Geophagie bei Pferden

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Transkript:

Geophagie bei Pferden Ursachen und Hintergründe Patricia Bauderer

UNIVERSITÄT HOHENHEIM Fakultät Agrarwissenschaften Institut für Nutztierwissenschaften Fachgebiet Umwelt- und Tierhygiene Arbeit angefertigt unter der Leitung von Prof. Dr. med. vet. Ludwig E. Hölzle Geophagie bei Pferden Ursachen und Hintergründe Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Agrarwissenschaften von Patricia Bauderer Westerstetten Stuttgart-Hohenheim 2016

Datum der Annahme: 26.08.2016 Datum der mündlichen Prüfung: 29.09.2016 Dekan der Fakultät Agrarwissenschaften: Prof. Dr. Ralf T. Vögele, i.v.d. Dekans Prof. Dr. J. Bennewitz Betreuer: Prof. Dr. med. vet. Ludwig E. Hölzle (Universität Hohenheim, Leitung des Fachgebiets Umwelt- und Tierhygiene) Berichter: Prof. Dr. Anton Fürst (Direktor des Departements für Pferde der Vetsuisse-Fakultät der Universität Zürich) Berichter: Prof. Dr. Korinna Huber (Universität Hohenheim Fg. Funktionelle Anatomie der Nutztiere)

MEINEM OPA

VORWORT Die vorliegende Arbeit ist von Oktober 2012 bis April 2016 unter Betreuung durch die Universität Hohenheim, Fakultät Agrarwissenschaften, Fachgebiet für Umweltund Tierhygiene, entstanden. Gelingen konnte Sie nur durch die Unterstützung zahlreicher Mitwirkender, bei denen ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken möchte. An erster Stelle gilt mein Dank Herrn Prof. Dr. med. vet. Ludwig E. Hölzle, der sich bereit erklärt hat ein Pferdethema zu betreuen. Herzlich bedanken möchte ich mich auch bei zwei weiteren Beschäftigten der Universität Hohenheim: Herrn Dr. Hannes Kurz, LA Chemie, Abteilung Düngemittel- und Bodenuntersuchungen für die Analyse der Bodenproben und Frau Dipl. Ing. Ulrike Semmler- Busch, Fachgruppe Biostatistik, für die Unterstützung bei der statistischen Auswertung der Ergebnisse und die geduldige Beantwortung zahlreicher Fragen. Ein weiterer Dank gilt auch dem BioCheck Labor in Leipzig, besonders Frau Dr. Dittmar und Frau Dr. Lindner für die schnelle Untersuchung der Blutproben, sowie den zahlreichen Tierärzten für die Abnahme der Proben. Besonders dankbar bin ich für die Mithilfe zahlreicher Pferdebesitzer, die ihre Vierbeiner für meine Arbeit zur Verfügung gestellt haben. Ohne deren Engagement und Mühe wäre diese Arbeit nicht zustande gekommen. Bedanken möchte ich mich auch bei Herrn Rob Krabbenborg von der Firma Pavo, der die Arbeit mit Wissen und finanziellen Mitteln unterstützt hat. Abschließend gilt mein Dank besonders meinen Eltern und meinem Opa, die für meine große Leidenschaft die Pferde verantwortlich sind.

Inhalt 1. Einleitung... 1 1.1.Vorkommen... 1 1.2.Mögliche Ursachen... 2 1.3.Leckstellen... 3 1.4.Ziel der Arbeit und Fragestellungen... 3 2. Grundlagen... 6 2.1.Verdauung... 6 2.2.Mineralien... 8 2.3.Bedarfswerte... 13 2.4.Wechselwirkungen... 15 2.5.Verwertbarkeit der Mineralien... 17 2.6.Mineraliengehalte im Boden... 18 3. Material und Methode... 20 3.1.Versuchsaufbau... 20 3.2.Pferde... 20 3.3.Blut... 26 3.4.Boden... 27 3.5.Versuchsablauf und Probengewinnung... 28 3.6.Analyse... 28 3.6.1. Blut... 28 3.6.2. Boden... 29 3.7.Statistik... 31 3.7.1. Auswertung Blutproben... 31 3.7.2. Auswertung Bodenproben... 31 I

3.8.Auffinden der Leckstellen... 31 4. Ergebnisse... 33 4.1.Fütterung... 33 4.2.Blutanalyse... 33 4.2.1. Calcium... 36 4.2.2. Kalium... 38 4.2.3. Magnesium... 39 4.2.4. Natrium... 40 4.2.5. Phosphor... 41 4.2.6. Selen... 42 4.2.7. Eisen... 44 4.2.8. Kupfer... 44 4.2.9. Zink... 45 4.2.10. Zusammenfassung Blutanalyse... 48 4.3.Boden... 49 4.3.1. Calcium... 50 4.3.2. Kalium... 50 4.3.3. Magnesium... 51 4.3.4. Natrium... 52 4.3.5. Phosphor... 53 4.3.6. Selen... 53 4.3.7. Eisen... 54 4.3.8. Kupfer... 55 4.3.9. Zink... 55 4.3.10. Zusammenfassung Boden... 56 4.4.Leckstellen und Aufnahme... 57 II

4.5.Vorlage von Bodenproben... 58 4.6.Zusammenfassung der Ergebnisse... 58 5. Diskussion... 61 5.1.Pferde und Methodik... 61 5.2.Sonstige Einflüsse... 63 5.2.1. Rasse... 63 5.2.2. Alter... 63 5.3.Haltung und Fütterung... 63 5.4.Vergleich der Ergebnisse mit der Literatur... 65 5.4.1. Aussage Blutbild und Bodenuntersuchung... 65 5.4.2. Auftreten von Geophagie... 67 5.4.3. Zusammenhang der Elementgehalte in Blut und Boden... 68 5.4.4. Wechselwirkungen zwischen den Elementen... 72 6. Zusammenfassung... 74 7. Summary... 76 8. Literaturverzeichnis... 78 9. Abkürzungsverzeichnis... 85 10. Tabellenverzeichnis... 86 11. Abbildungsverzeichnis... 88 12. Anhang... A 13. Kurzfassung... N 14. Lebenslauf... P III

Einfluss verschiedener Stimulanzien auf die Bestimmung von Cortisol im Pferdespeichel

1

Einleitung 1. Einleitung Die Aufnahme von Erde durch Lebewesen wird seit langer Zeit beobachtet. Anthropologen haben nachgewiesen, dass Menschen in mindestens vierzigtausend Jahren ihrer Evolutionsgeschichte Erde gegessen haben. Bereits 1833 gab es erste wissenschaftliche Untersuchungen an Menschen in Afrika dazu (MASON, 1833; CRAGIN, 1836). In der Wissenschaft wird dieses Verhalten als Geophagie (von griechisch geo eine Vorsilbe mit Bezug auf die Erde und -phagie essen ) bezeichnet. CURDA (1977) nennt das Verhalten auch pica. Heute verwendet man diese Bezeichnung eher in Zusammenhang mit der krankhaften Aufnahme von ungewöhnlichen Dingen. Die Leckstellen, an denen die Erde aufgenommen oder geleckt wird, werden in der Literatur meist als licks bezeichnet. Geophagie konnte sowohl beim Menschen, als auch bei zahlreichen Tieren beobachtet werden. Auch bei Pferden ist dieses Verhalten nicht unbekannt. Allerdings haben sich bisher nur wenige Wissenschaftler mit den Ursachen und Hintergründen beschäftigt. Die wenigen vorliegenden Untersuchungen liefern keine eindeutigen Ergebnisse, warum Geophagie auch bei unseren heimischen Pferden auftritt. 1.1. Vorkommen Die Aufnahme von Erde wird von zahlreichen Lebewesen seit je her praktiziert. Nach KLAUS & SCHMID (1998) wurde Geophagie bisher bei 1375 Säugetieren verschiedenster Art beobachtet. Ihrer Meinung nach tritt Geophagie besonders häufig bei Säugetieren in den Steppengebieten von Afrika und Nordamerika auf. In der Literatur wird speziell von afrikanischen Elefanten (WEIR, 1969; RUGGIERO & FAY, 1994; KLAUS et al., 1998), Maultieren (ARTHUR & ALLDREDGE, 1979), Tapiren (IZAWA, 1993), Alpakas (IZAWA, 1993), afrikanischen Büffeln (SINCLAIR, 1977; MIOZEWSKI, 1983; MAHANEY & HANCOCK, 1990), Kühen (MAHANEY et al., 1996a) und Spießhirschen (IZAWA, 1993) berichtet. Im Jahr 2012 haben PEBS- WORTH und Mitarbeiter eine Studie veröffentlicht, in welcher sie von ihren Beobachtungen an einer Paviangruppe berichten. Weitere Untersuchungen gibt es 1

Einleitung über Antilopen, welche die Erde bestimmter Termitenhügel fressen (BAPTISTA et al., 2012). Aber auch Reptilien (MARLOW & TOLLESTRUP, 1982; KREULEN & JAGER, 1984) und Vögel (KREULEN & JAGER, 1984; KREULEN, 1985; IZAWA, 1993; DI- AMOND et al., 1999) wurden bei der Aufnahme von Erde beobachtet. Beim Menschen ist Geophagie vor allem unter Naturvölkern sehr verbreitet (MA- SON, 1833; CRAGIN, 1836; VERMEER & FERREL, 1985). Auch bei Pferden ist Geophagie bekannt. Beobachtungen und einige wenige Untersuchungen wurden sowohl an Wildpferden, als auch mit domestizierten Hauspferden durchgeführt (SALTER & PLUTH, 1980; MC GREEVY et al., 2001). Viele Studien zur Geophagie bei verschiedenen Lebewesen berichten von einem saisonalen Auftreten. Bei domestizierten Pferden wurde die Aufnahme von Erde verstärkt im Frühjahr beim Weideauftrieb beobachtet (MC GREEVY et al., 2001). Diese Beobachtung deckt sich weitgehend mit den Untersuchungen an Wildpferden, die verstärkt von April bis Juni Erde fraßen (SALTER & PLUTH, 1980). KLAUS & SCHMID (1998) sehen die vermehrte Aufnahme von Erde im Frühjahr darin begründet, dass die Aufnahme von Futter mit saftiger Konsistenz, - wie beispielsweise junges Gras- eine vermehrte Ausscheidung von Wasser und damit auch von Mineralstoffen über den Harn zur Folge hat. Bei Pavianen hingegen konnte kein Zusammenhang zwischen Regenzeit und Dauer der Geophagie hergestellt werden (PEBSWORTH et al., 2012). 1.2. Mögliche Ursachen Die Erklärungen für das Auftreten von Geophagie, sowohl beim Menschen als auch bei Tieren, sind vielfältig. Häufig wird die Aufnahme von Mineralien vermutet (EUDEY, 1978; WHEATLEY, 1980; INOUE, 1987; DAVIS & BAILLE, 1988; HEYMANN & HARTMAN, 1991; WIL- SON, 2003), die in der Erde enthalten sind. Oftmals steht diese Annahme auch in Verbindung mit einem vermuteten Mineralienmangel (RALSTON, 1986). Eine weitere Hypothese geht davon aus, dass sich die aufgenommene Erde positiv auf den Verdauungstrakt bei Mensch und Tier auswirkt. Vermutet wird beispielsweise der Entzug von giftigen Nahrungsbestandteilen durch die aufgenommene 2

Einleitung Erde (HLADIK, 1977a; HLADIK, 1977b; OATES, 1978; WILSON, 2003; WILLIAMS et al., 2004). Des Weiteren soll die Erde Übersäuerungen im Verdauungstrakt vermindern (DAYKIN, 1960; WILSON, 2003) und Magen-Darm-Störungen regulieren (WILSON, 2003). Weitere Studien schreiben der Erde, speziell den Tonmineralen, eine antibiotische Wirkung gegenüber Durchfallerkrankungen zu (CARSON & SMITH, 1983 und SMITH, 1980 zitiert durch KREULEN, 1985; VERMEER & FERREL, 1985; MA- HANEY, 1993; AUFREITER et al., 1997; PEBSWORTH et al., 2012). Daher werden diese auch gezielt in der modernen Tierernährung, vor allem in der Schweinefütterung, eingesetzt (MENDEL, 1971; MURRAY, 2000; AMBULA et al., 2003; XU et al., 2004; JAYNES et al., 2007). Auch eine Wirkung gegenüber Pilzen und Endoparasiten wird der Erde nachgesagt (CARSON & SMITH, 1983 und SMITH, 1980 zitiert durch KREULEN, 1985; KNEZEVICH, 1998). 1.3. Leckstellen Alle Tiere und Menschen, bei denen Geophagie beobachtet wurde, nahmen die Erde nicht willkürlich zu sich, sondern nur von bestimmten Stellen, den sogenannten licks oder Leckstellen. Diese sind oftmals artspezifisch und über größere Gebiete verteilt. Selten hatte jedes Tier nur eine Leckstelle, aber häufig werden diese von mehreren Tieren genutzt. Die einzelnen Leckstellen lagen dabei bis zu 50 km voneinander entfernt (KLAUS et al., 1998). Besonders begehrt ist die nährstoffreiche Erde von Termitenhügeln (WEIR, 1969; RUGGIERO & FAY, 1994). Die Beschaffenheit des geophagischen Materials ist je nach Gegend recht unterschiedlich. Der Tonanteil variiert zwischen 10 und knapp 100%, der ph-wert liegt zwischen 4,3 und 11 (WILSON, 2003). In den meisten Studien waren die Gehalte von einzelnen oder mehreren Mineralien des Bodens an den Leckstellen erhöht im Vergleich zu anderen Stellen einer Region, an denen keine Geophagie stattfand (CALEF & LORTIE, 1975; RUGGIERO & FAY, 1994). 1.4. Ziel der Arbeit und Fragestellungen Hintergrund dieser Arbeit sind eigene Beobachtungen an domestizierten Pferden. Diese nehmen zu bestimmten Jahreszeiten Erde an bestimmten Stellen im Paddock, auf der Weide oder während den Ausritten im Gelände zu sich. Die Fütterung 3

Einleitung scheint auf den ersten Blick ausgewogen und bedarfsgerecht. Symptome, die auf eine unzureichende Versorgung mit Mineralien schließen lassen, sind nicht zu erkennen. Dennoch muss es eine Ursache für die saisonale Aufnahme von Erde bei Pferden geben. Die am häufigsten verbreitete Theorie der Mineralienaufnahme (EUDEY,1978; OATES, 1978; WHEATLEY, 1980; INOUE, 1987; DAVIS & BAILLIE, 1988; HEY- MANN & HARTMANN, 1991; WILSON, 2003;) soll in dieser Arbeit die zentrale Hypothese darstellen. Die Ursache für Geophagie bei Pferden könnte also schlicht die Aufnahme von Mineralien sein, begründet auf einer unzureichenden Versorgung mit Mineralstoffen über die Futterration. Betrachtet man allerdings das Futtermittelangebot und den Speiseplan der Pferde genauer und vergleicht dies mit den gängigen wissenschaftlichen Bedarfswerten, so scheint diese Theorie doch fraglich. Schließlich erhalten die beobachteten Pferde bestes Rau- und Grünfutter, Mineralfutter und teilweise auch Kraftfutter. Ist ein Mineralienmangel mit den heutigen Erkenntnissen über Pferdefütterung überhaupt noch möglich? Halten die handelsüblichen Mineralfuttermittel wirklich was sie versprechen? Kann der Mineralienbedarf eines Pferdes vollständig damit gedeckt werden? Bei genauerer Betrachtung der Inhalte der Mineralfuttermittel können tatsächlich Zweifel entstehen, denn können die einzelnen Komponenten überhaupt vom Verdauungstrakt des Pferdes aufgenommen und verwertet werden? Zur Klärung der Ursachen von Geophagie bei Pferden soll nun die folgende Hypothese im Rahmen dieser Arbeit genauer betrachtet werden: Mineralienmangel ist die Ursache für Geophagie bei Pferden Auch die modernen Erkenntnisse in der Pferdefütterung und die damit verbundene Entwicklung von Mineralfuttermitteln können einen Mangel bestimmter Mineralien bei einzelnen Pferden nicht verhindern. Natürlich gibt es noch weitere denkbare Hypothesen, welche Geophagie bei Pferden begründen könnten. Die Forschung ist hierzu leider noch wenig fortgeschritten. Die Aufnahme der Erde zur Regulation der Verdauung des Pferdes wäre eine weitere Theorie, die sich jedoch im Rahmen dieser Arbeit nicht klären lässt. 4

Einleitung Fraglich ist auch, wie die Pferde die Leckstellen auswählen. Nach eigenen Beobachtungen erfolgt die Auswahl über den Geruch des Bodens. Welche Gerüche das Pferd hier allerdings wahrnimmt ist absolut unbekannt. 5

Grundlagen 2. Grundlagen Um die Hintergründe der Hypothese des Mineralienmangels besser verstehen zu können, ist es sinnvoll zunächst einmal kurz einige Grundlagen zur Ernährung und Verdauung des Pferdes zusammen zu fassen. 2.1. Verdauung Pferde sind ausschließliche Pflanzenfresser (Herbivoren) mit einem einhöhligen Magen (Monogastrier). Sie entziehen die benötigten Nährstoffe den aufgenommenen Pflanzen. Diese wiederum beziehen mineralische Nährstoffe aus dem Boden. Die Verdauungsphysiologie des Pferdes kann in vier Bereiche unterteilt werden. Man unterscheidet Futteraufnahme (Ingestion), Verdauung (Digestion), Aufsaugen (Resorption) und Ausscheidung (Exkretion). Abbildung 2-1: Aufbau des Pferdemagens, 1 Blindsack, 3 Fundusdrüsenzone, 4 Pylorusdrüsenzone, 4 gemischte Kardia- und Pylorusdrüsenzone, 5 Zwölffingerdarm (MEYER & COENEN, 2014; verifiziert nach LOEFFLER, 2002) Zur Nahrungsaufnahme dienen Lippen, Zunge und die Schneidezähne des Pferdes. Besonders sensibel sind dabei die Lippen, ähnlich den Fingern des Menschen. Das Pferd kann sehr präzise einzelne Futterpartikel und Fremdkörper selektieren. Feste Futtermittel wie z.b. Gras oder Äpfel werden mit den Schneidezähnen abgebissen. Bereits im Maul beginnt die Verdauung. Die Backenzähne zerkleinern die aufgenommene Nahrung und setzen somit bereits Eiweiße und Zucker frei. Gleichzeitig wird das Futter eingespeichelt. Dabei können pro Minute in Abhängigkeit vom Futtermittel etwa 50-60 Kauschläge gezählt werden. Zur Einspeichelung heureicher Rationen produziert das Pferd etwa 30 Liter Speichel am Tag (BENDER, 2011). Im Gegensatz zum Menschen enthält der Speichel des Pferdes keine Enzyme (MEYER 6

Grundlagen & COENEN, 2014). Er besteht aus Mineralstoffen und Bicarbonaten, die wenig später zur Neutralisierung der im Magen gebildeten Säuren beitragen. Als weitere Aufgabe macht der Speichel die zerkaute Nahrung schluckfähig. Der Magen eines Pferdes fasst etwa 15 Liter und ist somit auf eine kontinuierliche Futteraufnahme eingestellt. Untergliedert wir er in einen drüsenlosen Blindsack und die Fundusdrüsenzone. Im Anfangsteil, dem drüsenlosen Blindsack, herrscht vor allem eine mikrobielle Verdauung mit entsprechend schwach saurem ph-wert vor. Hier werden Zucker und Stärke, als leicht zugängliche Kohlenhydrate, sowie teilweise Proteine abgebaut. Bei diesen Prozessen entstehen Laktat, kurzkettige Fettsäuren, Gase (z.b. Kohlendioxid) und Eiweißspaltprodukte (z.b. Ammoniak). In der Fundusdrüsenzone wirkt ein Magensaft aus Pepsin und Salzsäure. Dieser Magensaft kann den Futterbrei nur sehr langsam durchdringen. Erst am Magenausgang erfolgt aufgrund der stärkeren Kontraktion der Magenwand eine vollständige Durchmischung. Die bakterielle Verdauung ist in diesem Bereich des Magens aufgrund des sauren ph-werts stark eingeschränkt. Im Pferdemagen findet keine Fett- oder Kohlehydratspaltung statt. Der Dünndarm des Pferdes ist etwa 20 Meter lang und untergliedert sich in mehrere Bereiche. Diese sind Duodenum (Zwölffingerdarm), Jejunum (Leerdarm) und Ileum (Hüftdarm). Das Pferd besitzt keine Gallenblase, die Galle wird von der Leber produziert und in den Dünndarm eingeleitet. Sie enthält vor allem Mineralien und Bicarbonate, welche den sauren ph-wert des Nahrungsbreis neutralisieren. Die Galle ist außerdem beteiligt an der Verdauung von Fetten. Das Sekret der Pankreas (Bauchspeicheldrüse) enthält die Enzyme Trypsin, Amylase, Lipase, sowie Alkalien zur Neutralisierung des ph-werts im Futterbrei. Durch Kontraktionen wird der Inhalt durchmischt, wellenartige Bewegungen sind dagegen für den Transport zum Darmende verantwortlich. Der Futterbrei passiert den Dünndarm mit einer Geschwindigkeit von 20 cm/min und sammelt sich schließlich im Ileum, bevor er unter Druck stoßweise in den sich anschließenden Blinddarm transportiert wird. Der ph- Wert des Futterbreis ist am Ende des Dünndarms, im Vergleich zum Magenausgang, aufgrund von wirkenden Bicarbonaten stark abgepuffert. Der Dickdarm des Pferdes besteht aus Caecum (Blinddarm), großem und kleinem Colon (Grimmdarm) und Rektum (Mastdarm). Ähnlich wie im Dünndarm wird auch hier der Darminhalt durch Kontraktionen und wellenartige Bewegungen durchmischt 7

Grundlagen und transportiert. In Caecum und Colon ist eine mikrobielle Verdauung durch Bakterien und Protozoen vorherrschend. Sie zersetzen einerseits vor allem Cellulose und unverdaute Nährstoffe aus dem Blinddarm und synthetisieren andererseits Vitamine. Im Mastdarm wird der Darminhalt durch Wasserentzug eingedickt. In Abbildung 2-2 sind die Verdauung und Absorption von Kohlenhydraten und Fetten im Verdauungskanal des Pferdes dargestellt. Abbildung 2-2: Verdauung und Absorption von Kohlenhydraten und Fetten im Verdauungskanal des Pferdes (MEYER & COENEN, 2014) 2.2. Mineralien Grundsätzlich werden die Mineralstoffe in Mengen- und Spurenelemente unterteilt. Diese Einteilung basiert darauf, in welchen Konzentrationen die Elemente im Körper vorkommen. Sie bedeutet nicht, dass den Spurenelementen im Organismus eine geringere Bedeutung zugemessen werden kann. Zu den wichtigsten Mengenelementen gehören Calcium (Ca), Magnesium (Mg), Phosphor (P), Natrium (Na), Kalium (K), Chlor (Cl) und Schwefel (S). Zu den wichtigsten Spurenelementen zählen Zink (Zn), Kupfer (Cu), Eisen (Fe), Mangan (Mn), Kobalt (Co), Selen (Se) und Jod (J). Allgemein haben Mengen- und Spurenelemente wichtige Funktionen im Körper. Sie sind am Aufbau von Skelett und Zähnen beteiligt, aktivieren Verdauungsenzyme, stabilisieren den osmotischen Zelldruck, bilden und erhalten Gewebe und spielen eine zentrale Rolle bei der Erregung der Nerven und Muskelkontraktionen. 8

Grundlagen In den Tabelle 2.1 und 2.2 sind die wichtigsten Mengen- und Spurenelemente, deren Funktionen und Vorkommen im (Pferde-) Körper, sowie die Folgen einer Überoder Unterversorgung dargestellt. Tabelle 2.1: Mengenelemente im (Pferde-)Körper Mengenelemente Vorkommen Funktion Mangelsymptom Überversorgung Ca Skelett Skelettaufbau, Reizübertragung Abbau von Knochengewebe -> Lahmheit, Knochenbrüche Keine bekannt. 2-3 fache Dosis wird gut vertragen P Skelett Energiestoffwechsel der Muskulatur Beeinträchtigung Ca-Versorgung, Begünstigung Darmsteinbildung Mg Skelett & Muskulatur Funktion von Enzymen im Nerven- und Muskelgewebe Störungen der Nervenfunktion, Muskelzittern 3-4 fache Dosis wird gut vertragen Na & Cl Skelett (Na) bzw. Muskulatur, Leber, Niere, Lunge, Herz, Blut (Cl) Erhaltung osmotischer Druck, Regulation des Säuren-, Basen- und Wasserhaushalts Leistungsschwäche, Lecksucht (Erde), Gewichtsabnahme, Eindickung Kot Nur bedenklich bei gleichzeitigem Wasserdefizit K Muskulatur Regulation des osmotischen Drucks innerhalb der Zellen, Funktion von Enzymen (Glykolyse) Geringe Fresslust, Muskelschwäche, Hypokaliämien Sehr tolerant S Muskulatur Bestandteil Proteine der 9

Grundlagen Tabelle 2.2: Spurenelemente im (Pferde-)Körper Spurenelemente Vorkommen Funktion Mangelsymptom Überversorgung Fe Blut, Muskulatur Bildung von Hämoglobin und Myoglobin Sauerstofftransport Anämie, Leistungsschwäche, Infektionsanfälligkeit Schlechte Verwertung von Phosphor, (evtl. auch Zn, Mn und Cu) Cu Muskulatur Bildung von Nervengewebe, Blut, Pigment und Bindegewebe Anämie & Skelettveränderungen bei Fohlen, bei adulten Pferden Gefäßrupturen und Pigmentverlust Sehr tolerant, schlechte Zinkverwertung, Leberschädigung Zn Muskulatur, Skelett Enzymbildung, Bildung & Regeneration von Haut und Schleimhäuten, Hufhorn Schäden an Haut- und Huf, schlecht heilende Wunden, brüchiges Haarkleid Hohe Toleranz, evtl. schlechte Kupferaufnahme Mn Skelett Enzymbildung Anämien aufgrund schlechter Eisenaufnahme J Bestandteil der Schilddrüsenhormone Thyroxin, Triiodthyronin und Diiodthyrosin Kropfbildung, Appetitlosigkeit, Haarausfall Kropfbildung Se Muskulatur, Skelett Stoffwechsel, Schutz der Zellmembran Geschwächte Infektionsabwehr, Appetitlosigkeit, Muskelverspannungen, Lahmheiten, steifer Gang Geringe Toleranz, Se-Vergiftung, Ausschuhen der Hufkapsel, Haarverlust, unspezifische Lahmheiten In Tabelle 2.3 sind die Referenzwerte der Elemente im Pferdeserum dargestellt. 10

Grundlagen Tabelle 2.3: Referenzwerte der Elemente für Pferdeserum (BIOCHECK ) Element Einheit Referenzwert 1 Calcium mmol/l 2,5-3,4 Eisen µg/dl 100-360 Kalium mmol/l 2,8-4,5 Kupfer µg/dl 120-133 Magnesium mmol/l 0,5-0,9 Natrium mmol/l 125-150 Phosphat mg/dl 2,2-4,5 Selen µg/l 50-150 Zink µg/dl 60-110 Die Aufnahme von Mineralien im Körper erfolgt beim Pferd sowohl im Dünndarm als auch im Dickdarm. Die Elemente Natrium und Chlor werden teilweise im Dünndarm absorbiert. Bei Kalium, Calcium und Magnesium erfolgt die Aufnahme fast vollständig im Dünndarm. Die Aufspaltung der Nährstoffe im Dünndarm ist in Abbildung 2-3 dargestellt. 1 Die angegebenen Werte sind Richtwerte, die vom Labor Biocheck- Labor für Veterinärdiagnostik und Umwelthygiene GmbH in den Untersuchungsprotokollen angegeben werden. 11

Grundlagen Abbildung 2-3: Aufspaltung der Nährstoffe im Dünndarm (VOLLMER, 2016). Zwischen den Mineralien kann es zu Wechselwirkungen kommen, welche die Aufnahme einzelner oder mehrerer Elemente beeinflussen können. Einige Elemente müssen außerdem gelöst oder in bestimmten Verbindungen vorliegen, um vom Pferdeorganismus verwertet werden zu können. Ebenso können verschiedene Futterkomponenten, wie beispielsweise größere Mengen an Fetten, negativ auf die Absorption von Mineralstoffen im Körper wirken. In der Literatur variieren die Referenzwerte im Pferdeblut. Tabelle 2.3 zeigt einen Überblick über die üblichen Mengen- und Spurenelementgehalte im Blutserum bei gesunden Pferden. In den Kapiteln 4 Ergebnisse und 5 Diskussion werden Werte oberhalb des Referenzbereichs als Überschuss oder Überangebot bezeichnet, Werte unterhalb dagegen als Unterversorgung oder Mangel. Dies bedeutet jedoch nicht, dass betroffene Pferde zwingend körperliche Anzeichen von Mangel- oder Überversorgung zeigen. 12

Grundlagen 2.3. Bedarfswerte Die Aufnahme der Mineralien erfolgt beim domestizierten Pferd sowohl über Grundund Kraftfutter als auch über das Trinkwasser (MEYER & COENEN, 2014). Ergänzend erhalten die meisten Pferde Mineralfuttermittel. Häufig haben die Tiere auch Zugang zu Lecksteinen. Bei reiner Heufütterung sollten einem ausgewachsenen Pferd (600 kg) etwa 9 kg Heu je Tag vorgelegt werden (VOLLMER, 2016). Die Versorgung des Pferdes mit Calcium geschieht am besten über kräuterreiches Wiesenheu oder Luzerne. Auch calciumreiches Trinkwasser kann zur Versorgung beitragen (MEYER & COENEN, 2014). Ein ausgewachsenes Pferd (600 kg) benötigt im Erhaltungsbedarf etwa 19,4 g /Tag (GfE, 2014). Wiesenheu enthält gut 4 g Calcium je kg Heu (MEYER & COENEN, 2014). Daraus ergibt sich eine theoretische Ca-Aufnahme von 36 g je Tag. Eine deutlich geringere Versorgung ist zu erwarten, wenn vorwiegend früh geerntete klee- und kräuterarme Heusorten oder Silage verfüttert werden. Auch Grünfutter enthält wenig Calcium (MEYER & COENEN, 2014). Die Phosphor-Versorgung des Pferdes ist dagegen meist unproblematisch, da besonders hohe Gehalte in Getreide zu finden sind. Beispielsweise enthält Weizenkleie knapp 12 g Phosphor je kg und auch in einem Kilogramm Heu finden sich, je nach Schnittzeitpunkt, etwa 3 g (MEYER & COENEN, 2014). Der tägliche Erhaltungsbedarf liegt bei etwa bei 13 g je Tag (GfE, 2014). Der Magnesiumbedarf eines ausgewachsenen Pferdes von nur etwa 6 g je Tag wird mit den üblichen Futterrationen meist abgedeckt (GfE, 2014). Vor allem Luzerneheu, Leinsamen und Weizenkleie sind beste Magnesiumlieferanten (MEYER & COENEN, 2014). Die Versorgung des Pferdes mit Natrium ist manchmal unzureichend. Heu und Silage enthalten meist weniger als 0,5 g je Kilogramm Trockensubstanz (MEYER & COENEN, 2014). Lediglich Melasseschnitzel weisen höhere Natriumgehalte auf. Der Erhaltungsbedarf eines ausgewachsenen Pferdes liegt jedoch bei durchschnittlich 3 g/tag (GfE, 2014). Dieser Wert ist jedoch aufgrund der Verluste durch Schweiß sehr variabel (MEYER & COENEN, 2014) und kann zum Beispiel bei hohen Temperaturen im Sommer deutlich höher ausfallen. Unabdingbar ist es daher, dass ein Leckstein den Pferden zur freien Aufnahme von Natrium zur Verfügung steht (MEYER & COENEN, 2014). 13

Grundlagen Der tägliche Kaliumbedarf beim Pferd beträgt bei leichter Beanspruchung etwa 17 g (GfE, 2014). Auch hier kann der Bedarfswert durch erhöhten Verlust über Schweiß deutlich höher liegen. Besonders kaliumreich ist nach MEYER & COENEN (2014) gutes Wiesenheu (17,2 g /kg TS). Hinsichtlich der Versorgung mit Mengenelementen ist gutes Wiesenheu meist deutlich hochwertiger als Grünfutter von der Weide (MEYER & COENEN, 2014). Die Versorgung des Pferdes mit Eisen ist in der Regel unproblematisch, da die meisten Futtermittel mehr Eisen enthalten, als von den Pferden benötigt wird (MEYER & COENEN, 2014). Der tägliche Bedarf eines ausgewachsenen Pferdes liegt je nach Belastung zwischen 540 und 720 mg je Tag (BENDER, 2011 ). Bereits ein Kilogramm Heu enthält 200 mg /kg TS. Ähnliche Gehalte finden sich im Weidegras (MEYER & COENEN, 2014). Auch die Gehalte an Kupfer in den üblichen Futtermitteln sind nach MEYER & COE- NEN (2014) in der Regel für eine Versorgung des Pferdes ausreichend (Erhaltungsbedarf). Der Tagesbedarf liegt, je nach Belastung, zwischen 63 und 90 mg (BENDER, 2011 ). Heu enthält etwa 8 mg/kg TS, Stroh 6 mg/kg TS, Gerste 9 mg/ts und Weizenkleie 17 mg/kg TS (MEYER & COENEN, 2014). Der tägliche Zinkbedarf bei einem ausgewachsenen Pferd liegt, in Abhängigkeit von der Belastung, zwischen 420 und 530 mg (MEYER & COENEN, 2014). Er wird nach MEYER & COENEN (2014) gedeckt durch Heu (30 mg/kg TS), Hafer- oder Gerstenstroh (52 mg/kg TS) und Getreide (30 mg/kg TS). Kritisch ist die Versorgung mit Zink bei Pferden, die kein Getreide erhalten und kein Stroh zur Verfügung haben, beispielsweise bei Weidehaltung. Selen wird häufig als Ursache für Lahmheiten, steifen Gang oder verminderter Infektionsabwehr beim Pferd gesehen (MEYER & COENEN, 2014). Der tägliche Bedarf liegt bei etwa 1,35 mg (BENDER, 2011 ). Die Selengehalte der Futtermittel variieren stark in Abhängigkeit von Standort und Jahreszeit (BENDER, 2011 ). Im Durchschnitt enthält Wiesenheu lediglich 0,05 mg/ kg TS. Etwas höhere Gehalte finden sich in Hafer (0,19 mg/kg TS) und Weizenkleie (0,47 mg/kg TS) (MEYER & COENEN, 2014). Neben Grund- und Kraftfutter werden vielen Pferden zusätzlich zur freien Aufnahme Salz- und Minerallecksteine angeboten. 14

Grundlagen Salzlecksteine bestehen in der Regel aus Siedesalz, welches in Deutschland zumeist untertage durch Verdampfung von Sole gewonnen wird. Sie bestehen vorwiegend aus Natrium-Chlorid. Alternativ zu den Steinen aus Siedesalz, bieten viele Pferdebesitzer ihren Tieren auch Kristallsalzlecksteine, meist aus dem Himalaya an. Die Kristalle bestehen aus Steinsalz und sind angeblich rein und nicht von der Umwelt belastet. Sie entstehen auf natürliche Weise durch Ausfällung von Meerwasser. Auch sie bestehen hauptsächlich aus Natrium-Chlorid. Minerallecksteine sind meist von rötlich-bräunlicher Farbe. Sie bestehen vorwiegend ebenfalls aus Natrium-Chlorid, enthalten aber außerdem Calciumcarbonat und Magnesiumoxid, sowie ernährungsphysiologische Zusatzstoffe wie Eisen-, Mangan-, Zink-, Jod-, Cobalt- und Selenverbindungen. 2.4. Wechselwirkungen Obwohl die Gehalte an Mengen-und Spurenelementen bei nahezu allen Futtermitteln bekannt und auch die Bedarfswerte der Pferde in der Literatur zu finden sind, so ist doch häufig eine ausreichende Versorgung nicht gewährleistet. Dies begründet sich zum einen auf den Futtermitteln selbst. Hier spielen vor allem beim Grundfutter Produktionstechnik, Standortbedingungen und Klima eine entscheidende Rolle. Je nach Witterung, Bodenbeschaffenheit und Schnittzeitpunkt können die Mineraliengehalte beispielsweise im Heu stark variieren (MEYER & COENEN, 2014; BENDER, 2011). So ist kräuterreiches Wiesenheu (1. Schnitt) von guter Qualität deutlich reicher an Mineralien als kurzes Wiesenheu (unter 4 Wochen) vom 2. Schnitt und mittlerer Qualität (MEYER & COENEN, 2014). Die andere bedeutende Rolle bei der Versorgung des Pferdes mit Mineralstoffen spielen die Wechselwirkungen der Mineralien untereinander. Eine mineralische Fehlernährung besteht daher nicht nur in einer Über- oder Unterversorgung, sondern auch in einer Imbalance zwischen den Elementen (MEYER & COENEN, 2014; WIESNER, 1970). In der nachstehenden Abbildung 2-4 sind die Interaktionen der Mineralien zueinander in einfacher Form dargestellt. 15

Grundlagen Abbildung 2-4: Interaktionen der Mineralstoffe (WIESNER, 1970). Dargestellt sind die Interaktionen zwischen den einzelnen Mengen- und Spurenelementen. Ein Überschuss an Calcium im Futter wird vom Pferd in der Regel gut toleriert. Allerdings verschlechtert sich dadurch die Aufnahme von Mangan, Zink und Kupfer (MEYER & COENEN, 2014). Calcium steht in engem Zusammenhang mit Phosphor (MEYER & COENEN, 2014; BENDER, 2011). Beide Elemente sind im Skelett deponiert und an Blutgerinnung, Reizübertragung und Energiestoffwechsel in der Muskulatur beteiligt (BENDER, 2011). Ein unzureichendes Angebot an Calcium wird durch eine getreidereiche und damit phosphorreiche Fütterung noch verstärkt. Zu viel Phosphor hemmt die Aufnahme von Calcium. Phytin im Getreide bildet zusammen mit Calcium schwer lösliche Calciumphytate (MEYER & COENEN, 2014). Calcium wird vorwiegend im vorderen Teil des Dünndarms aufgenommen, die Aufnahme von Phosphor dagegen erfolgt im Dickdarm (MEYER & COENEN, 2014). Bei einem engen Ca-P Verhältnis bindet sich Phosphor an Calcium. Die Verwertung des Calciums ist dann nicht mehr möglich. Das Ca:P Verhältnis sollte in der Futterrationen nicht unter 1:1 und nicht über 3:1 liegen. Ideal wäre eine Relation von 2:1 (BENDER, 2011 ) Ein Magnesiumüberschuss kann in Zusammenhang mit einem Phosphorüberschuss zur Bildung von Darmsteinen beitragen (MEYER & COENEN, 2014). Eine 16

Grundlagen hohe Phosphorzufuhr bindet ebenfalls Magnesium zu schwerlöslichen Komplexen, welche vom Körper nicht genutzt werden können (BENDER, 2011 ). Natrium, Chlor und Kalium sind einwertige, freie Ionen. Sie können vom Darm nahezu vollständig aufgesogen werden (MEYER & COENEN, 2014). Einen Überschuss gleicht das Pferd durch erhöhte Wasseraufnahme und entsprechenden Ausscheidungen aus (BENDER, 2011). Hohe Eisengehalte in der Ration können die Verwertung von Phosphor, eventuell auch von Kupfer, Mangan und Zink beeinträchtigen (MEYER & COENEN, 2014). Hohe Eisen- und Zinkgehalte, aber auch hohe Gehalte an Calcium und Phosphor können die Kupferaufnahme verringern (BENDER, 2011 ). Übermäßige Gehalte an Calcium, Kupfer und Phosphor in der Futterration können die Zinkverwertung beeinflussen (BENDER, 2011 ). Hohe Mangangehalte im Futter wirken sich negativ auf die Verwertung von Eisen aus (MEYER & COENEN, 2014). Dagegen vermindern überhöhte Calcium- und Phosphorgehalte im Futter die Manganverwertung (BENDER, 2011). 2.5. Verwertbarkeit der Mineralien Die Mengenelemente Ca, P und Mg können grundsätzlich nur in gelöster Form vom Pferdedarm aufgenommen werden. Chemische Bindungen wie Ca-Oxalat, Ca-Sulfat oder Ca-Phytat sind schwerlösliche Komplexe und können nicht verwertet werden (BENDER, 2011). Eine Untersuchung zur Aufnahme verschiedener Zinkverbindungen beim Pferd wurde von KREYENBERG (2003) durchgeführt. Im Rahmen des Versuchs konnte festgestellt werden, dass nach der Gabe von Zinkoxid kein Anstieg der Zinkkonzentration im Blut erfolgte. Die Gabe von Zinklaktat bewirkte einen Anstieg des Zinkgehalts im Serum, allerdings ist diese Verbindung für die Pferde schlecht verträglich, eine Begründung hierfür wird allerdings nicht genannt (KREYENBERG, 2003). Um eine ausreichende Versorgung des Pferdes zu erreichen, sollte Zink in Form von Chelat oder Sulfat angeboten werden (KREYENBERG, 2003). In der genannten Studie konnte durch die Fütterung dieser Zinkverbindungen ein eindeutiger Anstieg des Zinkgehalts im Serum nachgewiesen werden. 17

Grundlagen 2.6. Mineraliengehalte im Boden Die Mineraliengehalte der Böden sind sehr unterschiedlich. Dies liegt zum einen an den verschiedenen Ausgangsgesteinen, andererseits aber auch an der Zu-und Abfuhr von Nährstoffen und somit auch an der Nutzung der Böden. Auch Nachlieferung und Fixierung, Adsorption und Desorption sowie Mineralisierung spielen eine bedeutende Rolle (SCHEFFER/SCHACHTSCHABEL, et al., 2010). Abbildung 2-5: Einflussgrößen der Nähr-und Schadstoffverfügbarkeit in Böden (SCHEFFER/SCHACHTSCHABEL, et al., 2010 aus BRÜMMER et al., 1986) Leider gibt es keine Untersuchungen zur Verfügbarkeit der Mineralien, wenn Sie vom Tier direkt mit dem Boden aufgenommen werden. In der Literatur wird immer die Verfügbarkeit der Mineralien aus dem Boden für die Pflanzen oder der Mineraliengehalt der Pflanzen für das Tier angegeben. In der nachfolgenden Tabelle 2.4 sind die Gehalte im Boden an Mengen-und Spurenelementen der gemäßigten Breiten dargestellt. Die Abweichungen zwischen den Literaturquellen lassen auf große regionale Schwankungen schließen. Für die statistische Auswertung der entnommenen Bodenproben dieser Arbeit wurden die Angaben von SPOSITO (1998) verwendet. 18

Grundlagen Tabelle 2.4: Mengen- und Spurenelementgehalte in Böden der gemäßigten Breiten nach SPOSITO (1998) und SCHEFFER/SCHACHTSCHABEL et al. (2010). Elemente Durchschnittlicher Elementgehalte in mg/kg Boden (SPOSITO, 1998) Spannbreite der Grundgehalte in mg/kg Boden (SCHEFFER/SCHACHTSCHABEL, et al., 2010) Ca 24000 1000-12000, in kalkhaltigen Böden deutlich höher P 430 200-800 Mg 9000 500 5000 Na 12000 1000 10000 K 15000 2000-40000 Fe 26000 200 5000 Cu 25 2-40 Zn 60 10-80 Se 0,39 0,02-2,0 19

Material und Methode 3. Material und Methode 3.1. Versuchsaufbau Der Inhalt und das Ziel dieser Studien wurden in diversen Internetforen, sowie in Rundbriefen von Futtermittelherstellern publiziert. Auf diese Weise konnten viele Pferdebesitzer erreicht werden. Große Gestüte wurden teilweise direkt angeschrieben. Weitere Pferde konnten im Freundes- und Bekanntenkreis ermittelt werden. Auch die Pferde der Kontrollgruppen wurden auf diese Weise ausgewählt. Betroffene Pferde und Kontrolltiere stammen jedoch meist nicht von gleichen Betrieben. Keines der Pferde zeigte vor oder zu Beginn der Studie gesundheitliche Anzeichen von Mineralienmangel oder einer Mineralienüberversorgung. Zunächst wurde mit den Besitzern von betroffenen Pferden im Winter 2012/2013 Kontakt aufgenommen. Diese berichteten inwiefern sie Geophagie bei ihren Pferden beobachten konnten. Ausgewählt wurden schließlich Pferde, bei denen Geophagie regelmäßig und mehrfach im Frühjahr 2013 beobachtet werden konnte. 3.2. Pferde Die Studie wurde als Feldversuch vorwiegend in Privatbetrieben durchgeführt. Die Probanden stammen aus verschiedenen Ställen vorwiegend in Baden-Württemberg, aber auch Nordrhein-Westfalen, Hessen und Bayern. Im Rahmen dieser Arbeit wurden die Pferde in drei Gruppen unterteilt. Zu Gruppe G gehörten alle Pferde, bei denen regelmäßig Geophagie beobachtet wurde. Sie umfasste 24 Tiere (n=24). Detaillierte Informationen zu den einzelnen Pferden sind in Tabelle 3.1 dargestellt. Die Pferde stammten aus Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen und gehörten den Rassen Tinker, Haflinger, Deutsches Reitpony, Minishetlandpony, argentinisches Polopony, Connemara, Welshpony Typ A, Isländer sowie einem Araber-Pony-Mix an. Auch das Alter der Pferde variierte. Das jüngste Pferd dieser Gruppe war vier Jahre, das Älteste 28 Jahre alt. Alle Pferde dieser Gruppe, bis auf eine Ausnahme, wurden in Offenställen in Gruppen gehalten. In den Sommermonaten waren die Pferde zumindest stundenweise - auf Weideflächen. Somit basierte die Fütterung in den Sommermonaten 20

Material und Methode vor allem auf Gras, in den Wintermonaten dagegen auf Heu. Die Fütterungshäufigkeit war in dieser Gruppe relativ hoch. Sofern die Tiere nicht auf der Weide waren, wurde meist drei bis fünf Mal täglich Futter vorgelegt. Regelmäßig Kraftfutter in Form von Müsli erhielten nur vier Pferde dieser Gruppe. Dies allerdings nur in geringen Mengen von wenigen Gramm am Tag. Zwei weiteren Tieren wurden Grascobs verabreicht. Nur ein Pferd bekam eine kleine Menge gequetschten Hafer. In den Spätsommermonaten wurden den meisten Pferden Äpfel gereicht, in den Wintermonaten dagegen Karotten. Zusätzlich standen auf der Futterliste im Winter teilweise Mash und Weizenkleie. Nur selten wurden Zusatzfuttermittel wie z.b. Selen gereicht (n=3). Fast alle Pferde erhielten dagegen Mineralfutter. Ein Salzleckstein stand allen Tieren dieser Gruppe zur freien Verfügung, teilweise zusätzlich auch ein Mineralleckstein. Ein Tier hatte Hufrehe und stand daher auf einer Portionsweide. Eine weitere Stute wurde altersbedingt fast ausschließlich mit jungem Gras, Heucobs, Rübenschnitzel und Haferflocken ernährt. Die Stute Sida (G7; Tabelle 3.1) erhielt zur Behandlung des Sommerekzems ein Zinkpräparat. Da sich ihr Blutbild allerdings nicht von den Ergebnissen der anderen Pferde unterschied und auch sie regelmäßig Geophagie zeigte, wurde sie in die Untersuchungen integriert. Der Futterzustand der Pferde wurde bei fast allen Tieren als normal bis rundlich beurteilt. Die Beanspruchung der Tiere in Form von Reiten oder Fahren variierte in dieser Gruppe zwischen keiner Beanspruchung und mittlerer Belastung. 21

Material und Methode Tabelle 3.1: Auflistung der Pferde, bei denen Geophagie beobachtet wurde (Gruppe G, n= 24) Nummer Pferdename Alter Geschlecht Rasse Bundesland Haltung Beanspruchung 2 G1 Moritz 17 Wallach Haflinger BW G2 Point 19 Wallach Dt. Reitpony BW Offenstall/Weide Offenstall/Weide leicht leicht G3 Pepe 9 Hengst BW Mini-Shetlandpony Offenstall/Weide leicht G4 Tolossa 28 Stute argent. Polopony NRW Offenstall/Weide keine G5 14 Stute Connemara NRW N.Dianne Offenstall/Weide mittel G6 Sijyn 18 Stute Islandpferd BW G7 Sida 5 Stute Islandpferd BW G8 Kjarval 7 Wallach Islandpferd BW G9 Blakkur 11 Wallach Islandpferd BW G10 Fjöllnir 18 Wallach Islandpferd BW Offenstall/Weide Offenstall/Weide Offenstall/Weide Offenstall/Weide Offenstall/Weide leicht mittel mittel mittel leicht 2 Keine Beanspruchung: das Pferd wird nicht geritten/gefahren; leichte Beanspruchung: ein- oder mehrmals wöchentlich ruhige Ausritte, Spazieren gehen, Bodenarbeit; mittlere Beanspruchung: Training des Pferdes mehrmals wöchentlich; hohe Beanspruchung: Turnier- und/oder Deckeinsatz; die Angaben basieren auf den Aussagen der Pferdebesitzer 22

Material und Methode G11 Ingvar 6 Wallach Islandpferd BW G12 Hylling 7 Stute Islandpferd BW G13 Hrafn 23 Wallach Islandpferd BW G14 Odin 14 Wallach Islandpferd BW G15 Örn 13 Wallach Islandpferd BW G16 Freyja 22 Stute Islandpferd BW G17 Blesi 20 Stute Islandpferd BW G18 Rimma 14 Stute Islandpferd BW Offenstall/Weide Offenstall/Weide Offenstall/Weide Offenstall/Weide Offenstall/Weide Offenstall/Weide Offenstall/Weide Offenstall/Weide leicht mittel keine keine keine keine leicht leicht G19 5 Stute Islandpferd BW Rökkvadis Offenstall/Weide keine G20 Ràn 4 Stute Islandpferd BW Offenstall/Weide keine G21 Eni 10 Stute Araber-Pony- Mix HE Offenstall/Weide leicht G22 Ataché 20 Wallach Welsh A HE keine G23 Moyra 4 Stute Tinker BW Box/Weide mittel G24 Dagur 10 Wallach Isländer BW Offenstall/Weide Offenstall/Weide keine Die Kontrollgruppe K I bestand aus sieben Pferden (Tabelle 3.2), bei denen keine Geophagie beobachtet werden konnte, obwohl die Tiere regelmäßigen Weidegang und somit theoretisch Zugang zu Erde hatten. Diese Pferde stammten aus Baden- Württemberg und Nordrhein-Westfalen und gehörten zur Rasse Württemberger 23

Material und Methode Warmblut, Araber und Quarab. In dieser Gruppe variierte das Alter der Pferde zwischen einem und neunzehn Jahren. Die Haltung erfolgte, mit einer Ausnahme, einzeln in Boxen mit regelmäßigem Weidegang in der Gruppe. Die Fütterung erfolgte mindestens 2x täglich. In den Sommermonaten dominierte auch hier teilweise die Fütterung mit Gras, im Winter wurde dagegen Heu oder Silage verfüttert. Bemerkenswert ist, dass alle Pferde in dieser Gruppe, neben Mineralfutter, täglich Kraftfutter in Form von Müsli oder gequetschtem Hafer erhielten. Ein Salzleckstein stand dagegen nur zwei Tieren zur Verfügung. In den Wintermonaten wurden auch in dieser Gruppe teilweise Karotten gefüttert. Zusätzlich erhielt ein Teil der Pferde ganzjährig Leinsamen. Tabelle 3.2: Auflistung der Pferde aus der ersten Kontrollgruppe (K I, n= 7) Nummer Pferdename Alter Geschlecht Rasse Ort Haltung Beanspruchung 3 KI 25 Levana 19 Stute Warmblut BW Box/Weide keine KI 26 Frodo 3 Wallach Warmblut BW Box/Weide keine KI 27 Siggi 1 Hengst Warmblut BW Box/Weide keine KI 28 Avra 5 Stute Warmblut BW Box/Weide keine KI 29 Cody 3 Stute Warmblut BW Box/Weide keine KI 30 Tara 18 Stute Quarab BW Box/Weide leicht KI 31 Shahin 15 Wallach Araber NRW Offenstall/Weide keine 3 Keine Beanspruchung: das Pferd wird nicht geritten/gefahren; leichte Beanspruchung: ein- oder mehrmals wöchentlich ruhige Ausritte, Spazieren gehen, Bodenarbeit; mittlere Beanspruchung: Training des Pferdes mehrmals wöchentlich; hohe Beanspruchung: Turnier- und/oder Deckeinsatz; die Angaben basieren auf den Aussagen der Pferdebesitzer 24

Material und Methode Die zweite Kontrollgruppe K II umfasste Pferde, die aufgrund ihrer Haltung keine Möglichkeiten zur Aufnahme von Erde hatten. Die fünf Hengste stammten vom bayrischen Gestüt Schwaiganger und sind Vertreter der Warmblüter (Holsteiner, Hannoveraner), Vollblüter sowie Trakehner. Das Alter der Pferde lag zwischen 6 und 13 Jahren. Die Tiere hatten keinen Weidegang. Zwei der Hengste hielten sich täglich bzw. gelegentlich im Paddock auf. Locksley III und Zauberfürst werden gelegentlich zum Grasen geführt. Das Auffinden bevorzugter Leckstellen und die freie Aufnahme von Erde waren somit nahezu ausgeschlossen. Gefüttert wurden die Tiere mit Hafer (außer Zauberfürst ) und (gebrochener) Gerste (außer Camparion ) als Kraftfutter. Als Raufutter wurden Heu ( Cielito und Locksley III ) oder Heulage ( Ostermond xx, Camparion und Zauberfürst ) verabreicht. Ergänzt wurde die Ration mit Mineralfutter. Der Trakehner Zauberfürst erhielt zusätzlich 1,5 kg Mash. Tabelle 3.3: Auflistung der Pferde aus der zweiten Kontrollgruppe (K II, n= 5) Nummer Pferdename Alter Geschlecht Rasse Ort Haltung Beanspruchung 4 KII 32 Cielito Lindo 6 Hengst Warmblut BY Box/Paddock hoch KII 33 Ostermond xx 13 Hengst Vollblut BY Box/Paddock hoch KII 34 Locksley III 10 Hengst Warmblut BY Box hoch KII 35 Camparion 9 Hengst Warmblut BY Box hoch KII 36 Zauberfürst 9 Hengst Trakehner BY Box keine 4 Keine Beanspruchung: das Pferd wird nicht geritten/gefahren; leichte Beanspruchung: ein- oder mehrmals wöchentlich ruhige Ausritte, Spazieren gehen, Bodenarbeit; mittlere Beanspruchung: Training des Pferdes mehrmals wöchentlich; hohe Beanspruchung: Turnier- und/oder Deckeinsatz; die Angaben basieren auf den Aussagen der Pferdebesitzer 25

Material und Methode 3.3. Blut In der Literatur wird Geophagie oftmals mit der Aufnahme von Mineralien begründet. Um diese Annahme bestätigen oder widerlegen zu können, ist es notwendig, die Versorgung der Pferde mit Mineralstoffen zu kennen. Die tägliche Aufnahme könnte einerseits anhand der Futterration berechnet werden. Allerdings gibt es hier teilweise starke Variationen aufgrund der stark schwankenden Inhaltsstoffe, beispielsweise beim Heu, so dass die Fütterung nicht immer auf die Versorgung der Pferde schließen lässt. Daher wurde den Pferden im Rahmen dieser Studie Blut abgenommen und analysiert. Dabei wurde die Konzentration ausgewählter Mengen-und Spurenelemente im Blutserum untersucht. Serum eignet sich zur Feststellung der Mineraliengehalte besser als Plasma (KREYENBERG, 2003), da einige Mineralstoffe, wie beispielsweise Zink intrazelluläre Elemente sind (LÖFFLER & PETRIDES, 2013). Die im Pferdeblut üblichen Konzentrationen sind in Tabelle 2.3 (Kapitel 2.2) dargestellt Überschüssige Mineralstoffe werden außerdem über Urin ausgeschieden und können teilweise im Harn gut nachgewiesen werden. Ein niedriger Gehalt bestimmter Mineralstoffe im Harn sagt jedoch nur bedingt etwas über den tatsächlichen Versorgungstatus des Pferdes aus. Es können anhand dieser Methode keine eindeutigen Aussagen darüber gemacht werden, ob die Mineralienversorgung ausreichend oder unzureichend ist, da über den Harn nur überschüssige Mineralstoffe ausgeschieden werden. Diese Methode ist zusätzlich in der Praxis bei einer größeren Anzahl an Pferden nur schwer umzusetzen, da sie sehr zeitaufwändig ist. Hinzu kommt, dass nicht alle Pferde zur Abnahme von Urin geeignet sind. Von den Pferden der Gruppe G wurde, neben der Beprobung im Mai oder Juni, auch im Dezember eine Blutprobe entnommen und diese ausschließlich auf ihren Zinkgehalt untersucht. 26

Material und Methode 3.4. Boden Im Rahmen dieser Arbeit wurden neben den Blutproben der Pferde, auch die Mineraliengehalte der Leckstellen, welche von den Pferden der Gruppe G regelmäßig aufgesucht werden, analysiert. Die Bodenproben 1 bis 3 stammten aus Edertal im Landkreis Waldeck-Frankenberg (Hessen). Hier sind Braunerden, die aus kalkarmem Ausgangsgestein entstehen, der vorherrschende Bodentyp (UMWELTATLAS HESSEN, 2015). Die Proben 4 und 5 wurden an Leckstellen in Zaberfeld im Landkreis Heilbronn (Baden-Württemberg) entnommen. Verbreitet sind hier vor allem Tonböden (Pelosole) und Parabraunerden (LGRB, 2015). Letztere sind gekennzeichnet durch einen tonverarmten Oberboden. Zu finden sind Parabraunerden auch in Hattingen (Nordrhein-Westfalen) neben Pseudogley-Parabraunerden und Braunerden (HEUER, 2015). Pseudogleyböden sind die am häufigsten verbreitetsten Stauwasserböden unserer Breiten. Aus diesem Gebiet stammen die Bodenproben 6 bis 9. Die Leckstelle 10 befand sich in Horb-Mühringen im Zollernalbkreis (Baden-Württemberg). Die vorherrschenden Böden sind Rendzinen und Parabraunerden, die aus Kalksteinzersatz und Lösslehm entstanden sind (LGRB, 2015). Kalkreich sind auch die Böden der schwäbischen Alb. Die Proben 11, 14 und 15 stammten aus Mischwäldern der Gemarkung Beimerstetten (Alb-Donau-Kreis, Baden-Württemberg). Hier vorherrschend sind ebenfalls Parabraunerden (LGRB, 2015). Die Proben 12 und 13 wurden von Leckstellen in Westerstetten (Alb-Donau-Kreis, Baden-Württemberg) entnommen. Hierbei handelt es sich um Boden vom Typ Braunerde (LGRB, 2015). Die Leckstellen 16 bis 19 stammten aus dem Albvorland, aus Ohmden im Landkreis Esslingen (Baden-Württemberg). Dieses Gebiet rund um Holzmaden ist für sein Vorkommen an schwarzem Ölschiefer bekannt. Der vorherrschende Bodentyp sind Pelosole (LGRB, 2015). 27

Material und Methode 3.5. Versuchsablauf und Probengewinnung Die Abnahme der Proben wurde von den Teilnehmern weitgehend selbst organisiert, allerdings wurde ein enger Zeitraum dafür vorgegeben. Die Blut- und Bodenproben wurden in den Kalenderwochen 21 bis 24 entnommen. Diese umfassen den Zeitraum 20. Mai bis 16. Juni 2013. Die genauen Beprobungstermine zu den einzelnen Pferden befinden sich als Übersicht im Anhang. Die Entnahme der Blutproben erfolgte jeweils durch einen Tierarzt an der Halsvene. Die gewonnenen Proben wurden nach Leipzig gesendet und dort in einem Labor einheitlich untersucht. Die Bodenproben wurden von den Pferdebesitzern an den Leckstellen anhand einer Anleitung entnommen und an die LA Chemie in Hohenheim zur Untersuchung gesendet. 3.6. Analyse 3.6.1. Blut Die entnommenen Blutproben wurden alle zur Analyse an die Firma BioCheck-Labor für Veterinärdiagnostik und Umwelthygiene GmbH nach Leipzig gesendet. Dort gehört die Bestimmung von Mineralien im Pferdeserum zur täglichen Routine. In Tabelle 3.4 sind die verwendeten Methoden dargestellt. 28

Material und Methode Tabelle 3.4: Untersuchungsmethoden zur Analyse von Mineralstoffen im Serum (DITTMAR) Element Methode Messung Calcium Arsen-Azomethode photometrisch Eisen Ferrozin/Ferrene-Methode photometrisch Kalium ISE direkte Potentiometrie (ISE ist eine Elektrode) Natrium ISE direkte Potentiometrie (ISE ist eine Elektrode) Kupfer PAESA photometrisch Magnesium Calmagit photometrisch Phosphat photometrisch Selen Farbreaktion mit Dibrom- Ammonium-Phosphomolybdat-UV-Methode Atomabsorptionsspektrometrie Zink Farbtest mit 5-Brom- PAPS photometrisch 3.6.2. Boden Die Untersuchung der Bodenproben erfolgte an der Landesanstalt für landwirtschaftliche Chemie in Stuttgart-Hohenheim. Dort gehört die Analyse von Bodenproben zu den täglichen Aufgaben. Untersucht wurden die Gesamtgehalte der Elemente, nicht die pflanzenverfügbaren Mineralstoffe. Die nachfolgende Tabelle 3.5 zeigt die angewendeten Verfahren zur Bestimmung der Mineralien. 29

Material und Methode Tabelle 3.5: Untersuchungsmethoden zur Analyse von Mineralstoffen im Boden (KURZ) Element Methode Messung Selen Königswasserextraktion DIN ISO 11466 Fließinjektions-Hydrid- AAS Kupfer Königswasserextraktion nach DIN ISO 11466 ICP-OES Phosphor Königswasserextraktion nach DIN ISO 11466 ICP-OES Zink Königswasserextraktion nach DIN ISO 11466 ICP-OES Calcium Schmelzaufschluss DIN ISO 14869-2 (2003) nach ICP-OES Eisen Schmelzaufschluss DIN ISO 14869-2 (2003) nach ICP-OES Kalium Schmelzaufschluss DIN ISO 14869-2 (2003) nach ICP-OES Magnesium Schmelzaufschluss DIN ISO 14869-2 (2003) nach ICP-OES Natrium Schmelzaufschluss DIN ISO 14869-2 (2003) nach ICP-OES ph Wert Calciumchlorid (CaCl2) ph-wert Messgerät mit Elektroden 30