Strahlende Stille. Prof. Dr. Volker Crystalla

Ähnliche Dokumente
Markus Lobis, Zigori MEDIA 6. April 2011 OSTWEST CLUB Meran

Atomphysik NWA Klasse 9

Bedrohungen durch radioaktive Strahler

Biologische Wirkung ionisierender Strahlung

Technische Nutzung der Kernspaltung. Kernkraftwerke

KERNREAKTOREN. Ökologie in Frage und Antwort 1 H.Dirks Xe(non) ,3d 88 Kr h

Biologische Wirkungen der Strahlungen

Radioaktivität in Lebensmitteln nach einem nuklearen Unfall

28. Einsatzleiterseminar - Hafnersee Strahlenbelastung und Risiko für Einsatzkräfte

Strahlung und Strahlenschutz in den Physikalischen Praktika

Was ist Radioaktivität? Und warum ist sie schädlich?

Radioaktivität und Gesundheit

Bürgerinformationsveranstaltung zum Kernkraftwerk Tihange

Bau und Funktion eines KKW Lehrerinformation

Contra. Pro. Strahlenschutz, Dosis und Risiko. Kernenergie vielleicht doch?

Funktionsweise. Physik Referat von Manja Skerhutt KERNKRAFTWERK

Bau und Funktion eines KKW Lehrerinformation

Das Alpha, Beta und Gamma der Radioaktivität

Strahlenbiologische Grundlagen. Exposition der Bevölkerung. Jürgen Kiefer Universität Giessen

Fukushima. Dr. Jan-Willem Vahlbruch Institut für Radioökologie und Strahlenschutz Leibniz Universität Hannover Herrenhäuser Straße Hannover

Der Reaktorunfall von Fukushima Dai-ichi: Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung in Japan

= strahlungsaktiv; Teilchen oder Energie abstrahlend. Eine dem Licht verwandte energiereiche Strahlung, die bei vielen Kernprozessen auftritt.

Strahlung und Strahlenschutz in den Physikalischen Praktika

Ein Vortrag der IPPNW, Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges / Ärzte in. sozialer Verantwortung e. V.

Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Das 10 µsv Konzept: Gibt es eine ungefährliche Dosis?

Elektromagnetische Welle (em-welle): Ausbreitung von periodischen elektrischen und magnetischen Feldern

Fortgeschrittene Experimentalphysik für Lehramtsstudierende. Teil II: Kern- und Teilchenphysik

Tschernobyl und Fukushima. Wismar Dr. Hiroomi Fukuzawa

Einführung Strahlenkunde/ Strahlenschutz in der Radiologie

4.3 α-zerfall. Zerfälle lassen sich 4 verschiedenen Zerfallsketten zuordnen: T 1/ a a a a

Wirkung ionisierender Strahlung auf den Menschen. (Buch S )

Die Gefahren der Kernenergie:

Reaktortypen. 08 Kernkraftwerke

Fachdidaktik Chemie ETH Grundlagenfach: Radioaktivität S. 1

Bestrahlung? Verstrahlung? Erhöhte Radioaktivität? Fakten zur Strahlung aus nuklearmedizinischer Sicht.

Zelluläre und molekulare Strahlenbiologie. Akute Wirkungen und Strahlensyndrom. Langzeiteffekte, genetisches Risiko und Krebs

Ionisierende Strahlung

Strahlung und Strahlenschutz in den Physikalischen Praktika

Dieser Artikel wurde ausgedruckt unter der Adresse:

n U f 1 * + f 2 * + ν n

Strahlenschutz: Physikerinnen und Physiker geben Auskunft zu Fragen von Radioaktivität und Strahlenschutz

Fachdidaktik Chemie ETH Grundlagenfach: Radioaktivität S. 1

Strahlenschutz. Radioaktivität Strahlenschutz Grenzwerte

Radioaktivität STRAHLENSCHUTZ

Gammaspektroskopie. Typische Detektoren: Szintillationszähler: (NaI, CsI, Plastik- oder Flüssigszintillator, ) Ge Detektoren (hohe Energieauflösung)

Zukunftsperspektiven von Kernkraftwerken

biologische Wirkung ionisierender Strahlung

Oberthema: Atom- und Kernenergie Datum: Thema: Kernkraftwerke (nach Lehrbuch Dorn-Bader zusammengestellt) Seite: 2 von 6

Nachteile der Atomkraft!

Hintergrundinformationen zu ausgewählten Themen zum nuklearen Störfall in Japan

1. Vervollständigen Sie bitte das Diagramm. 2. Ergänzen Sie bitte.

Die Reaktorkatastrophen von Fukushima 2011

Nuklidkarte. Experimentalphysik I/II für Studierende der Biologie und Zahnmedizin Caren Hagner V

Halbwertszeit-Bilanz gemischt aus: Die Behörden warnen vor radioaktiven Wildschweinen und Pilzen. Doch insgesamt hat die Belastung Normalmaß erreicht.

Inhaltsverzeichnis. Vorwort 5

Beratungsstelle Radioaktivität

Wirkung von Strahlung auf den Menschen

Ein BUND-Vortrag von Axel Mayer.

Musterlösung Übung 4

Die Reaktorkatastrophen von Fukushima 2011

Grundlagen und aktuelle Informationen zum Reaktorunglück in Fukushima

Strahlenwirkung und Strahlenschutz. Medizintechnik Bildgebende Verfahren

Strahlenschutzbelehrung

Handout. Atomaufbau: Radioaktivität begleitet uns unser ganzes Leben Grundkenntnisse. Bauteile des Atoms: positiv geladen

Radioaktivität, Kernspaltung. medizinische, friedliche und kriegerische Nutzungen der Radioaktivität

Thoriumfluorid-Flüssigsalz-Reaktoren (LFTR) Eine interessante Alternative zur etablierten Atomkraft

Praxisseminar Strahlenschutz Teil 3.1: Biologische Wirkung ionisierender Strahlung

radiowissen SENDUNG:

Strahlenschutz in der Feuerwehr

Gefahrenort Atomanlage Asse II

Radioaktivität und Bindungslehre

Markus Drapalik. Universität für Bodenkultur Wien Institut für Sicherheits- und Risikowissenschaften

Biologische*Wirkungen* der*strahlungen

Referat Atomenergie Freitag, 14. Dezember 2001

Übungen zur Struktur der Materie 3 WiSe 14/15

Aktuelle Lage in Fukushima, Japan, und Sicherheitskonzept am FRM II

KERNENERGIE UND RADIOAKTIVITÄT

Willkommen im. Ein Institut der Fakultät für Mathematik und Physik. Prof. Dr. Clemens Walther. Strahlenschutz

Ergebnisse der Umgebungsüberwachung des GNS-Werkes Gorleben 2012 Hartmut Schulze, Fachbereichsleiter Strahlenschutz, GNS-Werk Gorleben

15 Kernphysik Der Atomkern 15.2 Kernspin Zerfallsgesetz radioaktiver Kerne

Strahlenphysik Grundlagen

Optische Aktivität α =δ k d 0

Physik für Mediziner und Zahnmediziner

ATÖMCHEN ... ICH NICHT! STRAHLEN. α Alpha-Strahlen β Beta-Strahlen γ Gamma-Strahlen

Fukushima. Dr.-Ing. Peter Schally. Präsentation beim CSU-OV Berg Farchach

Radioaktivität, Atomkraftwerke und... Fukushima

Ra Rn + 4 2He MeV

Radioaktivität und Gesundheit: Fakten und Hintergründe

Elektromagnetisches Spektrum Radioaktive Strahlung

Fakten zur Lage Fukushimas nach 6 Jahren

Reaktorunfall im KKW FukushimaI. Spiegel Online

Optische Aktivität α =δ k d 0

Der Sieg Sorats und die Kulturauferstehung

Neun Monate nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima

Physik für Mediziner im 1. Fachsemester

HINTERGRUND: GRENZWERTE FÜR DIE STRAHLENBELASTUNG VON LEBENSMITTELN

Transkript:

Strahlende Stille Fukushima nach der Katastrophe

Quelle: de.wikipedia.org/wiki/kernspaltung

Plutonium-Erbrütung 238 U+n => 239 U => β-zerfall => 239 Np => β-zerfall => 239 Pu Plutonium-Nutzung t 239 Pu ebenso wie 235 U zur Kettenreaktion geeignet begehrter Bomben -Stoff als MOX-Brennelemente in Kernreaktoren eingesetzt - Block III Fukushima - auch in Deutschland

Energie- und Atommüll-Erzeugung Brennwert: Uran (3,5%) Kohle 10 9 kwh/t 10 4 kwh/t 10 11 Bq 10 19 Bq Quelle: Kernforschungszentrum Karlsruhe 3014, 1983, modifiziert.

Siedewasserreaktor Quelle: de.wikipedia.org/wiki/siedewasserreaktor 1 Reaktordruckbehälter 2 Brennelemente, bestehend aus Brennstäben 3St Steuerstäbe täb 4 Umwälzpumpen 5 Steuerstabantriebe 6 Heißdampf 7 Speisewasser (Moderator) 8 Hochdruckturbine 9 Niederdruckturbine 10 Generator 11 Erreger 12 Kondensator 13 Kühlwasser (in Deutschland: Kühltürme ) 14 Vorwärmer 15 Speisewasserpumpe 16 Kühlwasserpumpe 17 Betonabschirmung 18 Stromleitung

Siedewasserreaktor (Forts.) Siedewasserreaktor Die Grafik zeigt den Schnitt durch einen Siedewasserreaktor wie er auch im japanischen Fukushima steht. Im Zentrum befindet sich der Reaktordruckbehälter mit den Kernbrennstäben. Unterhalb des orange gefärbten Lastenkrans liegt das Abklingbecken, in dem verbrauchte Brennstäbe ihre Restwärme nach und nach abgeben sollen. U.S. Nuclear Regulatory Commission Gefunden in: spektrumdirekt http://www.spektrumdirekt.de/sixcms/detail.php?id=l066 570&_z=8... 16. März 2011 und spektrumdirekt http://www.spektrumdirekt.de/sixcms/detail.php?id=106 7278&_Z=8... Ausgabe vom 25. März 2011

Stabwechsel Siedewasserreaktor (Forts.) Brennstoff-Austausch in einem Siedewasserreaktor: Zum Entladen werden die Deckel des Containments t und des Reaktordruckgefäßes abgenommen, das Innere wird bis auf die Höhe des Wasserspiegels im Abklingbecken geflutet. Dann öffnet sich die Schleuse, und ein Kran hebt die abgebrannten Brennelemente aus dem Reaktordruckgefäß heraus, hinüber in ein Gestell im Becken. Die abgebrannten Elemente strahlen extrem stark, müssen daher unter Wasser bleiben. Im Abklingbecken bleiben sie viele Monate lang. Währenddessen müssen sie ständig gekühlt werden. HST Aus DIE ZEIT vom 24.3.2011 Titel: Stabwechsel und GAU im Pool Quelle: www.zeit.de/2011/13/abkuehlbecken

Leistungsdichte im Reaktor: 100 MW/m³ entsprechend 10 5 Sv/s natürliche Strahlenbelastung: 1-5 msv/jahr gemittelt 10-10 Sv/s Unterschied: 10 15 oder eine Billiarde 1 : 1 000 000 000 000 000 1 : 1 000 000 000 000 000 zur Leistungsdichte im laufenden Reaktor 1 : 100 000 000 000 000 zur Leistungsdichte im abgeschalteten Reaktor 1 : 1 000 000 000 000 im Abklingbecken e 1 : 100 000 000 letale Dosis (nach 7 min Exposition) 1 : 10 000 000 letale Dosis (nach 1 h Exposition) 1 : 10 000 000 max. Lebens-Dosis (nach 7 min Exposition) 1 : 1 000 000 max. Lebens-Dosis (nach 1 h Exposition)

verschiedene Wege der Gefährdung Material aus dem Reaktor wird freigesetzt Jod-131 t 1/2 = 8 Tage Beta- und Gamma-Strahler Cäsium-137 t 1/2 = 30 Jahre Beta-Strahler Strontium-90 t 1/2 = 29 Jahre Beta-Strahler Plutonium-239 t 1/2 = 24 000 Jahre Alpha-Strahler und viele mehr Aerosole, Fall-Out, radioaktive Partikel in Abluft-Fahne Eintrag in die Biosphäre, in die Nahrungskette Verdünnung, aber auch Anreicherung in Biosystemen

verschiedene Wege der Gefährdung (Forts.) Strahlung aus der Kettenreaktion und Strahlung vom Reaktor-Abbrand Brennstäbe im Reaktor Brennstäbe, verbraucht (Abklingbecken, ) b k sonstiger Atommüll Wellen-Strahlung Gamma-Strahlung Teilchen-Strahlung Alpha-Strahlung Beta-Strahlung Neutronen-Strahlung

Strahlenkrankheit (Strahlensyndrom) Symptome: Übelkeit, Erbrechen, Blutbildveränderungen, Entzündungen, punktförmige lokale Blutungen, Strahlengeschwür, Abgeschlagenheit, Fieber, Diarrhoe. Schwellenwert: ja (ca. 250 msv = 1/4 Sievert) Deterministische Wirkung: Jeder Betroffene erkrankt Dosis-Wirkungs-Zusammenhang: Je höher die Dosis, desto schwerer die Krankheitssymptome. Tödlich: ja, bei hohen Dosen. (3-4 Sievert) (LD 50/30 ) Zeitlicher Verlauf: Symptome treten nach Stunden oder Tagen auf, können nach Tagen oder Wochen abklingen und in Wellen wieder verstärkt auftreten. Es handelt sich um Kurzzeitfolgen. Sie sind als direkte Folge der Bestrahlung erkennbar.

weitere Strahlenkrankheiten durch Tschernobyl als Strahlenschäden bekannt: Blutarmut, Uveitis (Entzündung des inneren Auges) bei Babies, Katarakt (grauer Star), Veränderung der Schilddrüsen, Neurologische Defekte, chron. Kopfschmerz, Immunschwäche, Infektions-krankheiten verschiedenster Art, z.b. Tuberkulose, Osteomyelitis (Knochenmark-Entzündung) Schwellenwert:???? Stochastische Wirkung:???? Dosis-Wirkungs-Zusammenhang:???? Zeitlicher Ablauf: wenig bis keine Latenzzeit.

Langzeitfolgen (Erbschäden) Genetische Defekte in der Keim-Bahn Veränderungen am Erbmaterial der Zellen, die für die Weitergabe des Lebens zuständig sind Symptome: Mißbildungen, Fehlgeburtenrate erhöht, Sex-Odds-Rate erhöht, Krebs- und Leukämierisiko für Kinder bestrahlter Eltern erhöht. Erbschäden erwartet man erst in den nächsten Generationen. Es handelt sich um typische Langzeitfolgen, die schwer als direkte Folge der Bestrahlung erkennbar oder nachweisbar sind.

Langzeitfolgen (Krebs, Leukämie) Veränderungen am Erbmaterial in Körperzellen (somatische Gendefekte) Symptome: Maligne Tumore, Neoplasma (Neubildungen), Leukämien. Schwellenwert: keiner stochastische Wirkung: einzelne Betroffene erkranken Dosis-Wirkungs-Zusammenhang: Je höher die Dosis, desto größer die Zahl der Erkrankungen. Die Schwere der Symptome hängt nicht von der Strahlendosis ab. Tödlich: ja, für die Mehrzahl der Erkrankten Zeitlicher Ablauf: Nach einmaliger Bestrahlung ist das Krebsriosiko für den Rest des Lebens erhöht. Man rechnet mit einer Latenzzeit von 5 bis 30 Jahren. Die Symptome einer strahleninduzierten Krebs-Erkrankungen sind von denen der übrigen Krebs-Erkrankungen kaum unterscheidbar. Es handelt sich um Langzeitfolgen, die schwer als direkte Folge der Bestrahlung erkennbar oder nachweisbar sind.

Was können wir tun? Was kann man tun? Aktentasche über den Kopf halten Abstand halten Kontamination vermeiden evtl. abwaschen Atemluft von radioaktiven Partikeln freihalten Lebensmittel vor Verzehr auf Kontamination prüfen (Wasser, Gemüse, Pilze, Fleisch, Fisch, )

Medizinische Hilfe Jodtabeletten helfen NUR gegen *Jod-induzierten Schilddrüsenkrebs müssen kurz vor Belastung mit radioaktivem Jod gegeben werden bei hohen Jod-Dosen drohen Nebenwirkungen Krebs-Behandlung und -Nachsorge Versorgung bei Gewebeschädigungen Versorgung bei Immunschwäche und sekundären Infektionen Knochenmarks-Transplantation kann bestenfalls zerstörte Stammzellen das blutbildenden Systems ersetzen

Probleme der friedlichen Nutzung der Kernenergie Kontinuierliche Kontamination der gesamten Welt und Umwelt mit unauffälligen Mengen an Radioaktivität. ca. 2,5 msv/jahr natürliche Hintergrundstrahlung Wenn die Strahlenaktivität in unserer Umwelt durch Technik und Medizin um 1 msv/jahr erhöht wird, werden auf Dauer in Deutschland viele Tausend zusätzliche letale l Krebserkrankungen k induziert. i (rechnerisch 3 000 neue Fälle pro Jahr bei einem RF von 5% pro Sievert) Wir konterkarieren die Möglichkeiten zur Lebenserhaltung, die die Medizin i uns bietet! t!

Probleme der friedlichen Nutzung der Kernenergie (Forts.) Proliferation Machtkonzentration Vertrauensverlust Rechtssystem, Gutachtersystem, Vernetzung von Politik, Sicherheitspolitik, Aufsichtsbehörden, Banken & Industrie

Qualitätsfaktor nach Strahlenschutzverordnung Quelle: StrSchV von 1976 Quelle: StrSchV von 1989

Qualitätsfaktor nach Strahlenschutzverordnung Quelle: StrSchV von 1976 Quelle: StrSchV von 1989

Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser wird, wenn es anders wird, aber soviel kann ich sagen: Es muß anders werden, wenn es gut werden soll. Georg Christoph Lichtenberg