Rede von Herrn Oberbürgermeister Klaus Wehling anlässlich der Veranstaltung Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus Montag, 27.
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1 Rede von Herrn Oberbürgermeister Klaus Wehling anlässlich der Veranstaltung Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus Montag, 27. Januar 2014, 11:00 Uhr Aula Sophie - Scholl - Gymnasium, Tirpitzstraße 41, Oberhausen
2 2 Sehr geehrter Herr Willert, sehr geehrter Frau BM Albrecht - Mainz, sehr geehrter Her BM Broß, liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Gäste, meine Damen und Herren.
3 3 Das Gesetz ändert sich. Das Gewissen nicht. Dieses Zitat stammt von Sophie Scholl, der Namenspatronin eurer Schule. Das die Nazi Gräuel Taten bis heute nachwirken, das haben wir ganz aktuell noch in diesem Monat erleben müssen. Am 8. Januar wurde in Hagen der Prozess gegen den heute 92jährigen SS - Mann Siert Bruins eingestellt. Er war im September 1944 an der Erschießung eines
4 4 niederländischen Widerstandskämpfers beteiligt das war unstreitig. Mord wäre auch nach fast 70 Jahren nicht verjährt. Ein Mord aber war ihm nicht zweifelsfrei nachzuweisen. Einzig deshalb, weil es keine Zeugen dieses Verbrechens mehr gab. Deshalb wurde das Verfahren wegen Totschlags eingestellt. Das Gesetz ändert sich. Das Gewissen nicht.
5 5 Nur ihrem Gewissen verpflichtet, so haben die Geschwister Hans und Sophie Scholl ihr kurzes Leben gelebt, so haben sie gehandelt. So sind sie in den Tod gegangen. Dabei waren die beiden und die weiteren Mitglieder der Widerstandsgruppe Weiße Rose nur unwesentlich älter als ihr Abiturientinnen und Abiturienten. Wir leben heute in einem Staat, wo niemand, der sich politisch, religiös oder
6 6 weltanschaulich betätigt, um sein Leben fürchten muss. Anfang diesen Monats ist nach 71 Jahren das Fallbeil, mit dem Hans und Sophie am 22. Februar 1943 hingerichtet wurden, im Depot des Bayrischen Nationalmuseums in München wieder aufgetaucht. Was muss, was darf mit einem solchen Fund passieren? Mehrere Mitglieder der Widerstandsgruppe Weiße Rose und über 1000 weitere Menschen
7 7 sind mit dieser Guillotine hingerichtet worden. Soll oder darf ein solches Mordwerkzeug überhaupt öffentlich gezeigt werden? Darf es nur gezeigt werden in einem aufklärenden und in seinem geschichtlichen Kontext? Diese und weitere Fragen sind jetzt ethisch historisch zu diskutieren und anschließend zu entschieden. Ein solches Ereignis, wie das wieder auftauchen des Fallbeils dazu die Fragen
8 8 und Diskussionen, die sich daraus ergeben, die zeigen: Wir Deutschen werden unsere braune Geschichte nicht los. Das Erinnern an diese schreckliche Zeit hat bei uns in Oberhausen seit Jahrzehnten einen herausragenden Stellenwert. Unser Oberhausen war 1963 die erste Stadt im damals geteilten Deutschland, die überhaupt eine Gedenkhalle eröffnet hat. Sie erinnert an Nazi Terror,
9 9 an die Judenverfolgung, an Zwangsarbeit, an Konzentrationslager, an Sinti und Roma. Sie ist bis heute eine gut besuchte Stätte des Erinnern und Gedenkens. Wir Deutschen werden unsere braune Geschichte nicht los. Das kann und wird sich nie ändern. Die große Tragik aber ist, dass es bis heute unter uns Menschen gibt, die nach wie vor
10 10 nationalistisch, rassistisch ausländerfeindlich denken und handeln. Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch : Seit fünfzig Jahren kennen wir diesen Satz von Bertolt Brecht. Er steht im Epilog seines Theaterstücks "Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui".
11 11 Brecht versetzt darin Hitler und den Nationalsozialismus in die Gangsterwelt. Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch : dieser Satz hat eben nicht nur eine Bedeutung für den Deutschunterricht in Grund- oder Leistungskursen. Er ist der schockierende Hinweis darauf, dass es bis heute gut getarnte, und leider auch gut funktionierende braune Netzwerke gibt.
12 12 Viele der Rechten verstecken sich in Vereinen oder Fangruppen. Viel der Rechten agieren und agitieren aber auch ganz offen. Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch : dieser Satz und seine erschreckende inhaltliche Aussage sind für uns alle ein klarer, ein weitreichender, ein umfassender Auftrag.
13 13 Der Auftrag wachsam zu sein, stets wachsam zu bleiben. Der Auftrag Neo Nazis immer und überall entschieden entgegenzutreten. Der Auftrag zu gedenken. Der Auftrag sich zu erinnern. Sich zu erinnern heißt aktiv zu sein. Sich zu erinnern an die schrecklichen Verbrechen der Nazis heißt im konkreten Fall, dass humanitäre Vermächtnis
14 14 von Hans und Sophie Scholl für die Zukunft zu bewahren. Sich zu erinnern ist unsere historische, unsere immerwährende demokratische Bürgerpflicht. Erinnern braucht Anlässe, Erinnern braucht Gedenkstätten, Erinnern braucht vor allem aber den Willen und das Wollen. Ich freue mich sehr, dass ihr Schülerinnen und Schüler der verschiedenen Schulen,
15 15 gemeinsam mit euren Lehrerinnen und Lehrern, diese Gedenkveranstaltung geplant und organisiert habt. Dafür danke ich ausdrücklich allen Beteiligten. Aus diesem besonderen Anlass ende ich nicht traditionell mit Glück auf, sondern mit Shalom und mazel tov
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