Michaela Frölich / Barbara Hedtmann, Biografiearbeit mit Glaubensschätzen

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Transkript:

Michaela Frölich / Barbara Hedtmann Biografiearbeit mit Glaubensschätzen Anleitung für kreative Senioren- und Konfirmandenstunden Vandenhoeck & Ruprecht

Umschlagabbildung: Foto: Peter Habermehl; zu sehen ist Hildegard Kunze Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-62010-6 ISBN 978-3-647-62010-7 (E-Book) / Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U. S. A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Satz: textformart, Göttingen Druck und Bindung: V Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Inhalt A Grundlagen Zu diesem Buch Einleitung (Michaela Frölich und Barbara Hedtmann)................... 8 1 Religiosität und Spiritualität im Alter (Barbara Hedtmann)........... 9 2 Religionspädagogik und die Bedeutung von Biografiearbeit (Barbara Hedtmann).............................. 11 3 Senioren und jüngere Menschen eine Zielgruppenbetrachtung (Barbara Hedtmann)............... 13 4 Das Projekt Glaubens- u. Erfahrungsschätze heben, 2011 (Michaela Frölich)................................ 16 B Bausteine (Michaela Frölich) 1 Die Reise in die Vergangenheit eine imaginative Reise............ 23 2 Der Lebensbaum Der Glaubensbaum..................... 34 3 Biografische Kurve Wendepunkte und Umbrüche............... 40 4 Begegnungen Menschen auf dem Glaubensweg............... 47 5 Orte des Glaubens............................... 54 6 Das Spirituelle Tagebuch............................ 61 7 Ein Schatz in der Hand Gegenstände mit spiritueller Bedeutung........ 68 8 Glauben als Wortkunst die Arbeit mit Akrostichen.............. 75 9 Glaubensbotschaften Formulieren von Gedichten und Versen......... 82 C Impulse für eine generationsübergreifende gemeindepädagogische Arbeit (Barbara Hedtmann) 1 Konfirmanden begegnen goldenen Konfirmanden............... 88 2 Dialog-Ausstellung Glaubensschätze..................... 90 3 Erzählcafé.................................... 92 Literatur.................................... 93 Die Autorinnen................................. 95 5

A Grundlagen

Zu diesem Buch Einleitung von Michaela Frölich und Barbara Hedtmann Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen und wo die Diebe nicht einbrechen. (Mt 6,20) Im Mittelpunkt von Biografiearbeit stehen der Mensch und seine ganz persönlichen Lebenserfahrungen. Ziel ist es, das Leben im Rückblick zu verstehen, die Erfahrungen in der Gegenwart umzusetzen und daraus Perspektiven für die Zukunft zu gewinnen. Inhalt dieses Buches ist Biografiearbeit mit spirituellen Themen Glaubenslehre, Glaubenserlebnisse, Glaubenserfahrungen und Glaubensprüfungen. Im einführenden Teil skizzieren wir, welchen Einfluss religiöse und spirituelle Lebenserfahrungen im Alter haben können. Schwerpunkt der religionspädagogischen Überlegungen ist es, wie diese Erfahrungen mithilfe von Biografiearbeit bewusst gemacht werden können, um sie lebensbewältigend einzusetzen. Eine Betrachtung der Zielgruppe unter zeit- und religionsgeschichtlichen Aspekten bereitet den Boden für eine hilfreiche gemeinsame Glaubens-Schatz-Suche. Den Grundstein für den Praxisteil dieses Arbeitsbuches bildet das Projekt Glaubensund Erfahrungsschätze heben (Evangelischer Regionalverband, Frankfurt 2011), das wir in einem separaten Kapitel vorstellen. Der zweite Teil ( Bausteine ) vermittelt Methoden und Anleitungen zur Biografie arbeit mit Einzelnen, aber vor allem in der Gruppe. Das umfangreiche Arbeitsmaterial ermöglicht es Ihnen als LeiterIn einer Gemeindegruppe, mit Seniorinnen und Senioren sowie jüngeren Menschen biografische Erzähl- und Schreibtreffs durchzuführen. Dabei geht es um die Glaubens- und Erfahrungsschätze: Was hat im Leben getragen? Was hat in schweren Zeiten und Krisen geholfen? Welche Rolle hat der Glaube bei der Bewältigung des Lebens gespielt? Thematisiert werden Konfirmationszeiten und andere religiöse Rituale, Menschen, die den Glauben gefördert haben, spirituelle Orte der Kraft sowie Gegenstände, die mit dem persönlichen Glauben verbunden sind. Vertiefend werden Methoden vorgestellt, wie Krisen- und Wendepunkte im Leben reflektiert werden können. Das besondere Augenmerk liegt darauf, die Teilnehmenden dafür zu sensibilisieren, welche Glaubensinhalte geholfen haben, schwierige Situationen zu meistern. Damit diese Erfahrungen an nachfolgende Generationen weitergegeben werden können, sind abschließend Methoden des Kreativen Schreibens dargestellt, die dazu befähigen, Botschaften zu formulieren. Textbeispiele für Glaubenserlebnisse und -erfahrungen von Seniorinnen und Senioren aus dem Projekt runden die Methodendarstellungen ab. Im Ausklang geben wir Ihnen noch Impulse, wie die Glaubensschätze, die Sie in den Erzähl- und Schreibtreffs heben werden, weiter verwendet werden können: Generationsgespräche, Erzählcafés und Dialogausstellungen sind Veranstaltungsformen, die die Begegnungen von Menschen im Glauben fördern und fortsetzen. 8

1 Religiosität und Spiritualität im Alter von Barbara Hedtmann Das Leben ist nicht ein Fromm-Sein, sondern ein Fromm-Werden, nicht ein Gesund-Sein, sondern ein Gesund-Werden, überhaupt nicht ein Wesen, sondern ein Werden, nicht eine Ruhe, sondern eine Übung. Wir sind s noch nicht. Wir werden s aber. Es ist noch nicht getan und geschehen, es ist aber im Schwang. Es ist nicht das Ende, es ist aber der Weg. 1 (Martin Luther) Welche Bedeutung haben Religiosität und Spiritualität für das Altwerden? Und wer sind die Alten heute? Die Alten als fester Bestandteil von Gemeinde, von Gottesdienst, Festen und anderen Angeboten davon kann heute nicht mehr ausgegangen werden. Die Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD 2011 gibt erstmals Informationen u. a. über religiöse Bindung und stellt ihre Selbstverständlichkeit in Frage. 2 Die gestiegene Lebenserwartung und der gesellschaftliche Wandel haben den Raum für individuelle Lebensvorstellungen und Gestaltungsmöglichkeiten für die ältere Generation immens erweitert. Die aktuellen Orientierungen in der Generation 60 plus entsprechen nicht mehr dem bisherigen Bild, wonach die Älteren besonders glaubensstark und kirchennah sind. Und doch haben für zwei Drittel der deutschen Bevölkerung religiöse Bindung und kirchliches bzw. religiöses Engagement eine große Bedeutung. Es kann gesagt werden, dass ältere (über 60-jährige) Mitglieder in den christlichen Kirchen nach wie vor kirchen- und religionsnäher und in diesem Sinne frommer sind als jüngere Kirchenmitglieder. 3 Also gibt es sie doch noch, diese älteren Menschen, die ganz alten, die frommen und weisen Frauen und Männer in den Gottesdiensten, den Seniorentreffs, bei den Konfirmationsjubiläen, in den Heimen oder auch zu Hause, weil sie den Weg nach draußen nicht mehr schaffen. Was ist Religiosität bzw. Spiritualität und welche Bedeutung hat sie für das Alt-Werden? Es ist zunächst eine Gegenbewegung gegen das Aktiv-sein-müssen bis ins hohe Alter. Es ermöglicht eine Alternative zu dem leistungsorientierten Altersbild. Für die jüdischchristliche Theologie des Alterns ist es das Denken vom Ende her: Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden. (Psalm 90,12). Trotz des Wissens um den möglichen Verlust der Selbstständigkeit, die Angewiesenheit auf Hilfe, die Begrenzt- 1 Luther, M.: Abteilung 4: Werke (Schriften). D. Martin Luthers Werke: Kritische Gesamtausgabe, Weimarer Ausgabe (WA). 2. Auflage. Band WA 11, Weimar 2003. 2 Vgl. Ahrens, Petra-Angela: Uns geht s gut, Generation 60plus: Religiosität und kirchliche Bindung, Protestantische Impulse für Gesellschaft und Kirche, Sozialwissenschaftliche Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland, 2011. 3 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.): Altersbilder in der Gesellschaft. Sechster Altenbericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland. Bericht der Sachverständigenkommission. Berlin 2010, S. 214. 9

heit des Lebens können der Blick und die aktive Gestaltung des Lebens auf die Gegenwart gerichtet werden, ganz im Sinne Luthers. Er hat mit vielen anderen den Leitaspekt einer christlichen Deutung des Älterwerdens prägnant formuliert, indem er die traditionelle mittelalterliche Deutung umkehrte: Mitten im Leben (sind wir) im Tod. Kehr s um: Mitten im Tod sind wir im Leben. 4 Damit kommt älteren Menschen eine eigene, unverlierbare Würde zu, die nicht an die Umsetzung von Potenzialen gebunden ist. Gerade für die, die eben nicht mehr so aktiv sein können, bedeutet dies, dass sie besonders aufgehoben sind und eine hohe Achtung erfahren. Denn es sind die verborgenen Kräfte, wie z. B. das Gebet, das Erinnern, das Erzählen, die eine stärkende Wirkung auf das Leben und die Gemeinschaft haben können. Religiosität bzw. Spiritualität ist vor allem dann wirklich hilfreich, wenn es sich um lebenslang erworbene Ressourcen handelt, die im Alter genutzt und weiter gepflegt werden können. 5 Es ist die im Lebenslauf erfahrene oder eben nicht erfahrene Hilfe Gottes bzw. die Unterstützung durch den Glauben und seine Verankerung vor allem in der Familie, die auch im Alter entscheidend ist. Der Glaube ist nicht mehr abhängig von Lebensfragen, sondern wird um seiner selbst willen gelebt. So wird Religion bzw. Spiritualität zu einer Ressource eines guten oder gelingenden Lebens bis ins hohe Alter. Religiöse Erfahrungen vermitteln Werte, die dem Leben Sinn geben. Religiöse Spiritualität ist die Suche nach dem Transzendenten, dem Unfassbaren, nach Gott. 6 Diese Suche gestaltet sich entsprechend den Traditionen in Symbolen, Riten und Kulturen. 4 Luther 2003. 5 Vgl. Bäuerle, Peter, Johannes Kipp, Meinholf Peters u. a. (Hg.): Spiritualität. Themenheft 1/2008. Psychotherapie im Alter, Gießen. 10 13. 6 Vgl. ebenda. 10