Die Personalvorsorgestiftung
3.a. Numerus clausus der Vorsorgeeinrichtungen Ausgangslage Numerus clausus der zulässigen Formen von Vorsorgeeinrichtungen: Macht der Arbeitgeber Zuwendungen für die Personalvorsorge oder leisten die Arbeitnehmer Beiträge daran, so hat der Arbeitgeber diese Zuwendungen und Beiträge auf eine Stiftung, eine Genossenschaft oder eine Einrichtung des öffentlichen Rechts zu übertragen (Art. 331 Abs. 1 OR sowie Art. 48 Abs. 2 BVG). Damit wird eine Verselbstständigungspflicht für Mittel der Personalvorsorge statuiert. Die Gelder dürfen im Falle eines Konkurses des Arbeitgebers nicht der Befriedigung von Gläubigerinteressen dienen, sondern müssen den Destinatären zustehen. Ein Rückfluss der Mittel der Personalvorsorge an den Arbeitgeber ist ausgeschlossen. Dr. iur. Marc Hürzeler 2
3.b. Rechtsgrundlagen der Personalvorsorgestiftung Art. 80 89 ZGB im Allgemeinen Art. 89 bis ZGB im Besonderen Ausgewählte Bestimmungen des BVG Vgl. die Aufzählung in Art. 89 bis Abs. 6 ZGB Dr. iur. Marc Hürzeler 3
3.c. Begriff und Voraussetzungen der Stiftung im Allgemeinen Widmung eines Vermögens zu einem besonderen Zweck (Art. 80 ZGB) Wahrung der vorgeschriebenen Errichtungsformen (Art. 81 ZGB) Öffentliche Urkunde Letztwillige Verfügung Eintragung in das Handelsregister (Art. 81 Abs. 2 ZGB) Die Eintragung in das Handelsregister erfolgt auf Grund der Stiftungsurkunde und nötigenfalls nach Anordnung der Aufsichtsbehörde unter Angabe der Mitglieder der Verwaltung. Mit der Eintragung in das Handelsregister erlangt die Stiftung die Rechtspersönlichkeit (Art. 52 Abs. 1 ZGB). Organe und Verwaltung (Art. 83 ZGB) Die Organe der Stiftung und die Art der Verwaltung werden durch die Stiftungsurkunde festgestellt. Nähere Bestimmungen finden sich in einem Stiftungsreglement. Dr. iur. Marc Hürzeler 4
3.d. Personalvorsorgestiftung: Stiftungsaufgabe Stiftungsaufgabe Die PVS richtet vermögenswerte Leistungen aus, i.d.r. als Geldleistungen. Möglich sind aber auch Naturalleistungen. Nicht entscheidend ist, ob den Arbeitnehmern ein Rechtsanspruch auf die Leistungen zusteht oder nicht. Bei Letzteren handelt es sich um Fürsorgestiftungen mit reinen Ermessensleistungen (sog. "patronale Fonds"). Als Personalvorsorgestiftungen kommen jedoch nur Stiftungen in Betracht, welche ihre Leistungen bei Eintritt bestimmter Wechselfälle des Lebens ausrichten, nicht aber solche, die zur Deckung des täglichen Bedarfs oder zur "Verschönerung" des Lebens beitragen. Dr. iur. Marc Hürzeler 5
3.e. Personalvorsorgestiftung: Destinatärskreis Destinatärskreis Als Destinatäre steht das Personal im Vordergrund. Daneben kommen aber auch Angehörige der Arbeitnehmer als Begünstigte in Frage. Durch Stiftungsurkunde oder Reglement kann der Destinatärskreis auch enger gefasst werden, z.b. auf bestimmte Arbeitnehmerkategorien beschränkt werden. Ausgeschlossen ist in einer reinen Personalvorsorgestiftung die Destinatärseigenschaft von Inhabern von Einzelfirmen sowie von Teilhabern von Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit. Dr. iur. Marc Hürzeler 6
Übungsfall Arbeitgeber X. richtet eine Stiftung ein, welche den Zweck verfolgt, seinen Arbeitnehmern eine Kantine zu finanzieren, in welcher Mittagsmahlzeiten zu günstigen Preisen erhältlich sind. Handelt es sich hierbei um eine Personalvorsorgestiftung? Begründung? Dr. iur. Marc Hürzeler 7
3.f. Personalvorsorgestiftung und BVG Das BVG sieht in Art. 48 Abs. 2 BVG die Stiftung als eine mögliche Rechtsform von Vorsorgeeinrichtungen (VE) vor. In der Praxis sind die meisten VE in die Rechtsform einer Stiftung gekleidet. Will eine VE die obligatorische berufliche Vorsorge gemäss BVG durchführen, so muss sie sich bei der zuständigen Aufsichtsbehörde in das Register für berufliche Vorsorge eintragen lassen (Art. 48 Abs. 1 BVG). Jede registrierte VE muss mindestens die durch das BVG vorgesehenen Leistungen erbringen und sämtliche gesetzlichen Vorschriften einhalten. Sie muss planmässig geführt werden und insbesondere das Versicherungsprinzip einhalten. Dr. iur. Marc Hürzeler 8
3.g. Versicherungsstiftungen Schützen ihre Destinatäre planmässig, d.h. mittels reglementarischer Leistungen, Leistungskollektive, Vorsorgepläne sowie Beiträge, die den wirtschaftlichen Folgen eines versicherbaren Risikos angemessen sind. Auf die reglementarischen Leistungen besteht bei Erfüllung der Voraussetzungen ein Rechtsanspruch der Destinatäre. Die Risiken Tod und Invalidität müssen versichert sein. Das blosse Ansparen von Altersguthaben verletzt das Versicherungsprinzip. Die Versicherung erfolgt in Kollektiven, welche nach objektiven und nicht diskriminierenden Kriterien gebildet werden. Die versicherungsmässig geführten Stiftungen können bei einer entsprechend grossen Anzahl an Destinatären die Risiken selbst tragen oder sie mittels Kollektivversicherungsvertrages auf ein Versicherungsunternehmen überwälzen. Da die Arbeitnehmer eigene Beiträge entrichten, sind sie an der Organisation der Stiftung zu beteiligen. (Art. 89 bis Abs. 3 ZGB und Art. 51 Abs. 1 BVG). Dr. iur. Marc Hürzeler 9
3.h. Stiftungen ohne Versicherungscharakter Werden auch als "patronale Fonds" oder "Wohlfahrtsfonds" bezeichnet. Stiftungen ohne Versicherungscharakter fehlt der planmässige Risikoschutz. Die Destinatäre erbringen i.d.r. keine eigenen Beiträge an die Stiftung. Die Leistungen werden nach Ermessen der Stiftungsorgane erbracht, ein Rechtsanspruch der Destinatäre besteht vor der individuellen Zusprechung nicht. Aufgrund des Obligatoriums der beruflichen Vorsorge gemäss BVG haben Stiftungen ohne Versicherungscharakter heute eine eingeschränktere Bedeutung als früher. Sie eignen sich aber immernoch, um Härtefälle abzufangen. Dr. iur. Marc Hürzeler 10
Literatur Riemer Hans Michael/Riemer-Kafka Gabriela, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, 2. Aufl., Bern 2006, S. 31-69 Dr. iur. Marc Hürzeler 11