Literarische Früchtchen Ausgewählte Gedichte und Texte zur Ausstellung Am Anfang war der Apfel des Heidelberger Kunstvereins vom 11.09. 06.11.2005 zusammengetragen von der Stadtbücherei Heidelberg Hauptstelle: Poststraße 15, 69115 Heidelberg Autom. Ansagen (06221) 58-36130, Sekretariat (06221) 58-36000 e-mail: stadtbuecherei@heidelberg.de www.heidelberg.de/stadtbuecherei
Impressum Herausgeber: Stadtbücherei Heidelberg Redaktion : Heike Cordes, Dipl.-Bibl.; Ingrid Kohlmeyer, Stellv. Büchereidirektorin Layout: Iris Beutinger, Fachangest. f. Medien u. Infodienste Heidelberg, September 2005
Apfel Äpfel Aller Äpfel Anfang im Pastorengarten von einst Borsdorfer und rote Renette. Das Lexikon sagt, dass das Holz der Bäume sehr polierbar, auch zur Herstellung von Holzschnitten geeignet sei. Dagegen der mythologische Apfel, von Nymphen gehütet. Die Hesperiden starben wie Herakles. Im äußersten Westen trägt niemand mehr den Himmel. Im August beißen die ersten Zähne in die nicht gedichtete Frucht frühe Natur des Herbstes. Karl Krolow (1915-1999) aus: Ges. Gedichte 2. 2. Aufl. Frankfurt 1985. S. 63 1
Einkehr Bei einem Wirte, wundermild, da war ich jüngst zu Gaste: ein goldner Apfel war sein Schild an einem langen Aste. Es war der gute Apfelbaum, bei dem ich eingekehret; mit süßer Kost und frischem Schaum hat er mich wohl genähret. Es kamen in sein grünes Haus viel leicht beschwingte Gäste; Sie sprangen frei und hielten Schmaus Und sangen auf das beste. Ich fand ein Bett zu süßer Ruh auf weichen, grünen Matten; Der Wirt, er deckte selbst mich zu mit seinem kühlen Schatten. Nun fragt ich nach der Schuldigkeit, da schüttelt er den Wipfel. Gesegnet sei er allezeit Von der Wurzel bis zum Gipfel! Ludwig Uhland (1787 1862) Der Apfel Die Stare sangen noch, - da glomm die Blüte, im Apfelbaume links vom Gartentor, der Anemonen sanfte Frühlingsgüte sah mädchenhaft und scheu zu ihm empor. Von fernen Feldern klang die Mähmaschine, da quoll im Apfel schon der Saft, im zweiten Grase sucht noch die Biene vergessne Blüten ab, altjungfernhaft. Und unter seiner Reife holdem Wunder, - auf silbergrauem Glanz des Heckenpfahles lag schwarz und purpurdunkel wie Burgunder der samtne Falterglanz des Admirals. An meinen Lippen schäumt der Gravensteiner, da ward ein Wundertor mir aufgetan, denn unter seinen Düften fehlt nicht einer dieser holden Räusche, die ihn reifen sahn. Börries Freiherr von Münchhausen (1874-1945) 2
Birne Birnen Wespen ertrinken im Saft der Bergamotten. Mit gelben Birnen hänget und der Birnbaum im Garten des havelländischen Herrn von Ribbeck: zur Familie der Rosengewächse gehörend. Ihr nachgiebiges Fleisch in der Tagesklarheit, berühmt als Williams Christ. Es duftet ohne pomologische Namen für Konserve und Obst. Dreieckige Frucht in einem russischen Gedicht, sonst nichts als reife Geometrie der Kegel- und Flaschenform. Bildschnitzer befühlen die Härte des Stammes. (Und die Birnen leuchteten weit und breit). Karl Krolow (1915-1999) aus: Ges. Gedichte 2. 2.Aufl. Frankfurt 1985. S. 64 3
Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, ein Birnbaum in seinem Garten stand, und kam die goldene Herbsteszeit und die Birnen leuchteten weit und breit, da stopfte, wenn s Mittag vom Turme scholl, der von Ribbeck sich beide Taschen voll, und kam in Pantinen ein Junge daher, so rief er Junge, wiste `ne Beer? und kam ein Mädel, so rief er: Lütt Dirn, kumm man röwer, ick hebb `ne Birn. So ging es viele Jahre, bis lobesam Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam. Er fühlte sein Ende. S` war Herbsteszeit, wieder lachten die Birnen weit und breit; da sagte von Ribbeck: Ich scheide nun ab. Legt mir eine Birne mit ins Grab. Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus, trugen von Ribbeck sie hinaus. Alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht sangen Jesus meine Zuversicht, und die Kinder klagten, das Herze schwer: He is dod nu. Wer giwt uns nu `ne Beer? So klagten die Kinder. Das war nicht recht ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht; der neue freilich, der knausert und spart, hält Park und Birnbaum strenge verwahrt. Aber der alte, vorahnend schon, und voll Mißtraun gegen den eignen Sohn, der wusste genau, was er damals tat, als um eine Birn ins Grab er bat, und im dritten Jahr aus dem stillen Haus ein Birnbaumsprößling sprosst heraus. Und die Jahre gingen wohl auf und ab, längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab, und in der goldenen Herbsteszeit leuchtet s wieder weit und breit. Und kommt ein Jung übern Kirchhof her, so flüstert s im Baume: Wiste `ne Beer? und kommt ein Mädel, so flüstert s: Lütt Dirn, kumm man röwer, ick gew di `ne Birn. So spendet Segen noch immer die Hand des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland. Theodor Fontane (1819-1898) 4
Die Birnen von Ribbeck (Auszug)... haben wir auf die Frage gewartet, was wir zu dem neuen Birnbaum zu sagen hätten, denn immerhin war das Dorf einmal berühmt wegen der Birnen, und ob der Platz seitlich vom Altersheim der richtige wäre, denn wenn schon Tradition, wie sie Fontane der Dichter aufgeschrieben hat, dann richtig, ein Birnbaum in seinem Garten stand, wer das Gedicht nicht flüssig hersagen konnte, bekam in der Schule, wo jetzt der Konsum ist, vom Lehrer für jedes Stocken und jedes falsche Wort mit dem Rohrstock eins auf die flache Hand, also auf der Gartenseite oder, längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab, auf den schattigen Wiesen vor der Kirche, wo die Gräber seit langem geschleift sind,... aus F.C. Delius (*1943): Die Birnen von Ribbeck. Reinbek 1991. S. 8. 5
Pfirsich Pfirsiche Wachsen auf durchlässigem Kalkboden. Am Geländer reifen Pfirsiche mit Streifen rot und weiß bemalt, im Herbst 1782 für Johann Gaudenz von Salis-Seewis. Glatte Haut der Nektarinen. Licht raschelt im Spalier eine exotische Schlange. Senkrechter Mittag verbrennt die Hülle aus Samt: das Fleisch, entblößt von der Windstille. Les pêches pour la bouche d un baron der Italienischen Reise duften im Staub eines süddeutschen Marktes. Karl Krolow (1915-1999) aus: Ges. Gedichte 2. 2. Aufl. Frankfurt 1985. S. 66 Der Wanderer (Auszug) Noch gedeihn die Pfirsiche mir, mich wundern die Blüten, fast wie die Bäume steht herrlich mit Rosen der Strauch. Schwer ist worden indes von Früchten dunkel mein Kirschbaum, und der pflückenden Hand reichen die Zweige sich selbst. Friedrich Hölderlin (1770-1843) 6
Quitte Quitten Äpfel der Venus das Glück auf griechisch. Die gerade Verheirateten mussten sich in einer Quitte teilen. Darauf ihre Nacht. Gelbsüchtige Früchte. Gold für Anakreontiker. Jedenfalls leuchtend durchs Laub in allen Sorten: Bereczki, portugiesische Birn-Quitte. Vornehmes Aroma für Kenner. Sie wissen, was sie sagen, wenn sie von Gelee sprechen. Vor allem das gelbe Blitzen im Gartenkorb. Das Obstgehölz versprüht im Halbschatten das Licht des Riesen von Lecovac. Karl Krolow (1915-1999) Splendeurs et misères des courtisans aus: Ges. Gedichte 2. 2 Aufl. Frankfurt 1985. S. 67 Aus der steilen, transparenten Nudel Quillt ein Quantum Quitten-Quark empor, ballt sich, physisch, zum gewürzten Strudel, kreist: ein Duftballon aus einem Rohr. Wann (und wo?) war Schweben delikater? In der Spannung wird man blaß, wie Chrom. Lehr- und Schüler folgen dem Theater. Doch der Stern genießt sich autonom. Hohe Hirnkraft wallt zu diesem Gase. Da bestülpt der sachlichste Adept das Gestirn mit einem Stengelglase, darin dottrig etwas Ei verebbt. Ferdinand Hardekopf (1876 1954) 7
Traube Herbstlied Bunt sind schon die Wälder, gelb die Stoppelfelder, und der Herbst beginnt. Rote Blätter fallen, graue Nebel wallen, kühler weht der Wind. Wie die volle Traube aus dem Rebenlaube purpurfarben strahlt! Am Geländer reifen Pfirsiche, mit Streifen rot und weiß bemalt. Sieh! Wie hier die Dirne emsig Pflaum und Birne in ihr Körbchen legt; dort, mit leichten Schritten, jene goldnen Quitten in den Landhof trägt! Flinke Träger springen und die Mädchen singen, alles jubelt froh! Bunte Bänder schweben zwischen hohen Reben auf dem Hut von Stroh! Geige tönt und Flöte bei der Abendröte und im Mondenglanz; junge Winzerinnen winken und beginnen deutschen Ringeltanz. Vom Fuchs und der Weintraube Johann Gaudenz von Salis-Seewis (1762 1834) Vor Hunger hascht, aus Leibeskräften springend, der Fuchs nach einer Traub an hohem Weinstock. Als unerreicht sie bleibt, spricht er im Weggehn: Noch ist sie reif nicht, ich mag keine herbe. Wer, was er nicht zu tun vermag, herabsetzt, wird dieses Gleichnis auf sich ziehen müssen. Gaius Julius Phädrus (15 v.chr. um 55 n.chr.) 8
Zitrone Punschlied Vier Elemente, innig gesellt, bilden das Leben, bauen die Welt. Preßt der Zitrone saftigen Stern, herb ist des Lebens innerster Kern. Jetzt mit des Zuckers linderndem Saft zähmet die herbe brennende Kraft. Gießet des Wassers sprudelnden Schwall, Wasser umfänget Ruhig das All. Tropfen des Geistes gießet hinein, Leben dem Leben Gibt er allein. Eh es verdüftet, schöpfet es schnell, nur wenn er glühet, labet der Quell. Mignon (Auszug) Friedrich von Schiller (1759-1805) Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn. Im dunklen Laub die Goldorangen glühn. Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht, die Myrte still und hoch der Lorbeer steht, kennst du es wohl? Dahin! Dahin möcht ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn! Johann Wolfgang von Goethe (1749 1832) 9