Der Waschlappen des Reimemann

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Transkript:

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Jannik Böker Der Waschlappen des Reimemann Frieda war ganz außer sich und bleich wie ein weißes Bettlaken, als sie ihren Bruder endlich erreicht hatte. Nachdem sie kurz nach Luft geschnappt hatte, rief sie mit Tränen in den Augen: Henri, Henri, ich hab was ganz Schauriges gesehen! Henri war Friedas großer Bruder, und Frieda fand, er sei der mutigste Bruder auf der ganzen Welt. Als er sie so aufgeregt auf ihn zulaufen sah, nahm Henri seine kleine Schwester in den Arm und streichelte ihr über das Haar. Beruhig dich doch erst mal, Frieda, was ist denn passiert? Als Frieda sich beruhigt hatte, begann sie zu erzählen, was sie denn nun eigentlich Schauriges gesehen hatte. Henri, da ist irgendwas, da war so ein Geräusch, ein ganz gruseliges Geräusch. Bei dem Gedanken an das gruselige Geräusch bekam Frieda eine Gänsehaut und schauderte. Du bist ja ganz durcheinander, sagte Henri. Wo kam das Geräusch denn her? Frieda musste ein paar Mal tief ein- und ausatmen, bevor sie wieder etwas sagen konnte. Also ich war im Keller, und es war so dunkel, und da war dieses Geräusch, und es wurde lauter, und dann bin ich hierher gelaufen. Also hast du gar nichts Gruseliges gesehen, sondern nur ein Geräusch gehört? Henri musste fast lachen. Das war ganz bestimmt nichts Gruseliges. Bestimmt nur der alte Reimemann von unten. Der alte Reimemann von unten war Friedas und Henris Nachbar, und der war tatsächlich ein wenig gruselig. Er 5

hieß der alte Reimemann, weil er nur in Reimen sprach und, nun ja, er war alt. Der alte Reimemann hatte eine furchtbar lange, krumme Nase und seine Haut war grau wie Asche. Und da er auch noch eine krächzende Stimme hatte, die ein bisschen klang wie von einem Raben, war er ein ziemlich gruseliger alter Reimemann. Das war bestimmt nicht der alte Reimemann, ich kenn doch seine Stimme, sagte Frieda und machte ein beleidigtes Gesicht. Langsam kullerten ihr wieder Tränen über die Wange und da Henri es nicht mochte, wenn seine kleine Schwester weinte, bot er ihr an, mit ihr in den Keller zu gehen, und nach der Ursache des gruseligen Geräusches zu sehen. Also gingen sie hinunter und blieben vor der Kellertreppe stehen. Nun wurde Henri doch ein wenig mulmig zumute. Der Keller war immerhin recht dunkel und er konnte nicht aufhören, sich schreckliche Ungeheuer auszumalen, die ein solches Geräusch verursachten, das seine sonst so tapfere kleine Schwester zum Weinen brachte. Was ist los, hast du etwa doch Angst gekriegt?, flüsterte Frieda, die hinter ihrem Bruder stand und von einem Fuß auf den anderen trat, als müsste sie mal auf Toilette. Ich und Angst? Das glaubst du doch selbst nicht! Ich hab vor nichts und niemandem Angst. Henri war es natürlich peinlich, vor seiner kleinen Schwester zuzugeben, dass er tatsächlich ein wenig Angst hatte, also ging er mutigen Schrittes voran, die Treppe hinunter in das schummrige Licht des Kellers. Als sie unten angekommen waren, war nirgends etwas Unheimliches zu hören oder zu sehen Bis auf die Schatten, die sich in den Ecken verkriechen, meinte Frieda. Sie bestand darauf, dass sie weitergingen um die Ecke und um die nächste Ecke also gingen sie, bis sie vor einer verschlossenen Tür standen. Hier war ebenfalls nichts Gruseliges zu entdecken und gerade, als Henri anfangen wollte 6

sich über seine ängstliche kleine Schwester lustig zu machen, hörte er es. Dieses Geräusch war das Unheimlichste, was Henri je gehört hatte. Eigentlich war es gar nicht nur ein einzelnes Geräusch, vielmehr mehrere Geräusche gleichzeitig. Es klang ein wenig wie der Atem einer hustenden Kakerlake, wenn man eine hustende Kakerlake würde atmen hören können. Gleichzeitig klang es, als würde jemand mit scharfen Fingernägeln über eine Tafel kratzen und dabei mit einer kleinen Rassel einen unrhythmischen Rhythmus rasseln. Selbst dem mutigen Henri lief es bei diesem Geräusch kalt den Rücken hinunter. Das Schlimmste war: Es wurde immer lauter und Friedas Schluchzen und Weinen machte alles noch schlimmer. Henri nahm Frieda an der Hand und lief los, lief, um die erste Ecke, um die zweite Ecke, doch plötzlich stolperte Frieda und fiel. Das Geräusch wurde immer lauter, kam immer näher. Henri half seiner kleinen Schwester hoch und schubste sie in Richtung Treppe, als etwas Weiches auf seiner Schulter landete. Haare kitzelten seinen Nacken, aber es waren nicht seine eigenen. Er sah hoch, sah in das furchterfüllte und kreidebleiche Gesicht seiner kleinen Schwester, die auf etwas hinter ihm starrte. Langsam drehte er sich um und sah in ein riesiges Gesicht, das mit bunten Haaren bedeckt war: Er sah blaue Haare, rote, gelbe, grüne, orange und lila Haare. Die Augen des Wesens waren schwarz wie die Nacht und die Lippen weiß wie Friedas Gesicht. Eigentlich sieht das gar nicht so Furcht einflößend aus, vielleicht ist es ja harmlos, dachte Henri, gerade als das Wesen anfing zu brüllen. So laut, dass Frieda und Henri fast die Ohren abfielen. Es zeigte dabei eine Menge furchtbar spitzer, gelber Zähne und ein ekelhafter Gestank wehte Henry in sein Gesicht, sodass ihm übel wurde. Er wollte weglaufen, doch bis seine Beine anfingen, seinen Gedan- 7

ken zu gehorchen, hielt ihn das Wesen bereits mit seinen Krallen an der Schulter fest. LAUF! Lauf, Frieda, hol Hilfe, hol Mama und Papa! Lauf los!, schrie Henri verzweifelt, doch Frieda bewegte sich nicht, starrte wie hypnotisiert weiter auf das riesige Ungeheuer, das ihren großen Bruder festhielt und einfach nicht loslassen wollte. Dieser Moment kam Henri wie eine Ewigkeit vor, eine Ewigkeit, die nach einer weiteren Ewigkeit von einem lauten Krächzen unterbrochen wurde. Henri brauchte eine Weile, um zu verstehen, dass das Krächzen eine Stimme war, eine Stimme von einem Menschen, der in Reimen sprach und die von den Kellerwänden widerhallte: Bevor in die dunklen Tiefen eines Kellers ihr geht, in denen seit Jahren schon Monster riefen, und ein schrecklicher Gestank weht denn Zahnpasta, die kennen sie nicht, haben Angst vor den Menschen, selbst vor dir kleinem Wicht. Angst vor menschlichen Haaren, vor jedem menschlichen Schopf. So solltet ihr euch nur hinunterwagen, mit einem Waschlappen auf dem Kopf. Richtig. Es war der alte Reimemann, der nun langsam die Treppe hinunterging, seine lange, krumme Nase dicht vor Friedas Gesicht hielt und ihr einen nassen Waschlappen auf den Kopf legte. Als er das bei Henri wiederholte und alle einen Waschlappen auf dem Kopf trugen, beruhigte sich das Monster, setzte sich friedlich hin und trommelte mit seiner kleinen Rassel auf den Boden. Es gab dabei freudige Geräusche von sich, die Henri an Frieda erinnerten, als sie noch ein Baby war und einen neuen Schnuller bekommen hatte. 8