Oberbürgermeister Thomas Geisel

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Transkript:

Oberbürgermeister Thomas Geisel Rede anlässlich der Feststunde zur Wiedereröffnung der Mahn- und Gedenkstätte, gehalten am 14. Mai 2015 im Plenarsaal des Rathauses - Es gilt das gesprochene Wort! Sehr geehrter Herr Pennekamp, sehr geehrter Herr Professor Dr. Kenkmann, sehr geehrter Herr Dr. Fleermann, sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Jüdischen Gemeinde und des Landesverbands Deutscher Sinti und Roma NRW, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Gäste! Ich begrüße Sie heute Nachmittag in unserem Rathaus zur Feststunde anlässlich der Wiedereröffnung der Mahn- und Gedenkstätte der Landeshauptstadt Düsseldorf. Der heutige Tag ist sowohl für Düsseldorf als auch für die in dieser Stadt seit Jahrzehnten gepflegte Erinnerungskultur ein wichtiger und besonderer Tag. Wenn wir heute unsere Mahn- und Gedenkstätte wieder der Öffentlichkeit übergeben, dann übergeben wir diesem Hause nicht nur die Bedeutung eines Kulturinstituts, sondern wir wissen um die besondere politische Bedeutung, die damit verbunden ist und uns alle betrifft: Siebzig Jahre nach Ende der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft ist es wichtig, ein solches Haus, in dem aktive und lebendige Erinnerungsarbeit geleistet wird, völlig neu aufzustellen und den modernen Anforderungen an ein solches Museum anzupassen. Wir Rat, Verwaltung und Bürgerschaft treffen damit eine ganz bewusste Entscheidung: Das Erinnern an die NS-Verbrechen und ihre vielen Opfer, auch in Düsseldorf, hört nicht auf, sondern es bleibt wichtig. Und vielleicht müssen wir sogar feststellen: Es wird immer wichtiger. In Zeiten, in denen Rechtsradikale durch unsere Straßen ziehen und gegen Muslime, Migranten und Flüchtlinge hetzen, tut es uns allen gut, daran zu erinnern, zu was solche Entgleisungen schon einmal geführt haben und welche schrecklichen Folgen diese am Ende hatten.

Meine Damen und Herren, die Mahn- und Gedenkstätte hat seit ihrer Einrichtung im Jahre 1987 kontinuierliche und verlässliche Arbeit geleistet. Dieses Haus hat viel bewegt und angestoßen, vieles realisieren können und Generationen von Schülerinnen und Schülern mit seiner Art der Bildungs- und Vermittlungsarbeit erreicht. Dass wir nun neue Weichen stellen, neue Wege gehen, mit neuen Medien und Zugangsmöglichkeiten arbeiten, ist wichtig, damit die Erinnerung lebendig und unvergessen bleibt. Es ist daher eine besondere Freude, wenn wir gleich im Anschluss an diese Feststunde gemeinsam in die Mühlenstraße gehen, um uns nicht nur die neuen Räumlichkeiten, sondern vor allem die neue Dauerausstellung anzusehen. Diese trägt den Titel Düsseldorfer Kinder und Jugendliche im Nationalsozialismus. Anhand ausgewählter Biografien von jungen Menschen wird den Fragen nachgegangen, wie Düsseldorfer Kinder und Jugendliche sich während der Zeit des Nationalsozialismus verhalten, wie sie gehandelt und welche Erfahrungen sie in der Diktatur gemacht haben. Neben den verschiedenen Opfergruppen, wie etwa den Düsseldorfer Juden, den aus politischen oder religiösen Gründen Verfolgten, den Homosexuellen, den Zwangsarbeitern oder den Sinti und Roma, werden auch Kinder und Jugendliche der damaligen Mehrheitsgesellschaft porträtiert. Diese erfahrungsgeschichtliche Ausstellung richtet sich an alle Besucher, besonders aber an Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die sich hier mit zentralen menschlichen Werten und Erfahrungen aktiv auseinandersetzen können: Mut, Hoffnung, Angst, Liebe und Freundschaft, Hilfe und Verrat, Gewalt und Verzweiflung, Freiheit und Menschenrechte, Toleranz und Vielfalt in Diktatur und Demokratie. Die Biografien, die vorgestellt werden, sind Beispiele und Schlaglichter auf die NS-Zeit. Doch diese Geschichten können nur erzählt werden, wenn die Überlebenden und Zeitzeugen, wenn die Kinder und Enkel dazu bereit sind, Briefe, Dokumente und Fotos sowie ihre ganz persönlichen Erinnerungen beizusteuern. Ich begrüße daher heute besonders herzlich diese Familien, diese Angehörigen und die Zeitzeugen selber: Ich begrüße die Familien Linz und Kannengießer, ich begrüße Inge Trambowski, die Tochter von Willi Kutz, sowie das Ehepaar Banzerus, die Familien Mettbach, Schmitz-Köhnen und Endres, ich begrüße die Witwe von Ernst Schneider und nicht zuletzt die eigens aus den Niederlanden angereiste Familie Katz.

Erlauben Sie mir, wenn ich zwei damalige Jugendliche besonders hervorhebe und an ihren Beispielen berichte, wie unterschiedlich eine Kindheit oder Jugend im Düsseldorf der NS- Zeit ausfallen konnte: das Mädchen Bandela und der Junge Tom Katz. Was wir eingangs gehört haben, ist die Musik der deutschen Sinti. Der Kopf der heutigen Musikergruppe ist Rigoletto Mettbach aus Düsseldorf, ein wahrhaftiger Könner des Sinti- Swings und in ganz Europa als Musiker geschätzt und respektiert. Herr Mettbach, Sie aber sind nicht zufällig heute bei uns. Es waren Ihre Mutter und Sie, die zugestimmt haben, dass wir in der neuen Ausstellung der Gedenkstätte die Geschichte Ihrer Mutter zeigen können. Dafür danke ich Ihnen sehr herzlich. Ihre Mutter Helene trug zeitlebens den Romanes-Namen Bandela. Sie wurde am 27. Januar 1927 in Saarbrücken geboren. Mit ihrer Familie lebte sie ab 1933 auf dem Gelände des Heinefeldes in Düsseldorf-Golzheim, ab 1937 zwangsweise im neu errichteten sogenannten Zigeunerlager am Höherweg in Flingern. Im Rahmen der Deportationen deutscher Sinti wurde Bandelas Familie am 16. Mai 1940 mit rund 130 anderen Menschen vom Höherweg zunächst in das besetzte Polen deportiert. Später erinnerte sie sich: Dann haben sie uns alle zusammengepackt, in die Autos rein und nach Köln gebracht in das Sammellager. Dort waren wir drei Tage, da sind die ganzen Sinti zusammengerafft worden, und da ging der Transport weg. Und da war auch meine Kindheit weg. Bandela überlebte das Leben im Ghetto und anschließend in den Konzentrationslagern Ravensbrück und Bergen-Belsen. Es sind die Schilderungen von Hunger und Typhus, von Misshandlungen und Mordaktionen, die Bandelas Geschichte ausmachen. Tanzen musste sie, um ein Stück Brot zu bekommen. Verhöhnt wurde sie, wenn sie um etwas Wasser bettelte. Sie überlebte den Schrecken dieser Zeit. 1945 kehrte sie mit der damals 12-jährigen Schwester und ihrer todkranken Mutter zurück zum Höherweg. Die Mutter starb drei Monate später im Alter von 37 Jahren. Ihre Großmutter und ihr jüngerer Bruder überlebten nicht. Auch viele ihrer Verwandten sind ermordet worden. Der Vater kam ein halbes Jahr später aus dem Konzentrationslager Sachsenhausen nach Düsseldorf zurück. Er war als Einziger der gesamten väterlichen Familie am Leben geblieben. Die deutsche Sintizza Bandela starb im Sommer 2014 in der Otto-Pankok-Siedlung in Düsseldorf. Im Kreise ihrer vielen Kinder und Enkelkinder hatte sie ein zweites Leben geführt: Ein Leben in Freiheit und in ihrer Heimatstadt, ein Leben mit Familienfreuden, mit Musik und Tanz. Das alles klingt harmonisch. Doch die Erinnerungen an die Zeit vor 1945 haben sie ein Leben lang gequält. Unter Tränen berichtete sie von dem, was man ihr einst angetan, und darüber, wie viele Familienmitglieder man ihr einst genommen hatte. In einem Interview

erinnerte sie sich: Das war, als ob wir keine Menschen wären. Was haben wir denn verbrochen? Wir waren doch Kinder! Herr Katz, es freut uns, dass Sie heute da sind, denn Ihre bewegte Lebensgeschichte ist ebenfalls eine von eben diesen, die in der Ausstellung thematisiert werden. Tom Katz wurde am 15. Dezember 1929 in Düsseldorf geboren und wuchs an der Grunerstraße im Zooviertel auf. Er war das einzige Kind von Regine und Dr. Moritz Katz. Im Alter von acht Jahren verließ Tom Katz zusammen mit den Eltern seine Heimatstadt Düsseldorf, weil sie als Juden diskriminiert und verfolgt wurden. Die Familie emigrierte im März 1938 in die Niederlande, nach Den Haag. Dort wohnte Toms Großmutter mütterlicherseits und in dieser Stadt fand die Familie Katz vorerst ein neues Zuhause. Die deutsche Besetzung der Niederlande im Mai 1940 bedeutet eine fast unmittelbare Bedrohung für die niederländischen Juden und jüdischen Emigranten: 1941 begann die Registrierung der jüdischen Bevölkerung, die Ausgrenzung, es erfolgen Zwangsumzüge und erste Deportationen. Für Familie Katz kommt der entscheidende Wendepunkt im August 1942 mit ihrem Zwangsumzug nach Amsterdam. Nach einer Woche entfernten sie den gelben Stern von ihrer Kleidung, den sie seit Mai 1942 tragen mussten, und tauchten unter: Es ist der Beginn einer fast dreijährigen Odyssee. Amersfoort ist die erste von 18 Stationen, gefolgt von wechselnden Verstecken in der calvinistisch geprägten Gemeinde Nijkerk nahe dem Ijsselmeer. Tom Katz ist zwölf Jahre alt. Die Gefahr, entdeckt zu werden, ist allgegenwärtig. Tom erkrankt an Kinderlähmung. Deshalb müssen sie das Versteck bei einer Bauernfamilie verlassen. Immer wieder gelingt es ihnen und ihren Eltern, mit der beherzten Hilfe von Niederländern erneut unterzutauchen und ein neues Versteck zu finden. Erst im Frühjahr 1945 ist ihre Odyssee beendet, der Krieg ist aus. Herr Katz, dafür, dass Sie sich ebenfalls dazu bereit erklärt haben, dass wir Ihre Geschichte lesen, sehen und erfahren können, möchte ich Ihnen herzlich danken. Auch die Geschichten von Rettung und Hilfe und Solidarität sind bei allen schrecklichen Taten und Verbrechen ebenso wert, erzählt zu werden. Für die junge Generation ist dies ebenso wichtig wie überzeugend: Jeder kann etwas tun, um anderen Menschen zu helfen, damals, gestern und heute. Das ist es, was uns bewegt.

Und ich stelle mir vor, wie Düsseldorfer Kinder, Schüler, Jugendliche und Flüchtlingskinder, Asylbewerber und Migranten in dieser neuen Gedenkstätte zusammen kommen, um sich vor dem Hintergrund der Geschichte kennen zu lernen und sich auszutauschen. Darüber, was der Verlust der Heimat, was Krieg und Entbehrung wirklich bedeuten, in Geschichte und Gegenwart. Darüber, wie wichtig Demokratie und Menschenrechte, Toleranz und Vielfalt sind. Es ist diese Vision, die uns antreiben muss, meine Damen und Herren. Ich danke den Kuratoren im Team unserer Mahn- und Gedenkstätte für Ihren behutsamen Einsatz, für ihren Einfallsreichtum und ihren Mut, neue Wege zu beschreiten. In der Umbauphase haben sie unermüdlich hinter den Kulissen weitergearbeitet, um alles für die neue Ausstellung vorzubereiten und alle Schwierigkeiten gemeistert, die eine solche große Baustelle mit sich bringt. Mein besonderer Dank gilt Herrn Dr. Fleermann als Leiter der Mahnund Gedenkstätte, der kenntnisreich den neuen Schwerpunkt der Dauerausstellung gesetzt und engagiert den Umbau vorangetrieben hat. Ich danke den Ausstellungsmachern, den Technikern, Architekten und Planern, die allesamt zu diesem wichtigen Projekt beigetragen haben. Viele Sponsoren haben den Umbau und die Planungen unterstützt, darunter der Landschaftsverband Rheinland, die Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen und die NRW-Stiftung. Auch Ihnen gilt mein großer Dank.