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Transkript:

AACHEN - HÖCHST - UNTERREGENBACH - CORVEY ESSEN - KÖLN, ST. MARIA IM KAPITOL - H I L D E S H E I M, ST. MICHAEL - PADERBORN, B A RT H O L O M Ä U S K A P E L L E OTTMARSHEIM - SPEYER

KAPITA LE ALS M EILEN STEIN E AACHEN - HÖCHST - UNTERREGENBACH - CORVEY ESSEN - KÖLN, ST. MARIA IM KAPITOL - HILDES HEIM. ST. MICHAEL - PADERBORN, B A R T H O L O M Ä U S K A P E L L E OTTMARSHEIM - SPEYER Die Zeit vom Regierungsantritt Karls des Großen (768) bis gegen die Mitte des 11. Jahrh. zählt zu den wichtigen Abschnitten der deutschen Geschichte. In diesen drei Jahrhunderten wurden die Grundlagen für die europäische Entwicklung während des Mittelalters gelegt. Die germanischen Völker, im ehemaligen Strahlungskreis des römischen Reiches seßhaft geworden, nahmen die verbliebenen Formen römischer Lebensart, Kultur und Kunst auf, um sie zu verarbeiten und ein Neues, das Mittelalter, entstehen zu lassen. Diesen Vorgang Übernahme einer fremden Form, Wandlung und Neugestaltung will die folgende Arbeit anhand eines Beispiels, des spätantiken Kapitals und Kämpfersteins, veranschaulichen. Vier Zeichnungen sollen die Arbeitsweise der frühen Baumeister beim Entwurf derartiger Werkstücke erläutern. Der griechischen Antike war der Bogen wesensfremd, Waagrechte und Senkrechte prägten die Architektur. Der halbkreisförmige Bogen und das Gewölbe bildeten dagegen das wichtigste Element der römischen Reichskunst. Beide Auffassungen haben die altchristliche und frühe byzantinische Baukunst beeinflußt. Der Architrav als waagrechter Balken bestimmt den Raumeindruckvon Sta. Maria Maggiore in Rom, erbaut unter Papst Liberius (352 366), erneuert unter Papst Sixtus III. (432 440). Er liegt auf den Kapitälen der Studiosbasilika zu Konstantinopel (463), deckt das Erdgeschoß der Basilika San Lorenzo fuori le Mura in Rom aus der Zeit des Papstes Pelagius II. (579-590) und das der zwischen 527 und 536 von Kaiser Justinian erbauten Zentralkirche St. Sergius und Bachus. Auch dort, wo sich die Archivolte, der Rundbogen, als viel tragfähigeres Element durchgesetzt hatte, fiel es der Kunst Oberitaliens nicht leicht, sich vom waagrechten Balken über den Kapitälen zu lösen. So ruhen die Kämpfer der Triumphbogen von Sta. Maria Maggiore und St. Paul vor den Mauern in Rom (386 begonnen) auf Gebälkzwischenlagen. Ein gutes Beispiel für die Verwendung von Architrav und Archivolte nebeneinander bietet die Rotunde Sta. Constanza in Rom. Sie wurde als Grabmal für Constantina (gest. 354), Tochter Konstantins des Großen (324 37), und andere Angehörige der kaiserlichen Familie erbaut. Zwölf Rundbogen, die sich ihrerseits wieder auf zwölf Säulenpaare abstützen, tragen die Kuppel. Je zwei Säulen verbindet in radialer Richtung ein über den Kapitälen liegendes, reich profiliertes Gebälk. Nimmt man eine Säule weg und vereinfacht den Querschnitt des Gebälks, so ergibt sich der Aufbau von Säule, Kapitäl und Kämpfer der Aachener Pfalzkapelle. Im Strahlungsbereich der ravennatischen Kunst wurde der Gebälkrest zu einem Pyramidenstumpf umgeformt, der als steinmetzmäßig besonders sorgfältig bear- S. 1: Kapitale aus der Justinuskirche in Alt-Hoechst; S. 3 links: Kapitäl 2 aus Ravenna, S. Apollinare in Classe; S. 3 rechts: Kapitäl in Porec y

beiteter Kämpferstein über dem Kapital ruht und gleichsam als zweites Kapital in Erscheinung treten kann. Der Baumeister Karls des Großen hat in Aachen nicht die ravennatische Ausbildung dieses Kämpfersteins, sondern die ältere, weniger veränderte von Sta. Constanza in vereinfachter Form benützt. Wahrscheinlich konnte er sie von einem heute nicht mehr erhaltenen Rundbau übernehmen. Wie in Ravenna oder an dem zwischen 312 und 315 erbauten Konstantinsbogen, wo freistehende, nur vorgeblendete Säulen ein verkröpftes Gebälk tragen, und im Gegensatz zu Sta. Constanza, war der Kämpferstein dort ohne technische Bedeutung, lediglich Schmuckform. Der ravennatische Kämpferstein wurde später von anderen Meistern in Höchst am Main und Unterregenbach (Württ.) verwendet. i AACH E N Im Jahre 786 erlaubte Papst Hadrian (772 795) Karl d. Gr., Marmor und Mosaiken für den Bau der Aachener Pfalz aus Ravenna zu holen. Die Säulen der Pfalzkapelle und eine große Zahl der Kapitäle sind Spolien aus Oberitalien. Der Bau war wahrscheinlich schon vor dem Jahre 800 fertig. Die Weihe durch Papst Leo III. im Jahre 805 anläßlich seines Besuchs in Deutschland erlaubt keine Schlüsse aut die Bauzeit. Kaiser Karls Pfalzkapelle war nicht das einzige monumentale Bauwerk der karolingischen Zeit. Große Kirchen entstanden im ganzen Reich. Pippin, Karls Vater, begann 754 mit dem Neubau von St. Denis bei Paris; 775 wurde die Kirche von Karl vollendet. Angilbert, Staatsmann und Dichter am Kö-

nigshof, erbaute St. Riquier in Centula. Große Dome entstanden in den Städten am Rhein; Klosterkirchen von bisher nicht gekannten Ausmaßen in Fulda und Hersfeld, in Lorsch und St. Gallen. Dennoch kam der Pfalzkirche des großen Kaisers, gerade nach dem Zerfall des Karolingerreichs, als sich die Ottonen bemühten, das Reich zu neuem Glanz zu erwecken, immer erhöhte Bedeutung zu. Besonders die adeligen Damenstifte, oft von kaiserlichen Prinzessinnen aus ottonischem Hause geführt, pflegten die karolingischen Traditionen und versuchten, in ihren Stiftskirchen dieser Haltung Ausdruck zu verleihen (Essen, Köln). Die früheste Nachbildung der Aachener Pfalzkapelle mit achteckigem Kern und sechzehneckigem Umgang entstand um 900 zu Brügge. J'-SxH Von der als Grabkirche für Bischof Notker 992 geweihten Kirche St. Johann zu Lüttich, die über demselben Grundriß aufgeführt war, ist nur noch der Westbau erhalten. Besonders erwähnenswert sind der Westchor des Essener Münsters und die Stiftskirche zu Ottmarsheim im Elsaß als wenig veränderte Nachbildungen der Aachener Pfalzkapelle. Der letzte Bau dieser Art dürfte die wohl nach der Mitte des 11. Jh. erbaute Kirche St. Nikolaus auf dem Gelände der Pfalz zu Nymwegen sein. Die Fundamente ähnlicher Zentralbauten, auch über leicht abgeänderten Grundrissen (Sechseck, Zwölfeck, Zehneck, Zwanzigeck), konnten in Maizen bei Mecheln, Centula, Wimpfen und Groningen freigelegt werden. Doch nicht nur die Pfalzkapelle diente den Baumeistern der folgenden Generationen als Vorbild, auch Einzelheiten, insbesondere die großen Arkaden mit den eingestellten Säulen und diese selbst, wurden als Formen besonderer Repräsentation immer aufs neue benützt. HÖCHST AM MAIN Nach der Bauzeit geordnet folgt die Justinuskirche zu Frankfurt/M. Höchst auf die Aachener Pfalzkapelle. Bauherr der Höchster Basilika war sehr wahrscheinlich Erzbischof Otgar von Mainz (826 847). Er überführte nach den Urkunden aus Rom Reliquien des hl. Justinus in eine von ihm gebaute Kirche, die zwar namentlich nicht genannt wird; jedoch war Höchst 1090 im Besitz der Heiligenreliquien. 1090 erneuerte das Benediktinerkloster St. Alban zu Mainz die als verfallen bezeichnete Kirche. Wie weit die Erneuerungsarbeiten in den karolingischen Bestand eingriffen, ist nicht geklärt; daß die zehn korinthischen Kapitale mit den Kämpfersteinen ravennatischer Art aus der Zeit um 830 stammen, ist unbestritten. Essen, Blick in den Westchor der ehern. Damenstiftskirche (Münster)

Wie der von den Baumeistern verwendete Fuß beweist, wurde das Gebäude von einer oberitalienischen Hütte errichtet. Parallelen für die Kapitale sind aus Brescia und Verona bekannt. Besonders auffällig ist die straffe Rahmung der Eckvoluten; sie weist auf Vorbilder in Aquileia, Grado, Triest und Pula zurück. Die Akanthusblätter sind zu glatten, ledernen Lappen stilisiert. Das Ornament greift auch auf den Kämpferstein über, der mit die Fläche füllenden Zierformen bedeckt ist. In ihrer Gesamterscheinung wirken Kapitäle und Kämpfersteine zu glatt und zu sauber, mit äußerster handwerklicher Sorgfalt gearbeitet. Die glatte Art der Steinbehandlung kann als Zeitstil angesehen werden. Von der weiteren Entwicklung her beurteilt, sind Kämpfer und Kapitäle von fremden Steinmetzen gefertigt Fremdkörper geblieben. Die Säulen der Bogenreihen sind aus einzelnen Trommeln zusammengesetzt; an der obersten wurde der Halsring angearbeitet. Er gehört nicht zum Kapital, sondern zur Säule. Ganz folgerichtig setzt die Bemessungsfigur des Baumeisters, der die Kapitäle entworfen hat, auf dem Halsring an. Als Bemessungshilfe dienten gleichseitige Dreiecke. Die Dreieckseiten messen 2 1/ 2 Fuß. Die obere Kante der Kämpfersteine entspricht einer Dreieckseite, die Höhe der halben Höhe des dazugehörigen gleichseitigen Dreiecks. In das Kapital selbst sind zwei gleichseitige Dreiecke und Parallelen zu den Schwerlinien eingezeichnet. Auf diesem Weg bestimmte der Meister die Lage der Blattkränze. Cer Kämpferstein ist unten um ein Viertel dergesamtbreite eingedrückt, das Kapitäl um ein Zwölftel. Der Durchmesser des Säulenschafts beträgt zwei Fuß. Eine Einheit des Maßstabs entspricht 1/ 2 Fuß. Obere Breite des Kämpfersteins: 2 1/ 2 Fuß zu je 29,0 cm (0,725 m); Höhe des Kämpfersteins: 0,725 l/ß/4 = 0,314 m, gemessen 0,315 Höhe des Kapitäls: 0,725 1/ 3/2 = 0,628 m, gemessen 0,63 m. UNTERREGENBACH Unterhalb von Schloß und Stadt Langenburg (Württ.) liegt im Tal der Jagst der kleine Weiler Unterregenbach. Hier entdeckte man 1880 in der Krypta einer verschwundenen Basilika zwei Säulen mit jonisch / korinthischen Kompositkapitälen und zugehörigen, nur roh gearbeiteten Kämpfersteinen ravennatischer Form sowie zwei rechteckige Pfeiler mit in der Art der Kapitäle bearbeiteten Kämpfersteinen. Kapitäl in Alt-Hoechst (vgl. S. 1)

Haltung zum Ausdruck bringen sollte. Der Kämpferstein als mißverstandenes Gebälk verschwindet nicht ganz, er bleibt als Gesims oder dicke Kämpferplatte ein wesentliches Element der romanischen Kunst, in wenigen Fällen erreicht er die Abmessungen der Kapitäle, aber er gelangt niemals wieder zu einer ähnlichen Bedeutung wie in den dreihundert Jahren zwischen Karl dem Großen und Heinrich IV. Erst die Renaissance greift das Motiv Gebälk und Kapital aus dem Formenschatz der Antike erneut auf. Gebälk und Kapitäl sind nunmehr bis zum Ende des Klassizismus nur selten entbehrte Gestaltungselemente. Mit zunehmender Bewegung im Barock drängt das Gebälk immer stärker heraus, springt mehrmals verkröpft vor und zurück, so daß das Kapitäl selbst in den Hintergrund tritt und schließlich nur noch als Basis für die weit ausladende, stark in Erscheinung tretende Kämpferzone dient: Der Kämpfer wird zum Kapitäl und zum Spielplatz der Putten, die häufig auf dem weit vorkragenden Bauteil angeordnet sind. Die Geschichte der Aachener Kämpfer und Kapitäle zeigt, wie alte Formen zufällig einen völlig neuen, ungeahnten Wert als Symbol erhalten können, der bewirkt, daß ein konstruktiv überflüssiges und künstlerisch überholtes Gestaltungselement immer wieder benütztwird. Albrecht Kottmann Schrifttum: Vorromanische Kirchenbauten, Katalog der Denkmäler bis zum Ausgang der Ottonen, München 1966. Hanemann: Schloß Corvey, Höxter. Thümmler: Die karolingische Baukunst in Westfalen, in Karolingische und Ottonische Kunst, Wiesbaden 1957, S. 84 108. Fuchs: Zum Problem der Westwerke, in Karolingische und Ottonische Kunst, Wiesbaden 1957, S. 109 117. H. van Agt: Die Nikolauskapelle auf dem Valkhof zu Nymwegen, in Karolingische und Ottonische Kunst, Wiesbaden 1957, S. 179 192. Drogereit: Zur Einheit des Werden-Essener Kulturraumes, in Karolingische und Ottonische Kunst, Wiesbaden 1957, S. 60-83. - Vorromanische Kunst, Frankfurt/Innsbruck, 1965. - Kautzsch: Kämpfer und Kapitäle der Krypta zu Unterregenbach, in Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft, 1944, S. 85-92. - Kautzsch: Kapitälstudien, Studien zur spätantiken Kunstgeschichte, 9. Berlin und Leipzig 1936. - Albrecht Mann: Karolingische Kapitälplastik, in Karl der Große, Aachen 1965, S. 438/443 und S. 460/61. Vom Verfasser, Reg.-Baumeister A. Kottmann, stammen folgende Kunsthefte dieser Reihe (Schnell, Kleine Kunst- und Kirchenführer): Nr. 706 Hirsau im Schwarzwald; Nr. 737 Calw im Sohwarzwald; Nr. 783 Regiswindiskirche Lauffen; Nr. 826 Langobardische Baumeister in Lorsch und Hirsau; Nr. 844 Herrenalb; Nr. 864 Maßverhältnisse in Bauten der Hirsauer; Nr. 894 Maßverhältnisse in Zislerzienserbauten. Fotos: S. 1 Rudi Angenendt, Dortmund; S. 3 Fotoarchiv Kottmann; S. 6, 9, 12, 16 Foto d. Verf.; S. 7 Julius Henze, Höxter; S. 11 Hans Klocke, Paderborn; S. 14 Deutscher Kunstverlag, München-Berlin, Helga Schmidt-Glassner. Zeichnungen: Sämtliche Zeichnungen sind vom Verfasser. Kunstführer Nr. 951 1. Auflage 1970 Diese Kleinen Führer" werden für bedeutende Kirchen und wertvolle Bauten in Deutschland, Österreich, Italien, Frankreich, der Schweiz und den Beneluxstaaten herausgebracht (Herausgeber Dr. Hugo Schnell). Sie sind auch in laufender Subskription vierteljährlich zu beziehen. VERLAG SCHNELL & STEINER MÜNCHEN UND ZÜRICH Offizin Schnell & Steiner, Waldsassen