Rede Volkstrauertag Sehr geehrte Damen und Herren,
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- Klemens Bösch
- vor 5 Jahren
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1 Rede Volkstrauertag 2014 Sehr geehrte Damen und Herren, Gedenktage haben ihre Rituale aber sie sind mehr als ein Ritual. Mit Gedenktagen setzen wir ein Zeichen: Wir bekunden, dass wir uns unserer Geschichte stellen; wir verleihen unserer Trauer und unserem Entsetzen Ausdruck; wir machen deutlich, welche Werte für uns zählen und Geltung beanspruchen. In diesem Jahr kommt dem Volkstrauertag eine besondere Bedeutung zu, steht es doch ganz im Zeichen des Weltkriegsgedenkens: Vor genau 100 Jahren begann der Erste Weltkrieg, vor 75 Jahren brach der Zweite Weltkrieg aus. Beide Kriege, so verschieden sie auch waren, brachten Entsetzliches, bis dahin Unvorstellbares über die Menschen und veränderten unsere Welt grundlegend, mit Folgen bis heute. Der Volkstrauertag ist mit beiden Kriegen eng verknüpft. Nach dem 1 2
2 Ersten Weltkrieg wurde er ins Leben gerufen, um die Gefallenen im Gedächtnis zu behalten; nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt er sein heutiges Gesicht als Tag, an dem wir nicht nur der Opfer von Krieg, sondern auch an die Opfer von Gewaltherrschaft erinnern. Der Erste Weltkrieg, meine Damen und Herren, war die erste große Katastrophe des 20. Jahrhunderts. Er erschütterte die damalige Welt in ihren Grundfesten; er markierte eine neue, fürchterliche Dimension der Kriegführung. Er war der erste Krieg, in dem massiv technische Kampfmittel wie Maschinengewehre, Tanks und Flugzeuge eingesetzt wurden und sogar mit Giftgas angegriffen wurde. Die verlustreichen Materialschlachten und der zermürbende Stellungskrieg lösten bei vielen Soldaten das bittere Gefühl aus, sinnlos verheizt zu werden, und forderten in vier langen Kriegsjahren etwa 8,5 Millionen Tote. 100 Jahre sind seitdem vergangen, aber die Mechanismen, die zum Ausbruch des Kriegs führten, sind immer noch wirksam. Nach wie vor 3 4
3 scheint Losschlagen manchmal leichter zu sein als das Bemühen um eine friedliche Einigung. Nach wie vor gewinnt Gewalt rasch eine Eigendynamik. Nach wie vor stirbt die Wahrheit als Erstes, wenn Konflikte sich verschärfen. Die sich immer schneller zuspitzende Krise in der Ukraine hat uns das in diesem Jahr deutlich vor Augen geführt. Trotz der schrecklichen Erfahrungen und folgen des 1. Weltkrieges und sechs Jahre nach der Machtübernahme löste Hitler- Deutschland den Zweiten Weltkrieg aus, einen noch fürchterlicheren Krieg, als es der vorhergehende gewesen war. Und in seinem Schatten, im Rücken der Front, fand das unfassbare Verbrechen des Holocaust statt, die Ermordung von Millionen deutscher und europäischer Jüdinnen und Juden durch die Nazis und ihre Schergen. Am Ende lag alles in Trümmern in jeder Hinsicht des Worts. Verwüstete Städte und Landstriche, verwaiste Kinder, über 55 Millionen Tote sowie Abermillionen Verwundete und Flüchtlinge. Eine Zukunft schien 5 6
4 kaum vorstellbar und doch gab es sie. Deutschland machte sich an den Wiederaufbau buchstäblich und politisch-moralisch. Es knüpfte an seine demokratischen, seine freiheitlichen Traditionen an, es stellte sich seiner Geschichte und gewann neues Vertrauen in aller Welt. Auch die viel zitierte Versöhnung über den Gräbern, sie hat stattgefunden. Treffen der einstigen Kriegsgegner bezeugen dies immer wieder eindrucksvoll, Treffen von Veteranen oder von Politikern wie dieses Jahr bei den Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag des D-Days, der Landung der Alliierten in der Normandie. Aber, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, Krieg und Gewalt sind auch heute trauriger Alltag. Deshalb sind auch wir, deshalb ist auch die heutige Staatengemeinschaft dazu aufgerufen, sich Gewaltausbrüchen entgegenzusetzen und für den Frieden zu wirken. 7 8
5 Und das heißt: Die alte Frage, warum Kriege entstehen und wie sie vermieden werden können, ist auch für uns höchst aktuell. Die Frage, wie es zu Gewalt und rassistischen Vorurteilen kommt und wie wir Antisemitismus und Kriegstreiberei am besten entgegentreten, sie stellt sich jeder Generation aufs Neue. Genau deshalb, meine Damen und Herren, macht Gedenken Sinn. Denn Gedenken erzählt die Wahrheit über Krieg und Gewalt. Und Gedenken versucht, den Opfern wieder ein Gesicht und eine Stimme zu geben. Gedenken, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, ist kein Selbstzweck. Gedenken ist nicht nur auf die Vergangenheit gerichtet, sondern ebenso auf Gegenwart und Zukunft. Denn Gedenken sensibilisiert dafür, es frühzeitig zu registrieren, wenn Frieden, Freiheit oder die Menschenrechte bedroht sind. Und Gedenken sensibilisiert dafür, zu erkennen, von welch großem Wert es ist, in Frieden und Freiheit zu leben. 9 10
6 Der Friede, hat der amerikanische Karikaturist Kim Hubbard einmal festgestellt, der Friede hat ebenso viele Siege aufzuweisen wie der Krieg, aber weit weniger Denkmäler. Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, stehen wir zusammen dafür ein, dass es keine weiteren Mahnmale für Opfer von Krieg und Gewalt mehr zu geben braucht; sorgen wir dafür, dass der Friede viele neue Denkmäler bekommt
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