Geschichte. Einleitung

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Transkript:

Geschichte Einleitung Archäologische Funde zeigen, dass das Gebiet des heutigen Fürstentums Liechtenstein seit dem 5. Jahrtausend v. Chr. besiedelt ist. Lange Zeit konnten nur die erhöhten Lagen besiedelt werden, da der Rhein eine ständige Bedrohung darstellte und die Talebene versumpfte. Auf Gutenberg und am Eschnerberg befanden sich mehrere Kult- und Siedlungsplätze. Unter den archäologischen Funden sind besonders einige Kultfiguren aus Bronze hervorzuheben, die auf Gutenberg gefunden wurden. Bevölkerungsmässig waren diese «Ureinwohner» den Rätern (Vennonen) zuzurechnen, von Westen her sind aber auch keltische Einflüsse (Vindeliker) feststellbar. Rätien als römische Provinz Im Jahre 15 v. Chr. wurde Rätien von den Römern erobert und zur römischen Provinz erklärt. Bereits im 1. Jahrhundert n. Chr. wurde eine Heerstrasse gebaut, die von Italien über den Splügenpass, Chur und die Luziensteig auf der rechten Rheintalseite nach Bregenz führte. Entlang dieser Heerstrasse entstanden im heutigen Liechtenstein mehrere römische Gutshöfe. Im Laufe der Zeit verschmolzen die einheimischen Mundarten mit dem importierten Latein zur rätoromanischen Sprache. Gefördert wurde diese Entwicklung seit dem 4. Jahrhundert auch durch die beginnende Christianisierung. Ein bedeutendes Zeugnis aus der späten Zeit der römischen Herrschaft bilden die Reste eines Kastells, das im 4. Jahrhundert in Schaan gebaut wurde, um die von Norden her einfallenden Alemannen abwehren zu können. Entstehung von Grafschaften im Frühmittelalter Im 5. Jahrhundert zerfiel das Römerreich. Die folgenden Jahrhunderte waren durch die alemannische Zuwanderung gekennzeichnet. Die romanische und alemannische Kultur entwickelten sich lange Zeit nebeneinander. Im 8. Jahrhundert wurde Rätien ins fränkische Reich eing egliedert. Unter Karl dem Grossen wurde 806 die fränkische Gaugrafschaftsverfassung eingeführt. Aus der Zeit um 842 stammt das «Rätische Urbar», in dem alle königlichen Güter verzeichnet wurden. In diesem Urbar werden erstmals Orte und Personen aus dem heutigen Liechtenstein erwähnt, so Balzers, Schaan und Eschen. Seit dem 10. Jahrhundert war Rätien im Besitz der Grafen von Bregenz, die 1152 ausstarben. Das ehemalige Rätien wurde nun durch Erbteilungen mehr und mehr aufgesplittert.

Reichsunmittelbarkeit und Landeshoheit Unterrätien ging zunächst an die Grafen von Montfort, die sich später in die Linien Montfort und Werdenberg aufteilten. Die Grafen von Werdenberg verzweigten sich wiederum in mehrere Linien auf. Bei einer dieser Erbteilungen entstand im Jahre 1342 die Grafschaft Vaduz. Im Jahre 1379 verlieh König Wenzel dem Grafen Heinrich von Werdenberg die Gerichtshoheit. 1396 bestätigte König Wenzel den Vaduzer Grafen die Reichsunmittelbarkeit. Damit war der Grundstein für den Aufbau der Landeshoheit gelegt. In den folgenden Jahrhunderten wurde den Vaduzer Landesherren die Reichsunmittelbarkeit vom Kaiser immer wieder bestätigt. Wiederholte Herrschaftswechsel Die Vaduzer Linie der Grafen von Werdenberg starb 1416 aus, als Landesherren folgten nun die Freiherren von Brandis, die aus dem Berner Oberland stammten. Sie konnten auch den nördlichen Teil der Herrschaft Schellenberg erwerben, der zuvor der Linie Werdenberg-Heiligenberg zugeschlagen worden war. Seit 1434 blieben dann die Grenzen unverändert. Die ehemaligen Herrschaften Vaduz und Schellenberg bilden in diesen Grenzen das Gebiet des heutigen Fürstentums Liechtenstein. Das 15. Jahrhundert brachte dem Land dreimal Krieg: Im Appenzeller-Krieg (1405), im Alten Zürcher-Krieg (1444 1446) und im Schwabenkrieg (1499/1500) wurde gebrandschatzt, geplündert, zerstört. Von grosser Bedeutung war insbesondere der Schwabenkrieg: Der Rhein wurde nun zur definitiven Grenze zwischen dem Alten Deutschen Reich und der Eidgenossenschaft. Liechtenstein geriet für viele Jahrhunderte in eine Randlage. 1510 verkaufte der letzte Freiherr von Brandis die Herrschaften Vaduz und Schellenberg an die Grafen von Sulz, die ihren Sitz im badischen Klettgau hatten. Sie regierten die beiden Herrschaften aus der Ferne. Sie waren katholisch und sorgten dafür, dass das Land in der Reformationszeit katholisch blieb. Insgesamt war diese Zeit günstig für die Entwicklung der Rechte der beiden Landschaften. Jede der beiden Herrschaften bildete eine eigene Gerichtsgemeinde, in der die Untertanen einen Landammann und zwölf Richter bestellen konnten. Dieses Gericht trat zweimal im Jahr zum so genannten «Zeitgericht» zusammen. Die sulzischen Zeiten gelten als friedliche und glückliche Zeit. Dreissigjähriger Krieg und Hexenverfolgungen Doch es dauerte wiederum nur 100 Jahre bis zum nächsten Herrschaftswechsel. 1613 mussten auch die Grafen von Sulz Vaduz und Schellenberg verkaufen. Käufer waren die Grafen von Hohenems, die im Zenit ihrer Macht standen und gerne zwischen Österreich und der Schweiz einen Pufferstaat errichtet hätten. Doch das 17. Jahrhundert wurde zu einem der traurigsten Kapitel der liechtensteinischen Geschichte: Wiederholt brach die Pest aus. Der Dreissigjährige Krieg erforderte Opfer, obwohl Vaduz und Schellenberg nicht direkt Kriegsschauplatz wurden. Am schlimmsten waren die Hexenverfolgungen: Über 100 unschuldige Personen wurden verfolgt und hingerichtet. Die Grafen von Hohenems gerieten immer tiefer in Schulden und mussten schliesslich einen Teil ihres Besitzes verkaufen.

Erhebung zum Reichsfürstentum Die Fürsten von Liechtenstein waren 1608 in den Fürstenstand erhoben worden, doch war mit dieser Erhebung noch nicht die Zulassung in den Reichsfürstenrat verbunden. Die Fürsten von Liechtenstein waren in Niederösterreich, Mähren und Böhmen reich begütert, doch war keine dieser Herrschaften reichsunmittelbar. Um die Zulassung zum Reichsfürstenrat und damit zum höchsten für sie möglichen Stand zu erreichen, brauchten sie einen reichsunmittelbaren Besitz. Auf der Suche nach einem solchen Gebiet wurde Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein auf die hohenemsischen Herrschaften Schellenberg und Vaduz aufmerksam. 1699 gelang es ihm, die Herrschaft Schellenberg zu erwerben, 1712 kam dann die Grafschaft Vaduz dazu. 1719 wurden die beiden Herrschaften zum Reichsfürstentum Liechtenstein erhoben. Es ist eine Besonderheit, dass Liechtenstein den Namen seines Herrschaftsgeschlechts erhielt. Die Fürsten residierten weiterhin in Wien, sie kannten das Fürstentum, das ihren Namen trug, nicht. An ihrer Stelle verwalteten Landvögte das Fürstentum. Schon bald wurde das Land im Geiste der Zeit regiert: nämlich im Geiste des Absolutismus. Die Landschaften wurden aufgehoben und es kam zum Konflikt zwischen Obrigkeit und Untertanen. 1733 kam es zu einem Kompromiss, wobei die Rechte der Landschaften eingeschränkt wurden, der Form nach aber blieben die Landschaften und Gerichte bestehen. Von den napoleonischen Kriegen zur Souveränität Die Französische Revolution bildete den Auftakt zu tief g reifenden Veränderungen in Europa. 1799 war Liechtenstein letztmals Kriegsschauplatz. Die Franzosen zogen durchs Land und belagerten Feldkirch. Im gleichen Jahr zogen auch die Reste der russischen Truppen unter General Suworow durch Liechtenstein. 1806 löste Napoleon das Alte Deutsche Reich auf und gründete den Rheinbund. Fast alle deutschen Kleinstaaten verschwanden nun von der Landkarte, Liechtenstein aber wurde als souveräner Staat in den Rheinbund aufgenommen eine politische Geste Napoleons gegenüber dem damals regierenden Fürsten Johann I. Nachdem Napoleon bei Waterloo endgültig besiegt worden war, wurde auf dem Wiener Kongress 1815 eine neue politische Ordnung für Europa gesucht. Die alten deutschen Kleinstaaten wurden nicht wieder errichtet und die bestehenden wurden nicht mehr in Frage gestellt. Liechtenstein wurde als selbständiger Kleinstaat in den Deutschen Bund aufgenommen. Langfristig wurde Liechtenstein zum einzigen deutschen Kleinstaat, der seine Selbständigkeit bewahren konnte. Absolutismus und Revolutionsjahr 1848 Die Lage Liechtensteins war schwierig. Aufgrund der wirtschaftlichen Isolation konnte sich das Gewerbe nicht entwickeln. Liechtenstein wurde immer mehr zu einem rückständigen Bauernstaat, der sich mit den notwendigen Reformen schwer tat. Die kleinbäuerliche Landwirtschaft war durch Feudalabgaben belastet und unproduktiv. Zwar wurde 1805 die allgemeine Schulpflicht eingeführt, doch das Bildungsniveau blieb tief. Notwendige Rechtsreformen (z. B. die Einführung des Grundbuchs oder des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs) stiessen wegen der absolutistischen Vorgangsweise bei der Bevölkerung auf Misstrauen. So fanden die Ideen der Revolution von 1848 auch in Liechtenstein einen guten Nährboden. Die Untertanen ersuchten den Fürsten in einer dringend gehaltenen Petition

um eine neue Verfassung, um freie Wahl der Volksvertreter und um Aufhebung der Feudallasten. Der Historiker Peter Kaiser sorgte dafür, dass es zu keinen gewalttätigen Ausschreitungen kam. Fürst Alois II. war grundsätzlich nicht abgeneigt, auf die Forderungen einzugehen, doch wollte er die Entwicklung in Deutschland und Österreich abwarten. Letztlich blieb es damit beim absolutistischen System. Wirtschaftliche Befreiung und Konstitutionalismus 1852 wurde der Zollvertrag mit Österreich-Ungarn abgeschlossen. Er wurde zum wirtschaftlichen Befreiungsschlag und ermöglichte in der Folge das Aufkommen der Textilindustrie. Mit der Regierungszeit des Fürsten Johann II. begann dann eine Zeit der Reformen, die auch vom Landtag beraten und deshalb vom Volk mitgetragen wurden. 1861 erhielt Liechtenstein die erste Bank, 1862 folgten eine konstitutionelle Verfassung und die erste Landeszeitung. Im Konstitutionalismus blieb die Regierungsgewalt beim Fürsten, doch der Landtag konnte in der Gesetzgebung nicht mehr übergangen werden. Das Land erlebte nun einen allgemeinen Aufschwung. Nach dem verlorenen Krieg mit Preussen schied Österreich und in der Folge auch Liechtenstein aus dem Deutschen Bund aus. Nun konnte in Liechtenstein das Militär abgeschafft werden, das bis dahin eine grosse finanzielle Belastung dargestellt hatte. Die wirtschaftliche Lage blieb schwierig. Der Bau der Rheinhochwuhre in den folgenden Jahrzehnten stellte eine immense Belastung für das Land dar. Nur zaghaft entwickelte sich ein einfacher Gewerbestand und erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts erhielt der Fremdenverkehr eine gewisse Bedeutung. Die Textilindustrie bot vor allem Frauen Beschäftigung. Männerarbeit ausserhalb der Landwirtschaft war kaum vorhanden. So zogen hunderte von Männern und manche Frauen als Saisonarbeiter in die benachbarten Länder. Noch mehr sahen in ihrer kleinen Heimat für sich keine Zukunft und wanderten aus ein Teil in die Nachbarschaft, die meisten aber nach Amerika. Erster Weltkrieg und grundsätzliche Neuorientierung Im Ersten Weltkrieg blieb Liechtenstein neutral, es wurde aber von den wirtschaftlichen Massnahmen gegen Österreich schwer getroffen. Die Bevölkerung litt Hunger. Die Textilbetriebe wurden stillgelegt. Durch die Infla tion nach dem Krieg ging der grösste Teil des Sparvermögens verloren. Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs kam in Liechtenstein vieles in Bewegung. 1918 entstanden die ersten Parteien: die Christlich-Soziale Volkspartei und die Fortschrittliche Bürgerpartei. Die Forderung nach einer demokratischeren Verfassung wurde laut. «Liechtenstein den Liechtensteinern» hiess der Slogan. In den folgenden Jahren wurde zwischen Fürst und Landtag eine neue Verfassung ausgehandelt, die 1921 in Kraft trat. Diese sah nicht nur wesentliche direktdemokratische Einrichtungen vor (Volksinitiative und Referendum), sondern verhinderte auch eine Fremdherrschaft: Der Regierungschef muss seit 1921 ein gebürtiger Liechtensteiner sein und alle Gerichtsinstanzen müssen sich im Lande befinden. Partnerschaft mit der Schweiz Nach dem Zusammenbruch der Monarchie in Österreich wandte sich Liechtenstein der Schweiz zu. 1919 wurde der Zollvertrag mit Österreich gekündigt. In den folgenden Jahren und Jahrzehnten wurde mit der Schweiz und den Kantonen ein immer dichter werdendes Netz von Verträgen vereinbart. Der wichtigste dieser Verträge ist der Zollvertrag von 1923, der bis heute die Basis für eine enge Partnerschaft bildet. Krisenjahre Die Zwischenkriegszeit brachte manche bittere Erfahrung und Not. Der Rheineinbruch im Jahre 1927 überschwemmte mehr als die Hälfte der Talebene. Nur ein Jahr später erschütterte der so genannte Sparkassaskandal, bei dem sowohl die Sparkassa wie auch das Land beinahe ruiniert worden wären, das Land. Die schwere Wirtschaftskrise der Dreissigerjahre brach über das Land herein, man versuchte mit Notstandsarbeiten die Situation etwas zu lindern. Dabei entstand ein Jahrhundertwerk: der Binnenkanal, der durch das ganze Land geht und die Talebene entwässert.

Zu all den wirtschaftlichen Problemen kamen die innenpolitischen Fehden zwischen den beiden Parteien, die für die junge Demokratie eine harte Belastung darstellten. Erst unter dem Eindruck des deutschen Einmarsches in Österreich im März 1938 bahnte sich ein Ende der parteipolitischen Auseinandersetzungen an. Unter enormem Druck von innen und aussen schlossen die beiden Parteien eine Regierungskoalition. Ein Jahr später führten sie das Proporzwahlrecht ein, das in der Folge ein wesentlicher Pfeiler für die politische Stabilität des Landes wurde. Dazu trug auch bei, dass Fürst Franz Josef II. 1938 als erster Landesfürst seinen Wohnsitz auf Schloss Vaduz nahm. Er wurde in der Folge zu einer wichtigen Integrationsfigur. Liechtenstein blieb im Zweiten Weltkrieg neutral und wurde von direkten Kriegshandlungen verschont. Dank der engen Partnerschaft mit der Schweiz überstand das Land auch die sozialen und wirtschaftlichen Probleme relativ gut. Die nationalsozialistische «Volksdeutsche Bewegung in Liechtenstein» war zwar aktiv, doch wurde sie zumindest nachdem ein Putschversuch im März 1939 gescheitert war nie zu einer ernsthaften Bedrohung für das Land. Mit dem Kriegsausbruch verlor dann das nationalsozialistische Deutschland zusehends an Attraktivität. Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg Bereits im Zweiten Weltkrieg entstanden die ersten neuen Industriebetriebe. Die Nachkriegszeit war dann von einem anhaltenden Wirtschaftsaufschwung gekennzeichnet. Innerhalb weniger Jahrzehnte wandelte sich Liechtenstein von einem armen Agrarstaat zu einer modernen Gesellschaft mit einer erstaunlich diversifizierten Wirtschaft. Die wichtigsten Gründe für diesen Aufschwung waren der Zollvertrag mit der Schweiz, der Schweizer Franken, die stabilen politischen und sozialen Verhältnisse sowie eine liberale Wirtschaftsordnung verbunden mit einer mässigen Besteuerung. Die hoch spezialisierten Industriebe- triebe sind weltweit konkurrenzfähig, das Gewerbe hat in der Region eine starke Position. Was die internationale Beachtung betrifft, schoben sich aber die Finanzdienstleistungen, die Banken und Treuhänder, immer mehr in den Vordergrund. Insgesamt konnte die einheimische Bevölkerung den Bedarf an Arbeitskräften bald nicht mehr decken, sodass die liechtensteinische Wirtschaft auf eine wachsende Zahl von Grenzgängern angewiesen war. Dank der guten wirtschaftlichen Entwicklung konnten die Sozialleistungen ständig verbessert werden, sodass Liechtenstein heute ein gut ausgebauter Sozialstaat ist. Vermehrte internationale Kooperationen Die Existenzberechtigung von Kleinstaaten wird nicht selten in Frage gestellt. Liechtenstein bemüht sich daher seit einigen Jahrzehnten, die internationalen Kontakte zu verstärken und freundnachbarliche Beziehungen zu pflegen. Seit den Fünfzigerjahren trat Liechtenstein einer Reihe von internationalen Organisationen bei, von denen hier nur die wichtigsten aufgezählt werden können: Internationaler Gerichtshof in Den Haag (1950), KSZE/OSZE (1975), Europarat (1978), UNO (1990), EFTA (1991), EWR (1995) und WTO (1995). Daneben werden vor allem die guten Beziehungen zu den Nachbarn Schweiz und Österreich gepflegt. Liechtenstein wird auch in Zukunft auf eine gute internationale Zusammenarbeit angewiesen sein.