Die Rechte von Bewohnerinnen und Bewohnern sowie Angehörigen im Heim Christoph Berger, Leiter Betreuung und Pflege Rechte von Bewohnern und Angehörigen, Massnahmen in Pflegeheimen konkretisiert 1. Bewohnereintritt 2. Vorsorgeauftrag 3. Patientenverfügung 4. Fürsorgliche Unterbringung FU 5. Entscheidkompetenz bei medizinischen Massnahmen und pflegerischen Behandlungen (informierte Einwilligung) 6. Freiheitsbeschränkende Massnahmen 7. Ausblick Zukunft zu Freiheitsbeschränkenden Massnahmen 2 1
1. Bewohnereintritt, was ist zu beachten Für die Beachtung der Rechte der Bewohner und Angehörigen muss bei einem Heimeintritt folgendes abgeklärt werden -Wer darf Entscheide fällen, falls ein Bewohner urteilsunfähig wird oder ist -Wer hat die Vertretungsvollmacht Das gilt es nicht nur beim Eintritt, sondern bei allen Bewohnern abzuklären Fällt eine zum Entscheid befugte Person weg, dann sollte die Institution neu abklären wer zuständig ist. Siehe nachfolgendes Schema (CURAVIVA ) 3 4 2
Reihenfolge der berechtigten Angehörigen bei medizinisch-pflegerischen Massnahmen zu entscheiden (Entscheidberechtigung) 1. Ehepartnerin, Ehepartner oder eingetragene Partnerin, eingetragener Partner 2. Konkubinatspartnerin, Konkubinatspartner, Voraussetzung ist der gleiche Haushalt bei regelmässigem Beistand 3. Nachkommen, aber nur bei regelmässiger persönlicher Fürsorge 4. Eltern, aber nur bei regelmässiger, persönlicher Fürsorge 5. Geschwister, aber nur bei regelmässiger, persönlicher Fürsorge 5 2. Vorsorgeauftrag Mit dem Vorsorgeauftrag kann ein Bewohner eine oder mehrere Personen bestimmen, die seine Vertretung in rechtlichen Angelegenheiten übernehmen und sich um persönliche oder finanzielle Angelegenheiten kümmern, wenn er selber urteilsunfähig wird Praxisbeispiel: Bis anhin kam es z.b.oft vor, dass Angehörige noch keine Vollmacht für die Bank hatten und der Arzt für ein Zeugnis gefragt wurde, welches die Urteilsunfähigkeit des Bewohners bestätigte 6 3
3.Patientenverfügung Die Patientenverfügung hingegen betrifft ausschliesslich den gesundheitlichen Bereich. Der urteilsfähige Bewohner legt darin fest, was bei medizinischen und pflegerischen Fragen geschehen soll, wenn er selber sich dazu nicht mehr äussern kann. Und / oder er bestimmt darin jene Person, welche für ihn entscheiden soll. Eventuelle Probleme! Wie vorgehen, wenn eine Patientenverfügung ein Handeln verlangt, welches dem Pflegepersonal nicht zumutbar ist? 7 Beispiel unzumutbare Patientenverfügung Ein zukünftiger Bewohner wünscht, dass wenn er einmal nicht mehr selber essen kann, das Pflegepersonal ihm nicht helfen darf! Mögliches Vorgehen: Wenn die Situation eintrifft, mit der entscheidungsberechtigten Person oder Beistand prüfen, ob die Patientenverfügung wirklich noch dem momentanen mutmasslichen Willen der urteilsunfähigen Person/ Bewohner entspricht. (siehe Merkblatt CURAVIVA Entscheidkompetenz bei der medizinischen und pflegerischen Behandlung, Stand: Herbst 2012) Bei Uneinigkeit wird die Erwachsenenschutzbehörde beigezogen. Tipp: Wird eine Patientenverfügung geschrieben, ist es ratsam, diese mit einer Person welche medizinische oder juristische Kenntnisse hat zu besprechen. 8 4
9 Wo wird der Vorsorgeauftrag oder die Patientenverfügung abgelegt? Die Papiere können im Bewohnerdossier oder im Tresor aufbewahrt werden. Wichtig ist, dass die Papiere schnell auffindbar sind und das vermerkt ist wo die Originaldokumente lagern. Wird der Bewohner dann wirklich urteilsunfähig, muss die mit seiner Vertretung beauftragte Person den Vorsorgeauftrag im Original bei der Erwachsenenschutzbehörde einreichen. Wahlweise kann dies auch die Wohn- und Pflegeeinrichtung selber erledigen. Zu empfehlen ist, mindestens eine Kopie der Patientenverfügung im Bewohnerdossier abzulegen. 10 5
Fürsorgliche Unterbringung FU Die fürsorgliche Unterbringung löst den fürsorglichen Freiheitsentzug ab. Für die Anordnung der Unterbringung und die Entlassung ist die Erwachsenenschutzbehörde zuständig Nach sechs Monaten wird die Unterbringung von der Erwachsenenschutzbehörde überprüft. Sie führt innerhalb von sechs Monaten eine zweite Überprüfung durch. Danach mindestens jährlich. (Schweizerisches Zivilgesetzbuch Art. 428 431) 11 Fürsorgliche Unterbringung FU Praxisbeispiel: Die letzten fünf Jahre hatten wir im Domicil Kompetenzzentrum Demenz Oberried ca. 60% der Eintritte direkt aus der Psychiatrie mit einer FFE resp. FU. Es wurden aber bei Heimeintritt nur ganz wenige aufrechterhalten. Aufrechterhaltung bei sehr starkem Drang zum Weglaufen mit Gefahr zur Selbst und Fremdgefährdung. Die restlichen Eintritte (Heimvertrag) wurden von den Angehörigen als entscheidberechtigte Personen oder mit einem Beistand unterschrieben. 12 6
Entscheidkompetenz bei medizinischen Massnahmen und pflegerischen Behandlung (informierte Einwilligung) Medizinische Massnahmen sind vom Arzt verordnete Therapien und Medikationen. Er muss persönlich den Patienten über die geplanten Massnahmen informieren und dessen Einwilligung einholen. Bei Urteilsunfähigkeit des Patienten benötigt der Arzt die Einwilligung der vertretungsberechtigten Person. 13 Entscheidkompetenz bei medizinischen Massnahmen und pflegerischen Behandlung (informierte Einwilligung) Die Pflegenden führen - aus rein juristischer Sicht - die Behandlung als Hilfskräfte des Arztes durch. Auch zu pflegerischen Massnahmen muss der Patient/Bewohner sein Einverständnis geben. Bei Urteilsunfähigkeit ist es die vertretungsberechtigte Person, die zustimmen muss. Im Notfall dürfen Pflegende und Ärzte eine Behandlung ohne Information und Einwilligung der Betroffenen durchführen. Sie müssen die Aufklärung aber nachholen, sobald wieder Zeit dafür bleibt. 14 7
Entscheidkompetenz bei medizinischen Massnahmen und pflegerischen Behandlung (informierte Einwilligung) Bei medizinischen Entscheiden von grosser Tragweite braucht es immer die informierte Einwilligung des Patienten oder seines Vertreters Anders bei Entscheiden im Behandlungsalltag (Pflege). Bei diesen genügt es, wenn der Patient oder sein Vertreter zuvor in den Pflege und Betreuungsplan = Pflegeplanung/Kardex eingewilligt hat. Die Pflegenden müssen nicht bei jedem einzelnen Schritt wieder das Okay einholen. Erfährt der Behandlungsplan jedoch eine Änderung, braucht es dazu wiederum die Einwilligung der vertretungsberechtigten Person. 15 Vorschlag zur Umsetzung informierte Einwilligung in der Praxis Ca. 6 Wochen nach Eintritt ein interdisziplinäres Gespräch mit dem Bewohner oder den Angehörigen (vertretungsberechtigte Person), dem Arzt, Bezugsperson Pflege, Leitung Betreuung und Pflege, und der Geschäftsleitung durchführen. Aufwand eine Stunde. (Seit zwei Jahren gute Erfahrungen damit im Oberried gemacht). 16 8
Freiheitsbeschränkende Massnahmen Die Wohn- oder Pflegeeinrichtung darf die Bewegungsfreiheit der urteilsunfähigen Person nur einschränken, wenn weniger einschneidende Massnahmen nicht ausreichen oder von vornherein als ungenügend erscheinen und die Massnahme dazu dient: -Eine ernsthafte Gefahr für das Leben oder die körperliche Integrität der betroffenen Person oder Dritter abzuwenden oder -Eine schwerwiegende Störung des Gemeinschaftslebens zu beseitigen. 17 Vorgaben zur Umsetzung Freiheitsbeschränkende Massnahmen -Die Einschränkung wird so bald wie möglich wieder aufgehoben und auf jeden Fall regelmässig auf ihre Berechtigung hin überprüft. -Die zur Vertretung berechtigte Person wird über die Massnahme zur Einschränkung informiert und kann das Protokoll jederzeit einsehen. -Die betroffene Person oder die vertretungsberechtigte Person, kann gegen eine Massnahem jederzeit schriftlich die Erwachsenenschutzbehörde am Sitz der Einrichtung benachrichtigen. -Kümmert sich niemand von ausserhalb der Einrichtung um die betroffene Person, so benachrichtigt die Wohn- oder Pflegeeinrichtung die Erwachsenenschutzbehörde. 18 9
Praxisbeispiel Umsetzung Freiheitsbeschränkende Massnahmen 19 Freiheitsbeschränkende Massnahmen 20 10
Anwendung kombiniert mit Basaler Stimulation Bauchgurt kombiniert mit Bettgitter und Baldachin grün. Die Farbe Grün beruhigt die Nerven, fördert innere Ruhe und inneres Gleichgewicht. Klingelmatte, sehr wertvolle aber wenig störende Massnahme für Menschen mit einer mittleren bis schweren Demenz. 21 Bei wem werden die Massnahmen benötigt? Brodaty gibt dazu eine sehr hilfreiche Übersicht mit seinem Sieben Stufenmodell des Umgangs mit Neuro-psychiatrischen Symptomen bei Demenz 22 11
Neuro-psychiatrische Symptome 23 7-Stufen-Modell 24 12
7-Stufen-Modell 25 Gedanken zur Zukunft freiheitsbeschränkender Massnahmen im Kontext Demenz -Anhand vom sieben Stufenmodell Brodaty ist ersichtlich, dass ca. 10% an Demenz erkrankte Menschen Neuropsychiatrische Symptome aufzeigen. Bis heute sind diese Menschen/Patienten sehr lange in der Psychiatrie (Aufenthalt bis zu einem Jahr und länger) weil es fast keine Heimplätze zu finden gibt, wo die Bereitschaft und Kompetenz zur Betreuung dieser Menschen vorhanden ist. 26 13
Gedanken zur Zukunft Freiheitsbeschränkender Massnahmen im Kontext Demenz Feststellung/Erfahrung: Eine gezielte, zeitlich begrenzte Anwendung Freiheitsbeschränkender Massnahmen in Verbindung mit einem guten Betreuungskonzept in einem Demenzheim, kann einen Psychiatrie Aufenthalt ablösen mit einer wesentlich höheren Lebensqualität für den an Demenz erkrankten Menschen. Das neue Erwachsenenschutzgesetz zeigt uns auf, wie diese Massnahmen gewissenhaft und professionell eingesetzt werden können. Oberstes Gesetz muss jedoch immer sein: Keine Freiheitsbeschränkende Massnahmen einsetzen, bevor nicht alle Alternativen dazu abgeklärt wurden! 27 Info vom 30.10.2012 Neues Erwachsenenschutzrecht - aktuelle Unterlagen von CURAVIVA Schweiz Die auf der Webseite von CURAVIVA veröffentlichen Unterlagen zum Thema wurden aktualisiert. Alle Heime erhalten nächstens zudem ein Themenheft zum Erwachsenenschutzrecht direkt zugestellt. 14
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und viel Erfolg bei der Umsetzung des neuen Erwachsenenschutzgesetzes 29 15