Jesus auf der Flucht (Matthäus 2, 13-23; 1. So. n. d. Christfest III)

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Transkript:

Jesus auf der Flucht (Matthäus 2, 13-23; 1. So. n. d. Christfest III) Eine Predigt von Bernhard Kaiser 13 Als sie aber hinweggezogen waren, siehe, da erschien der Engel des Herrn dem Josef im Traum und sprach: Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter mit dir und flieh nach Ägypten und bleib dort, bis ich dir s sage; denn Herodes hat vor, das Kindlein zu suchen, um es umzubringen. 14 Da stand er auf und nahm das Kindlein und seine Mutter mit sich bei Nacht und entwich nach Ägypten 15 und blieb dort bis nach dem Tod des Herodes, damit erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht (Hosea 11,1):»Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen.«16 Als Herodes nun sah, daß er von den Weisen betrogen war, wurde er sehr zornig und schickte aus und ließ alle Kinder in Bethlehem töten und in der ganzen Gegend, die zweijährig und darunter waren, nach der Zeit, die er von den Weisen genau erkundet hatte. 17 Da wurde erfüllt, was gesagt ist durch den Propheten Jeremia, der da spricht (Jeremia 31,15): 18»In Rama hat man ein Geschrei gehört, viel Weinen und Wehklagen; Rahel beweinte ihre Kinder und wollte sich nicht trösten lassen, denn es war aus mit ihnen.«19 Als aber Herodes gestorben war, siehe, da erschien der Engel des Herrn dem Josef im Traum in Ägypten 20 und sprach: Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter mit dir und zieh hin in das Land Israel; sie sind gestorben, die dem Kindlein nach dem Leben getrachtet haben. 21 Da stand er auf und nahm das Kindlein und seine Mutter mit sich und kam in das Land Israel. 22 Als er aber hörte, daß Archelaus in Judäa König war anstatt seines Vaters Herodes, fürchtete er sich, dorthin zu gehen. Und im Traum empfing er Befehl von Gott und zog ins galiläische Land 23 und kam und wohnte in einer Stadt mit Namen Nazareth, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch die Propheten: Er soll Nazoräer heißen. Einleitung Flüchtlinge sind das Thema unserer Tage, und zwar schon seit über einem Jahr, und unser heutiger Predigttext wird von frommen und weniger frommen Zeitgenossen instrumentalisiert, Flüchtlinge und solche, die sich als solche ausgeben, willkommen zu heißen. Jesus sei doch auch ein Flüchtling gewesen, und deshalb dürfe man Flüchtlinge nicht schlecht behandeln oder sie gar in ihr Heimatland abschieben. Bei dieser Argumentation wird allein die Tatsache, daß die kleine Familie Joseph, Maria und das Jesuskind flüchten sollten, zu einer Handlungsanweisung umgemünzt. Wir werden diesem Ansinnen in unserer Predigt nicht folgen, sondern wir werden uns mit dem beschäftigen, was unser Bibeltext von Jesus sagt, so sehr man Flüchtlinge menschlich und nach geltendem Recht behandeln sollte. Wir beschäftigen uns zunächst mit Herodes dem Großen und versuchen, seine Motive zu verstehen, Jesus zu verfolgen. Wir folgen sodann Josef, Maria und dem Jesuskind auf der Flucht, und schließlich begleiten wir sie auch auf ihrer Rückkehr. 1. Herodes und der Wahn der Allmacht Herodes war kein Jude, sondern ein Idumäer, ein Nachfahre Esaus. Er lebte von 73 vor Christus und starb nach unserer Zeitrechnung im Jahre 4 vor Christus. Er war ein Gefolgsmann und Günstling des Kaisers Augustus, und diesem verdankte er das Königtum

Kaiser: Jesus auf der Flucht, Seite 2 über die römische Provinz Judäa und deren Nachbargebiete. Er war mehrmals verheiratet, aber scheute sich nicht, alle, die ihm aus seiner Familie gefährlich werden konnten, hinzurichten seine Frau Mariamne, deren Schwager und zwei seiner Söhne aus der Ehe mit der Hingerichteten und einen weiteren Sohn. Noch viele andere bezahlten die Gewaltherrschaft des Herodes mit ihrem Leben. Insofern wundert es nicht, daß er auch den Kindermord von Bethlehem befahl. Doch der Reihe nach: Zuvor waren die Weisen aus dem Morgenland an seinem Hofe aufgetaucht und hatten nach dem neugeborenen König der Juden gefragt. Das war für ihn eine Katastrophe. Wir lesen am Anfang des Kapitels: Als das der König Herodes hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem (Mt 2, 3). Ein neugeborener König der Juden, von dem er nichts wußte, der sich seiner Kontrolle entzog, der in absehbarerer Zeit für ihn, seine Macht und seine Dynastie gefährlich werden konnte einen solchen durfte es nicht geben. Also griff er zu dem bewährten Handlungsmuster und plante die Ermordung dieses neugeborenen Königs. Wo aber sollte der neugeborene König der Juden zu finden sein? Er wußte es nicht. Also befragte er die jüdischen Schriftgelehrten, die mußten es doch wissen, und diese lasen im Alten Testament: In Bethlehem in Judäa; denn so steht geschrieben durch den Propheten (Micha 5,1): Und du, Bethlehem im jüdischen Lande, bist keineswegs die kleinste unter den Städten in Juda; denn aus dir wird kommen der Fürst, der mein Volk Israel weiden soll. Ob die Schriftgelehrten das auch wirklich glaubten, sei dahingestellt immerhin zitierten sie die heilige Schrift und hatten damit recht. Also schickte Herodes die Weisen nach Bethlehem mit der heuchlerischen Bitte: Zieht hin und forscht fleißig nach dem Kindlein; und wenn ihr s findet, so sagt mir s wieder, daß auch ich komme und es anbete (Mt 2, 8). Wie Matthäus berichtet, kehrten die Weisen auf Gottes Weisung hin nicht wieder nach Jerusalem zurück, sondern zogen in ihr Land. Herodes mußte erkennen, daß sie seiner Weisung nicht gehorchten. Sie, die wohl keine Juden waren, jedenfalls nicht als Juden ausgewiesen werden, hatten offensichtlich mehr von Gott begriffen als die Eliten im Gottesvolk Herodes, die Schriftgelehrten und die Hohenpriester. Das Handeln des Herodes jedenfalls war von großer geistlicher Blindheit gekennzeichnet. Obwohl er Herr über das Volk Gottes war, konnte er nicht erkennen, daß er gegen den Gott Israels nichts ausrichten konnte. Gott ließ ihn gewähren. Wir lesen: Als Herodes nun sah, daß er von den Weisen betrogen war, wurde er sehr zornig und schickte aus und ließ alle Kinder in Bethlehem töten und in der ganzen Gegend, die zweijährig und darunter waren, nach der Zeit, die er von den Weisen genau erkundet hatte. Typisch für einen Menschen, der kein Gewissen hat und keine Gottesfurcht: er mordet skrupellos Menschen dahin und scheut sich nicht im geringsten, unschuldiges Blut zu vergießen, erst recht nicht das Blut kleiner Kinder, die ihm alles andere als gefährlich werden können. Mit der Tötung anderer Menschen will der Mensch sich selber retten, seine Macht, seinen Einfluß, seine Freiheit zum Sündigen. Mord ist nicht nur Verachtung des Menschen, sondern auch Gottes, der den Menschen in seinem Bilde geschaffen hat. Die Kultur des Todes ist ein Kennzeichen des Heidentums, der Unglaubens und Aberglaubens, und es spielt dabei keine Rolle, ob der Tod von antiken Gewaltherrschern, russischen Mafiabossen, muslimischen Terroristen oder europäischen Abtreibern ausgeht. Was aber hatte Herodes mit dem Kindermord gewonnen? Konnte er sicher sein, daß er den neugeborenen König der Juden wirklich beseitigt hatte? Konnte er wieder, falls überhaupt, ruhig schlafen und seine Macht genießen? Sein Leben neigte sich ohnehin dem Ende zu und dem Moment, in dem er dem Gott Israels gegenübertreten mußte, während Gott das Leben seines Sohnes auf eine ganz menschliche Weise bewahrte.

Kaiser: Jesus auf der Flucht, Seite 3 2. Jesus auf der Flucht Gott sorgte dafür, daß Herodes den neugeborenen König der Juden nicht antasten konnte. Er machte den Anschlag des scheinbar übermächtigen Gewaltherrschers zunichte. Wir lesen: Als sie (die Weisen, BK) aber hinweggezogen waren, siehe, da erschien der Engel des Herrn dem Josef im Traum und sprach: Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter mit dir und flieh nach Ägypten und bleib dort, bis ich dir s sage; denn Herodes hat vor, das Kindlein zu suchen, um es umzubringen. Da stand er auf und nahm das Kindlein und seine Mutter mit sich bei Nacht und entwich nach Ägypten und blieb dort bis nach dem Tod des Herodes. Matthäus berichtet nicht, unter welchen Umständen die Flucht nach Ägypten geschah. Immerhin mußte die junge Familie etwa 300 Kilometer zu Fuß zurücklegen. Matthäus spricht nicht von einem Esel, wie er auf vielen Gemälden dargestellt wird, er sagt nichts über den Weg, den die junge Familie unter die Füße nahm, er berichtet nicht, was Josef in Ägypten gearbeitet hatte um seine Familie zu ernähren. Er stellt nur fest, daß sie nach Ägypten zogen und dort für einige Zeit eine Art politisches Asyl genossen. Wir mögen auch vermuten, daß die Geschenke, die ihnen die Weisen aus dem Morgenland überlassen hatten, als materielle Grundlage für ihre Flucht dienten. Wir mögen die Frage stellen, warum Gott nicht Herodes hat sterben lassen, als er den Plan faßte, den Kindermord in Bethlehem zu befehlen. Gott hätte das freilich tun können und Herodes wäre ganz normal als alter Mann gestorben; sein Leben wäre vielleicht nur zwei oder drei Jahre kürzer gewesen. Aber die Frage ist spekulativ; wir finden darauf keine Antwort. Wir erkennen aber an diesem Geschehen, daß Gott über dem Leben seines Sohnes wachte. Der Plan, den er mit seinem Sohn hatte, sollte gelingen. Sein Plan konnte und sollte nicht von den Machtinteressen eines alten und mordlustigen Machthabers außer Kraft gesetzt werden. Gott wollte, daß sein Sohn im Mannesalter stürbe stellvertretend für die Menschen, zum Sühnopfer für ihre Sünden. Darum verfügte Gott einen ganz menschlichen Weg: die Flucht. Gott nimmt also auch widrige historische Umstände in Kauf, um seine Absichten zur Ausführung zu bringen. Während die heilige Familie in Ägypten weilte, versanken Bethlehem und Umgebung in Trauer. Vielen jungen Familien wurden auf Befehl des Königs die kleinen Kinder weggenommen und getötet. Matthäus stellt dazu fest: Da wurde erfüllt, was gesagt ist durch den Propheten Jeremia, der da spricht (Jeremia 31,15): In Rama hat man ein Geschrei gehört, viel Weinen und Wehklagen; Rahel beweinte ihre Kinder und wollte sich nicht trösten lassen, denn es war aus mit ihnen. Wieder stellen wir die Frage nach dem Warum dieses unsinnigen Mordens. Doch Jeremia sagt nach dem von Matthäus zitierten Vers: Aber so spricht der HERR: Laß dein Schreien und Weinen und die Tränen deiner Augen; denn deine Mühe wird noch belohnt werden, spricht der HERR. Sie sollen wiederkommen aus dem Lande des Feindes, und deine Nachkommen haben viel Gutes zu erwarten, spricht der HERR, denn deine Söhne sollen wieder in ihre Heimat kommen (Jer 31, 16-17). Darüber hinaus verheißt Gott in demselben Kapitel, einen neuen Bund mit seinem Volk zu schließen, und zwar bewußt im Unterschied zu dem alten Bund, den er mit Israel am Sinai geschlossen hatte: Das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der HERR: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein und ich will ihr Gott sein. Und es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen:»erkenne den HERRN«, sondern sie sollen mich alle erkennen, beide, Klein und Groß, spricht der HERR; denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken (Jer 31, 33-34). In der Anspielung auf diese Worte macht Matthäus deutlich, daß die Klagen der Eltern und Großeltern nicht umsonst sein würden. Gott

Kaiser: Jesus auf der Flucht, Seite 4 würde seinem Volk Heil schaffen, und zwar in einem Neuen Bund und mit dem Ziel, den Menschen ihre Sünden zu vergeben. Immerhin war nun derjenige, in dem Gott diesen neuen Bund schließen würde, da, wenn auch auf der Flucht. So erkennen wir, daß die Flucht der heiligen Familie nach Ägypten keineswegs sinnlos war, sondern in der Verfügung Gottes stand. 3. Jesus in Nazareth Unter der Verfügung Gottes stand auch die Rückkehr der heiligen Familie. Wir lesen: Als aber Herodes gestorben war, siehe, da erschien der Engel des Herrn dem Josef im Traum in Ägypten und sprach: Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter mit dir und zieh hin in das Land Israel; sie sind gestorben, die dem Kindlein nach dem Leben getrachtet haben. Da stand er auf und nahm das Kindlein und seine Mutter mit sich und kam in das Land Israel. Und im Traum empfing er Befehl von Gott und zog ins galiläische Land und kam und wohnte in einer Stadt mit Namen Nazareth, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch die Propheten: Er soll Nazoräer heißen. Klar, daß Ägypten nicht die Heimat Jesu werden sollte. Dafür hatte Gott seinem Volk im Alten Bund das Land Kanaan zugesprochen und gegeben, das jüdische Land. Aber so wie das Volk Gottes im Alten Bund aus Ägypten kam, so sollte auch Jesus aus Ägypten in sein Land kommen. Matthäus erinnert bei dem Verweis auf diesen Sachverhalt an eine Aussage des Propheten Hosea: Als Israel jung war, hatte ich ihn lieb und rief ihn, meinen Sohn, aus Ägypten (Hos 11, 1). Hosea bezog dieses Wort ganz offensichtlich auf den Auszug Israels aus Ägypten unter Mose und man wird in dem Wort Hoseas nicht eine Weissagung sehen können von der Flucht der heiligen Familie nach Ägypten beziehungsweise deren späterer Rückkehr. Es ist aber keine Frage, daß Matthäus eine Parallele erkannte zwischen dem Auszug aus Ägypten und der Rückkehr. So wie Gott damals unter Mose mit seinem Volk neu angefangen hat, indem er sein Volk aus Ägypten führte und mit ihm den Alten Bund schloß, so macht er mit seinem Sohn einen Neuanfang, eben den Neuen Bund. Das Geschehen von damals war fraglos ein Typos auf Christus hin, so wie die Klage der Menschen zur Zeit Jeremias ein Typus war auf das Klagen der Menschen in Bethlehem. Gott weist sich auch durch solche Parallelitäten aus. Der alttestamentliche Typus hat keinen Zweck in sich, sondern er weist auf Christus, auf die Wirklichkeit; er ist eine Art Schattenriß der neutestamentlichen Wirklichkeit. Insofern kann Matthäus sagen, daß in dem, was Jesus widerfuhr, das im Alten Testament Gesagte seine Erfüllung fand. Offensichtlich möchte Matthäus dies seinem Volk, den Juden, zeigen und damit deutlich machen, daß mit Jesus Gott wirklich ein neues Kapitel in der Geschichte seines Volkes aufgeschlagen hat. Matthäus erwähnt des weiteren, daß die heilige Familie nach Nazareth zog. Das war wohl der Ort, in dem Josef wohnte, denn von dort aus brach er wegen der vom Kaiser angeordneten Volkszählung auf zu seiner Reise nach Bethlehem, wie aus der Weihnachtsgeschichte des Lukas hervorgeht. Matthäus begründet die Rückkehr nach Nazareth mit den Worten, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch die Propheten: Er soll Nazoräer heißen. Es ist leider kein alttestamentliches Wort auszumachen, das Jesus mit diesem Namen oder diesem Titel verbindet. Man hat vorgeschlagen, daß Jesus hier als Nasiräer bezeichnet würde, mithin also, daß er ein Asket gewesen wäre nach der Ordnung von 4. Mose 6, dem Gesetz über die Gottgeweihten, ähnlich wie Johannes der Täufer. Doch die Bibel berichtet nicht, daß Jesus als Nasiräer gelebt hätte. Vermutlich hatte Matthäus vor Augen, daß das Alte Testament weissagt, daß Jesus in Niedrigkeit kommen würde, was ja aus mehreren Stellen hervorgeht, und nun bringt er dies in Verbindung mit Nazareth, einer Stadt, die so verrufen war, daß Nathanael, der ein Jün-

Kaiser: Jesus auf der Flucht, Seite 5 ger Jesu wurde, fragte: Was kann aus Nazareth Gutes kommen? (Joh 1, 46). Mit anderen Worten, die Stadt Nazareth steht für die niedrige, unansehnliche Herkunft Jesu. Auch das war ein Resultat der Verfügung Gottes, der ja Josef den Weg nach Galiläa wies. Schluß Wir erkennen aus dieser Geschichte, daß Gott, der Vater, seine Hand über seinem Sohn hielt. Er konnte es nicht zulassen, daß Herodes in seiner Bosheit den neugeborenen König der Juden tötete. So führte er die junge Familie nach Ägypten, aber auch wieder zurück, und das alles in Anlehnung an alttestamentliche Vorgaben. Trotz der menschlichen Bosheit kam Gottes Wille und Plan zur Ausführung. Das ist auch heute so. Das Resultat dieser Geschichte ist nicht, daß Gott uns auffordert, besonders nett zu Flüchtlingen und Asylanten zu sein. Das wäre eine ziemlich primitive Mißdeutung dieser Geschichte im Sinne der politischen Korrektheit. Überhaupt enthält die Geschichte keine Handlungsaufforderung an uns. Sie führt uns vielmehr zu der Einsicht, daß Gott, wie gerade gesagt, seine Hand über dem Leben seines Sohnes hielt und daß sein Plan mit ihm gelang. Im Blick auf die Massen von Flüchtlingen und solchen, die vorgeben, es zu sein, sei gesagt, daß man Menschen menschlich begegnet und sie nach geltendem Recht behandelt, denn Gott hat das Recht lieb. Typisch im Handeln des Herodes war die Feindschaft gegen Christus. Sie ist damals wie heute aktuell. Freilich, man kann Jesus heute nicht mehr umbringen. Aber viele gibt es, die ihn nicht wollen. Sie leugnen seine Gottheit, sie machen ihn zu einem bloßen Menschen, sie verneinen sein stellvertretendes Sühnopfer, sie verkennen die Barmherzigkeit Gottes, die in ihm offenbar geworden ist, sie legen sich eine Weltanschauung zurecht, in der es keinen Gott, keinen Himmel, keine Schöpfung, keine Auferstehung und keine Hoffnung auf eine neue Welt gibt. Sie nehmen Anstoß an Christus, weil er ihre Programme zur Verbesserung der Welt oder gar ihre Frömmigkeit stört. Bis dahin, daß sich die Feindschaft gegen Christus in gotteslästerlichen Phrasen äußert, wie der heute gängigen: Hätt Maria abgetrieben, wärt ihr uns erspart geblieben. Gott sei Dank hatte Maria nicht die Abtreibungsmentalität der modernen Feministinnen, sondern nahm Gottes Handeln demütig in sich auf. Wer immer meint, gegen Gott und seinen Sohn streiten zu können, muß wissen, daß er diesen Streit nicht gewinnen kann. So wie Gott damals das Ansinnen des Herodes, den neugeborenen Messias zu töten, zunichte machte, so wird er auch die Anschläge aller derer zunichte machen, die heute dem Evangelium widerstehen und Christus den Tod wünschen. Vielleicht tut dies Gott dadurch, daß er die Pläne seiner Widersacher schon jetzt, in Raum und Zeit, vereitelt. Vielleicht tut er es dadurch, daß er sie erstmal gewähren läßt, aber mit ihrem Tod ihre Anschläge zunichte macht. Erst recht aber darin, daß er einst zu Gericht sitzen wird über allen seinen Feinden und diese zum Schemel seiner Füße werden und bekennen müssen, was sie hier nicht erkennen wollten: Das Jesus der Herr über alle Dinge ist, der Messias, der Christus, der aller Gottlosigkeit ein Ende und einen neue und heile Welt schaffen wird. Menschen mögen ihm hier widerstehen, aber Gottes Vorsatz wird durch seinen Sohn gelingen. Amen. Sie brauchen das IRT das IRT braucht Ihre Unterstützung! Deutschland: Volksbank Mittelhessen, IBAN: DE84 5139 0000 0045 6326 01; BIC: VBMHDE5F. - Schweiz: Raiffeisenbank Schaffhausen, BC 81344; IBAN: CH29 8134 4000 0092 1077 1 (EUR) oder CH34 8134 4000 0092 1077 8 (CHF).