Lösungsskizze zur 3. Klausur 1. Wie hat sich M am Unfalltag strafbar gemacht? Erster Tatkomplex: Fahrt bis zum Unfall (1) Vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs, 315c I Nr. 1a, III Nr. 1 StGB Objektiver Tatbestand: M führt im Straßenverkehr ein Fahrzeug. Alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit ist laut Sachverhalt gegeben. Konkrete Gefährdung unproblematisch, da O nicht nur verletzt wird sondern verstirbt. Keine konkrete Gefährdung deshalb, weil F bei dem absolut fahruntüchtigen M mitfährt. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz hinsichtlich der Tathandlung liegt vor; M erkennt seine Fahruntüchtigkeit. Aber kein Vorsatz, sondern nur Fahrlässigkeit (Eintritt der Gefahr war vorhersehbar und vermeidbar) hinsichtlich der konkreten Gefährdung (= Erfolg), weshalb nur Abs. 3 Nr. 1 erfüllt ist (aufgrund der Vorsatz Fahrlässigkeits Kombination liegt nach 11 II StGB eine vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs vor). Schuld: Die Alkoholisierung von 1,54 Promille bedingt noch keine verminderte Schuldfähigkeitnach 21 StGB. (2) Vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr, 316 I StGB Tritt im Wege der der Gesetzeskonkurrenz (ausdrücklich angeordnete Subsidiarität) hinter 315c zurück. (3) Fahrlässige Tötung, 222 StGB Unproblematisch gegeben (4) Fahrlässige Körperverletzung, 229 StGB Unproblematisch gegeben, tritt aber hinter 222 StGB im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurück. Zweiter Tatkomplex: Verlassen des Unfallorts 1
(1) Totschlag durch Unterlassen; 212, 13 StGB Es fehlt an Vorsatz. (2) Aussetzung mit Todesfolge, 221 I, III StGB M hat eine hilflose Person verlassen. Gefährdung liegt infolge der Lebensgefährdung vor. Die besondere Pflichtenstellung ist gegeben, weil der Täter Garant dafür ist, dass der Verlassene nicht in Lebensgefahr gerät. Vorsatz mit Blick auf die Gefährdung ist gegeben. Abs. 3 erfordert nach 18 StGB mindestens Fahrlässigkeit. Die Sorgfaltspflichtverletzung folgt bei diesem erfolgsqualifizierten Delikts schon aus der Verwirklichung des Grundtatbestands. Der Erfolg war auch vorhersehbar; denn bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte M erkennen können, dass das Verlassen des O zu seinem Tod führen könnte. (3) Fahrlässige Tötung durch Unterlassen; 222, 13 ; insgesamt liegt neben dem positiven Tun und Unterlassen nur eine fahrlässige Tötung vor. (4) Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen, 227, 13 Die erforderliche vorsätzliche Körperverletzung liegt nicht schon im Anfahren (kein Vorsatz), sondern im Liegenlassen des Verletzten als Steigern eines pathologischen Zustands. Garantenstellung aus Ingerenz. Vorsatz gegeben mit Blick auf Körperverletzung und Garantenstellung. Zurechnung der Todesfolge nach 18 StGB (5) Unterlassene Hilfeleistung, 323c StGB Liegt tatbestandlich vor, tritt aber hinter 221 III StGB zurück. (6) Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, 142 I Nr. 2 StGB. (7) Vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr, 316 I StGB 2. Wie haben sich F, M und G wegen der Aussagen vor Gericht strafbar gemacht? 2
(1) Strafbarkeit der F Falsche uneidliche Aussage, 153 StGB F gibt vorsätzlich vor Gericht Unwahres an; die Tat ist vollendet, weil die Aussage abgeschlossen ist. Die Berichtigung gewinnt nur im Rahmen von 158 StGB Bedeutung. Aussagenotstand, 157 StGB, ist gegeben. Versuchte Strafvereitelung, 22, 258 I, IV, VI StGB Keine Vollendung: M wird seiner Tat gemäß verurteilt; die zunächst falsche Aussage der F hat die Bestrafung auch nicht für eine geraume Zeit vereitelt. Strafbarkeit des Versuchs: 258 IV StGB. Tatentschluss wie unmittelbares Ansetzen liegen vor. Rücktritt vom beendeten Versuch: F hat durch Berichtigung ihrer Aussage die Vollendung verhindert; Freiwilligkeit liegt vor. Persönlicher Strafausschließungsgrund: 258 VI StGB ist gegeben (kann auch vor dem Rücktritt geprüft werden). (2) Strafbarkeit des M Anstiftung zur falschen uneidlichen Aussage, 153, 26 StGB Vorsätzliche rechtswidrige Haupttat der F liegt vor. Aber kein Bestimmen, weil F bereits zur Tat entschlossen war (omnimodo facturus). Versuchte Anstiftung zur falschen uneidlichen Aussage, 153, 159 StGB Beihilfe zur falschen uneidlichen Aussage, 153, 27 StGB ( 157 StGB gilt nicht für den Teilnehmer, da er sich nicht in der vom Gesetz vorausgesetzten Zwangslage befindet). Konkurrenzen: Das Verhältnis von versuchter Anstiftung und psychischer Beihilfe ist umstritten. Die wohl herrschende Meinung gibt der Beihilfe am vollendeten Delikt im Vorrang; vertretbar ist aber auch Idealkonkurrenz oder auch die Beihilfe als subsidiär zurücktreten zu lassen. 3
Strafbarkeit des G Anstiftung zur falschen uneidlichen Aussage, 153, 26 StGB Wie bei M Versuchte Anstiftung zur falschen uneidlichen Aussage, 153, 159 StGB Versuchte Strafvereitelung, 22, 258 I, IV, VI StGB Wie bei F 3. Trifft die Ansicht von M zu, dass man ihn wegen des schwereren Delikts nicht hätte verurteilen dürfen, weil es nicht in der Anklageschrift genannt war, und dass die Staatsanwaltschaft eine neue Anklage hätte erheben müssen? Nein. Das Gericht ist in der rechtlichen Würdigung der angeklagten Tat im prozessualen Sinn frei. Eine neue Anklage war also nicht erforderlich. Lediglich war auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts nach 265 StPO hinzuweisen. Der Hinweis, es komme "ein Verbrechen" in Betracht, genügt für den erforderlichen Hinweis nicht. 4. War das Schöffengericht zur Entscheidung sachlich zuständig? Welches Gericht wäre gegebenenfalls sachlich zuständig gewesen? M hat sich der Aussetzung mit Todesfolge und der Körperverletzung mit Todesfolge schuldig gemacht. Sachlich zuständig war deshalb nach 74 II Nr. 7, 8 GVG die Strafkammer beim Landgericht. Seine Rechtsfolgenkompetenz hat das AG Schöffengericht nicht überschritten, 24 II GVG. 5. Was hätte das Gericht tun müssen, als sich abzeichnete, dass M ein Verbrechen begangen haben könnte? Da ein Gericht höherer Ordnung sachlich zuständig war, hätte das Schöffengericht nach 270 I StPO die Sache durch Beschluss an die zuständige Strafkammer verweisen müssen. 6. Kann die Staatsanwaltschaft gegen das Urteil Revision einlegen, wenn der Staatsanwalt in seinem Plädoyer drei Jahre Freiheitsstrafe beantragt hätte? Mit 4
welcher Begründung kann sie das gegebenenfalls tun? Die Staatsanwaltschaft kann auch zu Gunsten des Angeklagten Revision einlegen, 296 I, II StPO. Mit der Revision kann die Staatsanwaltschaft rügen, dass das Gericht sachlich unzuständig war, 338 Nr. 4 StPO. Nicht gerügt werden kann, dass das Gericht über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinausgegangen ist. Das Gericht ist weder bei der rechtlichen Einordnung der Tat noch in seiner Rechtsfolgenentscheidung durch den Antrag der Staatsanwaltschaft beschränkt. 5