Erster Lebendnachweis der Donau-Flussdeckelschnecke Viviparus acerosus (Bourguignat 1862) in Oberösterreich

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1 Lauterbornia 77: 1-7, D-86424 Dinkelscherben, 2014-07-07 Erster Lebendnachweis der Donau-Flussdeckelschnecke Viviparus acerosus (Bourguignat 1862) in Oberösterreich First living record of Viviparus acerosus (Bourguignat 1862) in Upper Austria Otto Moog, Alexander Reischütz und Viktor Zechmeister Mit 3 Abbildungen Keywords:Viviparus, Gastropoda, Mollusca, Danube, Austria, river, first record, endangerment, faunistics Schlagwörter: Viviparus, Gastropoda, Mollusca, Donau, Österreich, Fluss, Erstfund, Gefährdung, Faunistik Die ersten Lebendfunde von Viviparus acerosus in Oberösterreich schließen eine wissenschaftlich gut belegte Verbreitungslücke der Donau-Flussdeckelschnecke. Als Grund für das vormals disjunkte Vorkommen dieser oligorheophilen und wärmeliebenden Art wurde die limnologische Veränderung der Donau durch den Zutritt des abflussstärkeren, alpin geprägten Inn angesehen. Da ein bewusstes Aussetzen der Tiere im nicht frei zugänglichen voestalpine-hafen unwahrscheinlich ist, ist von einer aktiven Einwanderung bzw. einem Überleben nach passiver Verfrachtung durch Schiffe auszugehen. Die Möglichkeit, dass strömungsberuhigte Hafenanlagen entlang der sich in den vergangenen hundert Jahren kontinuierlich erwärmenden Donau mittlerweile geeignete Lebensbedingungen für diese Art bieten, ist nicht auszuschließen. The living records of Viviparus acerosus in the Upper Austrian Danube section close a historically well-documented distribution gap. The alpine limnological character of the large tributary River Inn was seen as a reason for the formerly disjunct distribution. The continuous increase of the Danube s water temperature in the last hundred years combined with favourable living conditions in stagnant harbour basins can be an explanation for the recent findings of the Danube River Snail. 1 Einleitung Das Hauptverbreitungsareal von Viviparus acerosus (Donau-Flussdeckelschnecke) ist das Donaugebiet flussabwärts von Wien. Isolierte Populationen sind bei der Geislinger Staustufe nahe Pfatter und bei Passau beschrieben, erstere ist aber bereits erloschen (Schulte & Weinzierl 1989, Falkner 1990). Im Pleistozän war die Art weiter in Westeuropa verbreitet (Glöer 2002). Stromaufwärts von Altenwörth bis in den Raum Passau (unterhalb des Staudammes Kachlet) wurde Viviparus acerosus rezent nicht lebend nachgewiesen (Frank 1988, Frank et al. 1990). Als Grund für das Fehlen von Viviparus acerosus in diesem Donau-Abschnitt wird die deutliche Änderung der limnologischen Charakteristik der Donau durch den bei Passau einmündenden Inn angesehen. Insbesondere die Trübefracht und die kühlere Wassertemperatur bewirken eine Rhithralisierung der Donau, die für eine Ausbreitung von Viviparus acerosus hinderlich wäre. Die vorliegend beschriebenen Funde stellen erste Lebendnachweise für Oberösterreich dar. 2 Untersuchungsgebiet Regattahafen Ottensheim Der etwa 2 km lange und durchschnittlich 150 m breite Altarm Ottensheim stellt den alten Lauf der regulierten Donau dar, der durch den Kraftwerksbau oberstromig abgetrennt wurde. Der bislang weitgehend nur mit monotonen blockwurfgesicherten Ufern versehene Altarm wurde 2006 im Zuge von Bauarbeiten für die Ruder-WM 2008 mit weit reichenden, kontinuierlichen Wasser-Land-Übergängen in Form von Schotterbänken strukturiert (Zauner &

2 Mühlbauer 2005). Nach Fertigstellung der Strukturierungsmaßnahmen weist der Altarm über weite Strecken naturnahe, flache Uferzonen auf. voestalpine-hafen Der voestalpine-hafen ist orographisch rechts bei Stromkilometer 2127 situiert. Der Hafen ist etwa 1,2 Kilometer lang, 140 Meter breit, hat einen rechteckigen Grundriss, weist betonierte Kaimauern auf und wird zum Be- und Entladen von Transportschiffen genutzt. Abb. 1: Fundstellen von Viviparus acerosus im voestalpine-hafen bei Linz Die Wassertiefe im Hafen beträgt 3,5 m bis max. 6 m. Die Hafenanlage ist durch den Hafenmund mit der Donau verbunden. Im Bereich des Hafenmundes befindet sich eine Druckluftsperre (siehe Untersuchungsstelle Nr. 5, Abb. 1). Dabei wird Luft in am Hafengrund befindliche gelochte Rohre gepresst, sodass entlang der Rohre eine Wasserwalze entsteht, die den Wasserspiegel quer zum Hafenmund anhebt. Dadurch kann bei einem etwaigen Unfall im Bereich des Hafens ein Austreten von aufschwimmenden Stoffen in die fließende Welle zurückgehalten werden. Durch den Werkshafen erfolgt auch ein Teil der Entwässerung des Betriebsgeländes. Dabei wird überwiegend Kühlwasser in den Hafen und in weiterer Folge in die Donau eingeleitet. Aufgrund dieser Kühlwassereinleitung weist der Hafen eine höhere Wassertemperatur als die Donau auf. Die mittlere Fließgeschwindigkeit im Hafen ist sehr gering und liegt bei maximal 0,01 m/s. Die Nachweise von Viviparus acerosus erfolgten an der orografisch linken Hafenseite an Untersuchungsstelle 4 (siehe Abb. 1).

3 3 Anlass der Untersuchung Die biologischen Probenentnahmen erfolgten auf Grundlage eines wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides vom Amt der Oö. Landesregierung und wurden von der voestalpine Stahl GmbH beauftragt. Im Rahmen einer Nachweisführung waren die "Biota anhand der Dreissena polymorpha" an unterschiedlichen Stellen im Großraum Linz zu untersuchen. Der Schwerpunkt der Untersuchungen lag auf einer Bestimmung des Schwermetallgehaltes der Muscheln. Durch das fast völlige Verschwinden der vorgesehenen Dreikantmuscheln mussten die mittlerweile massenhaft auftretende Corbicula fluminea (Körbchenmuscheln) befundet werden. Die Untersuchungen wurden von Dallinger et al. (in print) durchgeführt und konstatierten keinen auffälligen Gehalt an diversen Schwermetallen. Im Zuge dieser Aufsammlungen gelang der Fund lebender Exemplare von Viviparus acerosus. 4 Ergebnis Die Probenentnahme im Regattahafen Ottensheim erfolgte am 16.07.2012 auf Höhe von Stromkilometer 2145,6 am orographisch linken Ufer bei einem Ponton. Die Probenentnahme wurde von Christoph Macherhammer (Gerätetaucher), Otto Moog und Kevin Moog durchgeführt. Eine frische Leerschale von Viviparus acerosus wurde am Feinsediment des Hafengrundes gefunden und befand sich im Verband mit einer beachtlichen Menge von Leerschalen von Dreissena polymorpha. Am Ponton selbst konnten zahlreiche lebende Dreikantmuscheln beobachtet werden. Die erst 2008 im österreichischen Donauraum bei Linz nachgewiesene Dreissena bugensis (Quaggamuschel) wurde am Probentag nicht festgestellt (Moog et al. 2013). Am 14.07.2012 sammelten Taucher der Betriebsfeuerwehr der voestalpine im Zuge der ökologischen Beweissicherung drei lebende Exemplare von Viviparus acerosus vom Grunde des voestalpine-hafens bei Linz auf. Die Exemplare wurden ausschließlich im Bereich der Probenentnahmestelle 4 (siehe Abb. 1) gefunden und traten im Verband mit Corbicula fluminea auf, die stellenweise in sehr hoher Dichte den Hafengrund besiedelten. Bei einer weiteren Suche am Rand des Hafenbeckens am 18.07.2012 durch Otto und Kevin Moog konnten nur mehr vereinzelte Dreissena polymorpha entdeckt werden. Auffällig war, dass alle ausschließlich an schwer zugänglichen Stellen des Uferblockwurfes "versteckt" waren, möglicherweise ein Hinweis auf Raubdruck durch Wasservögel. Im gleichen Zeitraum wurden auch von Christoph Macherhammer, Otto Moog und Kevin Moog zahlreiche Proben am Grunde des Linzer Winterhafens und eines Donau-Altarmes bei Enghagen entnommen, die allerdings keine Nachweise von Viviparus acerosus ergaben. Die Artansprache wurde von dem Malakologen Peter L. Reischütz, Horn, NÖ, der auch die Fotografie anfertigte (Abb. 2), bestätigt. 5 Diskussion Der Nachweis von Viviparus acerosus im voestalpine-hafen ist bemerkenswert, da in Österreich die Art stark gefährdet ist (Reischütz & Reischütz 2007). A. Reischütz & P. L. Reischütz stellen 2007 fest: "Die Regulierung der Donau bedeutete einen riesigen Verlust an Habitaten für die Art. Der Rückgang in den letzten Jahren in Bezug auf die Individuenzahlen und Fundorte (im Korneuburger Becken, den Unterläufen der größeren Donauzubringer und in zahlreichen Nebenarmen der March konnte die Art nicht mehr nachgewiesen werden) erscheint äußerst bedenklich." Nach Fischer (2008) und Reischütz (2009) ist die Art in Österreich vom Aussterben bedroht.

4 Abb. 2: Viviparus acerosus aus dem voestalpine-hafen bei Linz (Originalgröße, unteres Exemplar 39,5 mm hoch) Der Lebendnachweis von Viviparus acerosus in Oberösterreich kann nun aus verschiedenen Blickpunkten betrachtet werden. An den Beginn der Überlegungen ist zunächst die Frage zu stellen, ob es sich hier 1) wirklich um den ersten Lebendnachweis handelt. Trifft dies zu, wäre 2) zu klären, ob die Art auf natürlichem Weg eingewandert ist, oder ob sie eingeschleppt bzw. ausgesetzt wurde, wie dies beispielsweise für niederländische Funde von V. acerosus belegt werden konnte (Soes et al. 2009). 3) wird man die Frage diskutieren müssen, ob der globale Klimawandel und die anthropogen verursachte Erwärmung der Donau (etwa durch Kühlwasser) hier eine Einwanderung begünstigten bzw. ob heutzutage 4) künstliche Gewässer wie Hafenanlagen als Ersatzlebensräume für verlorengegangene, kaum durchströmte Altarme angenommen werden. Was Punkt 1) anbelangt, wurde von zahlreichen Untersuchern V. acerosus noch nie im oberösterreichischen Donauabschnitt nachgewiesen. Der im November 1989 von Moog et al. (1991) und Waidbacher et al. (1991) erbrachte Nachweis im Unterwasser des Donau- Kraftwerks Jochenstein (Rückstaubereich des Donaukraftwerkes Aschach) wird nicht als Erstnachweis gewertet. Die Autoren hielten damals fest, dass nur abgeriebene und mit Transportschliffen versehene Leerschalen gefunden wurden, die aus dem Oberliegerbereich eingeschwemmt wurden und nicht mit den niederösterreichischen Vorkommen in Verbindung stehen. In einer zweiten Beweissicherung zum Anlass der Restrukturierung des Stauraumes Aschach aus den Jahren 1998/1999 wurde die Art trotz intensiver Suche nicht mehr gefunden (Baumgartner 1999, Zauner et al. 2001, Schmidt-Kloiber et al. 2002). Erst Gumpinger et al. (2008) schreiben: "Zudem wurden im gegenständlichen Bereich der Aschach Vorkommen der vom Aussterben bedrohten Gemeinen Flussmuschel Unio crassus sowie der gefährdeten Donau-Flussdeckelschnecke Viviparus acerosus gefunden". Sie zitieren dazu "Schauer & Lugmair in prep.". Diese beiden zitierten Autoren berichten als Lugmair & Schauer (2011) dazu: "Bei den Erhebungen wurden Vorkommen weiterer berichtenswerter aquatischer Molluskenarten entdeckt (allen voran Theodoxus fluviatilis, Unio crassus und Viviparus

5 contectus)". Die Art V. acerosus wird nicht erwähnt, sodass davon auszugehen ist, dass die Autoren für die Publikation der Berichtsdaten zu "Artenschutzprojekt Kleinfische und Neunaugen in Oberösterreich" das Material neuerlich überprüften und die "acerosus"- Bestimmung auf "contectus" revidierten. Ad 2). Ob Viviparus acerosus auf natürlichem Weg nach Oberösterreich eingewandert ist oder ob die Schnecken ausgesetzt wurden, kann nicht eindeutig geklärt werden. Gegen ein bewusstes Aussetzen spräche die Tatsache, dass der voestalpine-hafen in einem Betriebsgebiet liegt und für Privatpersonen nicht zugänglich ist. Der von uns erfolglos abgesuchte Linzer Winterhafen wäre hingegen für jedermann, auch mit einem Kraftfahrzeug, einfach erreichbar. Ad 3). Bedingt durch die zahlreichen Kühlwasser-Einleitungen und wohl auch infolge des Klimawandels wird in der Donau eine kontinuierliche Zunahme der Wassertemperatur beobachtet. Die Abbildung (Abb. 3) - verändert nach Moog et al. (2013) - zeigt, dass sich in den letzten hundert Jahren das Jahresmittel der Wassertemperatur um etwa 3 C erhöhte. Vor allem in den letzten beiden Jahrzehnten stieg die Temperatur in der Donau augenfällig an. Ohne die Temperaturvorliebe von V. acerosus näher diskutieren zu wollen, liegt der Schluss nahe, dass infolge der Klimaveränderung in dem vormals "alpin" geprägten Donauabschnitt unterhalb der Mündung des Inn nun auch für Viviparus acerosus eine geeignete Temperatur herrschen könnte. Der nur äußerst schwach durchströmte, fast stagnierende und durch Kühlwasser noch weiter aufgewärmte voestalpine-hafen bietet darüber hinaus noch bessere Strömungs- und Temperaturbedingungen für oligorheophile und wärmeliebende Organismen. Abb. 3: Jahresmittel der Wassertemperatur in der Donau (1901-2012)

6 Ad 4). Nachdem beide Fundorte in Hafenanlagen situiert sind, stellt sich auch die Frage, welchen Wert solche künstlichen Gewässerbereiche für die Organismen haben. Es steht außer Zweifel, dass durch die schutzwasserbaulichen Veränderungen der Donau (etwa Begradigung des Flusslaufes, Stabilisierung der Ufer durch Blockwürfe, Steinschlichtungen und Mauern, Abtrennung des Donaustroms von den Auen) die laterale Konnektivität stark herabgesetzt ist und stagnierende Augewässer ins Defizit geraten sind. Da Hafenanlagen der österreichischen Donau auch als Lebensraum von Großmuscheln belegt sind (Richtsfeld 2010), werden künftige Überlegungen den Wert von Häfen als Ersatzlebensräume gefährdeter Mollusken- Arten zum Thema haben. Diese Fragestellung ist auch im Zusammenhang mit der Forderung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie zur Definition und Einhaltung eines "guten ökologischen Potentials" künstlicher Wasserkörper zu sehen. Literatur Baumgartner, B. (1999): Makrozoobenthosfauna der Ufer- und Sohlhabitate im Stauwurzelbereich des Donaukraftwerkes Aschach.- Diplomarbeit Universität für Bodenkultur Wien: 87 pp. + XIX Anhänge Dallinger, R., O. Moog & V. Zechmeister (in prep.): Metal pollution remediation in the Danube river (Austria) traced by bioindication with freshwater clams Falkner, G. (1990): Binnenmollusken.- In, Fechter, R & G. Falkner, Weichtiere.- p. 112-280, Steinbachs Naturführer, (Mosaik Verlag) München Fischer, W. (2008): Beiträge zur Kenntnis der österreichischen Molluskenfauna XII. Zur Verbreitung der Gattung Viviparus Montfort 1810 (Gastropoda: Caenogastropoda) im Bereich des Donau-Marchgebietes östlich von Wien.- Nachrichtenblatt der Ersten Vorarlberger Malakologischen Gesellschaft 15: 57-61, Rankweil Frank, C. (1988): Die Mollusken (Gastropoda et Bivalvia) des österreichischen Donautales.- Soosiana 16: 69-182, Budapest Frank, C., J. Jungbluth & A. Richnovsky (1990): Die Mollusken der Donau vom Schwarzwald bis zum Schwarzen Meer (Eine monographische Darstellung).- 142 pp., (Akaprint) Budapest Glöer, P. (2002): Mollusca I. Süßwassergastropoden Nord- und Mitteleuropas: Bestimmungsschlüssel, Lebensweise, Verbreitung. 2. neubearb. Auflage.- In: F. Dahl (Begründer): Die Tierwelt Deutschlands und der angrenzenden Meeresteile nach ihren Merkmalen und nach ihrer Lebensweise 73. Teil, 327 pp., (ConchBooks) Hackenheim Gumpinger, C., C. Ratschan, M. Schauer, J. Wanzenböck & G. Zauner (2008): Artenschutzprojekt Kleinfische und Neunaugen in Oberösterreich. Bericht über das Projektjahr 2008. i.a. des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung, Abt. Naturschutz, Abt. Oberflächengewässerwirtschaft, Abt. Land- und Forstwirtschaft, Oberösterreichische Umweltanwaltschaft, Oberösterreichischer Naturschutzbund und Landesfischereiverband Oberösterreich, Wels: 116 pp. + Anhang Lugmair, A. & M. Schauer (2011): Wiederfund der Donau-Kahnschnecke Theodoxus danubialis danubialis (C. Pfeiffer 1828), sowie weitere berichtenswerte Funde aquatischer Mollusken in Oberösterreich.- Beiträge zur Naturkunde Oberösterreichs 21: 387-403, Linz Moog, O., P. Leitner & T. Huber (2013): Aquatische Wirbellose Neozoa in Österreich.- In: Ofenböck, G.- Aquatische Neobiota in Österreich - Stand 2013: 54-91.- Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, Wien Moog, O., H. Nesemann & H. Waidbacher (1991): Makrozoobenthos-Zönosen ausgewählter Standorte der Donau zwischen Strom-Km 2203 und 2170.- 5 pp.- Abstrakt Jahrestagung 1991 Deutsche Gesellschaft für Limnologie in Mondsee, Krefeld Reischütz, A. & P. L. Reischütz (2007): Rote Liste der Weichtiere (Mollusca) Österreichs. In.- Zulka, K. P.: Rote Listen gefährdeter Tiere Österreichs Teil 2: Kriechtiere, Lurche, Fische, Nachtfalter, Weichtiere.- Grüne Reihe 14(2): 363-433, (Böhlau Verlag) Wien Reischütz, P. L. (2009): Beiträge zur Molluskenfauna Niederösterreichs XXIII (= Phantome der österreichischen Malakofauna, 2). Bemerkungen zur Roten Liste der Weichtiere Österreichs, das Viviparus-Problem, sowie eine Artenliste der Süßwasser-Mollusken der Donauauen östlich von Wien.- Nachrichtenblatt der Ersten Vorarlberger Malakologischen Gesellschaft 16: 25-31, Rankweil Richtsfeld, F. W. J. (2010): Die wirbellose Bodenfauna oberösterreichischer Donauhäfen.- Diplomarbeit Universität für Bodenkultur, Wien: 113 pp. Schauer, M. & A. Lugmair (in prep.): siehe Lugmair, A. & M. Schauer (2011)

7 Schmidt-Kloiber, A., H. Nesemann, O. Moog, W. Graf & B. Baumgartner (2002): Recovery of benthic community in a restored section of the Austrian Danube. In: Brezeanu, G & R. Stiuca (eds): 34th Conference, International Association for Danube Research (IAD), 26.-30. August 2002, Tulcea, RO.- Limnological Report Vol. 34: 357-365, (Editura Academiei Romane) Bucharest Schulte, H. & A. Weinzierl (1989): Viviparus acerosus (Bourguignat) in der bayerischen Donau.- Heldia 1(5/6):192-193, München Soes, D. M., P. Glöer & A. J. de Winter (2009): Viviparus acerosus (Bourguignat, 1862) (Gastropoda: Viviparidae), a new exotic snail species for the Dutch fauna.- Aquatic Invasions 4(2): 373-375, Helsinki. Waidbacher, H., R. Zauner, H. Kovacek & O. Moog (1991): Fischökologische Studie Oberes Donautal.- 175 pp., Wasserstraßendirektion: Wien Zauner, G. & M. Mühlbauer (2005): Wasserbauliche Maßnahmen im Altarm Ottensheim Ruder-WM 2008 im Ottensheimer Altarm.- Technischer Bericht; Regattaverein Linz-Ottensheim Zauner, G., P. Pinka & O. Moog (2001): Pilotstudie Oberes Donautal.- Unveröffentlichte Studie im Auftrag der Wasserstraßendirektion: 132 pp. Anschriften der Autoren: Prof. Dr. Otto Moog, Universität für Bodenkultur, Institut für Hydrobiologie und Gewässermanagement, Max Emanuelstraße 17, A-1180 Wien, Österreich Mag. Alexander Reischütz, Puechhaimgasse 52, A-3580 Horn, Österreich Dipl.-Ing. Viktor Zechmeister, Bereich Umwelt, Umwelttechnisches Projektmanagement; voestalpine Stahl GmbH; voestalpine-straße 3, A-4020 Linz, Österreich Manuskripteingang: 2014-03-19 Angenommen: 2014-03-26