Das Replikrecht im Zivilprozess
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- Maria Lichtenberg
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1 Das Replikrecht im Zivilprozess PD Dr. iur. Rechtsanwalt Fachanwalt SAV Bau- und Immobilienrecht Reetz Sohm Rechtsanwälte Inhaltsverzeichnis: 1. Das Replikrecht als Teilaspekt des rechtlichen Gehörs 2. Problemkreise a) Fristen b) Zustellung zur Kenntnisnahme c) Substantiierungspflicht d) Gilt der Inhalt der Duplik als anerkannt, falls man sich in der Triplik nicht gegenteilig dazu äussert? e) Was geschieht bei einer Verletzung des rechtlichen Gehörs? f) Replikrecht in mündlichen Verhandlungen 1
2 Das Replikrecht als Teilaspekt des rechtlichen Gehörs Anspruch auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK Garantie, von jeder dem Gericht eingereichten Eingabe der übrigen Verfahrensbeteiligten Kenntnis zu nehmen und sich dazu äussern zu können. Das jeweilige Gericht ist daher verpflichtet, jede ihm eingereichte Stellungnahme allen Verfahrensbeteiligten zur Kenntnisnahme zuzustellen. Das Replikrecht als Teilaspekt des rechtlichen Gehörs Die Zustellung muss unabhängig davon erfolgen, ob die Stellungnahme neue/ erhebliche Gesichtspunkte enthält, und somit überhaupt einen Einfluss auf das Urteil haben könnte. Parteien entscheiden somit, ob sie sich zu den eingereichten Eingaben äussern wollen oder nicht (BGE 139 I 189 E. 3.3). 2
3 Das Replikrecht als Teilaspekt des rechtlichen Gehörs Erfolgt Einreichung der Replik bzw. der Antrag auf Fristansetzung nicht unverzüglich, geht das Gericht regelmässig von einem Verzicht der Partei auf ihr Replikrecht aus (BGE 138 I 484 E. 2.2). Ein allfälliger Schriftenwechsel darf nur unter Vorbehalt des Replikrechts der betreffenden Partei geschlossen werden (Ausnahme: Rechtsmissbrauch). Grundsatz der Waffengleichheit Das Replikrecht als Teilaspekt des rechtlichen Gehörs Replikrecht wird heute durch die Gerichte generell anerkannt. Im Gegensatz zu früher besteht das Replikrecht heute unabhängig vom Inhalt der neuen Stellungnahme bzw. unabhängig davon, ob die neue Stellungnahme Noven enthält (Urteil des BGer 1B_783/2012 vom 16. Oktober 2013 E ). 3
4 Problemkreise a) Fristen Was ist eine «angemessene» Zeit? Unzulässig: sofortige Urteilsfällung bzw. zu kurze Fristansetzung Praxis: Innert zehn Tagen ist zumindest der Antrag auf Fristansetzung zu stellen. BGer: Zeitspanne von 20 Tagen sollte genügen (Urteil des BGer 6B_610/2013 vom 12. Dezember 2013 E. 1.2) Teil der Lehre: zehn bis 15 Tage Rücksichtnahme auf Art des Verfahrens Problemkreise a) Fristen Was ist eine «angemessene» Zeit? Nach Ablauf der jeweiligen Frist wird i.d.r. von einem Verzicht der berechtigten Partei auf ihr Replikrecht ausgegangen. Diese Annahme ist jedoch insbesondere bei nicht anwaltlich vertretenen Parteien problematisch. Mögliche Alternative: Gericht setzt mit der Zustellung einer neuen Eingabe auch gleich eine Frist zur freigestellten Replik an. 4
5 Problemkreise a) Fristen Frist zur Ausarbeitung einer Stellungnahme: Es sollte jeweils dem Einzelfall Rechnung getragen werden. Ausschlaggebend sind Kriterien wie Verfahrensart, Umfang der vorangegangenen Rechtsschrift(en) und deren Novendichte bzw. Komplexität. Obergrenze: Frist, welche Gegenpartei für ihre Eingabe einzuhalten hatte Problemkreise a) Fristen Wann beginnt die Frist zu laufen? Rechtsprechung des Obergerichts Bern: Bereits die Zustellung der Kollegenkopie vermag die Frist auszulösen (Urteil des OGer BE vom 8. Juli 2011, ZK11220). Diese Rechtsprechung ist jedoch umstritten. Frist sollte vielmehr erst zu laufen beginnen, wenn das Gericht die entsprechende Eingabe der Partei zur Kenntnisnahme zugestellt hat. 5
6 Problemkreise a) Fristen Sind verspätet eingereichte Stellungnahmen noch zu berücksichtigen? Rechtsprechung des Obergerichts Zürich: Auch verspätet eingereichte Eingaben bleiben beachtlich, wenn der Entscheid noch nicht gefällt ist (Urteil des OGer ZH vom 24. Juli 2012, PS110160). Gericht sollte sein Urteil auf möglichst richtiger Erkenntnisgrundlage aufbauen können. Problemkreise b) Zustellung zur Kenntnisnahme BGer: Gericht braucht Parteien nicht ausdrücklich auf ihr Replikrecht hinzuweisen. Diese Praxis ist jedoch insbesondere bei rechtsunkundigen Personen, die nicht anwaltlich vertreten sind, problematisch (vgl. Urteil des EGMR Schaller-Bossert gegen Schweiz vom 28. Oktober 2010). Mögliche Alternative: direkte Fristansetzung zur freigestellten Replik durch das Gericht mit Hinweis auf deren fakultativen Charakter 6
7 Problemkreise c) Substantiierungspflicht Tatsachenbehauptungen der Gegenpartei müssen substantiiert bestritten werden, andernfalls riskiert man, dass diese als anerkannt gelten. Zu jeder einzelnen Behauptung der Gegenpartei ist (im Detail) Stellung zu nehmen. Bloss allgemeine, pauschale Erklärungen genügen der Bestreitungspflicht nicht. Problemkreise c) Substantiierungspflicht Eigene Tatsachenbehauptungen sind spätestens in der Replik substantiiert darzulegen. Unklar ist, ob nach der Duplik noch die Möglichkeit besteht, zu substantiieren bzw. «nachzusubstantiieren». 7
8 Problemkreise d) Gilt der Inhalt der Duplik bei fehlender Bestreitung als anerkannt? Grundsatz: «Zulässige Dupliknoven» gelten als anerkannt, wenn man sie nicht in Ausübung des Replikrechts bestreitet (wobei gemäss h.l. eine zumindest implizite Bestreitung genügt). «Unzulässige Dupliknoven» gelten jedoch auch bei einem Schweigen der Partei nicht als von dieser anerkannt. Problemkreise d) Gilt der Inhalt der Duplik bei fehlender Bestreitung als anerkannt? Urteil des OGer ZH vom 25. März 2013, LB090080: «Die Klägerin kann die versäumte Stellungnahme nicht nachholen, weshalb die diesbezüglichen Ausführungen, soweit sie nur im Zusammenhang mit den Dupliknoven stehen, unbeachtlich zu bleiben haben und die diesbezüglichen Vorbringen der Beklagten als nicht bestritten gelten.» 8
9 Problemkreise d) Gilt der Inhalt der Duplik bei fehlender Bestreitung als anerkannt? H.L.: Bestreitung kann sich z.b. auch aus einer bereits früher eingereichten Rechtsschrift und der darin enthaltenen Bestreitung einer anderen Behauptung ergeben. Nur bei völlig neuen Tatsachenbehauptungen oder Beweismitteln kann folglich ein Schweigen als Anerkennung gelten. Problemkreise e) Rechtsfolgen bei Verletzung des rechtlichen Gehörs Grundsatz: Verletzung führt zur Aufhebung des angefochtenen Entscheides Eine nicht besonders schwerwiegende Verletzung kann unter Umständen jedoch auch als geheilt gelten (BGE 137 I 195 E ; BGE 136 V 117 E ). Von Rückweisung kann zudem abgesehen werden, wenn eine solche zu einem formalistischen Leerlauf führen würde. 9
10 Problemkreise f) Replikrecht in mündlichen Verhandlungen Novenschranke in der mündlichen Hauptverhandlung (vgl. Art. 229 ZPO) Bis zu welchem Zeitpunkt können zulässige Noven vorgebracht werden? ZPO beantwortet diese Frage nicht eindeutig. Möglicher Ansatz: Gerichte sollten zulässige Noven bis zur Urteilsfällung berücksichtigen. Art. 229 Abs. 3 ZPO sollte daher auch bei Anwendung der Verhandlungsmaxime gelten. Schlussfolgerungen Replikrecht hat in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Bis heute fehlt jedoch eine gesetzliche Regelung. Eine gesetzliche Regelung würde insb. das Problem der blossen Zustellung zur Kenntnisnahme lösen. Einheitliche Praxis zur Regelung der Fristansetzung wäre ebenfalls wünschenswert. 10
11 Vielen Dank für die Aufmerksamkeit PD Dr. iur. 11
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