Das Martinskirchlein auf dem Anna-Bergl

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Transkript:

Das Martinskirchlein auf dem Anna-Bergl Georg Loibl Im Osterhofener Stadtteil Altenmarkt steht auf einer Anhöhe über der Straße, von einer mächtigen alten Linde beschattet, die kleine, dem hl. Martin von Tours geweihte Kirche. Wer es genau wissen will und über die steile Stiege hinaufsteigt, findet einen idyllischen kleinen Friedhof mit schönen schmiedeeisernen Grabkreuzen, in dessen Mitte die altertümliche Kirche emporragt. Auf dem Gottesacker wurden früher die armen Leute beerdigt, heute gibt es für jede freie Grabstelle zahlreiche Interessenten. Den Hügel selbst nennen manche das Angerbergl, wieder andere finden die Bezeichnung Annabergl zutreffender. Tatsache ist, daß die heilige Mutter Anna früher hier verehrt wurde. Eine kleine, vergessene Wallfahrt, von der nur das Gnadenbild, eine spätgotische Holzskulptur aus der Zeit um 1500, und eine undatierte Votivtafel aus dem 18. Jahrhundert Zeugnis geben. Diese Tafel schildert einen Unfall mit dem Pferdefuhrwerk. Der Bauer Andreas Edlwekh von Pöding, einem Dorf, das 1873 der Stadt Osterhofen eingemein-, det wurde, bittet die hl. Mutter Anna um Hilfe. Eine weitere Votivtafel von 1861 zeigt das Bild der hl. Kümmernis. Auf einer Grabinschrift aus dem Jahre 1863 ist vom Annaberge die Rede. Seit dem 15. Jahrhundert wird die Mutter Mariens in Bayern sehr verehrt. Der prächtige Anna-Altar in der Klosterkirche zu Altenmarkt, von Egid Quirin Asam geschaffen, zählt zu den bedeutendsten Altarbauten des Barocks. Bekannte Anna-Wallfahrtsorte in Niederbayern waren Gotteszeil und Kreuzberg bei Freyung. Kleinere Wallfahrtskirchen zur hl. Anna waren in Rindberg und Sondorf im Lallinger Winkel. In der Hengersberger Frauenberg-Kirche stand auf dem Anna-Altar die vergoldete Büste der hl. Anna, welche den Farben des Kirchenjahrs entsprechend mit verschiedenen seidenen Schleiern geschmückt wurde. In unzähligen Kirchen findet man Bilder und Skulpturen, welche die hl. Anna darstellen. Das heutige Erscheinungsbild der Martinskirche geht auf den gotischen Umbau von 1304 1305 zurück, in den romanische Bauteile der vorhergehenden Kirche einbezogen wurden. Der im Grundriß quadratische Chor und das rechteckige Kirchenschiff weisen auf die Romanik. Das reizvolle oktogonale Türmchen über dem Ostgiebel des Langhauses ist eine Zutat des 16. Jahrhunderts. Interessant und geheimnisvoll ist das romanische Tympanon über dem Eingang an der Westseite. Die Fußplatte schmückt eine Schlange, welche anstelle des Kopfes eine Schwanzflosse besitzt. Im Bogenfeld finden sich, durch einen Stab getrennt, zwei stilisierte Echsen, schwer zu deutende Symbole, die wohl nie ganz enträtselt werden können. Im Bereich des Eingangs steht auf einem romanischen Kapitell die polygonale spätgotische Taufschale aus Salzburger Marmor, welche wohl aus der 1784 abgebrochenen Pfarrkirche St. Georg stammt. Das im Kunstdenkmälerband Vilshofen erwähnte barocke Holzkruzifix ist in Wirklichkeit ein hoheitsvoller romanischer Herrgott im Vier- Nagel-Typus, wohl noch im ausgehenden 12. Jahrhundert entstanden. Das bis zu den Knien herabfallende Lendentuch mit strengem Faltenwurf weist auf die frühe Entstehungszeit. Vielleicht wurde dieser Herrgott später als eine hl. Kümmernis betrachtet, und es bezog sich die durch das Votivbild bezeugte Kümmernis-Verehrung auf ihn. Aus Sicherheitsgründen wird der romanische Herrgott, die älteste Holzskulptur in unserem Landkreis, im Pfarrhof aufbewahrt. 59

1983 ließ Pfarrer Helmut Stadlthanner (t) die Martinskirche renovieren. Der einfache neuromanische Altaraufbau wurde durch eine qualitätsvolle barocke Retabel aus der abgebrochenen Stephanskapelle in Vierhöfen ersetzt. Das Altarbild ist eine Holztafel aus der Zeit um 1600 mit der Darstellung des Martyriums des hl. Stephan. Eine Überraschung gab es, als man den zugehörigen Tabernakel während der Restaurierung zerlegte. Auf dem Sockelbrett fand sich die Inschrift: Mi Bovereto Homo E: Q: Asam. (Ich armseliger Mensch) Dieser Tabernakel befand sich ursprünglich am Frauenaltar der Klosterkirche und wurde 1862 durch den jetzigen klassizistischen Tabernakel ersetzt (Sittersperger S. 193). Der Text wird verständlich, wenn man erfährt, daß der Frauenaltar der Altar der Armenseelenbruderschaft war. Als man den Altarstipes in der Martinskirche für die zu hohe Retabel aus Vierhöfen etwas abtragen mußte, fand man drei palmettenartig verzierte romanische Steinbögen: zwei Bögen und einen Doppelbogen. Der Doppelbogen mißt in der Länge 71 cm, die beiden Bögen zusammen 83 cm. Wenn man den Doppelbogen als Kopfstück nimmt, an beiden Seiten je vier Einzelbögen anfügt und das Ganze mit einem weiteren Doppelbogen schließt, auf Säulen stellt und mit einer Grabplatte bedeckt, entsteht ein romanisches Hochgrab von 200 cm Länge und 71 cm Breite. Es könnte sich bei diesen drei Werkstücken um Reste der in der älteren Literatur erwähnten beiden Stiftergräber handeln, welche sich im Chor der romanischen Klosterkirche befanden. Den Choraltar flankieren zwei Ölbilder (um 1700) mit reichgeschnitzten, vergoldeten Akanthusrahmen, die mystische Vermählung der hl. Katharina von Alexandrien und Joachim und Anna in der Erwartung Mariens darstellend. Über dem Chorbogen 61

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schwebt die Holzfigur Gott-Vaters, von zwei schönen Barockputten umspielt. Auch diese Gruppe kommt aus der Vierhöfener Kapelle. Der nördliche Seitenaltar enthält das prachtvolle Barockbild mit der Darstellung des Kirchenpatrons in reichem Akanthusrahmen. Am südlichen Seitenaltar fand das Gnadenbild seinen Platz, eine feine spätgotische hl. Anna aus der Zeit um 1500. Die kleine hl. Maria an ihrer Seite ist eine Zutat des mittleren 19. Jahrhunderts, die drei Votivtafeln unterhalb dieser Gruppe geben Zeugnis von alter Volksfrömmigkeit. Im Kirchenschiff stehen die fast lebensgroßen barocken Holzfiguren des Schmerzensmannes und der Schmerzensmutter einander gegenüber. An der Emporenbrüstung wurden 1983 barocke akanthusumrankte Landschaftsbilder in Grisaille-Malerei freigelegt. Das neugotische Abschlußgitter unter der Empore wurde ebenfalls von Vierhöfen hierher versetzt. Die bemalte Kassettendecke mit dem Agnus Dei im Zentrum ist ein Werk aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Das ausgetretene Pflaster aus alten Ziegeln zeugt von vielen Wallfahrern und Kirchenbesuchern. 63

Bis 1784 war das Annabergl der Friedhof für Altenmarkt und Osterhofen. Der Pfarrgottesdienst an den Sonntagen wurde abwechselnd im St.-Martins-Kirchlein und in der Pfarrkirche St. Georg gefeiert, die Klosterkirche war eine Klerikerkirche und stand für die Seelsorge nicht zur Verfügung. Sittersperger berichtet, daß früher in der Martinskirche jeden Tag eine hl. Messe gehalten wurde. 1959 hat der Altenmarkter Baumeister Ludwig Bauer die vom Verfall bedrohte Martinskirche auf dem Annabergl mit eigenen Mitteln renoviert. Der 1985 verstorbene Pfarrer von Altenmarkt, Monsignore Helmut Stadlthanner, ließ 1983 die sehr gut gelungene Innenrenovierung durchführen. Literatur: J. Klämpfl, Der ehemalige Schweinach- und Quinzingau, Passau 1855 N. Sittersperger, Geschichte des Klosters Osterhofen, 1875 und 1884 Kunstdenkmäler von Bayern, Bezirksamt Vilshofen, Band XIV, München 1926 Festschrift der Stadt Osterhofen 1978 Peter Leuschner, Romanische Kirchen in Bayern, Pfaffenhofen 1981 Helmut Stadlthanner, Basilika Altenmarkt, (Kirchenführer), München 1983 64