Intuition und Professionalität

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Transkript:

Bernd Schmid/ Christiane Gérard Intuition und Professionalität Systemische Transaktionsanalyse in Beratung und Therapie 2008 3

Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Carl-Auer Verlags: Prof. Dr. Rolf Arnold Prof. Dr. Dirk Baecker Prof. Dr. Ulrich Clement Prof. Dr. Jörg Fengler Dr. Barbara Heitger Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp Prof. Dr. Bruno Hildenbrand Prof. Dr. Karl L. Holtz Prof. Dr. Heiko Kleve Dr. Roswita Königswieser Prof. Dr. Jürgen Kriz Prof. Dr. Friedebert Kröger Dr. Tom Levold Dr. Kurt Ludewig Prof. Dr. Siegfried Mrochen Dr. Burkhard Peter Prof. Dr. Bernhard Pörksen Prof. Dr. Kersten Reich Prof. Dr. Wolf Ritscher Dr. Wilhelm Rotthaus Prof. Dr. Arist von Schlippe Dr. Gunther Schmidt Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt Jakob R. Schneider Prof. Dr. Jochen Schweitzer Prof. Dr. Fritz B. Simon Dr. Therese Steiner Prof. Dr. Helm Stierlin Karsten Trebesch Bernhard Trenkle Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler Prof. Dr. Reinhard Voß Dr. Gunthard Weber Prof. Dr. Rudolf Wimmer Prof. Dr. Michael Wirsching Über alle Rechte der deutschen Ausgabe verfügt Carl-Auer-Systeme Verlag und Verlagsbuchhandlung GmbH Heidelberg Fotomechanische Wiedergabe nur mit Genehmigung des Verlages Satz u. Grafik: Drißner-Design u. DTP, Meßstetten Umschlaggestaltung: Goebel/Riemer Printed in the Netherlands Druck und Bindung: Koninklijke Wöhrmann, Zutphen Erste Auflage 2008 ISBN: 978-3-89670-649-2 2008 Carl-Auer-Systeme, Heidelberg Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Informationen zu unserem gesamten Programm, unseren Autoren und zum Verlag finden Sie unter: www.carl-auer.de. Wenn Sie unseren Newsletter zu aktuellen Neuerscheinungen und anderen Neuigkeiten abonnieren möchten, schicken Sie einfach eine leere E-Mail an: carl-auer-info-on@carl-auer.de. Carl-Auer Verlag Häusserstraße 14 69115 Heidelberg Tel. 0 62 21-64 38 0 Fax 0 62 21-64 38 22 E-Mail: info@carl-auer.de 4

Vorwort Vorwort»Wo ist der Wind, wenn er nicht weht?«, lautete der Titel eines meiner früheren Bücher. Weshalb hat diese Frage für mich bis heute eine magische Ausstrahlung behalten? Es ist wohl die Doppelgesichtigkeit von Wirklichkeit, die wir nicht auflösen können und mit der wir gestaltend leben müssen: Einerseits sind Welt, Wirklichkeit und Leben real und unwiederbringlich einmalig und andererseits ein Universum von Möglichkeiten. Und wir sind mittendrin. In diesem Buch geht es um eine Professionalität, die unter vielfältigen Gesichtspunkten Sinn ergibt und die uns hilft, als Spielbälle der Strömungen einerseits und als verantwortlich Handelnde andererseits immer wieder Balancen zu finden. Es geht um Verständnisse, Haltungen, Konzepte und Methoden, die uns zu professioneller Würde verhelfen und dazu, praktische Kompetenz, menschliche Berührbarkeit und gesellschaftliche Verantwortung zueinanderzubringen. Viele haben als Wegbereiter, Lehrer, Kollegen und Schüler zur Entstehung dieses Buches beigetragen. Dabei sind Menschen aus verschiedenen gesellschaftlichen und professionellen Feldern zu Weggefährten und Freunden geworden. Ich wüsste nicht, wo anfangen und aufhören, würde ich versuchen, sie im Einzelnen nennen. Doch danke ich euch allen für euer Engagement, eure Wahrhaftigkeit und eure Verbundenheit. Hervorheben möchte ich drei Menschen, ohne die dieses Buches wohl kaum entstanden wäre. Da sind Beate Ch. Ulrich vom Carl-Auer Verlag, von der die Initiative stammt, meine Kollegin Christiane Gérard, durch deren Kompetenz aus einer Textansammlung ein Buch wurde, und Ingeborg Weidner, die als Lektorin des Instituts (im Zusammenspiel mit Uli Wetz, dem Lektor für den Carl-Auer Verlag) dem Rohmanuskript eine kunstgerechte Form gab. Ihnen allen verdanke ich, dass diese Ideen nun schwarz auf weiß zugänglich sind. Bernd Schmid Wiesloch, im Juni 2008 9

Einleitung Nehmen wir an, einer unserer Vorfahren trinkt an einer Quelle. Als er sich aufrichtet, sieht er sich einem Wolf gegenüber. Augenblicklich aktiviert sich bei ihm eine sehr komplexe Urteilsbildung, die sich unmittelbar in körperliche Aktivität umsetzt. Um zu wissen, was er tun muss, muss er jede Menge Informationen aufnehmen, analysieren und zu einem Urteil integrieren. Dazu gehört zum Beispiel die Frage nach den Motiven des Wolfes will er trinken oder jagen? Welche Reaktionen lösen vermutlich welche Reflexe bei ihm aus? Falls unser Vorfahr auf Bedrohung schließt, wie beurteilt er die Topografie des Ortes, und was schließt er aus den Positionen von Wolf und Mensch dort? Welche Bedingungen sind gegeben: Sprechen sie eher für Kampf, Flucht oder vorsichtiges Zurückziehen? Wie werden die eigenen Kräfte und zu erwägenden Vor- und Nachteile in einem Kampf eingeschätzt? Wie die des Wolfes? Ist eine Erstarrung in Nichthandeln ein angemessener Totstellreflex, oder wäre die sofortige Aktivität relativ ungefährlicher? Die Datenbereiche und -mengen, die hierzu herangezogen werden und das weitere Verhalten bestimmen könnten, können beliebig erweitert werden. Die Beurteilung muss jedoch ohne solche intellektuelle Kategorisierung blitzschnell erfolgen und direkt in Handeln umgesetzt werden. Zu den Begegnungen mit Wölfen unserer Zeit gehören immer komplexer werdende berufliche Herausforderungen und die Erwartung, sofort, entschlossen und dennoch intelligent handeln zu können. Dies wird zum Beispiel in der professionellen Beratung von Menschen oder Organisationen erwartet. Dort haben die Fachleute über eine eigene Beurteilung der Lage hinaus den Anspruch, Wegführer für andere Menschen in deren Gelände zu sein. Dieser Anspruch erfordert es in besonderem Maße, ihre eigene Orientierung und die Art und Weise, wie sie anderen orientierende Dienste leisten wollen, zum Gegenstand ihrer Betrachtung und Verantwortung zu machen. Ereignisse, Verknüpfungen und Zusammenhänge, die intuitiv als wesentlich für Begegnungen und Entwicklungen gesehen werden, werden von Denkschulen in Sprache und Konzepte gefasst. Diese entwickeln allerdings leicht ein Eigenleben, werden zu»selbstver- 10

ständlichkeiten«und häufig mit Realität gleichgesetzt. Dann können sie die Intuition eines Beraters in bestimmten Dimensionen schulen und ausrichten, aber auch verengen. Es ist eine Herausforderung für jeden Professionellen, in seiner Sprache, in seinen Konzepten und Vorgehensweisen»zu Hause zu sein«und sie dennoch als vorläufige Arbeitsmittel mit befragungswürdiger Aussage zur Disposition stellen zu können. Beratungsprozesse sollten die vielfältige Lebendigkeit menschlicher Wirklichkeiten, aber auch die Kräfte gesellschaftlicher Prozesse widerspiegeln. Andererseits muss Komplexität vereinfacht, in Begriffe oder Konzepte gefasst werden, so dass daraus Handlungsmöglichkeiten ablesbar und Methoden entwickelt werden können. Dies ist ein Drahtseilakt, der letztlich nur teilweise gelingen kann und daher ständig verbessert werden muss. All das in Demut anzunehmen und sich dennoch herausfordern zu lassen ist für Professionelle entscheidend. Man kann das den fragmentarischen Ansatz der Professionalität nennen:»ein Fragment ist ein Bruchstück, das beispielhaft für ein Ganzes steht. Über Kostproben kann das Ganze verstanden werden, ohne dass das Ganze je erreicht oder erfasst werden könnte.«1 Die neun Kapitel des Buches sind in diesem Sinne Pars pro Toto: Sie liefern Ideen, Impulse, Werkzeuge und Beispiele. Anhand ihrer kann jeder, der professionell in Sachen Beratung oder als Mitgestalter von Organisationen unterwegs ist, seine Professionalität reflektieren. Vieles wird am Beispiel der systemischen Transaktionsanalyse (TA) illustriert. Vorkenntnisse in TA sind jedoch nicht erforderlich. Von den dargestellten Überlegungen zur Professionalität kann jeder profitieren, der einer anspruchsvollen Tätigkeit in Organisationen bzw. einer beraterischen oder psychologischen Tätigkeit nachgeht, unabhängig davon, zu welchen Schulen oder Denkrichtungen er neigt. Im ersten Kapitel erläutert Bernd Schmid im Gespräch seinen professionellen Standort und den des Instituts für systemische Beratung, Wiesloch. Insbesondere wird spürbar, wie die Ausführungen dieses Buch aus jahrzehntelanger Auseinandersetzung mit Professionalität, 1 Zum fragmentarischen Ansatz und zu fragmentarischem Lernen siehe die Website des Instituts für systemische Beratung (ISB) unter: http://www.systemische-professionalitaet. de/isbweb/content/view/83/156/ [13.5.2008]. 11

der Transaktionsanalyse und systemischer Therapie bzw. Beratung erwachsen sind. 2 Im zweiten Kapitel geht es um Intuition, einen der zentralen Begriffe dieses Bandes. Intuition ist ein wesentliches Moment jeder erfolgreichen Tätigkeit. Wie elementar Intuition in menschlichen Beziehungen ist, kann man erkennen, wenn sie fehlt oder stark eingeschränkt ist, wie dies z. B. bei Autismus der Fall ist. Wenn zwei oder mehr Menschen (bzw. lebende Systeme) mit ihren jeweils eigenen Erlebnis-, Erfahrungs- und Denkwelten aneinanderankoppeln, ist immer Intuition im Spiel. Aus der Vielzahl möglicher Begegnungen, Inhalte und Qualitäten müssen die für einander wesentlichen bestimmt und abgestimmt werden. Im dritten Kapitel werden Kommunikationsmodelle beschrieben, die Intuition berücksichtigen. Sie legen vielschichtige Reflexionen darüber nahe, wie kommunikative Abstimmung geschieht und verbessert werden kann (Abschnitt 3.2 und 3.3). Milton Erickson fasste dies sinngemäß so: Glaube nie, durch deine Konzepte die Wirklichkeiten eines Gegenübers ganz fassen zu können. Es kann immer auch anders sein, und deine Aufgabe ist es, damit flexibel und kreativ umzugehen (vgl. Zeig 2006). Intuitive Vorgänge sind sowohl für Selbststeuerung nach innen wie auch für die Aufgabenbewältigung und Beziehungsgestaltung nach außen entscheidend. Gut versorgt und verantwortet, haben sie ein großes kokreatives Potenzial (Abschnitt 3.4). Das vierte Kapitel gibt einen Überblick über eine Reihe von bewährten Konzepten für Professionelle, die Bernd Schmid über die Jahre entwickelt hat, meist aufbauend auf Konzepten der TA. Hierzu gehören Fragen der Konstruktion von Wirklichkeiten, des Bezugsrahmens und der Wirklichkeitsstile ebenso wie der Umgang mit verantwortungsvermeidenden symbiotischen Beziehungen, Zwickmühlen oder mit Identitätsirrtümern und Antreibern. Im fünften Kapitel wird das Rollenmodell der TA ausführlicher dargestellt. Diese Erweiterung des Persönlichkeitsmodells der TA 2 Bernd Schmid hat als TA-Lehrtrainer viele Therapeuten und Berater wie auch Lehrtrainer und Supervisoren weitergebildet und hat bei der Entwicklung der Deutschen Gesellschaft für Transaktionsanalyse maßgebend mitgewirkt. Das von ihm ab 1984 aufgebaute Institut für systemische Beratung hat bis heute ca. 2000 Professionelle im Organisationsbereich in mindesten einjährigen Curricula weitergebildet. Für seine Beiträge zum systemischen Ansatz wurde er als Ehrenmitglied in die Systemische Gesellschaft berufen. 12

berücksichtigt den gesellschaftlichen Zusammenhang und ist für professionelles Arbeiten über psychologische Fragestellungen hinaus hilfreich. Die Persönlichkeit eines Menschen wird als das Bündel seiner Rollen, die er auf den Bühnen seiner Welten spielt, gesehen. So ist der systemische Zusammenhang zu gesellschaftlichen Inszenierungen schon durch die Definition von Persönlichkeit hergestellt. In Beziehungen können dadurch bruchlos Belange ganz verschiedener Professionen und Organisationen berücksichtigt werden. Um Beziehungen geht es auch im sechsten Kapitel. Beziehung wird als der Ort für schöpferische Wirklichkeitsgestaltung beschrieben. Dabei werden verbreitete Professionsgewohnheiten und ihre Wirklichkeitserzeugungen kritisch unter die Lupe genommen. Kokreative Beziehungen ermöglichen es, einerseits gemeinsam erfolgreich zu arbeiten und gesellschaftliche Verantwortung zu tragen sowie andererseits sich selbst zu verwirklichen und dem eigenen Dasein Sinn zu verleihen. Konzepte hierfür sollten den Brückenschlag zwischen privater Selbstverwirklichung und der Mitgestaltung gesellschaftlicher Verhältnisse erleichtern. Daher werden bewährte Ansätze wie etwa der von Viktor Frankl gewürdigt, aber auch um Perspektiven von Profession und Organisation ergänzt. Im siebten Kapitel wird ein didaktisches Schema für die Konzeption und Reflexion von Beratung aus systemischer Perspektive vorgestellt. Dieses Schema zeigt, wie Beobachtungen in der Beratung in ganz verschiedene Zusammenhänge gestellt werden können, was ganz verschiedene Vorgehensweisen auf unterschiedlichen Arbeitsebenen nahelegt. An einem fiktiven Fall wird illustriert, wie sich wenige Wirklichkeitsüberzeugungen vernetzen und zu einem bizarren Verhalten führen können. Vielleicht könnte man bei systemischer Beratung ohne die üblichen Krankheitsbilder und die daraus erwachsenden Therapien auskommen. Im achten Kapitel wird das Toblerone-Modell für professionelle Kompetenz vorgestellt. Dieses Modell steht seit Jahren für Perspektivenerweiterung in Supervisionen ganz allgemein und für deren Konsequenzen für die Weiterbildungs- und Prüfungskultur von Verbänden wie z. B. denen der TA. An einem Beispielfall aus dem Organisationsbereich wird illustriert, zu welchen Betrachtungen und Konsequenzen die Supervision mit diesem Modell führt. Professionelle Wirklichkeitserzeugung hat entscheidend mit der Weiterbildungskultur der Verbän- 13

de zu tun. Am Beispiel der TA werden Kulturelemente beschrieben, die eine offene, pluralistische, repressionsarme und doch verbindliche Verbandskultur bewirken sollen. Im neunten Kapitel werden drei Meilensteine in den Beiträgen Bernd Schmids zur Entwicklung der TA-Verbandskultur vorgestellt. Der erste (1986a) ist dem Zusammenhang von Intuition, Theorie und Sprache gewidmet. Dadurch sollte an die kreative und offene Atmosphäre der TA-Gründer-Jahre angeknüpft werden. Der zweite (1988a) plädiert dafür, das professionelle Selbstverständnis von gewachsenen Inhaltskonzepten und Methoden abzulösen, damit neue Entwicklungen in der Berufslandschaft in Kernkonzepten berücksichtigt und in das Selbstverständnis der Schule integriert werden können. Der dritte Beitrag zeigt auf, wie Wege aus immer noch unterschwellig durch Psychotherapie dominierten Professionsverständnissen in Richtung professionsübergreifender Ansätze aussehen könnten. Ein Glossar am Ende des Buches erläutert einige Konzepte der Transaktionsanalyse und einige von Bernd Schmids Denk- und Wortgestalten. Eine Übersicht über seine Schriften zur Transaktionsanalyse ermöglicht eine weiter gehende Orientierung. 14