Galerie Schlichtenmaier



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Transkript:

Volker Lehnert Ein wenig Argwohn in Waldstücken Schloss Dätzingen Galerie Schlichtenmaier GS

Ein wenig Argwohn in Waldstücken XIII, 2014 Farblithografie auf Papier, 30 40 cm signiert und datiert; Auflage: 11 Exemplare 1956 geboren in Saarbrücken 1976 81 Studium der Bildenden Kunst, Kunstgeschichte und Germanistik in Mainz, Hochschule für Bildende Künste 1981 Förderstipendium der Universität Mainz; Förderpreis der Internationalen Senefelder-Stiftung für Lithografie 1982 Grafik-Kunstpreis der Wilhelm-Dröscher-Stiftung 1988 Sickingen-Preis für Malerei; Ramboux-Preis für Malerei 1991 Mainzer Kunstpreis Eisenturm 1996 2000 Professur für Zeichnung an der Hochschule Niederrhein in Krefeld seit 2000 Professur an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart

Zur Eröffnung der Ausstellung Sommergast Volker Lehnert Ein wenig Argwohn in Waldstücken am Sonntag, dem 13. Juli 2014, um 11 Uhr laden wir Sie und Ihre Freunde sehr herzlich ein. Es spricht Dr. Günter Baumann. Die Galerie ist am 13. Juli bis 15 Uhr geöffnet. Titelbild: Barriere, 2014 Eitempera auf Leinwand, 150 120 cm signiert und datiert

Kundschafter im Gestrüpp, 2013 Eitempera auf Leinwand, 210 165 cm signiert und datiert Wirklichkeitsfraktale»Was wir die Wirklichkeit nennen, ist eine bestimmte Beziehung zwischen Empfindungen und Erinnerungen.«Marcel Proust, Auf der Suche nach der verlorenen Zeit Volker Lehnert zieht den Betrachter in eine scheinbar vertraute Bildwelt hinein, und zugleich mischt sich ein befremdliches Gefühl angesichts der Darstellung fragmentierter Waldstücke bei. Im kollektiven Bewusstsein gerade der Deutschen ist der Wald emotional besetzt, ja irrational, verbinden sich damit doch noch immer märchenhafte und mystische Züge sowie kindliche Vorstellungen von Wildwestromantik. Die Natur in Lehnerts Bildern besticht zunächst mit einer betont banalen Dinglichkeit Bäume, Unterholz oder Steine illustrieren das Bild ihrer selbst. Zivilisatorische Momente drängen hinzu auch das ist beim flüchtigen Anschauen noch nicht irritierend, im Gegenteil: Die Menschen und Bauten verlagern den Blick auf den forstwirtschaftlichen, also eher nüchternen, immerhin

Die Wut in Waldstücken, 2013 Eitempera auf Leinwand, 210 165 cm signiert und datiert nützlichen Aspekt des Tannengehölzes. Der kunsthistorisch und literarisch bewanderte Künstler spielt mit den Klischees einer heilen Welt und überstreicht sie am Ende mit einer heillosen Vision. Denn im selben Moment, in dem wir die Inhalte in ihrer typisierten Präsenz memorieren, lässt Lehnert uns in unwägbares Gelände stolpern. Die Sehgewohnheit nötigt uns, einen Zusammenhang herzustellen, der offenbar nicht existiert oder Fragen aufwirft, welche auf dem Bild nicht beantwortet werden: Flora und Fauna wollen nicht recht zusammenpassen. Die vermeintliche, wenn auch tückisch grelle Waldeslust, die sich so wunderbar in eine postromantische Tradition hätte einfügen lassen, weicht einem desillusionierten Bild von einem bedrohten, allzu fragilen Stück Natur, aber auch dem des unbezwingbaren Dschungels. Bewaffnete Männer gebärden sich wie Soldaten, Waldhüter oder Wegelagerer, die ziellos das Gelände erkunden. Ratlos begegnen die Menschen hier einer Natur, die sie nicht mehr verstehen, und einem Tun, dessen Konsequenzen sie nicht mehr überschauen. Die Farben legen sich wie Schleier über die zunächst so klar vorgezeichneten Szenen, die

Eine Wut im Wald, 2014 Eitempera auf Leinwand, 150 120 cm signiert und datiert dahinter in Deckung gehen. Auf den zweiten Blick verunklärt sich die Situation noch mehr, als dass sie sich erhellen könnte. Die illustrativen Elemente gleichen vervielfältigen Schablonen. Die Perspektive hebt sich formal auf und macht Stimmungen Platz, die in einer ins Schwanken geratenen Dingwelt zu changieren beginnen wie die lasierend aufgetragenen, starkbunten Farben, die uns einbläuen: Diese Darstellung der Natur ist nicht natürlich, sondern ein Produkt unsrer Einbildung. Dessen ungeachtet sucht der Betrachter die Geschichten hinter diesen Darstellungen. Dem leistet Lehnert in seinen erzählerischen Momenten auch Vorschub, nur geht die Bildgeschichte nicht wirklich auf die Sprechblasen bleiben leer. Es wird deutlich, dass die Bildlogik keineswegs Einsichten in die Wirklichkeit bietet, wie wir es leichtfertig voraussetzen.»auch die Logik«, schreibt Nietzsche in Menschliches, Allzumenschliches,»beruht auf Voraussetzungen, denen nichts in der wirklichen Welt entspricht, zum Beispiel auf der Voraussetzung der Gleichheit von Dingen, der Identität desselben Dinges in verschiedenen Punkten der Zeit.«Der Wald ist mal Hort der Freiheit und des Schutzes, mal Chiffre für eine

Flurstück, Gelbrand, 2014 Eitempera auf Leinwand, 150 120 cm signiert und datiert undurchdringbare Rätselwelt; die Figuren sind mal Comic-Cowboys, mal Vertreter einer aggressiven Macht; die Holzbaracken und Zeltbauten ähneln Schutzbehausungen und Arrestzellen. In einem Prosagedicht fragte sich Max Ernst:»Was ist ein Wald? / Gemischte Gefühle : / Entzücken und Bedrückung und das, was die Romantiker / Naturgefühl getauft haben. / Die wunderbare Lust, frei zu atmen im offenen Raum, / doch gleichzeitig die Beklemmung, ringsum von feindlichen Bäumen / eingekerkert zu sein. / Draußen und drinnen zugleich. / Frei und gefangen, / wer soll das Rätsel lösen? / Die Wälder fressen den Horizont. / Sie bemächtigen sich der Sonne, von der oft nur ein seiner Strahlen / beraubter Ring übrigbleibt.«volker Lehnert geht es ausdrücklich nicht um das Was und Wie, sondern um den Antrieb zum Akt des figurativen Malens, der bei ihm aus der Zeichnung hervorgeht: sowohl die Architektur wie die Menschen sind in roter oder schwarzer Lineatur erfasst. Lehnert setzt auf archaische und Erinnerungsspuren, die verwischt, zuweilen aber auch konkret bildhaft aufscheinen. Diese Rätselhaftigkeit erinnert an die jüngere Leipziger Schule, doch die Bildillusion geht bei Lehnert

Teich und Kathedrale, 2012 Bleistift, Farbstifte, Ölfarbe auf Papier, 30 40 cm monogrammiert und datiert weiter, umfasst auch den Zauber der Kinderkritzelei. Fokussiert etwa Neo Rauch die malerisch-pathetische Aura einer nicht hinterfragbaren, geheimnisvollen Dingwelt, spielt Lehnert als scheinbar unbeteiligter Beobachter mit den verschiedenen Wahrnehmungsfeldern, dem»punkt, wo Gewusstes, Gefühltes und Gesehenes im Bild zu einer Einheit zusammengeführt werden«(v.l.). Die unterschwelligen Schichten jener Erinnerungen und Wünsche ergeben eine irreale Bildlandschaft, in der sich Comic-Elemente und Lagerfeuerromantik mischen, und die im Linearstil an palimpsestartige Graffiti genauso denken lässt wie an Buchillustrationen bzw. Buchmalerei. Lediglich das Großformat weist die Arbeiten letztendlich noch vor der Farbe als Malerei aus. Grandios ist der ironisch verfeinerte Witz, der in großer Geste ein Pathos vorgibt, das im selben Moment, wie es reflexhaft empfunden wird, auch schon wieder konterkariert wird:»held (nutzlos)«heißt etwa eine frühere Arbeit. Große Erwartungen hegt allerdings auch der Betrachter: ein alliterierendes Wortspiel weckt Neugierde (»Eine Wut im Wald«), eine Erzählung bahnt sich an

Große Mutter, 2014 Bleistift, Beize auf Papier, 19,5 29,5 cm monogrammiert und datiert (»Zwei im Lager«) oder ein erzählerisches Motiv wird noch versprochen (»Landschaft mit Rest von Umarmung«). Auf der Suche nach dem Geschehen steht man plötzlich sprachlos im Bild, umgeben von erinnerten Trugbildern, Selbstzitaten und realen Fragmenten aus vergessenen Zusammenhängen und gänzlich irrealen Szenen aus der Werbung oder traumatischen Fiktionen. Die zum Teil grelle Farbigkeit täuscht darüber hinweg, dass Volker Lehnert nicht nur ein großartiger Zeichner ist, sondern über die Zeichnung erst klare Angebote an die Realwelt macht: Ein Haus, ein Zelt einerseits, und auf der anderen Seite agierende Menschen nur machen die Behausungen einen verschlossenen und die Menschen einen seinsvergessenen Eindruck. Drumherum entfaltet sich die Malerei in einer Landschaftlichkeit, die gestenreich die angedeuteten Dingsignaturen überwuchert oder in der Lasur so verwässert ausgeführt wird, als wäre gerade ein Prozess des getrübten Sehens, des Vergessens überhaupt im Gange. Der Betrachter ertappt sich dabei, dass er umso gieriger die Szenen auszumachen versucht, um die verborgene, verblassende und schließlich verschwindende Geschichte dahinter doch noch

Flurstück P., 2014 Eitempera auf Leinwand, 150 120 cm signiert und datiert zu erhaschen.»ein wenig Argwohn in Waldstücken«, so nennt Lehnert eine Bildserie der Rat ist dabei so wörtlich wie bildlich zu nehmen. Die Wirklichkeit im Werk von Volker Lehnert ist ein Bilderdschungel voller Landschaftsfragmente, Chiffren und narrativer Szenerien. So wenig real alles zusammen ist, so wenig darf man das Ganze für surreal halten, und so phantasievoll diese gemalte Welt erscheint, so wenig kann man sie der phantastischen Malerei zuschlagen. Im Nachlass zu Robert Musils Mann ohne Eigenschaften ist zu lesen:»jede Ordnung ist irgendwie absurd und wachsfigurenhaft, wenn man sie zu ernst nimmt, jedes Ding ist ein erstarrter Einzelfall seiner Möglichkeiten. Aber das sind nicht Zweifel, sondern es ist eine bewegte, elastische Unbestimmtheit, die sich zu allem fähig fühlt.«dadurch, dass Lehnert nicht alles ernst nimmt, was er malt, wird er glaubhaft, bei aller Absurdität. Denn es ist nicht die sichtbare Wirklichkeit, die er im Schilde führt dagegen spräche schon die Farbigkeit, sondern die erinnerte und erlesene. Die immer lichter werdende Palette von Lehnert könnte man deuten als die vergeistigte Einwilligung in die Ausweglosigkeit des Daseins, aber auch als

Zwei im Lager, 2006 Eitempera auf Leinwand, 120 100 cm signiert und datiert Verlust der materiellen Anbindung. Demgegenüber erzeugt er durch den neuerlichen Einsatz der Spritzpistole farbige Leuchtspuren, die den Arbeiten nun eine luzide Künstlichkeit verleihen. Wie auch immer, zu verorten ist keine der Landschaften.»Und diese Gemälde sind auch keine Landschaften. Weil es gar keine Landschaften gibt, nicht im alten, ordentlichen europäischen Sinne, mit einem sanftem Hügel, einem gewundenem Fluss, einem Haus, einem Berg im Hintergrund, einem goldenen Abendhimmel.«Mit diesen Worten hätte Margaret Atwood in der Kurzgeschichte Tod durch Landschaft auch Lehnerts Malerei beschreiben können:»stattdessen ist dort ein Unterholz, ein zurückweichendes Labyrinth, in dem man sich fast im selben Augenblick verirrt, indem man den Pfad verlässt. Auf keinem der Bilder ist ein Hintergrund, eine Aussicht; nur eine Menge Vordergrund, der immer weiter und weiter zurückweicht, endlos, der einen in sein Gewirr und Geflecht aus Bäumen und Zweigen und Felsen hineinzieht. Egal, wie weit man eindringt in ihn, er nimmt kein Ende. Und die Bäume sind eigentlich kaum Bäume; es sind Energieströme, die mit ungestümen Farben aufgeladen sind.«

Ein wenig Argwohn in Waldstücken II, 2014 Farblithografie auf Papier, 30 43 cm signiert und datiert; Auflage: 12 Exemplare Energieströme durchziehen auch das grafische Werk von Volker Lehnert, das völlig eigenständig neben der Malerei entsteht. Die Lithografien sind noch am ehesten geeignet, die Gemälde zu flankieren, entstehen in der Regel auch innerhalb der selben Werkzyklen. Doch umfasst Lehnerts Grafik neben den Steindrucken auch den Hochdruck mit Holz- und Linolschnitten sowie die Radierung, ganz zu schweigen von experimentellen Drucktechniken. Parallel zum malerischen Gestus genügt es ihm nicht, hier in bloßen Auflagen zu denken. Vielmehr variiert er laufend die Druckplatten, lässt dem Zufall seine Chance und den ätzenden Säuren ihr Spiel. Die Ergebnisse sind energetisch aufgeladene Blätter, die nahe am Unikat ihre Position im Schaffen des Künstlers behaupten. Die Farben der Lithos sind oftmals kräftiger als die vorwiegend lasierende Eitempera auf den Gemälden. Ihrem Kolorit kommen sogar die zurückhaltend eingefärbten Zeichnungen entgegen, welche die dritte große Werkgruppe bilden. Charakteristisch ist für sie jedoch die Unmittelbarkeit einmal technisch insofern, dass der Zeichenstift»als Verlängerung der Fingerspitzen«von Volker Lehnert»wie ein Sinnesorgan«angesehen wird, das den

Ein wenig Argwohn in Waldstücken III, 2014 Farblithografie auf Papier, 30 43 cm signiert und datiert; Auflage: 12 Exemplare direkten Kontakt zwischen Gehirn und Papier hält. Zum anderen zeichnet Lehnert vor Ort, bevorzugt auf seinen Reisen: ein Grund, warum die Architektur vor den Naturstudien dominiert. Die meist südeuropäischen Motive geben in Vogelperspektive beziehungsweise Draufsicht den Blick auf stark verzerrte Gartenanlagen in gebauter Umgebung frei. Es sind freche, von jeglicher mathematischen Perspektive befreite Zeichnungen, die scheinbar flüchtig hingeworfen sind, bei genauer Betrachtung jedoch wohldurchdachte, zusammenmontierte Gedankensplitter darstellen, die sich keineswegs der Realität entziehen, zuweilen sogar an die Prägnanz von alten Veduten erinnern. Allerdings geben die Arbeiten weniger eine belegbare Räumlichkeit wider als Eindrücke, die in einer wahren Bilderflut über den Künstler hereingebrochen sind, der sie sich nun vom Leibe zeichnet. Eincollagierte Papierausschnitte verstärken den Spontaneindruck. Zeichnung verbindet sich hier am nächsten mit der erlebten Empfindung, während die Grafik und die Malerei mit der Erinnerung einhergehen, an deren Ende eine unverwechselbare Bildschöpfung aus dem Gedächtnis heraus steht. gb

Galerie Schlichtenmaier ohg Schloss Dätzingen 71120 Grafenau Telefon 07033 / 41 39 4 Telefax 07033 / 44 92 3 www.schlichtenmaier.de schloss@galerie-schlichtenmaier.de Sommergast Volker Lehnert Ein wenig Argwohn in Waldstücken Ausstellungsdauer 13. Juli 4. Oktober 2014 Öffnungszeiten Dienstag bis Freitag 11 18.30 Uhr Samstag 11 16 Uhr und nach Vereinbarung Sonn- und Feiertag geschlossen Die Galerie ist vom 4. 30. August geschlossen. Verkehrsverbindungen Auto: A 8 (Karlsruhe-München). Ab Autobahn-Kreuz S-Vaihingen über die A 81 (Stuttgart-Singen) bis Ausfahrt Böblingen-Hulb. Dann weiter Richtung Calw / Grafenau nach 8 km Abzweigung nach Dätzingen (1 km), Parkmöglichkeiten direkt am Schloss. Bahn: S-Bahn von Stuttgart / Hauptbahnhof (S6) bis Station Weil der Stadt. Regionalbus Weil der Stadt Grafenau.