Strahlentherapie. Seminar zum Fortgeschrittenenpraktikum Kern- und Teilchenphysik , Christian Breit. 1. Einführung

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Strahlentherapie Seminar zum Fortgeschrittenenpraktikum Kern- und Teilchenphysik 22.04.2013, Christian Breit 1. Einführung Krebs ist eine bösartige Entartung von Zellen, die sich unkontrolliert und häufig schnell vermehren. Dabei kann es zur Bildung von soliden Tumoren kommen. Die entarteten Zellen wachsen über Gewebebegrenzungen hinaus und können über Blutoder Lymphbahn streuen. Diese Erkrankung ist verantwortlich für 7,1 Millionen Todesfälle (2008) bzw. 13% aller Todesfälle weltweit. Bis 2030 wird seitens der WHO von einem Anstieg um 85% auf 13,1 Millionen Todesopfer ausgegangen, wobei für die Weltbevölkerung lediglich von einem Wachstum um 25% gegenüber 2008 ausgegangen wird. Dabei handelt es sich um kein Erste-Welt Problem : 70% der Todesfälle sind in Ländern mit mittleren oder geringen Einkommen. Eine Ursache dieser Erkrankung findet sich in Risikoverhalten, das Tabak- und Alkoholkonsum, vitaminarme Ernährung, Bewegungsarmut und Übergewicht umfasst. Etwa 30% aller Krebsfälle lassen sich darauf zurückführen. Eine weitere Ursache in ca. 20% der Fälle sind vorangegangene Virusinfekte (z.b. Humanes-Papilloma Virus). Erste Wahl zur Bekämpfung dieser Krankheit ist die Aufklärung über und die Anregung zur Meidung von Risikoverhalten. Um die Krankheit in einem möglichst frühen Stadium zu erkennen bedient man sich breit angelegten Screenings (z.b. Mammographie, Koloskopie). Therapeutische Instrumentarien sind die Chirurgie, die Chemo- oder schließlich die hier erörterte Strahlentherapie.

2. Physikalische Grundlagen Wechselwirkung von Strahlung und Materie (i) Photonenstrahlung Abb.1: Wechselwirkung von Photonen in Abhängigkeit der Energie Die drei wesentlichen Wechselwirkungseffekte von Photonen mit Materie sind der Photoeffekt, die Comptonstreuung und die Paarerzeugung. Für die Strahlentherapie interessant sind Energien von 4-24MeV. Bei diesen Energien dominiert der Comptoneffekt (s. Abb.1). Abb.2: Schematische Darstellung der Wechselwirkung von Photonen in Materie Wie in Abb.2 zu sehen ist unterliegen Photonen einer exponentiellen Abschwächung. In Materie tritt jedoch der sogenannte Dosisaufbaueffekt auf. Durch comptongestreute Sekundärelektronen kommt es dazu, dass die maximale Dosis bei Elektronen im hier

typischen Energiebereich in 8cm bis 12cm Tiefe abgegeben wird. Diesen Effekt nutzt man bewusst in der Strahlentherapie. (ii) Elektronenstrahlung Abb.3: Tiefendosisverteilung von Elektronen in Wasser Wie an Abb.3 zu sehen ist die Wechselwirkung von Elektronen mit Materie der der Photonen ähnlich, wobei der Dosisaufbaueffekt in diesem Maße nicht auftritt. Durch die insgesamt geringere Reichweite der Elektronen nutzt man diese Strahlenart therapeutisch vorwiegend für die Bestrahlung von Hautkrebs. Ein weiterer Unterschied ist die große laterale Ausdehnung des Strahls durch Vielfachstreuung. Quantitativ wird die Abschwächung von Elektronen durch die Bethe-Bloch-Formel für Elektronen beschrieben.

(iii) Protonen-/Schwerionenstrahlung Abb.4: Simulierte Tiefendosisverteilung von 150 MeV Protonen in Wasser Man erkennt, wenn man sich die Abschwächung von Protonen in Materie ansieht (Abb.4), dass es einen relativ langen, in seiner Länge energieabhängigen, Plateubereich gibt und ein Großteil der Dosis im sogenannten Bragg-Peak deponiert wird. Die Eindringtiefe ist dabei höher als die bei Elektronen und Photonen. Beschrieben wird die Abschwächung von Protonen in Materie durch die Bethe-Bloch- Formel für Protonen. Insgesamt lässt sich zur Protonen- bzw. Schwerionenstrahlung im Vergleich mit Photonen-/Elektronenstrahlung sagen, dass sie dichter ionisierend ist, d.h. auf gleicher Wegstrecke mehr Teilchen ionisiert werden. 3. Biochemische Grundlagen Target der ionisierenden Strahlung ist immer die DNA der Krebszellen, da diese eine hohe Teilungsrate bei gleichzeitig eingeschränkten Reparaturmechanismen aufweisen. Eine entsprechende Schädigung der DNA führt so zum programmierten Zelltod (Apoptose). Die direkte Strahlenwirkung -die Ionisation des DNA-Moleküls- spielt eine eher untergeordnete Rolle, wofür Größe der DNA und Stabilisierung selbiger durch DNA- Histon-Komplexe verantwortlich sind. Sie macht ca. 1/3 der gesamten Strahlungswirkung aus. Dabei kann es z.b. zur Rekombination von DNA-Radikalen untereinander kommen, die schließlich zum Zelltod führen. Die indirekte Strahlenwirkung schädigt die Zelle hauptsächlich über OH-Radikale, die durch Ionisation oder Anregung von Wassermolekülen (v.a. auch der Hydrathülle der DNA) entstehen und zu Einzel- oder Doppelastrangbrüchen, zu Badenschäden, zu DNA- Proteinquervernetzungen oder komplexen Denaturierungszonen führen.

4. Photonenstrahlung Zur Erzeugung von Photonenstrahlung werden Elektronen mittels eines Linearbeschleunigers beschleunigt und nach Umlenkung durch Magneten auf ein Wolfram- Target geschossen, wodurch charakteristische Bremsstrahlung erzeugt wird. Diese wird mit Hilfe eines weiteren Targets, bestehend aus einer Keramikplatte mit Metallkern, homogenisiert und anschließend durch eine Multi-leaf Blende (z.b. aus Bleiplatten) an die zu bestrahlende Geometrie angepasst. Zur Dosiskontrolle ist eine Ionisationsmesskammer vorhanden. Die Vorteile der Photonenstrahlung sind eine leichte Erzeugbarkeit, ein universelles Anwendungsspektrum und eine gute Studienlage zum Therapienutzen. Nachteile sind eine begrenzte Eindringtiefe und eine Strahlenbelastung gesunden Gewebes insbesondere bei hoher Eindringtiefe. Bezüglich der Anwendung lässt sich sagen, dass die Photonentherapie momentan Mittel der Wahl bei fast jeder Krebserkrankung ist, für die strahlentherapeutische Behandlung in Frage kommt. 5. Protonen-/Schwerionenstrahlung Eine Anlage zur Erzeugung von Protonen-/Schwerionenstrahlung ist in Abb.5 dargestellt. Die Protonen/Schwerionen werden erst durch einen Linearbeschleuniger (2) und anschließend ein Synchroton (2) auf ca. 0,75c beschleunigt und durch Magneten gebündelt. Es gibt Strahlenplätze mit (8) und ohne (5) Gantry (7), an denen die Therapie unter Röntgenkontrolle (6) durchgeführt wird. Das 670t schwere, in Submillimeterpräzision drehbare Gantry ermöglicht gegenüber den normalen Therapieplätzen durch Umlenkung des Strahls eine Bestrahlung aus verschiedenen Richtungen. Abb.5: Schematische Darstellung der Bestrahlungsanlage am Heidelberger Institut für Ionentherapie Vorteile der Protonenstrahlung sind die gute Dosisplatzierbarkeit auf Grund des Bragg- Peaks, die höhere biologische Wirksamkeit durch die relativ dichte Ionisation und eine

damit verbundene Schonung des gesunden Gewebes. Nachteile sind die aufwendige Erzeugung, die relativ schlechte Verfügbarkeit -so gibt es aktuell in Deutschland nur drei Zentren an den therapiert wird- und die hohen Behandlungskosten. Trotz der vielversprechenden Vorteile dieser Strahlenart wird die Protonenstrahlung aktuell nur für Chondrome in der Schädelbasis und Melanome in der Retina von Seiten der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie empfohlen. Erhofft wird sich ein Nutzen für die Behandlung von tiefer liegenden, beispielsweise im Bereich des Magen-Darm-Traktes, und langsam wachsenden bzw. hypoxischen Tumoren. 6. Anwendung und Fazit Zu Beginn einer Therapie ist es Aufgabe des Medizinphysikers in Zusammenarbeit mit einem Mediziner bildgestützt (meistens computertomographische Aufnahmen) die Bestrahlung zu planen (s. Abb.6). Mittel sind dabei die Vielfeldbestrahlung. also die Bestrahlung aus verschiedenen Richtungen. Außerdem ist es in manchen Fällen ratsam die Bestrahlung auf mehrere Sitzungen zu verteilen um eine höhere Gesamtdosis applizieren zu können und um dem gesunden Gewebe die Möglichkeit zu geben Strahlenschäden zu kompensieren. Die Akzelerierung ist ein Verkürzen eben dieser Sitzungsabstände bei schnell wachsenden Krebsarten, allerdings heben sich dadurch die Vorteile des Fraktionierens teilweise wieder auf. Abb.6: Bestrahlungsplanung eines Hirntumors für Photonen- und Protonenstrahlung Wie man in Abb. 6 nochmals sieht, ermöglicht die Protonentherapie eine schärfere Dosisplatzierung im erkrankten Gewebe. Insgesamt lässt sich jedoch kein klarer Goldstandard ausmachen, da zum einen die Studienlage zur Protonentherapie noch nicht ausreichend ist um klare Empfehlungen geben zu können und zum anderen es im Bereich der Photonentherapie Innovationen gab und gibt, die Nachteile dieser Technologie ausgleichen können. Insbesondere für Kinder, bei denen Strahlenschäden in gesundem Gewebe zu gravierenden Auswirkungen führen können, sowie langsam wachsende und scharf begrenzte Krebsarten verspricht die Protonentherapie jedoch deutliche Vorteile gegenüber der Behandlung mit Photonen.