gemacht. Sachlich zuständig war deshalb nach 74 II Nr. 7, 8 GVG die Strafkammer beim Landgericht. Seine Rechtsfolgenkompetenz hat das AG Schöffengericht nicht überschritten, 24 II GVG. 5. Was hätte das Gericht tun müssen, als sich abzeichnete, dass M ein Verbrechen begangen haben könnte? Da ein Gericht höherer Ordnung sachlich zuständig war, hätte das Schöffengericht nach 270 I StPO die Sache durch Beschluss an die zuständige Strafkammer verweisen müssen. 6. Kann die Staatsanwaltschaft gegen das Urteil Revision einlegen, wenn der Staatsanwalt in seinem Plädoyer drei Jahre Freiheitsstrafe beantragt hätte? Mit 4

welcher Begründung kann sie das gegebenenfalls tun? Die Staatsanwaltschaft kann auch zu Gunsten des Angeklagten Revision einlegen, 296 I, II StPO. Mit der Revision kann die Staatsanwaltschaft rügen, dass das Gericht sachlich unzuständig war, 338 Nr. 4 StPO. Nicht gerügt werden kann, dass das Gericht über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinausgegangen ist. Das Gericht ist weder bei der rechtlichen Einordnung der Tat noch in seiner Rechtsfolgenentscheidung durch den Antrag der Staatsanwaltschaft beschränkt. 5