Rationelle Endodontie

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Transkript:

Rationelle Endodontie Das Sargenti-Konzept ( N2Methode ) neu vorgestellt Die Endodontie hat ihren festen Platz im Praxiskonzept einer erfolgreichen Praxis. In der universitären Ausbildung wird im großen und ganzen an den verschiedenen Orten ein einheitliches Procedere gelehrt, mit kleineren Abweichungen. Ein eher unbekanntes endodontisches Vorgehen ist eine Behandlung auf Grundlage des Sargenti-Konzeptes. Dieses Konzept ist in der Fachwelt umstritten. Damit Sie in die Diskussion einsteigen können, stellt Ihnen ein Kollege die Theorie und seine Praxiserfahrungen mit dem leicht modifizierten Sargenti-Konzept vor. Dr. Robert Teeuwen Verschiedene Wege werden beschritten, um das angestrebte Ziel, den Erhalt eines Zahnes, zu erreichen. Zahlreiche Verfahren der Kanalaufbereitung und der definitiven Versorgung des Wurzelkanals befinden sich in der Diskussion. Jede dieser Methoden wird wissenschaftlich begründet und eingehend beschrieben. Einzelfalldarstellungen in Fachorganen gibt es viele. Selbst Follow-up-Studien sind in der Literatur vielfältig vertreten. Ein Problem dabei ist, dass sich diese kaum miteinander vergleichen lassen, da die Untersuchungsmethoden zu solchen Studien nicht standardisiert sind. Theorie nach Sargenti Es folgt hier keine Erfolgsstudie, sondern es wird eine Methode beschrieben, die ich in meiner Praxis stets angewendet habe. Es handelt sich um die so genannte N2-Methode 1. Diese wurde von Sargenti Anfang der 50er Jahre entwickelt und beinhaltet die Verwendung des formaldehydhaltigen Würzelfüllmittels N2 sowie die Anwendung einer simplifizierten Endotechnik. Die Rationelle Endodontie nach Sargenti lässt sich wie folgt beschreiben: Verwendung nur des Reamers als einziges Kanalinstrument Favorisierung der maschinellen Kanalaufbereitung Kofferdam bei manueller Kanalaufbereitung Keinerlei Kanalspülungen Einbringen des Wurzelkanalzements N2 mittels Lentulo Eine reine Pastenfüllung ist ausreichend Reduktion der Sitzungszahl: - Vitalextirpation grundsätzlich nur in einer Sitzung - Konservative Gangrän-Behandlung in zwei bis drei Sitzungen - Gangrän-Behandlung in einer Sitzung durchführbar mit Hilfe des Anlegens einer künstlichen Fistel Der Wurzelkanalzement Die EU hat im Juni 1998 das N2 mit folgender Formel zugelassen (zertifiziert). 1 g N2 Pulver enthält: Zinkoxyd 650 mg Basisches Bismutnitrat 150 mg Basisches Bismutkarbonat 100 mg Paraformaldehyd 50 mg Titandioxyd 47,1 mg Rotes Eisenoxyd 1 mg Zinkstearat 0,75 mg Zinkazetat-Dihydrat 0,75 mg Gelbes Eisenoxyd 0,4 mg 1 g N2-Flüssigkeit enthält: Eugenol Erdnussöl Rosenöl Lavendelöl 770 mg 200 mg 18 mg 12 mg 1965 Staatsexamen in Bonn 1966 Promotion 1969 Niederlassung in eigener Praxis Seit 1972 mit Assistent arbeitend 1992 Erlangung der AES masterchip (AES = American endodontic Society) Seit 1994 Sozietät mit Sohn Dr. Ulrich Teeuwen Bis Ende 2000 an 16.000 bleibenden Zähnen eine Wurzelbehandlung mit N2 durchgeführt Vom Zeitpunkt der Praxisgründung im Jahr 1969 bis Ende 2000 habe ich die N2- Methode fast 16.000-mal zur Wurzelkanalbehandlung an bleibenden Zähnen angewendet. Die endodontische Tätigkeit meiner Mitarbeiter wurde von mir seit April 1972 überwacht, die sich dieser Methode mehr als 10.000-mal bedienten. Wissenschaftlich beobachtet habe ich meine endodontische Tätigkeit seit 1991. Das Studium einschlägiger Fachliteratur gehörte mit dazu. Die Angriffe der etablierten Lehre auf die Verwendung des Formaldehyds ist in der Literatur zurückzuverfolgen bis ins Jahr 1904, dem Jahr der Einführung von Buckleys Formokresol (= Trikresolformalin). Dieses Mittel wird immer noch in der Kinderzahnheilkunde zur VitA und MoA erfolgreich eingesetzt und läuft in der Erfolgssicherheit dem Ca(OH) 2 deutlich den Rang ab. 656

In unserer Praxis haben wir zur VitA/MoA fest angemischtes N2 verwendet. Der Erfolg war stets klinisch sicher. Fast nie kam in diesen Jahren ein Kind wegen Schmerzen nach VitA/MoA in die Praxis zurück. Eine enpassant-erfahrung mit Ca(OH) 2 für den gleichen Zweck bescherte uns klinische Misserfolge, so dass wir diesen Weg schnell wieder verließen. Eingedenk der ausschließlich positiven Erfahrung mit der N2-VitA an Milchmolaren zog ich den Schluss, dass N2 fest angemischt auch zur VitA an Permanentes eingesetzt werden könne, zumal ich den Erfolg mit entsprechender Literatur 2 belegen konnte. Procedere der VitA Die Kavität wird hochtourig unter Wasserkühlung exkaviert und die Pulpa bis leicht (1 mm) in die Kanaleingänge hinein ausgeräumt. Dann wird leicht trocken geblasen und fest angemischtes N2 eingebracht. Das Einbringen einer Kunststofffüllung setzt eine Unterfüllung voraus. Bei der N2-VitA von Permanentes ist allerdings dem Patienten mitzuteilen, dass der Zahn bis zu 36 Stunden lang teilweise heftig schmerzen wird (Rp: Schmerzmittel). Ähnlich wie mit Ca(OH) 2 kann über eine N2-VitA eine Apexfikation/Apexoneogenese bei Zähnen mit nicht abgeschlossenem Wurzelwachstum induziert werden. In ca. 30 Fällen kann dies röntgenologisch belegt werden. Simplizierte Endo- Technik nach Sargenti Die Verwendung einer Extirpationsnadel wird von Sargenti grundsätzlich abgelehnt, da dieses Instrument zu einem Abriss der Pulpa in unbekannter Tiefe führt. Die Extirpation geschieht in einem Arbeitsgang mit der Kanalaufbereitung. Diese wird im Sinne der step-back-technik nur mittels Reamer vollzogen. Im Vorgehen gelten hier uneingeschränkt die allseits bekannten Methoden von Initial über Master bis zum Final-Reamer. Die Verwendung von Feilen ist überflüssig. Nach Sargenti ist der Reamer allerdings vorzugsweise maschinell im Giromatic- Winkelstück einzusetzen. Mit dem Giromatic-Winkelstück in Verbindung mit maschinell betriebenen Reamern hat der Autor insbesondere im Molarenbereich gelegentlich gearbeitet. Ein Nachteil der Giromatic-Präparation ist eine Verkürzung der Arbeitslänge. Deshalb ist der Autor bei der maschinellen WK zu modernen Systemen mit Rotationsbegrenzung übergegangen (Sirius/HERO 642, Endo-Stepper). Erfolgt eine manuelle Kanalaufbereitung, ist nach der N2-Methode die Verwendung von Kofferdam obligat. Sargenti begründet den Einsatz des Kofferdams jedoch nur mit der Sicherheit für den Patienten, der vor dem Aspirieren resp. Herunterschlucken von entglittenen Wurzelkanalinstrumenten geschützt werden soll. Ein Spülen der Kanäle ist nicht notwendig. Eine Begründung hierfür liefert die Arbeitsweise des Reamers, der im Wurzelkanal bei der manuellen WK im Uhrzeigersinn gedreht wird und abgeschabtes Dentin und Detritus ausschließlich nur nach coronal befördert. Diese Arbeitsweise entspricht also der heutigen maschinellen Rotationsarbeitsweise. Auf Grund des leichten Druckes, der bei der Kanalaufbereitung auf den Reamer ausgeübt wird, lässt sich trotzdem ein gewisses Überpressen des abgeschabten Dentins über den Apex hinaus nicht ausschließen. Bei gangränösen Zähnen sollte dies möglichst minimiert werden, was dadurch erreicht wird, dass ein gangränöser Zahn wie folgt aufbereitet wird: Die coronalen 2/3 des Kanals werden zunächst vollständig präpariert und man arbeitet sich dann langsam apikalwärts vor. Keine Rolle spielt es, ob man manuell oder maschinelle vorgeht. Die Wurzelkanalaufbereitung und Wurzelkanalfüllung soll wie bei der etablierten Endotechnik 1 bis 2 mm vor dem radiologischen Apex enden. Auskunft darüber gibt eine Röntgenaufnahme. Wurde die Arbeitslänge korrekt gewählt, wird bei vitalen Zähnen in derselben Sitzung die N2-Wurzelkanalfüllung mittels Lentulo appliziert. Ein Vorteil des formaldehydhaltigen Präparates ist dabei, dass das Fomaldehyd hämostyptisch wirkt, also eine etwaige geringe Blutung zum Stillstand bringt. Nach Sargenti ist eine alleinige N2-Pasten-WF völlig ausreichend. Die Applikation von Guttaperchaspitzen würde nur ein schöneres Röntgenbild bewirken. Dieser Sichtweise kann ich mich nicht anschließen. Eine praxisinterne Recherche hat den sicheren Nachweis erbracht, dass eine qualitativ optimale WF bei gleichem WF-grad deutlich bessere Erfolgsergebnisse liefert als eine qualitativ unzureichende WF. Zwar wird eine reine Pasten- WF häufig qualitativ nicht zu bemängeln sein, aber über eine Pointverdichtung gelingt dies entschieden häufiger. Die konservative Gangrän-Behandlung empfiehlt Sargenti in zwei bis drei Sitzungen durchzuführen: in der ersten Sitzung 2/3 WK, in zweiter Sitzung vollständige WK, in dritter Sitzung N2-WF. Eventuell kann die WK in der ersten Sitzung sofort vollständig durchgeführt werden (Abb 7 9). TCM dient jeweils als Zwischeneinlage der Sitzungen. Die Einlage sollte wöchentlich gewechselt werden. TCM ist eine Mischung von N2 mit Terracortril- (Tetracyclin und Hydrocortison)Augentropfen. Dabei werden die N2-Tropfen mit der doppelten Menge Terracortril-Tropfen zusammengeführt (z. B. 2/4). TCM wird mit dem Lentulo in den präparierten Kanal eingebracht. Danach lässt man den Lentulo im umgekehrten Uhrzeigersinn mit Kanalwandkontakt laufen. Dadurch wird im Wesentlichen das N2 wieder aus dem Kanal herausbefördert und es bleibt eine mit TCM imprägnierte Kanalwand zurück ein Vorgang, der als coating bezeichnet wird. Das Coaten kann auch mit einem mit TCM beschickten Reamer erfolgen, der zunächst mit einer leichten Linksdrehung in den Kanal eingeführt wird. Mit einer Rechtsdrehung, die der 657

üblichen Reamer-Arbeitsweise entspricht, wird der Reamer wieder aus dem Kanal herausgenommen. Der gecoatete Kanal wird coronal mit einem Wattepellet abgedeckt und dann mit einem provisorischen Befestigungsmaterial verschlossen (Abb. 10 11). Voraussetzung für den Abschluss der konservativen Gangrän-Behandlung ist ein symptomfreier Zahn mit trockenem und geruchsfreiem Kanal. Abweichend von Sargenti habe ich vielfach konservative Gangrän-Behandlungen nach der N2- Methode in einer einzigen Sitzung durchgeführt auch in subakuten Fällen. Akute Exacerbationen gab es in 10 bis 15 Prozent der Fälle (Abb. 14 15). Sargenti empfiehlt zur Gangrän-Behandlung in einer Sitzung den Abschluss der Behandlung durch eine artifizielle Fistulation ( = Schroeder Lüftung), abzurechnen als Trep2 (Abb. 12 13). Mein übliches Vorgehen besteht in der Anlegung eines Schnittes: im Frontzahngebiet als Querschnitt über eine Zahnbreite, der ggf. erweitert werden kann, im Seitenzahngebiet als Aufklappungsschnitt. Nach Abschieben der Schleimhaut wird dann mittels Turbine und verlängertem Hartmetall- Rosen-Bohrer Brasseler (H1 014) der Periapex eröffnet. Im Molarenbereich sowie im Unterkiefer-Prämolarenbereich sollte die Fistulation aus Sicherheitsgründen mehr interradikulär erfolgen. Obwohl Sargenti bei stärkeren Überfüllungen eine ergänzende Kürettage empfiehlt, habe ich dies nahezu nie praktiziert. Die artifizielle Fistulation wird nicht nur zur einzeitigen Gangrän-Behandlung anstatt der WSR angewandt, sondern auch zur Prophylaxe/Therapie von Schmerzen nach Überfüllung eines vitalen Zahnes. An dieser Stelle sind einige Ausführungen zur Überfüllung einzubringen, die leider nicht immer vermeidbar ist. Nach Overdiek 3 löst eine über den Apex transportierte N2-Paste im frühen Zustand Gewebsirritationen aus, deren Ausmaße auch von der Lokalisation des Depots abhängen. Die beiden Extremfälle Einlagerung in die Kieferhöhle und Einpressung in den Mandibularkanal verhalten sich hier hinsichtlich ihrer Symptome unterschiedlich. Handelt es sich um geringfügige Mengen des Füllmittels, so können diese belassen werden, da im erhärteten Zustand das Material in klinisch vertretbarer Weise inkorporiert wird, im Laufe von Jahren sogar einen Abbau und Abtransport erfährt. Die Irritation der Kieferhöhlenschleimhaut kann die Basis für eine Sinusitis maxillaris oder sogar einer Aspergillose bilden. Wird tatsächlich in die Kieferhöhle hinein extrudiert, entwickelt sich keinerlei Schmerzsymptomatik, so dass etwaige Folgen u. U. erst nach Jahren bemerkt werden. Bei Überfüllung in den Canalis mandibularis treten unmittelbare Folgen 4 ein. Die N2-Überfüllung eines vitalen Zahnes löst eine Symptomatik aus, die über Aufbissbeschwerden bis hin zu Schmerzen reicht, die ihren Kulminationspunkt am 3. bis 5. Tag post WF erreicht. Der Patient ist auf die Folgeschmerzen nach überfüllter VitE aufmerksam zu machen und am besten mit der Verordnung eines Abb. 1: 19-jährige Patientin. Rö 36: vom 12.9.94: distale Wurzel: Apex fraglich, mesiale Wurzel: Granulom. Klinik: Schmerzen und vestibuläre Schwellung Abb. 2: Rö 36 vom 20.9.94 Nach der Wurzelkanalaufbereitung werden die Kanäle mit N2- Paste abgefüllt. Der distale Kanal ist überfüllt Abb. 3: Das klinische Bild vom 20.9.94 mit 2 Fistulationsöffnungen an der distalen Wurzel Abb. 4: Rö 36 vom 22.3.96 der N2-Überschuss ist resorbiert, beide Apices o.b. Abb. 5: Bei der gleichen Patientin aus Abb. 1-4 zeigt sich am 21.2.00 an 37 an zwei Wurzeln ein Granulom. Konservative Gangrän- Behandlung in einer einzigen Sitzung. Die WF scheint im Canalis mandibularis zu liegen. Die Patientin leidet eine Woche lang an heftigen Schmerzen, die am 26.2.00 nicht mehr bestehen Abb. 6: Rö vom 23.8.01 N2-Überschuss ist resorbiert. Beide Apices sind abgeheilt 658

Abb. 10: 51-jährige Patientin mit Fistel. Im Röntgenbild ist ein ausgedehntes Granulom an 45 zu erkennen. Es wird eine Trep1, eine WK (40/80) sowie eine Med. mit TCM (s. Abb. 11) am 15.6.92 vorgenommen Abb. 7: 38-jähriger Patient, Rö 12 vom 12.2.98 apikale Transparenz 10 x 13 mm. Es erfolgt die Trep1 und WK. Der Kanal wird offen gelassen. Am folgenden Tag wird eine medikamentöse Einlage mit TCM vorgenommen und das Cavum privisorisch verschlossen Abb. 8: Am 3.3. 98 wird die WK wiederholt wobei ein Reamer (55) 1 mm vor dem Apex fraktuiert. Es erfolgt die WF mit N2. Im letzten Millimeter des Kanals ist der TCM-Rest zu erkennen. Beachtenswert ist die Reossifikationstendenz nach 3-wöchiger TCM-Einlage Abb. 9: Rö-Kontrollbild vom 16.8.01 Schmerzmittels zu beruhigen. Eine Wurzelspitzenresektion resp. Extraktion wegen Überfüllung ist jedenfalls überflüssig. Eine Fistulation ist völlig ausreichend in unserer Praxis in jedem 5. Fall einer Überfüllung nach VitE (unter Belassung des Überschusses im Periapex). Eine WSR wird von Sargenti als obsolet betrachtet. Er lässt diese nur bei verlegtem Kanallumen in Verbindung mit einer Retro-WF zu, die mit fest angerührtem N2 durchgeführt werden kann in meiner Praxis seit 1992 ca. 130-mal. Die Erfolgsrate ist eingeschränkt, wie dies auch sonst in der Literatur für andere Retro-WFs beschrieben wird, insofern keine modernen Verfahren (ultraschall-präp. der Retrokavität, Op-Mikroskop) angewandt werden. Nicht im Sinne Sargentis, jedoch in Übereinstimmung mit Morse 5 und Weisz 6 habe ich in meiner Praxis gangränöse Zähne mit apikaler Rarefikation die regio apicalis ist hier ohnehin nicht intakt im Allgemeinen über den Apex hinaus instrumentiert mit der häufigen Folge einer Überfüllung und der therapeutischen Konsequenz einer artifiziellen Fistulation (Abb. 1-4). Abb. 11: Rö von TCM-Coating am 1.7.92, d.h. 2 Wochen nach Applikation Abb. 12: Das klinische Bild der Fistel am 15.6.92 Abb. 13: Das klinische Bild vom 1.7.92 zeigt, dass die Fistel fast verschwunden ist 659

Abb. 14: Aufnahme vom 1.7.92 TCM ersetzt durch N2-WF Fazit Mit Sicherheit verzögert überfülltes Material die Heilung. Das gilt für jedwedes überfülltes WF-Material. Häufig ist um das überfüllte Material radiologisch ein dunkler Saum zu erkennen, der im Schrifttum unterschiedlich bewertet wird: z. T. als Misserfolg, z. T. als Erfolg, z. T. als weiterhin zu beobachtender fraglicher Fall. Nach eigener Beobachtung verschwindet dieser dunkle Saum im Laufe der Zeit mit der Resorption des überfüllten N2. Eine definitive Erfolgsbeurteilung ist nach Überfüllung daher häufig erst nach Jahren möglich. Zusammenfassend habe ich in meiner Praxis die rationelle Endotechnik nach Sargenti bei gleichzeitig hoher Erfolgssicherheit als unverzichtbar erlebt. Abb. 15: Die Aufnahme vom 24.11.92 zeigt den Apex o.b. Dieser Zustand liegt bei weiteren Röntgenbildern, letztes Röntgenbild am 14.8.98, unverändert vor Die Literaturliste kann bei der Redaktion angefordert werden. Korrespondenzadresse: Dr. Robert Teeuwen Berliner Ring 98 52511 Geilenkirchen 660