BVSK-RECHT AKTUELL 2015 / KW 47 BVSK-Honorarbefragung ist geeignete Schätzgrundlage KG Berlin, Urteil vom 30.04.2015, AZ: 22 U 31/14 Der Kläger macht als Kfz-Sachverständiger Schadenersatzansprüche mehrerer Verkehrsunfallgeschädigter aus abgetretenem Recht geltend und verlangt von der Beklagten als Haftpflichtversicherung der jeweiligen Unfallgegner Zahlung seines restlichen Sachverständigenhonorars in Höhe von insgesamt 650,19. (weiter auf Seite 2) Zum Verweisungsrecht auf eine gleichwertige und günstigere Reparaturmöglichkeit im Prozess LG Köln, Urteil vom 06.01.2015, AZ: 11 S 411/12 Die Parteien streiten um restlichen Schadenersatz nach einem Verkehrsunfall. Der vom Kläger beauftragte Sachverständige hatte in seinem Gutachten Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt und Verbringungskosten berücksichtigt. (weiter auf Seite 4) Reparatur eines betriebseigenen Fahrzeugs AG Aschaffenburg, Urteil vom 22.09.2015, AZ: 126 C 2089/14 Die Klägerin (Inhaberin einer Reparaturwerkstatt) ließ einen unfallbedingt eingetretenen Schaden an einem betriebseigenen Fahrzeug in ihrer eigenen Werkstatt instand setzen. (weiter auf Seite 5) Strittige Mietwagenkosten Notwendigkeit der Anmietung AG Rastatt, Urteil vom 16.10.2015, AZ: 16 C 119/15 Der Kläger forderte vor dem AG Rastatt ausstehende Mietwagenkosten aus einem Verkehrsunfall vom 11.09.2014. Die Eintrittspflichtigkeit der Beklagten dem Grunde nach war unstreitig. Die beklagte Haftpflichtversicherung des Unfallgegners kürzte die Mietwagenkosten der Höhe nach. Von geforderten 771,86 (Fahrzeugklasse 7) wurden lediglich 215,00 bezahlt. Die Differenz machte der Kläger vor dem AG Rastatt geltend (weiter auf Seite 6) 1 / 7
BVSK-Honorarbefragung ist geeignete Schätzgrundlage KG Berlin, Urteil vom 30.04.2015, AZ: 22 U 31/14 Der Kläger macht als Kfz-Sachverständiger Schadenersatzansprüche mehrerer Verkehrsunfallgeschädigter aus abgetretenem Recht geltend und verlangt von der Beklagten als Haftpflichtversicherung der jeweiligen Unfallgegner Zahlung seines restlichen Sachverständigenhonorars in Höhe von insgesamt 650,19. Er wurde von den Geschädigten jeweils mit der Erstattung eines Schadengutachtens beauftragt und stellte nach Gutachtenerstattung sein Honorar in Rechnung. Dabei hatte es keine konkrete Honorarvereinbarung gegeben. Die Geschädigten traten ihre Schadenersatzforderungen gegen den jeweiligen Unfallgegner und dessen Versicherungsgesellschaft sicherungshalber an den Kläger ab. Der Kläger berechnete anhand der jeweils ermittelten Schadenhöhe sein Netto-Grundhonorar sowie diverse Nebenkostenpositionen (wie Fahrt- und Fotokosten, Schreibgebühren/Bürokosten, Porto/Telefon/EDV und Kalkulationskosten) zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer. Die Beklagte kürzte die Honorarforderung im Wesentlichen unter Berufung auf das HUK- Tableau. Nachdem das LG Berlin (Urteil vom 23.12.2013, AZ: 43 O 287/12) die Klage im Wesentlichen abgewiesen hatte, verfolgte der Kläger sein Begehr nun vor dem KG Berlin im Rahmen der Berufung weiter. Die Berufung hatte in der Sache Erfolg. Zunächst hielt das KG Berlin die rechtzeitig nachgereichte Abtretungserklärung für hinreichend bestimmt. Die Abtretung beschränkte sich konkret auf die Schadenposition der Sachverständigenkosten. Die enthaltenen Angaben über den Auftraggeber und den jeweiligen Schadentag waren zur eindeutigen Bestimmung der jeweiligen Forderungen ausreichend. Weiter ging das KG Berlin auch davon aus, dass es sich bei den geltend gemachten Sachverständigenkosten um erforderliche Kosten der Wiederherstellung handelt. In seinem Leitsatz führte das KG Berlin aus, dass die zur Schadenfeststellung erforderlichen Kosten eines Kfz-Sachverständigengutachtens zu den Kosten der Wiederherstellung nach 249 Abs. 2 S. 1 BGB gehören und vom Schädiger zu erstatten sind. Dabei kommt eine Erstattung ohnehin nur insoweit in Betracht, als der Geschädigte zur Zahlung verpflichtet ist. Wird keine Vereinbarung über die Höhe der Vergütung getroffen, gilt 632 Abs. 2 BGB. Diese übliche Vergütung ist in jedem Fall zu erstatten. Für die Feststellung, ob der geltend gemachte Betrag üblich ist, gilt 287 ZPO. Eine Absage erteilte der Senat der durch das LG Berlin vorgenommenen Kürzung der Sachverständigenkosten auf pauschal 15 % der jeweils gutachterlich ermittelten Schadensumme, da einer solchen Kürzung erforderliche tragfähige Anknüpfungspunkte fehlen. In dem von der Beklagten vorgelegten sogenannten HUK-Tableau sah der Senat keine tragfähige Schätzgrundlage, da diese je nach Schadensumme feste Honorarsätze enthält. Die übliche Vergütung der Kfz-Privatgutachter bewegt sich jedoch stets innerhalb einer gewissen Bandbreite. 2 / 7
Der Senat hielt hingegen die BVSK-Honorarbefragung für eine geeignete Schätzgrundlage sowohl für das Grundhonorar als auch für die Nebenkosten. Auch der BGH hat die BVSK- Honorarbefragung bei der Ermittlung der üblichen Vergütung nicht von vornherein als ungeeignete Schätzgrundlage angesehen. Da sich das vom Kläger berechnete Honorar innerhalb dieses branchenüblichen Vergütungsrahmens liegt, war es auch in voller Höhe zu erstatten. Das KG Berlin führt in seiner Entscheidung aus, dass es mit den Grundsätzen der Schadenschätzung nicht zu vereinbaren ist, die Sachverständigenkosten pauschal auf 15 % der jeweils gutachterlich ermittelten Schadensumme zu kürzen. Dieser Schätzung fehlen erforderliche tragfähige Anknüpfungspunkte. 3 / 7
Zum Verweisungsrecht auf eine gleichwertige und günstigere Reparaturmöglichkeit im Prozess LG Köln, Urteil vom 06.01.2015, AZ: 11 S 411/12 Die Parteien streiten um restlichen Schadenersatz nach einem Verkehrsunfall. Der vom Kläger beauftragte Sachverständige hatte in seinem Gutachten Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt und Verbringungskosten berücksichtigt. Der Kläger begehrt Abrechnung des Fahrzeugschadens auf fiktiver Basis. Die Beklagte kürzte die Reparaturkosten auf der Grundlage eines eigenen Prüfgutachtens und verwies den Kläger auf günstigere Stundenverrechnungssätze unter konkreter Benennung einer günstigeren Referenzwerkstatt im Prozess. Die Klage wurde vom AG Köln (Urteil vom 07.08.2012, AZ: 272 C 29/12) abgewiesen. Auch die vom Kläger hiergegen eingelegte Berufung hatte keinen Erfolg. Das LG Köln hielt die von der Beklagten vorgenommene Verweisung für zulässig. Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. Urteil vom 14.05.2013, AZ: VI ZR 320/12) darf der Schädiger den fiktiv abrechnenden Geschädigten unter Umständen noch im Rechtsstreit auf günstigere Reparaturmöglichkeiten in einer Referenzwerkstatt verweisen. Da vorliegend auch keine prozessualen Gründe (z.b. Verspätungsvorschriften) entgegenstanden, war die Verweisung im Prozess zulässig. Die Behauptung des Klägers, der Referenzbetrieb biete der Beklagten Sonderkonditionen an, konnte nicht hinreichend nachgewiesen werden. Der Vortrag, ein Schild mit Versicherungsnamen an der Wand der Reparaturwerkstatt impliziere bereits eine Sonderverbindung, genügt nicht, da sich hieraus keinerlei Anhaltspunkte für die Höhe der Stundenverrechnungssätze ergeben. Verbringungskosten waren fiktiv nicht zu erstatten, da der Referenzbetrieb über eine eigene Lackiererei verfügt und daher keine Verbringungskosten in Rechnung stellt. Nach der Auffassung des Gerichts bedarf es keines konkreten Kostenvoranschlages für eine ordnungsgemäße Verweisung. Der von der Beklagten vorgelegte Prüfbericht weist die in Frage stehenden Referenzbetriebe aus und enthält eine Vergleichsrechnung unter Zugrundelegung des gutachterlich vorgeschlagenen Reparaturweges und der in den Referenzwerkstätten verlangten Stundenverrechnungssätze. Da der Kläger keine sonstigen Gründe darlegen konnte, die ihm eine Verweisung unzumutbar machen, durfte er von der Beklagten auf die nachweislich gleich geeigneten und zumutbaren Reparaturmöglichkeiten verwiesen werden. Die Entscheidung LG Köln orientiert sich an den vom BGH aufgestellten Grundsätzen bezüglich des Zeitpunkts und der allgemeinen Zulässigkeit einer Verweisung auf günstigere Reparaturmöglichkeiten. 4 / 7
Reparatur eines betriebseigenen Fahrzeugs AG Aschaffenburg, Urteil vom 22.09.2015, AZ: 126 C 2089/14 Die Klägerin (Inhaberin einer Reparaturwerkstatt) ließ einen unfallbedingt eingetretenen Schaden an einem betriebseigenen Fahrzeug in ihrer eigenen Werkstatt instand setzen. Von den hierfür in Rechnung gestellten Kosten brachte die gegnerische Haftpflichtversicherung (Beklagte) eine Händlergewinnspanne in Höhe von 15 % in Abzug. Den Differenzbetrag machte die Klägerin vor dem AG Aschaffenburg klageweise geltend. Das AG Aschaffenburg entschied: Wenn die Werkstatt zum Zeitpunkt der Reparatur eines betriebseigenen Fahrzeugs auch durch Fremdaufträge ausreichend ausgelastet wäre, hat sie Anspruch auf den Schadenersatzbetrag, den sie bei Reparatur eines Kundenfahrzeugs erhalten hätte. Einem Geschädigten, der sich gewerbsmäßig mit der Instandsetzung und Wartung von Fahrzeugen befasst, sei es nicht zuzumuten, besondere Anstrengungen dort zu machen, wo das wirtschaftliche Ergebnis nicht ihm selbst, sondern dem Schädiger zu Gute kommt. Bezüglich der Darlegungs- und Beweislast ist das AG Aschaffenburg der Ansicht, es sei ausreichend, wenn die Werkstatt nur vorträgt, sie sei ausreichend ausgelastet gewesen. Nähere Einzelheiten seien lediglich dann erforderlich, wenn seitens der regulierungspflichtigen Haftpflichtversicherung substantiiert und nicht nur ins Blaue hinein vorgetragen wird, dass die Werkstatt zum Zeitpunkt der Eigenreparatur nicht ausgelastet gewesen sei. Es entspricht der herrschenden Rechtsprechung, dass eine Werkstatt, die zum Zeitpunkt der Reparatur eines betriebseigenen Fahrzeugs vollständig ausgelastet war, den vollen Schadenersatz beanspruchen kann und ein Unternehmergewinnabzug dann nicht gerechtfertigt ist. Nicht einheitlich ist die Rechtsprechung bezüglich der Frage, wer die volle Auslastung der Werkstatt zu beweisen hat. Das AG Aschaffenburg hält es für ausreichend, wenn die Werkstatt vorträgt, sie sei ausreichend ausgelastet gewesen. Für die Werkstatt, die ihre eigenen Fahrzeuge repariert, ist es empfehlenswert, gegenüber der gegnerischen Versicherung bei der Geltendmachung des Schadens vorsorglich Ausführungen zur Auslastung der Werkstatt zum Zeitpunkt der Reparatur des eigenen Fahrzeugs zu machen. 5 / 7
Strittige Mietwagenkosten Notwendigkeit der Anmietung AG Rastatt, Urteil vom 16.10.2015, AZ: 16 C 119/15 Der Kläger forderte vor dem AG Rastatt ausstehende Mietwagenkosten aus einem Verkehrsunfall vom 11.09.2014. Die Eintrittspflichtigkeit der Beklagten dem Grunde nach war unstreitig. Die beklagte Haftpflichtversicherung des Unfallgegners kürzte die Mietwagenkosten der Höhe nach. Von geforderten 771,86 (Fahrzeugklasse 7) wurden lediglich 215,00 bezahlt. Die Differenz machte der Kläger vor dem AG Rastatt geltend. Die Regulierung auf Beklagtenseite erfolgte im Hinblick auf die Notwendigkeit der Anmietung wie auf die Anmietdauer vorgerichtlich vorbehaltlos. Im Prozess behauptete jedoch der Beklagtenvertreter, der Kläger sei im Zeitraum der Anmietung von drei Tagen lediglich 65 km gefahren, was auch grundsätzlich zutraf. Dies entspreche der Entfernung vom Sitz des Autovermieters zum Wohnort des Klägers. Die Fahrten des Klägers hätten sich also darauf beschränkt, von der Autovermietung nach Hause und wieder zurück zu fahren. Demnach sei die Notwendigkeit der Anmietung zu bestreiten. Das AG Rastatt sah dies allerdings anders. Es schätzte anhand eines Mittelwertes zwischen Schwacke und Fraunhofer und sprach weitere Mietwagenkosten in Höhe von 206,77 zu. Das Urteil ist nicht mehr abänderbar. Bei der Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten folgt das AG Rastatt einem kritisch zu hinterfragenden Trend nämlich der Schätzung anhand eines Mittelwertes zwischen Schwacke und Fraunhofer. Zahlreiche Gerichte lehnen allerdings diese Methode die erforderlichen Mietwagenkosten zu schätzen als willkürlich und unwissenschaftlich ab. Durch die Heranziehung des Mittelwertes zweier für fehlerhaft gehaltener Schätzgrundlagen kann kein zutreffender Wert gebildet werden. Das Ergebnis hängt dann letztendlich vom Zufall ab. Interessant an der Entscheidung des AG Rastatt sind allerdings die Ausführungen zur Notwendigkeit der Anmietung. Zu den Einwendung auf Beklagtenseite, der Kläger wäre im Wesentlichen von der Autovermietung nach Hause und wieder zurück gefahren, stellte das AG Rastatt fest: Die Beklagte kann mit diesem Einwand nicht mehr gehört werden. Sie hat bereits vorgerichtlich auf die vom Kläger geltend gemachten Mietwagenkosten einen Betrag von 215,00 geleistet. Damit hat die Beklagte die Mietwagenkosten als einen ersatzfähigen Schadensposten anerkannt. Selbst wenn man das anders sähe, schuldete die Beklagte die Zahlung von Mietwagenkosten. Der Kläger hatte vor dem Unfallereignis einen PKW zur Verfügung. Er ist so zu stellen, als wäre der Unfall nicht geschehen. Dementsprechend steht ihm bis zur Reparatur seines eigenen PKW ein Mietfahrzeug zu. Unseres Erachtens zutreffend hält es das AG Rastatt für unerheblich, zu welchem Zwecke der Mietwagen genutzt wurde. Der Mietwagen kann also auch dann beansprucht werden, wenn er lediglich im Wesentlichen dazu dient, von der Autovermietung nach Hause und wieder zurück zu fahren. Das AG betont den sogenannten Grundsatz der Totalschadensrestitution. Danach ist der Geschädigte so zu stellen, wie er ohne das Unfallereignis stünde. Dann hätte er sein Fahrzeug egal zu welchem Zwecke allerdings täglich zur Verfügung. Des Weiteren betrachtete das AG Rastatt die vorbehaltlose Regulierung eines Teils der Mietwagenkosten als Anerkenntnis der grundsätzlichen Notwendigkeit der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs. 6 / 7
Auch diese des Urteils des AG Rastatt ist für die von Relevanz. Häufig wenden die Versicherer anwaltlich vertreten erst im Prozess ein, die Anmietung sei gar nicht notwendig gewesen dies obwohl die Versicherer vorgerichtlich vorbehaltlos regulierten und lediglich die Höhe der Mietwagenkosten monierten. Derartige Einwendungen sind unter Umständen im Prozess nicht mehr zulässig. So sieht es zumindest das AG Rastatt. 7 / 7