Das Bauhandwerkerpfandrecht. Was bleibt? Was ist neu?

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Transkript:

SGUV Schweizerischer 21. März 2012 Gerüstbau-Unternehmer- GV 14.00 16.30 Uhr Verband Hotel Arte, 4601 Olten Das Bauhandwerkerpfandrecht Was bleibt? Was ist neu? Leitsätze zum Referat von Rainer Schumacher 1 1 Dr. iur. Rainer Schumacher, Rechtsanwalt in Kirchdorf bei Baden, Titularprofessor an der Universität Freiburg (Schweiz) mit dem Lehrauftrag (1991-2002) Praktische Vertragsgestaltung ; zahlreiche Publikationen im Bereich des privaten Baurechts, insbesondere zum Bauhandwerkerpfandrecht; ständiger Mitarbeiter der Zeitschrift Baurecht/Droit de la construction ; Ehrenmitglied des SGUV Schweizerischer Gerüstbau- Unternehmer-Verband; ferner ständiger Ehrengast von bauenschweiz Dachorganisation der Schweizer Bauwirtschaft sowie Ehrenmitglied des SIA Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein.

A. Rechtsquellen Schweizerisches Zivilgesetzbuch (ZGB), Art. 837-841 ZGB, gemäss Bundesgesetz vom 10. Dezember 1907, in Kraft vom 1. Januar 1912 bis 31. Dezember 2011 2 Schweizerisches Zivilgesetzbuch (ZGB), Art. 837-841 ZGB, seit 1. Januar 2012 geltender Gesetzestext gemäss Bundesgesetz vom 11. Dezember 2009 3 Grundbuchverordnung (GBV) vom 23. September 2011, in Kraft seit 1. Januar 2012 Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO) vom 19. Dezember 2008, in Kraft seit 1. Januar 2011 Formular Gesuch um vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts nach Art. 837 ff. ZGB sowie Art. 248 ff. ZPO respectivement Requête concernant l inscription provisoire d une hypothèque légale pour les artisans et entrepreneurs [selon] art. 837 ss CC et 248 ss CPC rispettivamente Domanda d iscrizione provvisoria di un ipoteca legale degli artigiani [e imprenditori] secondo gli art. 837 segg. CC e art. 248 segg. CPC 4 B. Spezialliteratur GAUCH PETER, Der Werkvertrag, 5. Auflage, Zürich 2011 SCHUMACHER RAINER, Das Bauhandwerkerpfandrecht. Systematischer Aufbau, 3. Auflage, Zürich 2008 SCHUMACHER RAINER, Das Bauhandwerkerpfandrecht. Ergänzungsband zur 3. Auflage, Zürich 2011; mit den folgenden 3 Teilen: - 1. Teil: Umbau oder Ausbau? - 2. Teil: Intertemporales Recht (Übergangsrecht) - 3. Teil: Zivilprozess und Bauhandwerkerpfandrecht Alle drei Bücher können bei deren Verlag bezogen werden; die 3. Auflage des Bauhandwerkerpfandrechts und der Ergänzungsband zur 3. Auflage können je einzeln oder gesamthaft bezogen werden bei: Schulthess Juristische Medien AG, Zwingliplatz 2, Postfach, CH- 8022 Zürich; Telefon 044 200 29 29; Fax 044 200 29 28; buch@schulthess.com 2 Siehe Synopse der alten und neuen Gesetzestexte (Anhang). 3 Siehe Synopse der alten und neuen Gesetzestexte (Anhang). 4 Formular zur Verfügung gestellt vom Bundesamt für Justiz; Download des deutschsprachigen Formulars: http://www.bj.admin.ch/content/bj/de/home/themen/staat_und_buerger/zivilprozessrecht/parteieingabenformulare. html; für den Download des französischsprachigen bzw. des italienischsprachigen Formulartextes ist de durch fr bzw. durch it zu ersetzen. 2

I. Die unveränderte Grundstruktur Mittelbares gesetzliches Grundpfandrecht - Gesetzlich: Anspruch auf gesetzlicher Grundlage (ohne Grundpfandvertrag) - Mittelbar: Gesetz begründet nur den Anspruch; das Grundpfand (Baupfandrecht) entsteht nur und erst aufgrund der Anmeldung (des Grundeigentümers oder meistens eines Gerichts anstelle des Grundeigentümers) durch Eintragung im Grundbuch Drittpfandverhältnis: Der Grundeigentümer muss nicht der Schuldner des Bauunternehmers ( Handwerker oder Unternehmer ) sein, der z.b. als Subunternehmer für einen Generalunternehmer oder als Unternehmer für den Verkäufer des Baugrundstücks gearbeitet hat; Doppelzahlungsrisiko des Grundeigentümers! Pfandsicherheit für typische physische und objektspezifische (manuelle und/oder maschinelle) Bauarbeiten eines selbständigen Bauunternehmers. Zwei Leistungskategorien gemäss Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB - Lieferung von Material und Arbeit - Lieferung von Arbeit allein In Bezug auf die Pfandsicherheit der Materiallieferungen (Lieferung von Baumaterial, Werkstoff, Baustoff) sind diese wie folgt zu differenzieren: - mit Einbau des Materials durch den Bauunternehmer: baupfandberechtigt - ohne Einbau des Materials durch den Materiallieferanten: -- Der Unternehmer stellt in seiner Werkstatt bzw. seiner Fabrik unter Verwendung von Handelsware Bauteile her, die spezifisch für das einzelne konkrete Bauwerk ausgelegt sind und für andere Bauten nicht oder nur schwer verwertbar wären: baupfandberechtigt -- Reine Sachleistungen, d.h. Verkauf von Handelsware (Grundmaterial, Serienprodukte): Grundsätzlich nicht baupfandberechtigt; Ausnahmen: --- Sachleistungen in funktioneller Einheit mit baupfandberechtigten Leistungen (z.b. Verkauf von Ersatzteilen, die noch nicht eingebaut werden, oder von 3

Zugehör, die nicht zum Bestandteil des Baugrundstücks wird): baupfandberechtigt --- Nebensächliche Sachleistungen: baupfandberechtigt Bauarbeiten an einem Grundstück berechtigen zu einem Baupfandrecht an diesem Grundstück (Baugrundstück): 1. Erste Identifikation des physischen (geografischen) Grundstücks 2. Zweite Identifikation des aktuellen juristischen Grundstücks (z.b. Liegenschaft, d.h. Einzelparzelle, Stockwerkeinheit, oft Eigentumswohnung genannt usw.) 3. Dritte Identifikation des aktuellen Grundeigentümers Achtung: Schnittstelle ist die Eintragung der Anmeldung einer Änderung (z.b. Aufteilung zu Stockwerkeigentum, Verkauf des Baugrundstücks) im Tagebuch des Grundbuchs Zeitreserven einplanen! Wie die Vergütungsforderung bei Arbeiten für mehrere Grundstücke (z.b. mehrere Eigentumswohnungen) in Teilpfandsummen aufzuteilen ist, löst komplexe Rechtsfragen aus, die in Lehre und Rechtsprechung kontrovers beantwortet werden, und zwar sowohl bei einfachen Verhältnissen als auch bei komplizierten Verhältnissen, insbesondere beim sog. kombinierten Stockwerkeigentum. Da zu hohe Teilpfandsummen nachträglich reduziert, jedoch zu niedrige Teilpfandsummen nachträglich, d.h. nach Ablauf der viermonatigen Eintragungsfrist, nicht mehr erhöht werden können, empfiehlt sich, im summarischen Verfahren betr. vorläufige Eintragungen der mehreren Baupfandrechte jede Pfandsumme um eine Sicherheitsmarge zu erhöhen. Umfang der Pfandsicherheit: Vergütungsanspruch (in der Regel: Vertragspreise) zuzüglich Mehrwertsteuer (= Pfandsumme) und zuzüglich allfällige Verzugszinsen ohne zeitliche Beschränkung, meistens auf der Grundlage eines Bauwerkvertrages Negative Voraussetzungen: - Keine hinreichende Sicherheitsleistung des Grundeigentümers - Kein gültiger Verzicht des Bauunternehmers auf das Baupfandrecht 4

- Kein Verlust des Baupfandanspruchs zufolge Versäumnis der Eintragungsfrist (Verwirkungsfrist, nicht Verjährungsfrist); Schnittstelle für die Wahrung der Eintragungsfrist ist die Eintragung der (meistens gerichtlichen) Anmeldung der vorläufigen Eintragung des Baupfandrechts im Tagebuch des Grundbuchs; die Eintragungsfrist beginnt mit der Vollendung der Arbeiten ; der Begriff der Arbeitsvollendung ist umstritten. - Gerüstbau: Das Ende der Demontage des objektspezifischen (Fassaden-)Gerüsts durch den Gerüstbau-Unternehmer (oder durch seine Hilfsperson, z.b. Sub-Subunternehmer) bedeutet die Arbeitsvollendung, jedoch nicht erst der Abtransport des Gerüstmaterials ab der Baustelle und erst recht nicht erst dessen Ablad und die Zwischenlagerung. 5 - Angesichts der Komplexität, die durch zahlreiche variable Konstellationen verursacht wird, muss häufig differenziert werden, ob die Bauarbeiten einem einheitlichen Fristbeginn oder verschiedenen getrennten Fristanfängen mit unterschiedlichen (zeitverschobenen) Fristenläufen unterliegen. Die ZGB-Teilrevision hat die sich stellenden komplexen Rechtsfragen nicht gelöst. Gleichberechtigung (Art. 840 ZGB Ranggleichheit ) aller Unternehmer unabhängig vom Zeitpunkt der Eintragung ihrer Baupfandrechte im Grundbuch Vorrecht (Art. 841 ZGB): Soweit Baupfandrechte durch den Erlös der Zwangsverwertung nur teilweise oder überhaupt nicht befriedigt werden können, gewährt das Gesetz den geschädigten Baupfandgläubigern unter eingeschränkten Voraussetzungen (z.b. Verschulden des vorrangigen Hypothekargläubigers) einen ausservertraglichen Ersatzanspruch auf den neuen Bauwert des Baugrundstücks gegenüber den vorrangigen Grundpfandgläubigern. Dieser Ersatzanspruch wird Vorrecht genannt. Das Vorrecht durchbricht die Rangpriorität der Grundpfandrechte nach dem System der festen Pfandstelle ein zweites Mal. Das Vorrecht wirkt vor allem präventiv. 5 Vgl. SCHUMACHER, Bauhandwerkerpfandrecht, 3. Auflage, Nr. 247, lit.b. 5

II. Die Gesetzesrevision Dank seiner (primär) präventiven Stossrichtung (unbürokratisches Anreizsystem) ist das Bauhandwerkerpfandrecht eine hundertjährige Erfolgsgeschichte. Die kürzliche Gesetzesrevision, die am 1. Januar 2012 in Kraft getreten ist, hat dieses unbürokratische Anreizsystem nicht geschwächt, sondern vielmehr zugunsten der Bauunternehmer gefestigt und sogar punktuell verstärkt, ohne das Grundkonzept strukturell zu verändern. Die hauptsächlichen Neuerungen sind: Der revidierte Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB präzisiert und ergänzt den Umfang der baupfandberechtigten Leistungen. Neu werden einzelne Erscheinungsformen von baupfandberechtigten Arbeiten als Beispiele zur Anwendung der unveränderten Generalklausel (Leistung von Material und Arbeit oder Arbeit allein ) aufgezeigt: - Abbrucharbeiten; - Gerüstbau; baupfandberechtigt ist nicht nur der (oft sukzesssive) Aufbau des Gerüsts ( montage d échafaudages bzw. montaggio di impalcature ), sondern baupfandberechtigt sind auch die Anpassungen und Umstellungen gemäss dem Baufortschritt sowie die (bisweilen ebenfalls sukzessive) Demontage des Gerüsts; 6 - Baugrubensicherung. - Mit dem Zusatz oder dergleichen weist das Gesetz darauf hin, dass die Aufzählung der drei vorerwähnten Erscheinungsformen (Arbeitsgattungen) von baupfandberechtigten Leistungen nicht abschliessend ist, sondern dass alle Bauarbeiten, die mit den ausdrücklich erwähnten Anwendungsbeispielen vergleichbar sind, ebenfalls baupfandberechtigt sind. Da die beiden Leistungskategorien der Bauarbeiten Material und Arbeit sowie Arbeit allein den unveränderten und umfassenden Urtext des Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB bilden, ist das Kriterium, dass es sich bei den analogen und damit ebenfalls baupfandberechtigten Leistungen immer um physische objektspezifische Bauarbeiten handeln muss, die Grenze der Analogieschlüsse und damit des Baupfandanspruchs überhaupt. Weiteres Beispiel: Aushubarbeiten. 6 Vgl. SCHUMACHER, Ergänzungsband, S. 53, Rz. 150 f. 6

In Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 und Abs. 2 des revidierten ZGB werden neu verschiedene Personen aufgeführt, deren Bestellungen von Leistungen ebenfalls zum Grundbucheintrag von Baupfandrechten berechtigen. Neu werden damit verschiedene Bestellerkategorien definiert. Diese können wie folgt eingeteilt werden: - Nach wie vor ist jeder Unternehmer baupfandberechtigt. Weiterhin sind deshalb Subunternehmer, Sub-Subunternehmer, usw., d.h. die Bauunternehmer auf allen Stufen einer Vertragskette, baupfandberechtigt. Sie bedürfen keiner Zustimmung des Grundeigentümers. - Das Gesetz erwähnt nun ausdrücklich, dass auch Mieter und Pächter baupfandberechtigte Leistungen bestellen können. Mit der offenen Formulierung eine andere am Grundstück berechtigte Person wird der Kreis der möglichen Besteller auf jede Person ausgedehnt, deren Rechtslage mit derjenigen der Mieter und Pächter vergleichbar ist, also auf alle analogen Bestellerkategorien. Mit einem Mieter oder Pächter vergleichbar ist eine Person, die Sachbesitz am Baugrundstück ausübt (Beispiele: Nutzniesser; Wohnungsberechtigter; Bauberechtigter; Leasingnehmer; Kaufsinteressent). Beweist der Unternehmer, dass ein Mieter, ein Pächter oder eine andere am Grundstück berechtigte Person die Bauarbeiten bestellt hat und deshalb sein Forderungsschuldner ist, so obliegt dem Unternehmer nach Art. 837 Abs. 2 ZGB der zusätzliche Beweis, dass der Grundeigentümer seine Zustimmung zur Ausführung der Arbeiten erteilt hat. Nicht erforderlich ist die Zustimmung des Grundeigentümers zum betreffenden Vertragsabschluss und damit auch nicht zur Person des Unternehmers, bei dem z.b. der Mieter die betreffenden Bauarbeiten bestellt hat. Das Gesetz schreibt für die Zustimmungserklärung keine besondere Form vor, insbesondere nicht die Schriftform. Der Grundeigentümer kann seine Zustimmung auch mündlich oder stillschweigend oder durch sein konkludentes Verhalten erteilen, indem er gegen die ihm bekannten bzw. bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennbaren Bauarbeiten nicht einschreitet und damit den guten Glauben des Unternehmers in die Verfügungsmacht seines Bestellers erweckt bzw. nicht zerstört. Die Zustimmung kann entweder gegenüber dem Besteller oder gegenüber dem Unternehmer oder gegenüber beiden zu irgend einem Zeitpunkt erklärt werden, also auch nachträglich, indem z.b. durch Duldung der offensichtlichen Bauarbeiten der Anschein der Zustimmung und damit der gute Glaube des Unternehmers erweckt bzw. nicht zerstört wird. Der 7

allfällige Rechtsnachfolger des Grundeigentümers ist an dessen irgendwie erklärte Zustimmung gebunden. Mit der Gesetzesrevision wurde die Eintragungsfrist von bisher drei Monaten auf neu vier Monate verlängert. Diese Eintragungsfrist darf nicht in hundertzwanzig Tage umgerechnet werden, auch wenn die Frist häufig derart lange dauern kann. Die neuen Abs. 4-6 des Art. 839 ZGB schliessen eine Gesetzeslücke. Seit 1. Januar 2012 kann der Eigentümer eine Baugrundstücks gegenüber Bauunternehmern, die von einem anderen Bauunternehmer (insbesondere in einem Subunternehmervertrag) oder von einer am Grundstück berechtigten Person (z.b. Mieter) verpflichtet worden sind, nach den Regeln über die einfache Bürgschaft (Art. 495 OR) haften, wenn das Baugrundstück zum unpfändbaren Verwaltungsvermögen des Bundes, eines Kantons, einer Gemeinde oder dergleichen gehört oder dem Gemeingebrauch dient und sofern der Unternehmer nach Massgabe dieser neuen Gesetzesbestimmungen (Art. 839 Abs. 4-6 ZGB) vorgeht. III. Gerichtsverfahren Im statistischen Normalfall wird der (vorläufige bzw. definitive) Grundbucheintrag eines Baupfandrechts mangels Anmeldung des derzeitigen Grundeigentümers ohne dessen Zustimmung oder oft gegen dessen Willen vom (örtlich, sachlich und funktionell) zuständigen Gericht dem zuständigen Grundbuchamt zum Grundbucheintrag angemeldet. Seit dem 1. Januar 2011 werden die dazu erforderlichen Gerichtsverfahren vor den kantonalen Gerichtsbehörden für das ganze Gebiet der Schweiz erstmals durch eine einzige Verfahrensordnung geregelt, nämlich durch die Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO) vom 19. Dezember 2008. Meistens ist das Baupfandrecht zur Wahrung der (nun viermonatigen) Eintragungsfrist (Verwirkungsfrist) auf Gesuch des Unternehmers 7 erst provisorisch im Grundbuch einzutragen (vorzumerken). Die gerichtliche Anordnung (Anmeldung an das Grundbuchamt) erfolgt im summarischen Verfahren (Art. 248-269 ZPO): 7 Für das Gesuch kann das in Fussnote 4 erwähnte Formular verwendet werden. 8

- Die örtliche Zuständigkeit wird durch Art. 13 ZPO bestimmt. Dafür kommt regelmässig das Gericht am Grundstücksort (Gericht der gelegenen Sache) in Frage. - Ist für den Prozess um den definitiven Grundbucheintrag (Hauptsache) ein Handelsgericht in einem der vier Handelsgerichtskantone (Zürich, Bern, St. Gallen, Aargau) sachlich zuständig, schreibt Art. 6 Abs. 5 ZPO zwingend vor, dass das Handelsgericht auch für die Anordnung der vorläufigen (auch superprovisorischen) Grundbucheintragung sachlich zuständig ist (Urteil 5A_453/2011 der II. zivilrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts vom 9. Dezember 2011). - Da selbst während eines summarischen Verfahren betreffend vorläufigem Grundbucheintrag die viermonatige Eintragungsfrist (Verwirkungsfrist) des Art. 839 Abs. 2 ZGB irreversibel enden kann, gestattet Art. 265 Abs. 1 ZPO die sofortige superprovisorische Anordnung des sofortigen Grundbucheintrags des geltend gemachten Bauhandwerkerpfandrechts, ohne dass die Gegenpartei (jeweiliger Grundeigentümer) vorgängig angehört wird. Wird im summarischen Verfahren vom Gericht die vorläufige Eintragung des beantragten Baupfandrechts angeordnet bzw. die superprovisorische Anordnung bestätigt, hat das Gericht im summarischen Verfahren dem Unternehmer eine angemessene Frist zur Klage auf definitiven Grundbucheintrag anzusetzen. Für das Hauptsacheverfahren kommen die folgenden zwei Verfahrensarten in Frage: - Bei einem Streitwert über Fr. 30'000.--: Ordentliches Verfahren (Art. 219-242 ZPO) - Bei einem Streitwert bis zu Fr. 30'000.--: Vereinfachtes Verfahren (Art. 243-247 ZPO) Prof. Dr. Rainer Schumacher, 5416 Kirchdorf 14. Februar 2012 9