Die frühzeitliche Entwicklung unserer Hunde bis hin zum Jagdhund. Von der Domestikation bis zur Rassezucht

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Transkript:

Die frühzeitliche Entwicklung unserer Hunde bis hin zum Jagdhund Von der Domestikation bis zur Rassezucht Vorwort: Kein anderes Haustier weist eine derartige Rassevielfalt auf wie der Hund. Bei der Fédération Cynologique Internationale sind heute 341 Rassestandards deponiert. Solange der Hund vorwiegend ein Nutztier (Jagdhund, Hütehund) war, hielten sich die Abweichungen der Körper- und Schädelformen gegenüber dem Wolf in relativ engen Grenzen. Der anatomische Grundbauplan des hetzjagenden Caniden blieb weitgehend unverändert. Veränderungen des Skeletts, der Muskulatur, der Haut und der Haare sowie der inneren Organe konnten nur soweit toleriert werden, als sie die vom Hund geforderten Leistungen nicht beeinträchtigten. Dies änderte sich erst im Verlauf der Domestikation. Der Beginn der Domestikation: Seit rund 10.000 oder mehr Jahren begleitet der Hund den Menschen, und zwar, das beachten wir wohl meist zu wenig, während der ersten Jahrtausende nicht als Nutztier, sondern als sozialer Kumpan; denn irgendwelchen wirtschaftlichen Nutzen konnte der steinzeitliche Jäger aus der Hundezucht kaum ziehen. Wir können zumindest vermuten, dass zu Beginn der Domestikation des Wolfes kultisch-magische Vorstellungen eine Rolle spielten. Wolf und Mensch waren damals biologische Konkurrenten, sie ernährten sich weitgehend auf die gleiche Weise, und so ist es durchaus vorstellbar, dass der Mensch aus religiös-kultischen Gründen sich diesen für ihn wirtschaftlich nutzlosen Mitesser wenigstens in Zeiten großen Wildreichtums leisten konnten. Uralte Märchen und Sagen (ich erinnere an die altgermanische Sage der Edda sowie Romulus und Remus) weisen auf derartige, kultische Beziehungen zwischen Wolf und Mensch hin. Seiten des Menschen bestand wohl in jener Frühzeit eine gewisse Toleranz gegenüber anderen Arten, welche der naturverbundenen Jäger und Sammler der Steinzeit weit mehr als dies in späteren Kulturen der Fall war und bis heute ist im Tiere einen andere, gleichberechtigte Lebensform sehen ließ, mit der er sich auseinander zu setzten hatte, frei von Nutz- und Schädlingsgedanken. Der Wolf galt immer als Sinnbild der Stärke, als Beherrscher der Wälder und Wildnis, (Mexiko, Atztekenfrau säugt jungen Hund, 3700 v. Chr.) (diese Vorstellungen wirkten bis in die jüngste Zeit nach im Dritten Reich hieß der Befehlsstand in Ostpreußen wohl nicht zufällig Wolfsschanze ). Hatte der steinzeitliche Mensch ein größeres Beutetier erlegt, tauchten die Wölfe auf; sie umlagerten die Lagerstätten des Menschen und vertilgten die Abfälle, inklusive den menschlichen Kot (ein Verhalten, das dem Hund, zum Ärger vieler Hundehalter, bis auf den heutigen Tag geblieben ist). Aus der losen Verbindung als Abfallvertilger, als gelegentlich gezähmter Begleiter auf den Jagdzügen, erwuchs allmählich eine feste Lager- und Jagdgemeinschaft zwischen Wolf und Mensch. Eines Tages muss eine Wölfin ihre Welpen im Lager der Menschen zur Welt gebracht haben, und damit war der erste entscheidende Schritt in die Laufbahn des ersten Haustieres des Menschen getan. Es müssen wohl verschiedene Domestikationszentren angenommen werden. Älteste Knochenfunde, die eindeutig dem Haushund zugeordnet werden können, stammen aus Europa (Dänemark, Deutschland, England), aus Asien (Israel, Türkei, Persien, Japan) und aus Amerika. Es kann nicht angenommen werden, dass zwischen den Haushunden, die vor mehr als 10.000 Jahren im heutigen Irak und in Idaho lebten, irgendwelche verwandtschaftlichen Zusammenhänge bestanden. Als Folge der räumlich weit auseinander gelegenen Domestikationszentren kann man folglich annehmen, dass die anfänglich über viele Generationen getrennt gezüchteten Populationen genetische Unterschiede in bezug auf Genbestand und Chromosomenstrukturen aufwiesen. Die heutige Rassenvielfalt muss wohl auch unter diesem Gesichtspunkt verstanden werden.

-2- Voraussetzungen zur Domestikation: Zahm und domestiziert bedeuten nicht dasselbe. Zwar setzt Domestikation die Zähmung des Wildtieres voraus, aber das zahme Wildtier ist deswegen noch kein Haustier. Im Laufe seiner vieltausendjährigen Geschichte hat der Mensch viele Tiere gezähmt und zeitweilig innerhalb seiner Sippengemeinschaft gehalten und weitergezüchtet. Nur sehr wenige sind jedoch zu Haustieren geworden. Es müssen sowohl seitens des Tieres wie des Menschen gewisse Voraussetzungen gegeben sein, damit ein Wildtier zum Haustier werden kann. Die wesentlichste davon ist die soziale Gliederung seitens des aktiven wie des passiven Partners. Mit Ausnahme der Katze, die einen Sonderfall bildet, lebten alle Ahnen unserer heutigen Haustiere in Herden oder Rudeln, sie brachten also die Anerkennung einer sozialen Hierarchie, einer sozialen Rangordnung, angeborener maßen mit. Eine weitere Voraussetzung war die Gebundenheit an einen ziemlich eng begrenzten, individuellen Lebensraum, an ein Territorium. Dass nun aber gerade der Hund und die Katze die einzigen geblieben sind, die den engsten Wohnraum mit dem Menschen teilen dürfen, hängt damit zusammen, dass beide angeborener maßen ihren engsten Wohnbezirk sauber halten und als Fleischfresser nicht zu einer häufigen Kotabgabe gezwungen sind. Sie können deshalb zur Stubenreinheit erzogen werden. Der Rassebegriff: Die ersten Hundezüchter die von reinen Rassen sprachen, waren die adeligen Jäger im Mittelalter. Reinrassig war nach ihrer Meinung ein Hund, wenn er gut war, vor allem dann, wenn er eine einmal aufgenommene Spur rein hielt und sich nicht durch andere Spuren verleiten ließ. Gute Jagdhunde genossen denn auch ein hohes Ansehen, wie aus den alten germanischen Rechtsquellen deutlich ersichtlich ist. Die äußere Gestalt spielte vorläufig keine Rolle. Weil aber derartige reine Hunde häufig zur Zucht verwendet wurden und weil die Züchter auch vor engster Inzucht nicht zurückschreckten, vererbten diese Hunde nebst Ihrer Gebrauchstüchtigkeit auch ihrer körperlichen Merkmale, und es entstanden mehr oder weniger voneinander abgrenzbare Rassen. Gab es prähistorische Hunderassen? Wann ein erster Anfang einer Rassebildung stattfand wissen wir nicht. Sicher musste der Mensch im Mesolithikum bereits begonnen haben, Paarungen zwischen seinem Haustier und den überall vorkommenden Wölfen nach Möglichkeit zu verhindern, ansonsten wäre es ja gar nie zur Entstehung des Haushundes gekommen. Zudem praktizierte der Mensch vermutlich schon damals eine primitive Zuchtauslese, in dem er dafür sorgte, dass vor allem die zutraulichsten und anhänglichsten Tiere, die sich am besten in die menschliche Horde eingefügt hatten, zur Weiterzucht bevorzugt wurden. Sie wurden in erster Linie gefüttert und daran gehindert sich mit wildlebenden Wölfen zu paaren. Ein wesentlicher Schritt in Richtung Rassebildung fand sicher statt, als der Mensch vom nomadisierenden Jäger und Sammler zum sesshaften Ackerbauer (Höhlenmalerei Spanien, Albocacer) und Viehzüchter wurde. Es entstanden allmählich sog. Naturrassen, andere nennen sie auch Landrassen, d.h. Hundeformen die sich unter den gegebenen Lebensbedingungen und den Anforderungen, die der Mensch an sie stellte, durchzusetzen vermochten. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden durch den Torfabbau in Nordeuropa und dann vor allem durch die Juragewässerkorrektion in der Schweiz und die damit verbundene Seespiegelabsenkung eine Menge Reste von Tieren zutage gefördert, die in irgendeiner Weise in Beziehung zu den Menschen standen, sei es als Jagdbeute oder als Haustier. In dieselbe Zeit fällt das Erscheinen von Darwins Werk über die Entstehung der Arten. Die Frage um die Herkunft der Haustiere und ihre Entwicklung wurden zu einem wichtigen Forschungsgebiet. Die Mannigfaltigkeit des Fundgutes veranlasste den Basler Zoologen und Paläontologen Ludwig Rütimeyer zur Beschreibung mehrer prähistorischer Hunderassen (neolithische Hunde der Schweiz, Canis familiaris palustris). Gab es prähistorische Jagdhunde? Der Wolf konnte den Jägern und Sammlern keinen Schaden zufügen, denn sie besaßen keine Haustiere. Er wurde erst dann mit einem Feindbild versehen (das unberechtigter Weise bis heute gilt), als der Mensch zum sesshaften Tierzüchter und Ackerbauer geworden war und der Wolf ihn als Räuber von Haustieren schädigen konnte. Wann der Hund vom Menschen erstmals als Jagdgehilfe eingesetzt worden ist, wissen wir nicht. Sicher ist lediglich, dass die Domestikation des Hundes nicht mit der Absicht verbunden sein konnte, sich in ihm einen (Neolithische Höhlenmalerei Spanien) Jagdhelfer zu schaffen.

-3- Als solcher war der Wolf ja völlig untauglich, denn er verhält sich an der Jagdbeute selbst gegenüber seinen Rudelmitgliedern und noch mehr gegenüber seinen Konkurrenten und der Mensch war ja in einem solchen Falle Nahrungskonkurrent dermaßen aggressiv, dass der steinzeitliche Jäger kaum wagen konnte, sich einen Anteil an der Beute zu holen. Bis der Wolf so weit Hund geworden war, dass er eine Jagdbeute mehr oder weniger freiwillig mit dem Menschen teilte, müssen viele Wolf-Hunde-Generationen in der Obhut des Menschen aufgewachsen sein. E. Zimen hat geschrieben, die Frauen seinen die ersten Hundezüchter gewesen, weil sie ihre von Kot verschmutzten Kinder von ihnen reinigen ließen. Das sollen übrigens Massaifrauen in Ostafrika noch heute tun. Die Domestikation bedurfte einer generationenlangen selektiven Zucht, bei der nur diejenigen Wölfe zur Weiterzucht kamen, die am besten das wölfische Fluchtverhalten und die Aggression an der erlegten Beute (weitestgehend) abgelegt hatten. Erst als der Wolf auch bei ungewohnten Situationen nicht instinktiv die Flucht ergriffen und er den Menschen an einer Beute teilhaben ließ, konnte er als Jagdgehilfe eingesetzt werden doch da war er eben kein Wolf mehr sondern zum Hund geworden. Wann und wo dies zum ersten Mal geschah wissen wir nicht. Jagdszenen mit Hunden sind auf den Malereien in den altägyptischen Königsgräbern aus der Zeit zwischen 4200 bis 2800 v.chr., aber auch auf neolithischen Felszeichnungen im Tassili-Gebirge in Algerien sowie auf prähistorischen Felszeichnungen in Schweden zu sehen. In den Steppen lebende Völker brauchten zur Jagd rasche und ausdauernde Hetzhunde, und so finden wir überall dort windhundartige Hunde, die auf Sicht und nicht mit der Nase jagten (diese Veranlagung wird heutzutage bei dem eher zweifelhaften Vergnügen der Hunderennen immer noch in Form der vorauslaufenden Hasenattrappe ausgenutzt). Solche Hunde gab es vor mehr als 5000 Jahren vor unserer Zeitrechnung in Oberägypten, auf der arabischen Halbinsel, im iranischen Hochland sowie in der Mongolei. In vorwiegend bewaldeten Gebieten jagende Völker mussten Jagdhunde haben, die nicht auf Sicht jagten, sondern fähig waren, einer einmal aufgenommen Wildfährte über längere Strecken zu folgen. Hier entstanden laut jagende Laufhunde. Der Jagdhund im Klassischen Altertum und im Mittelalter: Die Aufteilung in Jagd-, Hüte- und Wachhunde war im Klassischen Altertum allgemein üblich; griechische Schriftsteller (Xenophon) berichten über die Jagd mit Wind- und Laufhunden, und römische Schriftsteller (Columella) beschreiben sehr ausführlich den Hüte- und Wachhund. In den germanischen Rechtssammlungen des 5.-9. Jahrhunderts werden jeweils bis sieben Jagdhunderassen aufgezählt. Dabei handelt es sich keineswegs um Rassen im heutigen Sinne; die Einteilung bezieht sich nur auf die Verwendung der Hunde bei der Jagd. So kennt etwa die Lex Bajuvariorum aus dem 7. Jahrhundert den Leithunt, den Triphunt, den Spurihunt, den Windhunt und den Hapuhunt (Habichtshund). Gute Jagdhunde genossen ein hohes Ansehen, deren Diebstahl oder Tötung erhebliche Strafen nach sich zogen. So bestimmt etwa das Burgundische Gesetz aus dem Jahre 502 folgendes: Wenn einer sich erfrecht, einen Wind-Leit- oder Laufhund zu stehlen, so befehlen wir, dass er in der Versammlung vor allem Volke den Hintern desselben küssen und dem Bestohlenen 5 Schilling und zur Busse 2 Schilling zahlen soll. Für einen Schilling konnte man damals ein Schwein oder 24 Hühner kaufen. Der Diebstahl kostete den also den Wert von sieben Schweinen oder 168 Hühnern. Der alte Leithund: Wohl die meisten Jagdhundrassen, die wir heute unter dem Sammelbegriff Bracken zusammenfassen, gehen auf die alten Keltenbracken zurück, wie sie uns Flavius Arrianus (von 131-136 römischer Statthalter in einer gallischen Provinz) in seinem Kynegeticus beschrieben hat. Er unterscheidet bereits zwischen Spür-(Lauf-)Hunden, die das Wild aufzuspüren hatten und den Hetzhunden (Windhunden), die dann den Hasen fangen und töten mussten. Die Spürhunde waren die Vorläufer unserer Laufhunde. Die besten wurden von den Heguisern gezüchtet, später Seguiser (Canis segusius). Diese Seguiser mögen bei der Entwicklung des mittelalterlichen Leithundes eine wesentliche Rolle gespielt haben. Der alte Leithund gilt allgemein als der Urahn des heutigen Schweißhundes. Eine der ersten Erwähnungen des Leithundes finden wir im Salischen Gesetz (Lex Salica) aus dem 5. Jahrhundert, in dem von einem Canis segusius magister canis die Rede ist. In der Lex Bajuvariorum aus dem 7. Jahrhundert finden wir den Leithund unter der Bezeichnung Canis seucem, quem Leithihunt vocant (Leithund genant), der deutlich vom Spurihunt, also dem lautjagenden Hetzhund, unterschieden wird.

-4- Der Leithund nahm unter den Jagdhunden als bald eine Sonderstellung ein. In der Lex Alamannorum wird das Töten eine Treibhundes mit 3-6 Schillingen, das Töten eines Leithundes jedoch mit 12 Schillingen gebüßt, dazu musste der Täter dem Geschädigten jeweils noch einen gleichwertigen Hund zur Verfügung stellen. Der männliche Leithund hieß damals in der Regel Sellmann oder Gesellmann, eine Hündin jedoch nannte man Hela oder Heila. Eine der ältesten Beschreibungen des Leithundes finden wir beim Dominikaner Albertus Magnus aus dem Jahre 1250: Unter den Leydthunden ist der aller edelst, der diss nachgeschriben zeichen an jene hat. Die oren sint jm lang und hangent, das mule und die naslöcher sint im wit geslytzt, der oberleffts hanget jme auch herab und syn stimm ist hell. Auch der swantz ist nit zu lang, und ist etwas krompt uff die rechten syten und er treyt jne über sich. Das arssloch ist hinten wit. Und wann man einen sölichen edeln leythind vindet, will man dann denn edel hund desselen gebers da von haben, so sol man suchen under jme eny hund und hüntin, die die ythgenanten zeichen des adels an jne haben und die ein ander an grösse, an gestalt, an farbe, an alter und an der sterck vast glich sint. Doch der farbe ist nit vil zu achten. Der Jagdschriftsteller Fleming beschreibt die Arbeit des Leithundes wie folgt: Gleichwie ein Kundschafter des Feindes Lager zu recognoscieren und von feindlichen Partien genaue Nachricht zu hinterbringen gebraucht wird, solches in der stille unvermercket zu observieren, damit ein Feldherr mit seinem Kriegsvolk desto füglicher sich danach richten könne, durch was vor ein Strategema er den Feind schlagen und den Sieg erhalten müsse; also wird bey dem Weydewerck eben auch der Leit-Hund zu solcher Funktion gebrauchet, das verborgene Wild durch denselben auszuforschen, wo es sich aufhalte, auf was Art demselben bezukommen, durch was von Zeug desselbe zu fangen und zu erlegen sey. Ist also nun dieses der edelste und vornehmste Hund, so bey dem Weydewerck gebrauchet wird. Und weil derselbe, Zeit währenden Gebrauches an einem langen Riemen, das Henge-Seil genannt, stets geführet oder geleitet wird, wird er Leit-Hund genannt. Aufgabe des Leithundes war es also den Standort des zu jagenden Wildes zu festzustellen oder zu bestätigen (oder zu erwaren wie es im Mittelalter hieß). Um den Hund zu zwingen mit tiefer Nase zu suchen, war man nicht zimperlich. Eine Anleitung dazu gibt uns wiederum Fleming: Einige Jäger blenden ihnen die Augen mit braunem Staub-Pultz, damit sie sich mehr auf die Nase zu suchen, als mit den Augen zu gucken verlassen können, weil ansonsten die Spuhr übergehen. Die Nasenlöcher mus man fleißig mit altem Käse reiben, dass sie denselben ablecken, also reinigen und en Geruch stärcken, damit sie nichts leichtlich von der Spuhr übergehen, sondern alles Anzeigen. Das Hochmittelalter: Die Jagd war das Vorrecht des freien Mannes, später nur noch des adeligen oder geistlichen Grundherrn; sie adelte auch den dazu gebrauchten Hund. Im Hochmittelalter (13. Jahrhundert) bestand die soziale Oberschicht aus dem Adel und dem hohen Klerus. Krieg, Jagd, Turniere und Gelage bildeten die Beschäftigung des Ritters. Vom Fürsten bis zum geringen Grafen, Freiherren oder Ritter hinunter lebte der Adel hinter festen Burgmauern; je größer der Ritter desto dicker die Mauern. Hier wurde eine gelenkte Jagdhundezucht betrieben und der Herr war darauf bedacht, dass seine adeligen Hunde von reiner Rasse sich nicht mit den Bauernhunden vermischen konnten. Die äußere Gestalt dieser reinrassigen Hunde spielte vorderhand keine große Rolle. Reinrassig waren sie, wenn sie vorzügliche Jäger waren. Wie bereits erwähnt war die rücksichtslose Innzuchtpraxis unter Verwendung eben dieser erfolgreichen Jagdhunde der Beginn des Entstehens voneinander abgrenzbarer Rassen. Die Ansicht, dass bestimmte körperliche Merkmale mit einer bestimmten Leistung gekoppelt seien, kam erst viele Generationen später auf (wie bspw. die Verbindung von lange Hängeohren mit einer guten Nasenleistung, oder eine überbaute Hinterhand mit der erfolgreichen Gebirgsjagd). Der Verschleiß an Hunden auf der Sauund Hirschjagd war groß. Der Hundebestand des adeligen Jägers mußte immer wieder aus den Beständen der Bauernhunde ergänzt werden. So lesen wir in einer Schrift aus dem Jahre 1719 über die zur Wildsaujagd gebrauchten Saurüden : Es pflegen bey denen Herrschaftlichen Aemtern die Fleischer, Schäffer oder Hirten öfters feine, mäßige, doch starcke und zottelige Hunde, so was hoch von Beinen sind, wegen des Viehs zu halten. Wenn nun solche Hunde nichts zu halten kosten, so werden diesselben kurtz vor der Schweins-Hatz-Zeit bey denen Untertanen dazu ausgesucht. Und weiter heißt es dann:...weil sie eben nicht teuer... ist es wenig schade, wenn sie von einem Schwein tot oder lahm geschlagen werden. Die Aufteilung der verschiedenen Jagdhunderassen war bereits im ausgehenden Mittelalter relativ weit fortgeschritten. Conrad Gesner schreibt in seinem Thierbuch aus dem Jahre 1563 bereits von folgenden Rassen: Windhund, Laufhund, Bluthund, Spürhund und der Leithund. Bekannt war Gesner auch bereits der Vorstehhund, auch wenn er ihn nicht namentlich erwähnt, aber dessen Jagdweise schildert; und dann waren da noch die Lochhündle, die in die Löcher schlieffend so die Füchs und Tachsen gegraben.

-5- Bekannt war Gesner auch der Spaniel und ein großer Wasserhund mit zotteligen Haaren und Löwenschur. Diese gesnersche Rassedifferenzierung stützte sich übrigens weitgehend auf den Leibarzt der Königin Elisabeth I. von England. Vom Mittelalter bis zur Neuzeit: Die Jagdhundezucht stand vor allem in Frankreich bis ins 18. Jahrhundert auf einem hohen Stand, doch dann machte die franz. Revolution vieles zunichte, was vordem während Jahrhunderten aufgebaut worden war. England blieb von diesen Revolutionswirren weitgehend verschont. Hier setzte sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts mehr und mehr der Gedanke durch, Hunde wie edle Pferde, stammbuchmäßig zu züchten, und mehr und mehr wurden nun nicht mehr nur der Gebrauchszweck, sondern das äußere Erscheinungsbild in den Vordergrund gestellt. Die ersten Hundeausstellungen kamen auf, es wurden Standards für die einzelnen Rassen verfaßt und die Zucht von Rassehunden war nun nicht mehr das ausschließliche Vorrecht des adeligen Gutsherren. Eine regelrechte Anglomanie der kontinentalen Hundezüchter schien bisweilen die kontinentalen Hunderassen zugunsten der englischen Rassen zu verdrängen, doch dann setzte gegen Ende des 19. Jahrhunderts auch auf dem Kontinent ein Gesinnungswechsel ein und vor allem in Frankreich und Deutschland kamen die fast schon vergessenen einheimischen (Janomami Frau säugt jungen Hund, 1985) Jagdhunderassen wieder zu Ehren (auch wenn sie - das sei nicht verschwiegen, vielfach mit englischem Blut gekreuzt wurden). SCHLUSSBEMERKUNG: Gerade der große zeitliche Bogen, der hier aufgespannt wird, verdeutlicht welches Kulturgut und folglich welche Verantwortung die Jagdhundezucht in sich birgt. Die Zukunft des reinrassigen Jagdhundes ist jedoch andererseits eng verbunden mit der Zukunft der Jagd an sich. Wenn es uns also nicht gelingt, entgegen vielerlei Widerstand im eigenen Lager, zusammen mit den Umweltschutzverbänden - Hand in Hand der katastrophalen Zerstörung unserer Umwelt Einhalt zu gebieten, wird es bereits im 21. Jahrhundert keine jagdbaren Wildbestände mehr geben und damit würde auch der Jagdhund seine Daseinsberechtigung verloren haben. Mit einem herzlichen Waidmanns Heil Volker Loibl Kähler Pressereferent des DWV [Quellennachweis: Flemming: Der vollkommene Teutsche Jäger, 1719 / Hans Räber: Enzyklopedie der Rassehunde, 1995 / Xenophon: Lárt de la Chasse, 1970 Übersetztung aus dem Griechischen / Gesner: Thierbuch, 1563 / Stebel: Die deutschen Hunde, 1905 / Beckmann: Die Rassen des Hundes, 1893]