Liebe Gemeinde, vorhin haben wir die ersten Worte aus dem Johannesevangelium gehört. Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist Es sind mächtige Worte, die in die Geschichte eingegangen sind. Die ersten beiden Worte sind eine exakte Kopie des Anfangs der Bibel. Dort heißt es Be Reschit. Das ist hebräisch. Bei Johannes sind diese Worte in griechischer Sprache wiedergegeben und heißen en Archä. Zu Deutsch im Anfang. Ich denke Johannes hat ganz bewusst diese beiden Worte gewählt, um deutlich zu machen, dass nun etwas ganz Grundsätzliches mitgeteilt wird in seinem Evangelium. Seine Worte, so wollte Johannes sagen, sind genauso wichtig wie die ersten Worte der Bibel überhaupt. Um das richtig zu verstehen muss man folgendes wissen: Wir haben gelernt nach dem Grund der Dinge zu fragen, der Ursache oder auch auf lateinisch ausgedrückt, der Kausalität. Am einfachsten können wir uns das an einem Krimi verdeutlichen. Wenn der Kommissar herausgefunden hat, welche Ursache der Tod eines Menschen hatte, dann ist er auch schon auf dem besten Weg, den Mörder zu finden. In der hebräischen Sprache gibt es kein Wort für Ursache. Im antiken Judentum, wurde statt dessen danach gefragt, wie alles angefangen hat. Auf Englisch würde man heute vom "very beginning" sprechen und meint damit den letztendlichen Ursprung einer Sache. In der Bibel ist vom letztendlichen Ursprung aller Dinge die Rede, in der Schöpfungsgeschichte und auch im Johannesevangelium. Bei Johannes heißt es: Im Anfang war das Wort, der Logos. Johann Wolfgang von Goethe hat einmal frech dagegen gedichtet und statt dessen geschrieben: "Am Anfang war die Tat!"
Das ist aber gar nicht neu, denn die Bibel selbst fängt genau mit diesen Worten an: Be Reschit bara Elohim, das heißt am Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde, Haschamajim w et haarez. Ich denke beides ist gleichermaßen wichtig, das Wort Gottes genauso wie die Taten Gotten. Wir sollten nicht das eine gegen das andere ausspielen. Auch bei Johannes folgt auf das Wort auch gleich eine Tat, die die Welt verändern sollte. Gotte sandte seinen Sohn zu den Menschen. Er war das Fleisch gewordene Wort, er war das Licht für die Welt. Von Ihm sagt Johannes: Er kam in sein Eigentum und die seinen nahmen ihn nicht auf. Damit nimmt er das vorweg, von dem er weiß, dass es bereits geschehen ist, den Tod Jesu am Kreuz. Viele wollten in Jesus nicht den Erlöser der Menschen sehen, sie meinten, das sei ein Anmaßung ja eine Gotteslästerung. Sie verrieten ihn, sie lieferten ihn der Polizei aus, sie forderten für Ihn die Todesstrafe und diese Strafe wurde auch vollstreckt. An sein Kreuz hängte man ein Schild mit der Aufschrift INRI, das ist eine Abkürzung für die lateinischen Wörter; Iesus Nazarenus Rex Iudaeorum, zu deutsch "Jesus aus Nazareth König der Juden". Der Predigttext heute beschreibt ein ähnliches Ereignis, das um das Jahr 800 vor Christus geschehen sein soll. Es ist in der Chronik, einem zweibändigen Werk entnommen, das die Geschichte des Volkes Israel nach der Zeit der Könige David und Salomo erzählt. Dort heißt es (2. Chronik, 24, 19-21): Er sandte aber Propheten zu ihnen, um sie zum HERRN zurückzubringen; und diese vermahnten sie ernstlich, aber sie hörten nicht darauf. 20Da kam der Geist Gottes über Sacharja, den Sohn Jojadas, des Priesters, so dass er wider das Volk auftrat und zu ihnen sprach: So spricht Gott : Warum übertretet ihr die Gebote des HERRN? Das bringt euch kein Glück, denn weil ihr den HERRN verlassen habt, wird er euch
auch verlassen! 21Aber sie machten eine Verschwörung wider ihn und steinigten ihn auf Befehl des Königs im Vorhofe am Hause des HERRN. Diesmal wird nicht Jesus gekreuzigt, sondern der Prophet Sacharja, von dem auch ein Buch in der Bibel überliefert ist, gesteinigt. Sein Verbrechen bestand darin, das Volk Israel daran erinnert zu haben, dass es immer wieder die Gesetze Gottes übertreten hat und übertritt. Er sagte etwas, woran die Menschen nicht erinnert werden wollten und was sie nicht hören wollten. Es gab eine Verschwörung und er wurde hingerichtet. Auch gegen Jesus hatten sich einige verschworen, die Pharisäer und Schriftgelehrten und die Oberpriester am Tempel von Jerusalem. Sie hatten auch einen V-Mann, einen Verbindungsmann in der Gefolgschaft Jesus, einen gewissen Judas, der einer radikalen, gewaltbereiten Gruppe jüdischer Extremisten angehörte und der den entscheidenden Hinweis zur Ergreifung Jesu lieferte. Ich habe ganz bewusst eben Worte gewählt, die ihnen aus den Nachrichten bekannt vorkommen: gewaltbereite Extremisten und V- Leute, die sich in solchen Bewegungen aktiv sind und ihr Wissen an staatliche Behörden verkaufen, damit die gegen diese Gruppen vorgehen können. War Jesus ein Extremist? War Sacharja ein Extremist? Ich glaube nicht. Nicht Jesus sondern Judas war der Extremist in der Jüngerschar. Nach dem Zeugnis der Bibel war Jesus eines ganz sicher nicht. Er war nicht gewaltbereit. Im Gegenteil, er hat den Gewaltverzicht gepredigt, als er sagte: "Euch ist gesagt, ihr sollt euren Nächsten lieben Euren Feind aber sollt ihr hassen. Ich aber sage euch: Ihr sollt Eure Feinde lieben, tut Gutes denen, die Euch hassen und segnet die, die euch verfluchen." Das hat aber seine Gegner nicht davon abgehalten ihm nach dem Leben zu trachten. Das, was mit Jeus geschehen ist, hat sich auch bei dem Propheten Sacharja tausend Jahre vorher schon ereignet und es passiert immer wieder.
Menschen, die den Frieden und den Ausgleich suchen, werden nicht selten Opfer von Attentaten. Denken sie an Martin Luther King, der sich für die Rechte der Schwarzen stark gemacht hat, oder denken sie an Isaak Rabin, der versucht hat eine Friedliche Lösung des Palästinakonfliktes herbei zu führen, oder denken sie an Mahatma Gandhi, der den gewaltlosen Widerstand gegen die britische Besatzungsmacht organisiert hat. Das Schicksal Jesu wiederholt sich unendliche Male in der Weltgeschichte. Die Propheten, die immer wieder an das Wort Gottes erinnern, das die Menschen beiseitegeschoben haben, riskieren nicht selten ihr eigenes Leben. Die Mächtigen, die um ihre Macht fürchten, können zwar die Propheten umbringen, so wie sie Jesu gekreuzigt haben, die Gottesworte, die die Propheten verkündet haben, können sie auf diese Weise aber nicht aus der Welt schaffen. Der Ruf nach Gewaltverzicht und Gerechtigkeit und Barmherzigkeit wird immer wieder neu auferstehen, so wie Jesus von den Toten auferstanden ist. Himmel und Erde werden vergehen, so steht es geschrieben, aber meine Worte vergehen nicht, so spricht der HERR. Das was mit dem Gotteskind in der Krippe begonnen hat, ist um die halbe Welt gegangen. Es war zunächst nur ein Kind, klein und hilflos, auf die Fürsorge seiner Mutter angewiesen. Später hat Jesus nichts anderes gemacht, als an die Worte Gottes zu erinnern, die bei den Menschen in Vergessenheit geraten sind. Weihnachten erinnert uns an das Große Geschenk, das Gott uns gemacht hat und von dem Johannes uns in seinem Evangelium berichtet: Am Anfang war das Wort Gottes.
Jesus wurde nicht müde auf diese Gottesworte immer wieder hinzuweisen. An uns geht der Ruf, diese Worte und das Fleischgewordene Gotteskind nicht wieder zurückzuweisen, sondern diese Worte Gottes in uns aufzunehmen, die uns in der Weihnachtsgeschichte und im Evangelium entgegenkommen. Wie heißt es bei Johannes? Er kam in sein Eigentum. Wir sind Gottes Eigentum, wir sind seine Kinder. Uns Menschen hat Gott sich an Weihnachten zugewandt, als er seinen Sohn schickte, als kleines Kind in der Krippe. Was uns an Weihnachten entgegenkommt, ist Gottes allumfassende Barmherzigkeit. Amen