Rotpunktverlag. MARIA ROSELLI DIE ASBESTLÜGE GESCHICHTE UND GEGENWART EINER INDUSTRIEKATASTROPHE

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Transkript:

Rotpunktverlag. MARIA ROSELLI DIE ASBESTLÜGE GESCHICHTE UND GEGENWART EINER INDUSTRIEKATASTROPHE

5 Inhalt Einleitung................................................... 9 Eine Industriekatastrophe unvergleichlichen Ausmaßes........... 9 I. Asbest Eigenschaften, Geschichte, Verwendung............ 13 1. Der Stein des Anstoßes................................ 13 Was ist Asbest?........................................ 13 Trotz Verbot weiterhin Asbestgefahr..................... 18 Warum ist Asbest gefährlich?........................... 18 Welche Krankheiten verursacht Asbest?.................. 19 Porträt Hans von Ah:»Ich habe nicht mehr die Kraft, mich zu wehren«.................................. 23 2. Der Mythos von der Wunderfaser....................... 26 Von Karl dem Großen bis Marco Polo.................... 26 Einzug in die Fabriken................................. 27 Auf dem Gipfel der Beliebtheit.......................... 29 Porträt Viktor Portmann: Der qualvolle Tod.............. 31 3. Das»Mineral der tausend Möglichkeiten«............... 35 Schifffahrt............................................ 35 Isolierungen von Dampfmaschinen..................... 36 Garne, Pappen und Asbestgewebe mit Kautschuk......... 37 Filter für die Chemie- und Getränkeindustrie............ 38 Brems- und Kupplungsbeläge.......................... 38 Spritzisolationen aus Asbest............................ 38 Asbestkarton.......................................... 41 Asbestzement......................................... 41

6 Inhalt II. Medizinische Erkenntnisse und ihre Verhinderung.......... 45 Porträt Rita Feldmann: Quälende Zweifel................ 45 1.»Das ist kein Verdacht, sondern sicheres Wissen«........ 50 Erste medizinische Erkenntnisse zu Beginn des 20. Jahrhunderts............................... 50 2. Asbest-Industrie boykottiert Krebsaufklärung........... 56 Das Beispiel Südafrika................................. 56 Porträt Marcel Jann: Kampf um Gerechtigkeit............ 60 III. Die Familie Schmidheiny und das Asbest-Geschäft.......... 65 1. Der unaufhaltsame Aufstieg einer Unternehmerfamilie.. 65 Vom Schneidersohn zum Ziegelbaron................... 65 Ein Zementimperium entsteht.......................... 70 2. Eternit: Die internationale Expansion................... 73»If you can t beat them, join them«...................... 73 Eternit-Offensive in Nazideutschland................... 78 Zwangsarbeit in der Eternit Berlin Rudow................ 84 Porträt Nadja Ofsjannikova:»Arbeiten bis zum Unfallen«.................................... 92 Die Mühe der deutschen Eternit AG mit ihrer Firmengeschichte................................. 97 3. Asbest-Geschäft dank der Apartheid................... 104 Einstieg ins profitable Geschäft mit den Schwarzen...... 104 Interview mit Fred Gonna:»Sie behandelten uns wie dumme Kinder«.............................. 106 Auch ein ökologisches Desaster........................ 108 Der»soziale«Häuserbau.............................. 109 Hans-Rudolf Merz: Ein Freund für alle Fälle............. 110 Entschädigungsfonds für einige Opfer.................. 112 Südafrika: Setzt sich das Asbestverbot durch oder nicht?...................................... 115

Inhalt 7 IV. Asbestland Schweiz...................................... 118 Porträt Therese Omlin: Dem Vater wuchs eine zweite Zunge..................................... 118 1. Vom Asbestdorf zum Asbestland...................... 122 Ein Dorf im Schatten der Eternit....................... 122 Sie suchten Arbeit in Niederurnen und fanden den Tod......................................... 125 Interview mit Anders Holte:»Asbest ist ein dunkles Kapitel der Industriegeschichte«................... 131 Wer ist in der Schweiz wofür zuständig?................ 138 Spießrutenlauf für die Anerkennung der Berufskrankheit.................................. 140 Interview mit Franz Steinegger:»Keine Notwendigkeit für einen Kurswechsel«........................... 143 2. Im Visier der italienischen Justiz....................... 151 Die Mühlen der Justiz mahlen langsam................. 151 Casale Monferrato: Das tödliche Vermächtnis der Eternit....................................... 156 Sicherheitsanweisungen aus Niederurnen.............. 163 Viva: Schmidheinys Wandlung zum Philanthropen...... 167 3. Der Ausstieg......................................... 169 Verbote, Sammelklagen und öffentlicher Druck.......... 169 Deutschland gibt den Takt an.......................... 172 Hinauszögern solange es geht!......................... 173 Die»Geheimdiplomatie«und der Kampf um die öffentliche Meinung........................... 175 Der vertrauliche Hayek-Bericht von 1981............... 176 Ein Branchenabkommen auf»freiwilliger«basis......... 177 Der»Geheimclub«der Schweizer Asbest-Industrie....... 179»Kein Kommentar«................................... 184 Das Zaudern der Ämter............................... 185 Die SBB bedauern Todesfälle.......................... 189 Der lange Weg zum Ausstieg........................... 190

8 Inhalt V. Gerechtigkeit für Asbestopfer............................. 200 1. Die Katastrophe ist noch lange nicht ausgestanden..... 200 Weitere 3000 Tote in der Schweiz....................... 200 Interview mit Massimo Aliotta:»Blocher hat die Revision des Haftpflichtrechts schubladisiert«....... 202 2. Fälle und Vorstöße................................... 210 Der Fall Paul-Scherrer-Institut: Der Albtraum des Lukas Klauser................................ 210 Der Fall Sulzer-Hochhaus: Niemand ist schuld.......... 214 Der Fall Mund: Alarm im Gotteshaus................... 216 Vorstöße im Parlament:»Kein Handlungsbedarf«........ 218 Epilog...................................................... 222 Asbest und kein Ende.................................... 222 Taschentücher zum Schutz vor Asbest...................... 224 Hoffen auf die Rotterdam-Konvention..................... 228 Anmerkungen.............................................. 231 Literaturverzeichnis......................................... 236 Adressen von Asbestopfervereinen............................ 238

13 I. Asbest Eigenschaften, Geschichte, Verwendung 1. Der Stein des Anstoßes Was ist Asbest? Totalp, auf den ersten Blick ein unpassender Name für eine Alp mitten im traumhaften Parsenn-Skigebiet. Doch der Name hat es in sich: Totalp ist einer der etwa 50 Standorte der Schweiz, in denen Asbestgestein in der Natur vorkommt. Während des Ersten Weltkriegs, als die Krieg führenden Mächte Asbest zum Blockadegut erklärten, suchte die hiesige Asbestzement-Industrie in den Schweizer Alpen nach neuen Extraktionsstätten. Abbauwürdige Vorkommen fanden sie schließlich in den Gemeinden Zeneggen (Wallis) und Sils Maria im Engadin. Schon bald stellte sich jedoch heraus, dass die Vorkommen vertalgt und für die Produktion von Asbestzement ungeeignet waren. Der Engpass während des Kriegs dauerte nur kurze Zeit und die Industrie konnte bald wieder Asbest aus Kanada und Russland importieren und tat dies schließlich in rauen Mengen: In den Blütezeiten der Asbestproduktion, in den 60er- und 70er-Jahren, kamen jährlich an die 25 000 Tonnen der todbringenden Faser in der Schweiz zum Einsatz, rund 90 Prozent dienten der Herstellung von Asbestzement. Doch was ist Asbest? Das griechische Wort asbestos (unzerstörbar, unvergänglich) bezeichnet die wichtigsten Eigenschaften des natürlich vorkommenden Minerals. Dabei handelt es sich nicht um ein bestimmtes, sondern vielmehr um die spezielle feinfaserige Ausbildung verschiedener natürlicher Mineralien, die sich teils den Schichtsilikaten (Chrysotil), teils den Kettensilikaten (Amphibole) zuordnen lassen. Chrysotilasbest, auch Weißasbest genannt, machte in den Blütezeiten des Asbestabbaus rund 94 Prozent der Weltproduktion aus. Auch heute noch wird fast ausschließlich Weißasbest abgebaut und verarbeitet.

14 I. Asbest Eigenschaften, Geschichte, Verwendung Eternit in Berlin Rudow. Die Produktionshalle in den 1960er-Jahren. (Museum Neukölln) Asbestarten und Anteile an der Weltproduktion (1976) Asbestart (Synonym) Chrysotilasbest (Weißasbest) Mineralogische Einordnung Faseriger Chrysotil Anteil an der Weltproduktion 94 Prozent Krokydolith (Blauasbest) Faseriger Riebeckit < 4 Prozent Amosit (Braunasbest) Faseriger Grunerit < 2 Prozent Tremolitasbest Faseriger Tremolit unbedeutend Amianth (Aktinolithasbest) Faseriger Aktinolit unbedeutend Antophyllitasbest Faseriger Antophyllit unbedeutend Quelle: IWL Forum, 1992

1. Der Stein des Anstoßes 15 Gemeinsam ist allen Asbestmineralen, dass die Fasern nicht nur unbrennbar (der Schmelzpunkt liegt bei 1500 Grad Celsius), hitzebeständig, wärmedämmend und weitgehend säureresistent, sondern auch fester als Stahldrähte gleichen Querschnitts und zugleich relativ elastisch sind. Diese einmalige Eigenschaftskombination macht das Material zum idealen Werkstoff für viele industrielle Anwendungen. Die beiden häufigsten Amphibole Blauasbest und Braunasbest kommen in abbauwürdigen Lagerstätten vor allem in Südafrika vor und wurden früher vor allem zur Herstellung von Asbestzement gebraucht; inzwischen ist jedoch die Verwendung dieser Asbestart in den meisten Ländern der Welt verboten. Wirtschaftlich wichtiger war indes stets der magnesiumreiche Chrysotil. Asbestverbrauch in Europa 1920 2000 (in Tonnen) 1920 1950 1975 1990 2000 Europa 40 905 506 396 2 697 000 2 582 294 537 302 UdSSR bzw. Ex-UdSSR 1629 136 458 1 286 697 2 151 800 507 125 Großbritannien 21 199 107 606 137 487 15 731 244 Deutschland 6828 93 842 378 143 15 048 189 Frankreich 445 38 921 136 587 63 571 Europa (ohne UdSSR) 39 267 369 738 1 410 394 430 494 30 277 Quelle: HESA Newsletter, 2005 Weltweit werden heute noch jährlich 2,2 bis 2,4 Millionen Tonnen Asbest abgebaut. Insgesamt fand in den elf Jahren von 1994 bis 2005 keine Reduktion, sondern nur eine Verlagerung der Produktion in andere Länder statt.

16 I. Asbest Eigenschaften, Geschichte, Verwendung Weltweiter Asbestabbau (in Tonnen) Land 1994 1995 2004 2005 USA 10 000 9 000 Brasilien 175 000 170 000 195 000 195 000 Kanada 518 000 510 000 200 000 240 000 China 240 000 240 000 355 000 360 000 Kasachstan 300 000 300 000 347 000 350 000 Russland 800 000 800 000 875 000 875 000 Südafrika 95 000 95 000?? Zimbabwe 150 000 145 000 150 000 100 000 Andere 122 000 120 000 110 000 80 000 Total 2 410 000 2 390 000 2 230 000 (ohne Südafrika) 2 200 000 (ohne Südafrika) Quelle: U.S. Geological Survey, 2006 Von 1973, dem Jahr mit der weltweit höchsten Produktion (5,3 Millionen Tonnen), bis 2005 hat die Weltasbestproduktion insgesamt um 50 Prozent abgenommen. Die Reduktion ist eine direkte Folge der breiten Diskussion über den gefährlichen Werkstoff, die in vielen europäischen Ländern und in anderen Industriestaaten geführt wurde, und zog verstärkte Substitutionsanstrengungen nach sich. Bereits 1988 haben Kanada, die USA und Japan ihre Fördermengen auf etwa 35 bzw. 14 und 16 Prozent der Produktionsmengen von 1973 reduziert. Dieser Entwicklung stand in den 80er- und 90er-Jahren aber eine dramatische Steigerung der Asbestförderung in den Schwellen- und Entwicklungsländern gegenüber. Brasilien und Indien verzeichneten in diesen Jahren einen Zuwachs um das Sieben- bis Achtfache. Heute sind es vor allem Staaten der ehemaligen Sowjetunion und China, die vermehrt auf das profitträchtige, aber tödliche Mineral setzen. China steigerte in den letzten zehn Jahren gar die Produktion um 50 Prozent von 240 000 Tonnen auf 360 000 Tonnen. Kleinere Produktionsstätten befanden sich im Jahr 2005 in Argentinien, Bulgarien, Kolumbien, Indien,

1. Der Stein des Anstoßes 17 Iran, Serbien und Montenegro. In Südafrika und in Brasilien laufen derzeit Bestrebungen zum Ausstieg. Mit Abstand am meisten Asbest wird heute in Russland produziert. So befindet sich eine der größten Minen in der russischen Stadt Asbest und trägt den Namen Uralasbest. Die Ausdehnung des Tagebaus soll 11,5 Kilometer lang, 1,8 Kilometer breit und 300 Meter tief sein. Die gesamte Fläche der Mine beträgt etwa 90 Quadratkilometer. Das Kombinat»Uralasbest«erzeugt im Jahr an die 450 000 Tonnen Weißasbest. Die Fabrik ist weitgehend automatisiert und in der Lage, 20 Millionen Tonnen Erze im Jahr zu verarbeiten. Früher fand der Abbau vor allem unter Tage statt, in den heutigen Asbestminen wird dagegen vorwiegend im Tagebau gearbeitet. Während die Vereinigten Staaten aufgrund des öffentlichen Druckes den Abbau wohlgemerkt nicht die Einfuhr und Vermarktung von Asbest ganz aufgegeben haben, gilt in den EU-Staaten seit dem 1. Januar 2005 ein generelles Asbestverbot. Einschränkungen und generelles Verbot: Ländervergleich Datum Land 1975 (Bauelemente), 1986 (generell) Schweden 1980 bzw. 1986 (Asbestzement) Dänemark 1984 Norwegen 1990 Österreich 1991 Niederlande 1992 Finnland und Italien 1990 (Hochbau), 1993 generell Deutschland 1989 (Hochbau), 1994 generell Schweiz 1996 Frankreich 1998 Belgien Quellen u.a.: Asbestos European Conference 2003 (Daten zu Schweden) und EuroGIP, 2006