LERNRAUM SCHULE. 1. Marler Symposium Architektur & Pädagogik



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Transkript:

LERNRAUM SCHULE 1. Marler Symposium Architektur & Pädagogik

Inhalt Michael Kuhlemann (BDA Ruhrgebiet) Vorwort. 1. Marler Symposium. Architektur & Pädagogik Lernraum Schule............................ 2 Christian Rittelmeyer (Kassel) Qualitätskriterien schülergerechter Schulbauten. Ein Einblick in die internationale Schulbauforschung....................... 4 Riklef Rambow (BTU Cottbus) Lernen in, durch und über Architektur............................. 20 Johannes Bilstein (Kunstakademie Düsseldorf) Heimat zwingt zu anderer Arbeitsart.............................. 26 Eckart Liebau (Universität Erlangen-Nürnberg) Die Stadt als Bildungsraum. Anthropologische, pädagogische und bildungspolitische Blicke auf Architektur und Sozialräumlichkeit.......................... 34 Impressum............................................. 40 1

Vorwort. 1. Marler Symposium. Architektur & Pädagogik Lernraum Schule Michael Kuhlemann Im Mai 2008 fand in der Scharoun-Schule Marl das 1. Marler Symposium zu Architektur und Pädagogik statt. Mit dem Thema Lernraum Schule reagierte der BDA Ruhrgebiet auf die überaus schwierige Aufgabe vieler Kommunen, ihre Schulen zukunftsfähig machen zu müssen; so schätzt das Deutsche Institut für Urbanistik den Investitionsbedarf für kommunale Schulen in Deutschland bis 2020 auf rund 73 Milliarden Euro. Sanierungen, Neu- und Rückbau sowie flexibles Bauen im Bestand müssen aktuellen Anforderungen genügen und dabei die rückläufigen Schülerzahlen im Auge behalten, denn eins ist jetzt schon klar: viele der geforderten Baumaßnahmen, die heute notwendig sind, werden morgen nicht mehr aktuell sein, nämlich dann, wenn Schulen aufgrund mangelnder Nachfrage leerziehen. Das Symposium knüpfte an das jahrelange Engagement des BDA für den Erhalt der Scharoun-Schule an, die bekanntlich lange Zeit abrissgefährdet war, jetzt aber ihre Arbeit mit einem pädagogisch wegweisenden Konzept wieder aufnehmen soll. So hat die Musikschule die annähernd intakten Räume in dem weitgehend maroden Bau bereits in Betrieb genommen und wird in Zukunft eine pädagogische Symbiose mit der Aloisius-Grundschule eingehen, sobald die Sanierung abgeschlossen sein wird. Abb. Innenansicht der Scharoun-Schule Mit einem Vortrag über die Qualitätskriterien schülergerechter Schulbauten gab Prof. Christian Rittelmeyer (Kassel) einen Einblick in die internationale Schulbauforschung und arbeitete dabei die Eckpunkte für unterstützendes Lernen durch entsprechende Raum, Farbund Dekorgestaltung heraus. Von einer ganz anderer Seite rollte Dr. Riklef Rambow (BTU Cottbus) das Thema auf und ging mit seinem Vortrag über das Lernen in, durch und über Architektur der Frage nach, wie die positiven Wirkungen von Architektur besser zur Entfaltung gebracht werden können und wie baukulturelle Kompetenz durch schulische und außerschulische Architekturvermittlung befördert und entwickelt werden kann. Prof. Johannes Bilstein (Kunstakademie Düsseldorf) eröffnete mit seinem Vortrag zur pädagogischen Ästhetik des Raumes eine bildungsgeschichtliche Perspektive und stellte einige Argumentationsfolgen vor, die sich in der Vergangenheit in Bezug auf die Gestaltung von Schulen entfaltet haben und die bis heute Gültigkeit besitzen. Dabei 2

wurde gezeigt, wie sich Architekten und Pädagogen in der Vergangenheit eine gut gebaute Schule vorstellten und welche Auswirkungen dieses Denken auf unser heutiges Verständnis von Schulbau hat. Mit seiner Beschreibung der Stadt als Bildungsraum gab Prof. Eckart Liebau (Universität Erlangen-Nürnberg) anthropologische, pädagogische und bildungspolitische Einblicke in Architektur und Sozialräumlichkeit. Die Vorstellung von der Stadt als Modell für Schule bzw. von der Schule als Modell für die Stadt knüpft an die Vorstellungswelt Scharouns an, der Bildung, Öffentlichkeit und Teilhabe als architektonische und städtebauliche Prinzipien postulierte. Den Schlusspunkt setzte Jun. Prof. Carsten Ruhl (Universität Bochum) mit seinem Vortrag über das Verhältnis von Architektur und Pädagogik bei Hans Scharoun. Dabei analysierte er das architekturtheoretische Denken Scharouns im zeitgeschichtlichen Kontext und veranschaulichte dessen Konzepte anhand einschlägiger Entwürfe; sein Beitrag wurde inzwischen an anderer Stelle publiziert. An dem abschließenden Podiumsgespräch unter der Moderation von Gunvar Blanck beteiligten sich Referenten und Publikum gleichermaßen. In der überaus lebendig geführten Diskussion fanden Pädagogen und Architekten einen gemeinsamen Arbeitsansatz mit dem langfristigen Ziel, eine innovative Planungskultur zu entwickeln und Lernräume zukünftig in Kooperation mit Pädagogen zu realisieren. Nur so und das hat das Symposium eindeutig zeigen können kann eine gedeihliche Schularchitektur auf Dauer garantiert werden. Zusammen mit der Kunstakademie Düsseldorf und in Kooperation mit der Stadt Marl und dem Initiativkreis der Hans Scharoun-Schule bereitet der BDA Ruhrgebiet zurzeit das 2. Marler Symposium zu Architektur & Pädagogik vor, das 2010 im Rahmen der Kulturhauptstadtveranstaltung Local-Heroe stattfinden wird. Dann wird es um das Thema Lernraum Stadt gehen. Die vorliegende Publikation wäre ohne das ehrenamtliche Engagement des Initiativkreises und des Fördervereins der Musikschule der Stadt Marl e.v. nicht zustande gekommen. Unser besonderer Dank gilt der Wüstenrot Stiftung, die die Drucklegung finanziell unterstützt hat. Abb. Innenansichten der Scharoun-Schule 3

Qualitätskriterien schülergerechter Schulbauten. Ein Einblick in die internationale Schulbauforschung Christian Rittelmeyer 1. Schulbau und Schulbaudiskussion in Deutschland: Ein kurzer Rückblick Im Jahr 1951 wurde in Darmstadt eine Ausstellung zum Thema Mensch und Raum veranstaltet. Architekten stellten ihre Bauentwürfe vor und diskutierten über die Aufgaben der Nachkriegsarchitektur, wobei zum Teil sehr lebhafte Kontroversen zwischen wie man sagen könnte Modernisten und Traditionalisten entstanden. Unter anderem wurde auch über das neue Hochhaus der Vereinten Nationen in New York Ein Gebäude, in dem soziales Miteinander... und Hilfsbereitschaft eingeübt werden sollen, darf keine konträren Botschaften zum Ausdruck bringen gesprochen. 1 Einer der Teilnehmer beklagte diese aufgereckte Zigarrenkiste, die polemisch gegen das gebaute Umgebungsmilieu in Szene gesetzt sei und überdies die eigentliche Idee des Völkerbundes nicht zum Ausdruck bringe. Dem wurde mit dem Hinweis widersprochen, das Gebäude beherberge eine bürokratische Organisation, die durchaus einen angemessenen Ausdruck in der Bauform erhalten habe. Heranwachsender, die von der internationalen Schulbauforschung belegt wurden. Ein Gebäude, in dem soziales Miteinander, Solidarität und Hilfsbereitschaft eingeübt werden sollen, darf keine konträren Botschaften zum Ausdruck bringen. Wenn beispielsweise ein schwer anmutendes Dach den Unterbau zu erdrücken scheint (vgl. Abb. 1), dann signalisiert diese architektonische Rhetorik ein Gewaltverhältnis im Baumilieu, das von Schülern wenn in der Regel auch unbewusst registriert wird. Der Widerspruch zwischen Bauform und pädagogischen Grundsätzen wird dabei wenigstens im atmosphärischen Erleben des Gebäudes bemerkt. 3 Ein Schulgebäude, das die Bildung von Individualität (statt Kollektivität) favorisiert, sollte beispielsweise durch seine Fassadengestaltung keine Gleichmacherei und Entindividualisierung nahe legen (vgl. Abb. 2). Unter anderem bedingt durch die Wahrnehmung solcher Differenzbotschaften der architektonischen Form und der pädagogischen Programmatik, entwickeln Schüler und Lehrer, wie Befragungen im Rahmen eines Forschungsprojekts zeigten, häufig antipathische Gefühle gegen derartige Gebäudeformen. Sie erleben diese Differenz von Form und Absicht wie die eines Lehrers, der in der Gemeinschaftsoder Sozialkunde Achtung vor anderen Menschen mit einer herablassenden und vielleicht auch beleidigenden Gebärdensprache predigt. 4 Zwei Aspekte scheinen mir an dieser Kontroverse auch im Hinblick auf die Schulbau-Diskussion interessant zu sein. Zunächst: Beide Kontrahenten stimmen offensichtlich darin überein, dass die Funktion eines Gebäudes in dessen Gestaltung zum Ausdruck kommen soll oder anders formuliert dass Bauformen, Farben, Dekor und andere Gestaltungselemente eines Gebäudes dessen Idee, seine Widmung oder soziale Funktion artikulieren bzw. symbolisch repräsentieren sollen. 2 Man kann über diese Devise im Hinblick auf öffentliche Gebäude sicher streiten im Hinblick auf Schulund Hochschulbauten trifft sie jedoch Bedürfnisse Abb. 1 Waldorfschule in Wangen (Allgäu) 4

Abb. 2 Architektenentwurf für ein Oberstufenzentrum in Berlin (1993) Im Hinblick auf das UN-Gebäude gibt es aber trotz dieser gemeinsamen Forderung beider Diskutanten, dass die Bauform der Gebäude-Funktion zu folgen habe, auch eine deutliche Meinungsdifferenz: Der eine sucht den Ausdruck der Völkerfreundschaft in der aufgereckten Zigarrenkiste vergeblich, die polemisch in das vorhandene Bauensemble gesetzt sei, für den anderen ist gerade in dieser architektonischen Gestalt der bürokratische Charakter der Organisation erkennbar. Dieses Problem unterschiedlicher Perspektiven, verschiedenartiger Sprachspiele und Erwartungen im Hinblick auf Bauten ist nun auch ein fundamentales im Verhältnis zahlreicher Schulbau-Nutzer auf der einen und der Architekten sowie kommunalen Auftraggeber auf der anderen Seite. Was nicht selten von Architekten als Inbegriff kinderfreundlicher Gebäude deklariert wird, erscheint den Schülern und Lehrern als Ausdruck von Trostlosigkeit, Kälte oder Brutalität. Solche Verständigungsprobleme fallen nicht nur bei der Beratung von Schulbau- Projekten auf, sie sind darüber hinaus auch in der internationalen Schulbauforschung immer wieder betont worden. 5 Ein Beispiel für solche Wahrnehmungs- und Beurteilungsdifferenzen im Hinblick auf Schul- und Hochschulgebäude ist die folgende Episode: Abbildung 3 zeigt die Fassade eines Gebäudetyps, der in drei fast identischen Exemplaren das so genannte geisteswissenschaftliche Zentrum der Universität Göttingen schmückt. In einem dieser Bauten ist die juristische, in einem weiteren die Abb. 3 Lehrgebäude der Universität Göttingen (erbaut Anfang der 1970er Jahre) 5

Die Raumanmutung sei, so eine Studentin, in der Tat scheußlich, aber man sei diesen Bautyp gewohnt und rege sich nicht mehr auf unsere heutige gebaute Umwelt sei doch zu einem überwiegenden Teil in diesem antihumanen Stil gestaltet. Und was sagten die verantwortlichen Planer aus der Stadtverwaltung dazu? Aus heutiger Sicht, so der seinerzeit zuständige Baurat Mitte der 1990er Jahre, könne man diese Bauformen freilich kaum ertragen. Damals indessen, Anfang der 1970er Jahre, habe die strenge kubische Form und die asketische Innenraum-Gestaltung als Inbegriff einer wissenschafts- und rationalitätsadäquaten Architektur gelten können. Man sollte sich, so die Erwartung, ganz auf das wissenschaftliche Denken konzentrieren können, ohne Ablenkung durch ästhetischen Firlefanz. Man weiß jedoch aus gleich noch zu nennenden Forschungen jener Zeit, Abb. 4 Seminarräume im geisteswissenschaftlichen Zentrum der Universität Göttingen sozialwissenschaftliche und im dritten die theologische Fakultät ( Theologicum ) untergebracht. Abbildung 4 zeigt typische Seminarräume dieser Bauten. Mir ist eine Lehrveranstaltung in Erinnerung, die ich aus Gründen des Raummangels im Theologicum abhalten musste, in einem Raum der gezeigten Art. An dieser Veranstaltung nahmen auch Theologiestudenten teil. Ich eröffnete die Lehrveranstaltung mit der Bemerkung, dass Seminare in einem derartigen Ambiente kaum zumutbar seien. Man könne, so setzte ich die Einleitung fort, zwar nicht von einer Inkarnation des Teufels in diesem Raumgebilde sprechen, wohl aber von dessen Inlithinisierung (d.h. von seiner Verfestigung und Sichtbarwerdung im Stein, im Baumaterial). Niemand widersprach. Im Anschluss an die Seminarveranstaltung sprachen mich einige Studierende auf diese Bemerkung an. Abb. 5 Polaritätenprofil: Bewertung von Universitätsgebäuden in Göttingen 6

dass eine derartige Wahrnehmung des Bau-Ambientes schon damals für Schüler und Studierende nicht typisch war. Abb. 6 Waldorfschule Köln Abb. 7 Entwurf Hans Scharouns für eine Volksschule in Darmstadt, 1951 Im Rahmen eines umfangreichen Forschungsprojektes zur Wirkung von Schulbauten auf Schüler haben wir auch die Anmutungsqualitäten derartiger Universitätsräume untersucht. 6 So wurden z. B. Räume bzw. Fassaden der auf Abbildung 3 und 4 gezeigten Art auf so genannten Semantischen Differentialen eingestuft (vgl. Abb. 5). Die Studierenden kreuzten beispielsweise an, ob sie einen Raum eher als erdrückend (Skala 1: 1 oder 2 ) oder eher als befreiend ( 4 oder 5 ) erlebten. Aus allen Urteilen wurden die Mittelwerte berechnet und in das Differential eingetragen (auf der ersten Skala liegt dieser Mittelwert im vorliegenden Fall bei 2,5). Die Punkte wurden durch Linien verbunden, so dass ein so genanntes Polaritätenprofil entstand, das wichtige Trends des studentischen Raumerlebens erkennen lässt. Fassade und Räume (Abbildungen 3 und 4) des genannten Beispiels erhielten fast identische Beurteilungs- Profile; exemplarisch zeigt Abbildung 5 eine Seminarraum-Einstufung. Man sieht, dass der Raum von besonders vielen Personen (= Extremwerte) als geordnet, hart, monoton, unbelebt, starr, kalt, langweilig, abstoßend, übersichtlich, hässlich, einheitlich und abweisend eingestuft wurde. Eigentlich ein Bild des Todes, der Feindschaft, der abweisenden Kälte d. h. steingewordenes Symbol des Antihumanen und im Hinblick auf das Theologicum des Antireligiösen. Es gibt also eine Rhetorik des Baumilieus, die wissenschaftlichen Inhalten oder pädagogischen Bestrebungen widerspricht und eine andere, die das widerspiegelt, was ideell in einer pädagogischen Programmatik lebt und zur Wirklichkeit strebt. Bauten und Räume dieser letztgenannten Art provozieren dann gegenläufige Anmutungs-Profile: sie wirken belebt, schön, warm, anziehend, abwechslungsreich, ausgeglichen, freilassend, schwingend usw. Ein Beispiel für diesen Bautypus ist die auf Abbildung 6 gezeigte Gestaltung eine Schulfassade. 7 Im Rahmen der erwähnten Darmstädter Tagung hat Hans Scharoun seinen ersten und zu den zuvor gezeigten Negativbeispielen deutlich konträren Schulbauentwurf vorgestellt. Auf die besondere Signatur seiner Entwürfe und Bauten wurde an anderer Stelle bereits genauer eingegangen. 8 Mir scheinen drei Aspekte jedoch besonders erwähnenswert zu sein, weil sie deutlich machen, in welcher Hinsicht Scharoun als Pionier einer pädagogisch durchdachten Schulbau-Architektur bezeichnet werden kann. Erstens: Der in Darmstadt gezeigte Entwurf (Abb. 7) zeigt nach meiner Kenntnis für den staatlichen Schulbau erstmals eine dezidierte Rücksichtnahme auf Entwicklungs- 7

Abb. 8 Aula der Scharoun-Schule in Marl bedürfnisse von Heranwachsenden. Die Gliederung des Baus, so Scharoun, sieht also nicht nur das additive Nebeneinander einzelner, vielleicht sehr wirksamer und tüchtiger Räume vor, sondern versucht entsprechend dem Wachstum des Kindes, also entsprechend den sich ändernden verschiedenen Bewusstseinsebenen, die Kinder gruppenhaft Scharouns Grundidee einer entwicklungsanalogen Schulraumgestaltung war jedoch wegweisend zusammenzufassen. 9 So sollen die Räume z. B. für die kleineren Kinder einen eher beschützenden, warmen Charakter haben, die für ältere hingegen der zunehmenden Selbständigkeit entgegenkommen. Wir würden vielleicht heute nicht vorrangig bestimmte entwicklungspsychologische Gesichtspunkte zur Fundierung solcher Überlegungen heranziehen, sondern auf Untersuchungen zur Raumwahrnehmung, zu Raumpräferenzen und sozialen Bedürfnissen von Kindern zurückgreifen, um entwicklungsgemäße Schulbauten zu planen, wobei durchaus auch an eine gut vorbereitete Beteiligung der Kinder und der Lehrer an den Planungen zu denken ist. 10 Scharouns Grundidee einer entwicklungsanalogen Schulraumgestaltung war jedoch wegweisend. Zweitens: Betrachtet man die organische oder dynamische Innen- und Außenraumgestaltung der Schulen Scharouns, dann kann deutlich werden, dass dieser Architekt ein wirklicher Apologet der Moderne genannt werden kann und zwar in einem tieferen, kulturgeschichtlich aufgeklärten Sinn dieses Begriffs. Denn ein wesentliches Prinzip des Projektes Moderne ist nicht die Wiederholung des Gleichen (wie sie in dem vermeintlich modernen, in Wahrheit antiquierten Beispielen der Abbildungen 2 und 3 zu sehen ist), sondern Veränderung. Entwicklungsprozesse im modernen Verständnis sind dynamisch, sie haben kein teleologisch bestimmbares Ziel, sondern verlaufen in weitgehend unbestimmter, offener Perspektive. Sie sind durch immer wieder neue Gestaltungscharakteristika ausgezeichnet. Genau dies zeigen die Fassaden- und Innenraumgestaltungen der Scharoun- Schulen. Lässt man beispielsweise den Blick durch den Saal der Marler Schulaula von rechts nach links oder in umgekehrter Richtung gleiten, wird dieses dynamische und immer wieder neue Ausblicke eröffnende Gestaltungsprinzip augenfällig (vgl. Abb. 8). Drittens: Scharouns Entwurfszeichnungen zeigen häufig fast ätherisch anmutende Gebilde, die im Verlauf der konkreteren Bauplanung dann gleichsam zunehmend in feste Formen gerinnen (Abb. 9). 11 Nicht immer entstehen dabei (etwa 8

Abb. 9 Entwurfszeichnung Hans Scharouns für ein Gebäude Abb. 10 Berufsschule in Hannover aus den 1970er Jahren im Wohnhaus-Bau) gute Bauwerke. Im Schulbau indessen ist dieser künstlerische Ansatz Scharouns deutlich erkennbar. In dieser Hinsicht bilden sie einen Gegensatz zu jenem Entwurfs- und Realisationstyp zahlreicher Schulbauarchitekten, bei dem vereinfacht ausgedrückt um Hauptnutzflächen Wände errichtet und überdeckelt werden, so dass Bauten der in Abbildungen 2 und 3 gezeigten Art entstehen. Rücksichtnahme auf die Entwicklungsbedürfnisse von Kindern und Jugendlichen, eine Schulbau-Rhetorik der dynamischen Entwicklung und eine von ästhetischem Empfinden geleitete Baukonstruktion sind meines Erachtens wesentliche, nach wie vor unerlässliche Bestandteile einer menschengemäßen Schulbaugestaltung. Scharoun wurde jedoch insbesondere von einem seiner Berufskollegen heftig als Ideologisierer des Schulbaus und als dessen Zerdenker kritisiert. In dieser Kritik mag sich schon ein Motiv angedeutet haben, das erklärbar macht, warum sich in der Folgezeit nur wenige Architekten durch die Impulse Scharouns inspirieren ließen. Bis heute nehmen zahlreiche Vertreter der Architektenzunft und der Schulbau-Administration trotz proklamierter Kinderfreundlichkeit in Wahrheit keinerlei Rücksicht auf die Bedürfnisse der Nutzer dieser Gebäude des Lehrpersonals und der Schülerinnen und Schüler. Das gilt sicher in besonderem Ausmaß für die Zeit der Fabrikschulen und Betonburgen der 1970er Jahre (Abb. 10). 12 Die heute oft als lebensfeindliche Schulen bezeichneten Ungetüme wurden damals von Architekten häufig als konsequente Umsetzung pädagogischer Leitideen wie Soziales Lernen oder Demokratisierung bezeichnet, etwa wenn sie fensterlose Klassenräume als Ausdruck von Chancengleichheit Bis heute nehmen zahlreiche Vertreter der Architektenzunft... keinerlei Rücksicht auf die Bedürfnisse der Nutzer werteten, weil jeder Arbeitsplatz mit Leuchten der gleichen Luxzahl bestrahlt und kein Schülerplatz an einer Fensterseite bevorzugt beleuchtet werde. 13 Paulhans Peters indessen, damaliger Chefredakteur einer führenden Fachzeitschrift für Architektur, bezeichnete im Jahr 1980 die vorherrschenden Schulbautypen jener Zeit in einem Leitartikel als Schulen zum Fürchten. 14 In der Tat hatten Untersuchungen gezeigt, dass sich beispielsweise in fensterlosen, aber auch anderweitig antipathisch erlebten neuen Schulgebäuden der Schulvandalismus besonders nachhaltig artikulierte, dass Schüler Wohnlichkeit, Gemütlichkeit, Freundlichkeit in diesen Bauten vermissten und diese so euphorisch angepriesenen Gebäude daher ablehnten. 15 9

Konsequenzen aus den Warnungen und Forschungen wurden von Architekten und Behördenvertretern eher selten gezogen. Peters mahnte daher zwei Jahre später in einem weiteren Leitartikel eine Veränderung nicht zuletzt im Hinblick auf die Rhetorik an, mit der zahlreiche Architekten, aber Sie sagen Schulstraße zu einem Flur, der kein Ende zu haben scheint, Treffpunkt zu einem Loch im Raumgewebe auch Vertreter der Kultusbürokratie ihre schüler- und lehrerfeindlichen Bauten zu legitimieren suchten: Diese Baumeister, so Peters, lügen sich in die eigene Tasche, indem sie Räume und deren Zusammenhänge mit Namen belegen, die über das Maßlose, Sinnlose ihrer Formen den Mantel barmherziger Verschleierung legen. Sie sagen Schulstraße zu einem Flur, der kein Ende zu haben scheint, Treffpunkt zu einem Loch im Raumgewebe, Pausenhalle für etwas, das den Charme eines Bahnhofs um drei Uhr morgens besitzt, pinseln ein paar Treppenhäuser bunt an und sagen: Wir haben die Schule kinderfreundlich gemacht. Dass sich die Kinder für solche kinderfreundlichen Schulen dadurch bedanken, dass sie die durch sie hervorgerufenen Aggressionen auch in ihnen abreagieren, empfinden manche Politiker (und deren Architekten) immer noch als Undankbarkeit, anstatt darüber nachzudenken, was wohl die Ursachen dafür sein könnten. 16 Zwar entstanden insbesondere in den 1980er und in den frühen 1990er Jahren einige Schulbauten neuer Art, die Kriterien der Schülerfreundlichkeit mindestens in Teilbereichen erfüllten (wie Hans Holleins Volksschule in der Köhlergasse Wiens, die von einer Architektengemeinschaft geplante Waldorfschule im norwegischen Stavanger oder Utz Peter Strehles Schwerhörigen- und Sprachheilschule Johanneskirchen bei München). 17 Sieht man sich neuere Bildbände zum internationalen Schulbau an, so kann man gelegentlich ein gutes Gespür für eine Raumgestaltung bemerken, die ästhetisch wie auch in pädagogischer Hinsicht positiv anspricht auf die Kriterien einer solchen Gestaltung wird gleich zurückzukommen sein. 18 Aber der vorherrschende Trend geht doch in eine andere Richtung. Die von Paulhans Peters benannten Probleme bestehen in erheblichem Umfang fort. Monotonie der Fassaden- und Innenraumgestaltung auf der einen, hektische und daher bedrängend bzw. suggestiv wirkende Farbgebungen auf der anderen Seite herrschen ebenso vor wie kalt anmutende graublaue Glas-Stahl-Bauten um hier nur einige Beispiele für die andauernde Schulbau-Misere zu nennen. 19 Immer noch werden monumentale Großbauten geplant und sogar preisgekrönt, die auf Schülerseite Äußerungen wie Kaserne, Mammutschule, anonymer Kasten provozieren so als hätte die internationale Schulbauforschung nicht belegt, dass es sich dabei um Areale handelt, die Vandalismus und Lernunlust, Gewalt- Immer noch werden monumentale Großbauten geplant und sogar preisgekrönt bereitschaft und Schulschwänzen fördern (vgl. Abb. 2). 20 Die Zeitschrift Baumeister schmückte 1997 daher das Titelbild eines Themenheftes zum Schulbau der neunziger Jahre mit der Frage: Nichts dazugelernt?. Diese Titelfrage dürfte sich unter anderem auf eine preisgekrönte Schule beziehen, die im Innenteil mit dem folgenden Kommentar vorgestellt wurde (Abb. 11): Es ist nicht nur ihr erstes Schulgebäude, es ist ihr erstes realisiertes Projekt überhaupt. Den Architekten gelang ein durch und durch sympathisches Haus, das viele von Kinder- und Jugendpsychologen angeführte Forderungen erfüllt. Ganz nebenbei entstand 10

Abb. 11 Grundschule in Schaffhausen, 1994 Architektur von hoher Bauqualität. Und wenig später:... dem Projektanten ist es gelungen, einen Ort mit hohem Erlebniswert und Poesie zu formulieren. Der Anspruch der Preisträger, so erfahren wir schließlich, war kein anderer, als die Schule von morgen zu bauen. 21 Das Gegenteil all dieser Behauptungen ist wahr. Das Bauwerk entspricht mindestens in der Fassadenansicht keinem der Qualitätskriterien, die wir in einem umfangreichen Forschungsprojekt an der Universität Göttingen herausgefunden haben. 22 Dazu einige Hinweise. 2. Nach welchen Kriterien beurteilen Schüler Schulbauten als sympathisch oder unsympathisch? Ein wichtiger Befund unserer Forschungen bestand in dem Nachweis, dass Schulbauten (bzw. deren Details) gestisch bzw. gebärdenhaft erlebt werden sie erscheinen beschwingt, traurig, brutal, geschwätzig, lebendig, erstarrt, verspielt, trostlos, gewalttätig, gesichts- und charakterlos, freilassend usw. In einem gewissen Sinn begegnen die verschiedenen Raumgestalten in Schulen, die Fassaden, Farbgebungen, Geländegestaltungen usw. Jugendlichen als Interaktionspartner, als z. B. bedrängende oder freilassende, düstere oder heitere Umgebungsfiguren. Diese erlebten Botschaften der Schularchitektur werden wie die von Lehrern bewertet in der Regel geschieht das allerdings unbewusst und macht sich in bestimmten (positiven oder negativen) Grundeinstellungen zur Schule, im atmosphärischen Empfinden der Baugestalt bemerkbar. Welche Merkmale zeigt nun eine als einladend, schön bzw. sympathisch erlebte Schulbau-Gestalt? Sie sollte unseren Untersuchungen zufolge anregend und abwechslungsreich statt langweilig bzw. monoton, freilassend und befreiend statt beengend und bedrängend sowie warm und weich statt kalt und hart wirken. Diese drei Kriterien sind die maßgebenden Gesichtspunkte, nach denen Schüler Schulgebäude (unbewusst) bewerten. Dazu einige Erläuterungen: a) Die Schularchitektur soll anregungs- und abwechslungsreich, nicht langweilig bzw. monoton wirken. Negativ werden z. B. Gebäude mit seriellen Fenstergestaltungen, monotonen Fluren, sich wiederholenden Raumteilern, eintönigen bzw. monochromen Farben eingestuft also Bauten der in den Abbildungen 2, 3, 4 und 11 gezeigten Art. Abgelehnt wird die Kastenarchitektur, Zustimmung erfahren organisch, bewegt oder lebendig wirkende Bauten, die das visuelle Erkundungsverhalten provozieren (vgl. als Beispiele Abb. 6 und 8. Dass eine organische Gestaltung aber kein Garant für eine ästhetisch befriedigende oder rhetorisch funktionale Bauform ist, machte das einleitend geschilderte Beispiel der Abb. 1 deutlich). Strenge, lineare kubische Raumformen können allerdings innerhalb der Schule durchaus funktional sein und dann auch positiv erlebt werden etwa wenn naturwissenschaftliche Räume eines Gymnasiums eine gewisse Strenge und Kühle signalisieren. Natürlich darf diese Strenge nicht 11

trostlos wirken wie die Bewertung der Abbildungen 4 zeigten. Ein Schulbau darf deshalb auch nicht nach einem durchgehenden Schema geplant werden, er muss vielmehr je nach Raumwidmung differenziert durchdacht und entsprechend vielfältig gestaltet werden. Dabei sollte allerdings kein additives Potpourri heterogener Elemente entstehen vgl. dazu das dritte Qualitätskriterium. 23 Auch ältere Kastenbauten können, entsprechend revitalisiert, durch Bewuchs, unterschiedliche Wandtexturen oder Farbgebungen den Eindruck von Bewegtheit oder Lebendigkeit Die Mitarbeit von Schülern ist sicher sinnvoll, setzt aber eine vorhergehende Sensibilisierung... voraus hervorrufen. Ferner können Abwechslungs- und Anregungsreichtum durch eine vielfältige Farbgestaltung an Klassen- und Flurwänden, durch ein ästhetisches Dekor, durch eine differenzierte Lichtführung usw. hergestellt werden was vor allem bei der Renovierung von Altbauten bedeutsam ist. Das darf dann allerdings weder als Kaschierung der Monotonie noch als Chaotisierung des Baumilieus in Erscheinung treten sonst widerspricht es unter Umständen dem folgenden Kriterium. b) Räume und Gebäudeformen sowie Farben und das Interieur sollen freilassend und befreiend, nicht bedrängend oder beengend wirken. Schwer anmutende Dächer, grelle Farben, mit Dekor überladene Klassenraumwände, enge Flurführungen usw. führen in aller Regel zum Eindruck eines unsympathischen Schulgebäudes. Nicht nur von Architekten wird im Hinblick auf dieses Kriterium vielfach gesündigt. So wird z. B. von einem Kunstlehrer und Schülern auf eine kahle Beton- oder Kunststoffwand zur Verschönerung eine grellorange aufgehende Sonne gemalt, die derart intensiv und aggressiv leuchtet, dass sie nicht mehr freilassend wirkt. Mit Blick auf solche Beispiele ist übrigens der verbreiteten Meinung zu widersprechen, dass die Kids ihre Schule am besten selber gestalten können. Die Mitarbeit von Schülern ist sicher sinnvoll, setzt aber eine vorhergehende Sensibilisierung für die Ausdrucksformen der Architektursprache voraus. Dann können peinliche Innenraum-Gestaltungen durch Laien vermieden werden, wie sie exemplarisch auf Abbildung 12 gezeigt werden. Die Fuß- und Handspuren auf dem Boden legen nahe, dass hier offenbar jemand auf Händen und Füßen aus der Klasse gekrochen ist kein Wunder, ist der Eingang doch mit einem Fallgitter versehen, als verberge sich dahinter ein Gefängnis. Die grellen Wandmalereien verraten auch nicht, welche pädagogischen Leitideen dafür maßgebend waren, sie als Rahmen für den traurigen Klassenraum-Eingang zu wählen. Insgesamt wirkt das Hallendetail auf befragte Schüler im Alter von 14 16 Jahren eher abstoßend und bedrängend. Das Kriterium der freilassenden Farbund Raumgestaltung bezieht sich aber auch auf die erlebte Beziehung zwischen den Elementen. So wird beispielsweise ein Dach als drückend, ein Gebälk als schwerfällig im Hinblick auf darunter liegende Bauelemente erlebt (vgl. das Einleitungsbeispiel zu Abb. 1). Oder Schüler wie Lehrer haben beim Betrachten eines Flurs den Eindruck, dass sich dessen verschiedene und intensive Farbgebungen wechselseitig totschlagen. Das berührt bereits das nächste Kriterium: c) Die Schulgebäude sollen Wärme und Weichheit statt Kälte und Härte ausstrahlen. Das Kriterium der Weichheit bezieht sich auf den erlebten Dialog der Elemente: So wirken z. B. Bauelemente und Farbgebungen, die beziehungslos nebeneinander stehen, eher hart. Weiche Beziehungen können z. B. zwischen einer Säule und einer Decke durch verschiedene Kapitellformen, also durch architektonische Vermittlungsglieder, hergestellt werden; ein Klassentrakt kann in einen farblich anders gestalteten Flur über Zwischenfarben vermittelt werden, oder die Farbgestaltung des einen Traktes wird im Flur des anderen in einzelnen Säulenelementen und Geländergestaltungen 12

nochmals wie ein Nachklang aufgenommen. Im Hinblick auf den Wärmeeindruck ist es allerdings wichtig, dass Räume auch zu warm wirken können, dann verletzen sie das Freiheitskriterium, weil sie bedrängend wirken. Eine erlebte mittlere Temperierung ist also das gesuchte Ideal. Diese kann z. B. durch ein Ensemble wärmer und kühler wirkender Raumsegmente erreicht werden, denn eine z. B. farblich einheitlich hergestellte mittlere Temperierung würde wiederum dem ersten Qualitätskriterium des Anregungsreichtums widersprechen. Auch im Hinblick auf das Alter der Kinder sind für jüngere Schülerinnen und Schüler eher warm wirkende, für ältere eher kühl anmutende Farbgebungen sinnvoll (wobei Kühle nicht mit Kälte verwechselt werden darf). Kalt wirken Sichtbetonwände, wärmer und auch freilassender wird ihre Wirkung beispielsweise durch aufgetragene warmtönige und durchsichtig anmutende Lasuren; kalt wirken graue Kunststoffwände, wärmer können sie durch Dekor, Bilder, Holzverkleidungen und natürlich auch durch die Farbgebung gestaltet werden. Kalt wirken aber vor allem auch viele der gegenwärtig verbreiteten postmodernen oder seriell gestalteten Schulbaugestaltungen, die mit ihren Stahlgerippen, graublauen Farben, mit ihrer beziehungslosen Addition technischer Elemente von Schülern im allgemeinen abgelehnt werden auch für diese eher kühl bis kalt wirkende Bauform kann die Abbildung 11 als Beispiel gelten. Die drei genannten Qualitätskriterien können nicht unabhängig voneinander betrachtet werden. Eine abwechslungsreiche, aber ornamental überladene Fassade kann bedrängend wirken, ein intensiv rotgelb gestrichener Klassenraum kann zwar warm, aber zugleich nicht mehr freilassend wirken, usw. Wenn jedoch Schulen schön, einladend, abwechslungsreich, freilassend, belebend usw. wirken welche Effekte hat das auf Schülerinnen und Schüler? Und wie wirkt sich dagegen ein Schulbau-Milieu aus, das von Schülern als kalt, bedrängend, hässlich, langweilig und charakterlos eingestuft wird? Abb. 12 Wandmalereien um den Klassenraum- Eingang in einem Gymnasium (um 1975) 3. Wie wirken Schulbauten auf Schülerinnen und Schüler? Ein Einblick in die Schulbauforschung In den letzten Jahren sind nicht nur in Deutschland empirische Studien publiziert worden, die der Wirkung konkreter Gestaltungselemente in Schulen genauer nachgegangen sind. 24 Eine umfangreiche internationale Forschungsliteratur lässt inzwischen den Schluss zu, dass Schulbauten erhebliche Auswirkungen auf das Lernverhalten, auf die Aggressionsbereitschaft und auf die Krankheitsanfälligkeit Heranwachsender haben: Ein (leider auf die angelsächsische Fachliteratur begrenztes) Sammelreferat des schon erwähnten Design-Council London über bisherige Forschungen zum Thema kommt zu dem Schluss, dass insbesondere die Farbgebung und Lichtführung in Schulen, die Luftqualität und Schallqualität, die Möblierung und das Nahrungsangebot eindeutige Auswirkungen auf Stimmungen, Lernleistungen und Wohlbefinden der Schüler haben. 25 Zu ähnlichen Ergebnissen kommt ein Forschungsüberblick Glenn I. Earthmans, der auf dieser Grundlage Empfehlungen für die Gestaltung von Schulbauten entwickelt. 26 Auch eine im School Design and Planning Laboratory der Universität Georgia (U.S.A.) durchgeführte Forschungsarbeit zeigt Auswirkungen dieser Art. 27 13

Wie schon erwähnt, haben Untersuchungen in Deutschland gezeigt, dass positiv erlebte Schulbauten (Architektur, Farbgebung, Schulhofgestaltung, Dekor usw.) mit geringeren schulvandalistischen Aktivitäten der Schüler assoziiert sind. 28 Abb. 13 Lehrstraße einer Grundschule in Almere (Niederlande), 1992 Abb. 14 Lernstraße der Evangelischen Gesamtschule Gelsenkirchen, 2004 Einige Studien zeigen, dass positiv erlebte Schulbau-Umgebungen (z. B. mit Fenstern versehene statt fensterlose Klassenzimmer oder warme Beleuchtung statt Neonlicht) die Krankheitsrate der Schüler senken; analoge Untersuchungen aus Krankenhäusern zeigen ähnliche Effekte. 29 Meine eigenen Untersuchungen haben gezeigt, dass die Schularchitektur ausgeprägte körperliche Auswirkungen hat: Je nach Formen und Farben werden Spannungs- und Entspannungsgefühle, Gefäßdurchblutung, Blickbewegungen und andere physiologische Parameter in einer jeweils besonderen Weise provoziert; diese leibliche Komponente der Architekturwirkung macht erst verständlich, warum z. B. Schulvandalismus, Krankheitsanfälligkeit oder Antipathien durch bestimmte Schulbauformen hervorgerufen bzw. vermindert werden. 30 Untersuchungen in den USA von Glenn Earthman und anderen haben gezeigt, dass die Schulleistungen in fast allen Fächern verbessert werden können durch ein architektonisches Umfeld, das Kindern und Jugendlichen sympathisch ist; werden Schulgebäude antipathisch erlebt, verschlechtern sich im statistischen Schnitt auch die Schulleistungen. 31 Abb. 15 Eingangshalle der Evangelischen Gesamtschule Gelsenkirchen, 2004 Mitte der 90er Jahre rief die amerikanische Industriedesignerin Ruth Lande Shuman in New York das Schulgestaltungs-Programm Publicolor ins Leben. Gefängnisartige Schulgebäude mit industriellem, feindseligem Aussehen wurden (unter Schülerbeteiligung) mit lichteren Farbqualitäten aufgehellt und abwechslungsreicher gestaltet: Die Folgen waren, wie das Schulpersonal berichtete, eine niedrigere Dropout-Rate der Schüler, geringere Disziplin-Probleme und eine deutlich gesteigerte Aufmerksamkeit im Unterricht. 32 Zwar geht es hier nicht um wissenschaftliche Unter- 14

suchungen, sondern um freie Berichte des Lehrpersonals, die jedoch Bestätigung erfahren durch weitere, nunmehr wissenschaftliche Studien zur Wirkung von Farben in Schulgebäuden. 33 Es kann also kein Zweifel daran bestehen, dass die Gestaltung von Schulgebäuden von erheblicher Bedeutung für die Leistungsfähigkeit, für das Wohlbefinden und für die Gesundheit Heranwachsender ist. Den Bauformen und Farben der Schulanlagen, dem Dekor und der Schulhofgestaltung muss daher die gleiche Aufmerksamkeit geschenkt werden wie der Qualität der Lehre und Lehrpläne. Es ist ebenso eindeutig, dass dieser Aspekt von Bildungspolitikern wie von der Erziehungswissenschaft in der jüngeren Vergangenheit systematisch übersehen wurde; erst seit einigen Jahren wächst das Interesse im Hinblick auf die Funktion verschiedener Raumgestaltungen für den Bildungsprozess Heranwachsender. 34 Wie Kongresse beispielsweise des Programme on Educational Building (PEB) der OECD zeigten, gehören jedoch Klagen über menschenfeindliche Schulbauten immer noch zum Standardrepertoire internationaler Tagungen und Publikationen zu diesem Thema. Nach wie vor wird deutlich, dass zahlreiche Architekten pädagogische Bauten unter grundlegend anderen Gesichtspunkten planen und betrachten, als sie Schülern und Lehrern wichtig erscheinen. Da werden Flure als Lehrstraßen bezeichnet, die aus Lehrer- und Schülersicht wie Blechkästen oder kahl und monoton, kalt und abweisend erscheinen. 35 Man vergleiche in dieser Hinsicht die als Lehrstraße bezeichnete Hallenansicht auf Abbildung 13 mit der positiv bewerteten Lernstrasse auf Abbildung 14. Das letztgenannte Beispiel aus der Evangelischen Gesamtschule Gelsenkirchen, realisiert durch das Architekturbüro Hübner/Forster/Hübner, zeigt einen neueren und noch seltenen Trend im Schulbau, der sich in einer Art Urbanisierung und Ästhetisierung des schulischen Ambientes artikuliert: Marktplätze mit Grünbewuchs (Abb. 15), Cafés, plätschernde Bäche, Theaterräume, Gaststätten, vielfältig nutzbare Gruppenräume, schöne Bibliotheken, Rückzugsecken und Schul-Wege, die vielfältige Ein- und Ausblicke bieten, die warmtönig und im architektonischen Milieu dialogisch gestaltet sind, bieten Lernlandschaften, wie sie in der neueren didaktischen Diskussion betont und gefordert werden. 36 Ästhetische Gestaltung, dynamische und kindgemäße Bauformen, also die erwähnten Impulse Hans Scharouns, sind hier in einer völlig neuen, zeitgemäßen und pädagogisch reflektierten Weise aufgegriffen worden, mögen auch im Detail noch diese und jene Probleme (meist technischer Art) von den Bewohnern berichtet werden. Aber solche Bauten sind, wie erwähnt, noch selten. An ein Gefängnis oder einen Bunker fühlten sich entsetzte Eltern und Kinder erinnert, als sie die Realschule Kamper Weg das erste Mal von innen sahen, berichteten Tageszeitungen. 37 Die öden Sichtbetonwände in Knast-Optik wurden indessen von der Architektin mit dem Hinweis gerechtfertigt, dass Beton, wenn er alt werde, eine interessante Patina bekomme, auch hätten ja berühmte Architekten wie Le Corbusier mit diesem strapazierfähigen Baustoff gearbeitet. Ein voluminöses Dach, das wie eine Landschaft übereinandergeschobener Eisblöcke und daher erdrückend im Hinblick auf den Unterbau erscheint, wird als Verbindung von behütender Geste über dem Schulleben und der umgebenden Allgäuer Landschaft deklariert. Giebelbauten, die Lehrern als monotone Aufreihung vergrößerter Hundehütten erscheinen, gelten dem Architekturbüro als Ensemble voll räumlicher Überraschungen ; eine schwarz gestaltete Pausenhalle, die auf Schüler wie das von Peters kritisierte Loch im Raumgewebe wirkt, ist aus Architektensicht kinderfreundlich, denn Schwarz ist die geeignete Hintergrundfarbe für das bunte Spiel der Kinder. Auf die kritische Frage eines Reporters, warum man in Berlin Schulbauentwürfe vom Typ der Mietskaserne (Abb. 2) mit einem Preis auszeichne, antwortete der Leiter des Wettbewerbsreferats beim Bausenat: Unsere Typologie ist streng, kubisch und rationalistisch. Sie knüpft an die Tradition der Jahrhundertwende und der 20er Jahre an. 15

Eine Art bauästhetische und pädagogische Alphabetisierung... scheint daher dringend geboten Der Innenstadtbereich ist durch Mietskasernen und geordnete Stadtstrukturen geprägt. 38 Der Apologet solcher Schulbau-Sünden machte auch deutlich, dass man aus den genannten Gründen nur Architektenbüros zum Wettbewerb einlade, die eine solche Handschrift bevorzugen. Häufig kann man überdies den Eindruck gewinnen, dass es für einzelne Schulbau-Planer relativ gleichgültig ist, ob sie ein Einkaufszentrum, ein Bank- oder Schulgebäude entwerfen. Erkennbar werden vor allem architektonisch Zeitgeist-Moden zitiert, nicht aber Botschaften inszeniert, die eine zeitgemäßen Pädagogik zum Ausdruck bringen. Eine Art bauästhetische und pädagogische Alphabetisierung der für Schulbauten Verantwortlichen, der Pädagogen wie der Architekten und Behördenvertreter, scheint daher dringend geboten. Ausdrücklich sei hier betont, dass auch vielen Pädagogen Aufklärung dieser Art gut täte: Auf Ganztagsschulkongressen habe ich mehrfach die Erfahrung gemacht, dass manchen Lehrerinnen oder Lehrer nicht daran gelegen ist, sich vor einer Gestal- tungsplanung zunächst einmal für die Ausdrucksformen der Architektur zu sensibilisieren, also eine Art elementare Lektürefähigkeit auf diesem Gebiet einzuüben. Möglichst rasch wird vielmehr danach verlangt, die auf der Tagung entworfenen neuen pädagogischen Konzepte in geeignete Schulraumgestaltungen umzusetzen. Solchen Naivitäten könnten von Architekten gewiss gewichtige Argumente entgegengesetzt werden. Ein wirklich wechselseitig aufklärender Dialog beider Seiten ist daher notwendig, für den allerdings die richtigen Formen oder didaktischen Strategien erst noch entwickelt werden müssen. Dass häufig zwischen Architektenmeinungen sowie Sichtweisen von Verwaltungsbeamten auf der einen und den Bedürfnissen von Schülern und Lehrern auf der anderen Seite erhebliche Differenzen, wenn nicht Widersprüche bestehen, wäre dabei als Ausgangsproblem zu berücksichtigen. Zu suchen ist eine gemeinsame Sprache und damit Verständigungsbasis beider Seiten. Ferner ist es entscheidend, die durch Forschung herausgefundenen Qualitätskriterien für Schulbauten aus Schülerperspektive zur Kenntnis zu nehmen. Dass der Bund deutscher Architekten die Initiative für eine in dieser Hinsicht dichtere Kommunikation zwischen Vertretern beider Seiten ergreift, ist im Hinblick auf die erwähnte Relevanz des Themas ermutigend und wegweisend. 16

1 Vgl. O. Bartning (Hrsg.): Mensch und Raum. Darmstadt 1952, S. 96ff. 2 Die Devise form follows function geht auf den amerikanischen Architekten Louis Sullivan (1856 1921) zurück. 3 Zur Wahrnehmung solcher Gewaltverhältnisse durch Schüler vgl. Chr. Rittelmeyer: Schulbauten positiv gestalten. Wie Schüler Farben und Formen erleben. Wiesbaden 1994, S. 72ff.; ferner dazu auch: Chr. Rittelmeyer: Soziale Muster im Schulbau-Milieu. In: F. Bohnsack/S. Leber (Hrsg.): Sozial-Erziehung im Sozial-Verfall. Weinheim 1996, S. 307 319. 4 Siehe ausführlicher dazu: Chr. Rittelmeyer: Zur Rhetorik von Schulbauten. In: Die Deutsche Schule 96 (2004), S. 201 208. 5 S. Higgins u. a. : The Impact of School Environments: A Literature Review. University of Newcastle (England). Herausgegeben vom Design Council, 34 Bow Street, London, WC2E 7 TDL, Großbritannien (2005). 6 Siehe dazu mein Buch Schulbauten positiv gestalten. Wie Schüler Farben und Formen erleben. Wiesbaden 1994; ferner Chr. Rittelmeyer: Bedeutungsfelder der Schulbau-Architektur. In: Psychologie in Erziehung und Unterricht 34 (1987), S. 171 177. 7 Ich nenne dieses positive Beispiel einer Kölner Schule, weil sie in architekturpsychologischen Untersuchungen als Schule der Zukunft ermittelt wurde, in der die durch Nutzer erlebte faktische Gestalt und geäußerte Verbesserungswünsche kaum differieren. Vgl. dazu R. Walden/S. Borrelbach: Schulen der Zukunft. Heidelberg 2002; R. Walden: Architekturpsychologie: Schule, Hochschule und Bürogebäude der Zukunft. Lengerich u. a. 2008. 8 Dazu auch J. C. Kirschenmann/E. Syring: Hans Scharoun. Stuttgart 1993, S. 200ff.; H. Kemnitz: Schulbau jenseits der Norm: Hans Scharouns Mädchengymnasium in Lünen. In: Paedagogica Historica 41 (2005), S. 605 625. 9 Vgl. O. Bartning (Hrsg.): Mensch und Raum. Darmstadt 1952, S. 167. 10 Vgl. z. B. P. Karmann: Die Wahrnehmung von baulich-räumlicher Umwelt bei Kindern. Frankfurt/M. u. a. 1986; M. Pfeffer: Schulgemeindliche Planung eines Grundschulgebäudes. In: Bildung und Erziehung 47 (1994), S. 37 56; P. Hübner: Kinder bauen ihre Schule. Stuttgart 2005; W. Mahlke/N. Schwarte: Raum für Kinder. Weinheim 1989; R. Quint: Raumerleben und Raumutopie. Ökologische Überlegungen zu den Entwürfen schulischer Wunschräume. Frankfurt/M. u. a. 1990. 11 Siehe dazu Hans Scharoun: Bauten, Texte, Entwürfe. Herausgegeben v. N. Pfankuch. Berlin 1974; H. Scharoun: Raum und Milieu der Schule. In: architektur wettbewerbe 31 (1961), S. 10 13. 12 Vgl. die sehr kritischen Bemerkungen dazu bei H. Kükelhaus: Unmenschliche Architektur. Von der Tierfabrik zur Lernanstalt. Köln, 51983. 13 Vgl. z. B. den Artikel zur Integrierten Gesamtschule Hannover-Roderbruch in: Bauwelt 66 (1975), S. 205. 14 P. Peters: Schulen zum Fürchten. In: Baumeister 77 (1980), S. 8 9. 15 Niedersächsisches Kultusministerium (Hrsg.): Schule kaputt. Hannover 1981; R. Klockhaus/B. Habermann-Morbey: Psychologie des Schulvandalismus, Göttingen 1986; W. Schoenig: Zerstörungen an unseren Schulen: Ursachen und Bewältigungsmöglichkeiten. In: Westermanns Pädagogische Beiträge 34 (1982), S. 538 543; A. P. Goldstein: The Psychology of Vandalism. New York 1996. Zur fehlenden Wohlichkeit der Schulbauten: Institut für Schulbau der Universität Stuttgart (Hrsg.): Untersuchungen zur Qualität gebauter Schulumwelt. Villingen 1977; B. Gollnow/V. Petersen: Neue Schulbauten. Architektonische Qualitäten und Nutzung an zehn Schulen. Eine empirische Untersuchung. Schulbauinstitut der Länder, Berlin 1976. 16 P. Peters: Nachfunktionalistischer Schulbau. In: Baumeister 79 (1982), S. 432 433 17

17 Abbildungen in W. Kroner: Architektur für Kinder. Stuttgart 1994 und Chr. Rittelmeyer: Schulbauten positiv gestalten. Wie Schüler Farben und Formen erleben. Wiesbaden 1994. Neben einigen problematischen Gestaltungsformen sind Beispiele einer pädagogisch reflektierten Schulbauplanung auch zu finden bei J. Watschinger und J. Kühlbacher (Hrsg.): Schularchitektur und neue Lernkultur. Bern 2007 sowie in dem Buch von R. Walden und S. Borrelbach: Schulen der Zukunft. Heidelberg 2002; ferner dazu auch F. Hammerer/A. Dolesch: Schul(um) bau kann gelingen. Ein interdisziplinäres Entwicklungsprojekt zur Optimierung schulischer Lernumgebungen und Erfahrungsräume. In: Erziehung und Unterricht 157 (2007), S. 529 545. 18 Ergänzend zu den zuvor genannten Büchern vgl.; A. Dreier u.a.: Grundschulen planen, bauen, neu gestalten. Empfehlungen für kindgerechte Lernumwelten. Frankfurt/M. 1999. 19 Zahlreiche Beispiele in einem Band der Wüstenrot Stiftung (Hrsg.): Schulen in Deutschland. Neubau und Revitalisierung. Stuttgart/Zürich 2004. Positive wie negative Beispiele auch in W. Kroner: Architektur für Kinder. Stuttgart 1994. 20 Aus: Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen Berlin (Hrsg.): Schulen für Berlin. Projekte der 90er Jahre. Berlin 1993. Ferner dazu auch: R. Walden: Architekturpsychologie: Schule, Hochschule und Bürogebäude der Zukunft. Lengerich u. a. 2008, S. 100ff. 21 In: Baumeister 94 (1997), S. 18. 22 Chr. Rittelmeyer: Schulbauten positiv gestalten. Wiesbaden 1994. 23 Die von Charles Jencks im Hinblick unter anderem auf das Frankfurter Architekturmuseum so benannte platonische Architektur kann insofern ihren Sinn im Gesamtensemble eines Schulbaus haben. Vgl. Ch. Jencks: Die Postmoderne. Der neue Klassizismus in Kunst und Architektur. Stuttgart 1987. 24 Vgl. z. B. P. Karmann: Die Wahrnehmung von baulich-räumlicher Umwelt bei Kindern. Frankfurt/M. u. a. 1986; J. Forster: Räume zum Lernen & Spielen. Untersuchungen zum Lebensumfeld Schulbau. Berlin 2000; R. Walden/S. Borrelbach: Schulen der Zukunft. Heidelberg 2002. 25 S. Higgins u. a. : The Impact of School Environments: A Literature Review. University of Newcastle (England). Herausgegeben vom Design Council, 34 Bow Street, London, WC2E 7 TDL, Großbritannien (2005). 26 G. I. Earthman: Prioritization of 31 Criteria for School Building Adequacy. American Civil Liberties Union Foundation of Maryland, Baltimore, MD 21212 (2004). Unter diesem Titel auch im Internet verfügbar (2005). 27 C. K. Tanner/A. Langford: The Importance of Interior Design Elements as They Relate to Student Outcomes (2003). Forschungsbericht der Universität von Georgia, 310 River s Crossing, Athens, GA 30602. Vgl. auch C. K. Tanner/J. Lackney: Educational Facilities Planning, Leadership, Architecture, and Management. Boston 2005. 28 R. Klockhaus/B. Habermann-Morbey: Psychologie des Schulvandalismus. Göttingen 1986. Für die USA vgl. ähnliche Forschungsresultate bei A. P. Goldstein: The Psychology of Vandalism. New York 1996. 29 Z. B. R. Kuller/C. Lindsten: Health and behavior of children in classrooms with and without windows. In: Journal of Environmental Psychology 12 (1992), S. 305 317; R. S. Ulrich: View through a window influences recovery from surgery. In: Science 224 (1984), S. 420 421; R. W. Blum/C. A. McNeely/P. M. Rinehart: Improving the odds. Forschungsbericht, Center of Adolescent Health and Development. University of Minnesota 2002; R.Ulrich u. a.: The Role of the Physical Environment in the Hospital of the 21st Century. Herausgegeben von der Robert Wood Johnson Foundation, 2004 (Internetausgabe). Schon in den 1970er Jahren haben allerdings Mediziner vor den nachgewiesenen gesundheitsschädlichen Wirkungen 18

permanenter Kunstlicht-Beleuchtung etwa in fensterlosen Klassenzimmern gewarnt ohne dass auf diese Warnungen gehört wurde, vgl. F. Hollwich/B. Dieckhoes: Die Wirkung von Tages- und Kunstlicht auf den tierischen und menschlichen Organismus. In: Fortschritte d. Medizin 90 (1972), S. 25 28. 30 Chr. Rittelmeyer: Schulbauten positiv gestalten. Wie Schüler Farben und Formen erleben. Wiesbaden 1994; ders.: Pädagogische Anthropologie des Leibes. Biologische Voraussetzungen der Bildung und Erziehung. Weinheim 2002, Kap. 2. ergänzend: Chr. Rittelmeyer: Anthropologisch-ästhesiologische Aspekte der Raumerfahrung. In: Mensch + Architektur Heft 42/43 (2003), S. 8 15; ders./p. Krappmann: Zur Sensomotorik der Schulbau-Wahrnehmung. In: Psychologie in Erziehung und Unterricht 41 (1994), S. 303 312. 31 G. I. Earthman: The Quality of School Buildings, Student Achievement, and Student Behavior. In: Bildung und Erziehung 52 (1999), S. 353 372. 32 Publicolor. 114 East 32nd Street, Suite 900, New York N. Y. 10016 (U.S.A.). 33 Z. B. R. Dunn u. a.: Light up their lives: A research on the effects of lighting on childrens achievement and behavior. In: The Reading Teacher 38 (1985), S. 863 869; A. Failey u. a.: The impact of color and lighting in schools. In: Council of Educational Facility Planners Journal 1979, S. 16 18; K. Engelbrecht: The Impact of Color on Learning. 2003: Internet-Bericht http:// web.archive.org/web/20040218065036/. Ferner zu diesem Thema auch: J. Pile: Color in Interior Design. New York 1997; F. H. Mahnke/ R.H.Mahnke: Color, Environment and Human Response. New York 1996. 34 Ergänzend zu bereits genannten Büchern hier einige weitere Hinweise: Chr. Day: Bauen für die Seele. Architektur im Einklang mit Mensch und Natur. Freiburg 1996; M. Freyer: Das Schulhaus. Entwicklungsetappen im Rahmen der Geschichte des Bauern- und Bürgerhauses sowie der Schulhygiene. Passau 1997; M. Göhlich: Die pädagogische Umgebung. Eine Geschichte des Schulraums seit dem Mittelalter. Weinheim 1994; M. Noack: Der Schulraum als Pädagogikum. Weinheim 1996; G. Reiß (Hrsg.): Schule und Stadt. Weinheim/München 1995; U. Chr. Maurer-Dietrich: Den Schulbau neu denken, fühlen und wollen. Dissertation Fakultät für Baukunde der Technischen Universität Eindhoven, 2007; R. Walden: Merkmale innovativer Schulbauten in Deutschland. In: K. Westphal (Hrsg.): Orte des Lernens. Beiträge zu einer Pädagogik des Raumes. Weinheim 2007, S. 121 134; F.-J. Jelich/H. Kemnitz (Hrsg.): Die pädagogische Gestaltung des Raums. Bad Heilbrunn 2003; G. Becker/J. Bilstein/E. Liebau (Hrsg.): Räume bilden. Seelze 1997; L. Wigger/N. Meder (Hrsg.): Raum und Räumlichkeit in der Pädagogik. Bielefeld 2002. 35 Abbildung in W. Kroner: Architektur für Kinder. Stuttgart/Zürich 1994, S. 92f. Vgl. als Kontrastbeispiel von Lern- und Lehrstrassen die Innenraumgestaltung in den Schulen von P. Hübner: Kinder bauen ihre Schule. Stuttgart 2005. 36 P. Blundell Jones: Peter Hübner. Bauen als sozialer Prozess. Building as a social process. Stuttgart 2007; P. Hübner: Kinder bauen ihre Schule. Stuttgart 2005. Zum Verständnis einer gestalteten Umgebung, die pädagogisch gehaltvolle Botschaften vermittelt, nicht nur im Baus, sondern auch in der Art der Feste, der Unterrichtsdramaturgie, der Charakteristik von Sportveranstaltungen, den künstlerischen Fächern usw., vgl. Chr. Rittelmeyer/H. Klünker: Lesen in der Bilderschrift der Empfindungen. Erziehung und Bildung in der klassischen griechischen Antike. Stuttgart 2005. 37 Düsseldorfer Stadtpost v. 18. 9. 2002; Rheinische Post vom v. 18. 9. 2002. 38 Tagesspiegel vom 27. 2. 1994. 19